Das ging ja fix
Huch? Schon vorbei? Wer für die finale Episode darauf gehofft hatte, dass sich die Spielzeit der Claire- und Barry-Kampagnen mehr oder weniger die Waage halten würden, wird nach etwa 20 Minuten ähnlich dumm aus der Wäsche gucken wie ich: Nach einer dramatischen und von Trial & Error sowie Zeitdruck geprägten Flucht aus dem einstürzenden Turm erscheint bereits der Ergebnis-Bildschirm mit den üblichen Wertungen zur Trefferquote, Versuchen sowie der benötigten Zeit. Ernsthaft? Ich ahnte bereits Böses, doch Barry und Natalia ließen mich zum Glück nicht hängen. Im Gegenteil: Zwar lassen die unterirdischen Minengänge Erinnerungen an den etwas öden Gefängniskomplex des Einstiegs aufkommen, doch sorgt hier austretendes Gas und die mitunter panische Suche nach frischer Luft für den nötigen Kick im Labyrinth.
Von Claire und Moira hat man in der vierten Episode nicht mehr so viel.
Interessanter (und nostalgischer) erweist sich jedoch der Abschnitt im Herrenhaus. Herrenhaus? Ja, richtig gelesen! Klingt zwar bescheuert, aber unter der Mine findet sich tatsächlich noch ein Abschnitt, der sich zumindest hinsichtlich des Schauplatzes an den ersten Teil anlehnt – inklusive der typischen Schlüsselsuche sowie einem verborgenen Hightech-Labor für die Viren-Experimente. Bosskämpfe kommen ebenfalls nicht zu kurz und münden schließlich in einem dramatischen, klasse inszenierten Finale, das einem Resident Evil würdig ist. Und auch der Fan-Service kommt nicht zu kurz: Wenn Barry mit seiner fetten Magnum den XL-Boss ins Visier nimmt und vor dem Betätigen des Abzugs ein lässiges „Let me handle this“ über die Lippen bringt, denkt man mit einem gehörigen Anflug von Nostalgie an die erste Zombie-Begegnung im Spencer-Herrenhaus des ersten Resident Evil zurück – schön! Abgesehen davon, dass man das Spiel nicht gleich bei den Credits abschalten sollte, werden außerdem noch zwei Bonus-Episoden angeboten. Während „Die Prüfung“ inhaltlich einen Nebenschauplatz der Kampagne abdeckt, aber spielerisch mehr Gemeinsamkeiten mit dem Raid-Modus aufweist, befasst sich „Eine kleine Frau“ mit dem Experiment rund um Natalia und rückt bei der Suche nach Briefen vor allem die Schleichmechanik in den Mittelpunkt. Beides nette Ergänzungen, mehr aber auch nicht.
Die Kritik bleibt bestehen
Ja: Auch an einen Herrenhaus-Abschnitt wurde gedacht.
Obwohl sich die Kampagne vor allem in der zweiten und dritten Episode konstant gesteigert und der Koop-Ausrichtung einen zunehmenden Sinn gegeben hat, darf man trotz des würdigen Abschlusses und der ordentlichen Spielzeit von über zehn Stunden nicht die generellen Kritikpunkte vergessen, von denen ich die meisten bereits zum Test der ersten Episode angesprochen habe und die auch weiterhin Bestand haben. Wenn man bei Capcom wirklich zurück zu den Horror-Wurzeln gehen möchte, sollte man als Erstes diesen verdammten Koop-Gedanken über Bord kippen – zumindest, was die Kampagne angeht. Ja, Revelations 2 zeigt, dass es durchaus funktioniert, weil das Design gut darauf zugeschnitten wurde. Aber zum einen entfaltet sich der Spaß erst mit einem weiteren Mitspieler, der leider ausschließlich lokal am geteilten Bildschirm, nicht aber online mit einsteigen darf. Zum anderen ist es schwierig, in dieser Konstellation eine echte Horror-Atmosphäre mit Angstschweiß und Schockmomenten zu realisieren. Und obwohl ich die Aufgabenteilung zwischen Haupt- und Nebenfiguren insgesamt begrüße, hält sich meine Begeisterung in Grenzen, wenn ich mit Moira oder Natalia auf die Rolle als „Spürhund“ oder „Lampenträger“ festgenagelt werde.
"Let me handle this"
Im Solo-Spiel finde ich den Mitläufer sogar noch nerviger: Nicht nur, weil die KI hin und wieder unter Aussetzern leidet, sondern auch, weil mich der zwanghaft auferlegte Wechsel zwischen beiden Figuren und die damit verbundene Beeinträchtigung des Spielflusses stört. Hinzu kommt, dass die Fertigkeiten und das Währungsgedöns mit Edelsteinen in der Kampagne auf mich genauso deplatziert wirkt wie die Emblemsuche. Das alles wäre im angenehm motivierenden und auf Arcade getrimmten Raubzug-Modus sicher besser aufgehoben und deshalb plädiere ich in Zukunft auf die Auslagerung dieser Elemente, die ein Resident Evil im Rahmen einer Kampagne in meinen Augen einfach nicht braucht. Schön dagegen, dass das zu Beginn noch auffällige „Backtracking“, also der Besuch bereits bekannter Schauplätze, gegen Ende nachlässt und die beiden Duos individuellen Pfaden folgen. Übertrieben hat man es allerdings mit den gesicherten Kisten: Obwohl mir das System zum Knacken der Schlösser eigentlich ganz gut gefallen hat, weil es etwas andere Wege beschreitet, wurde es mir etwas zu inflationär eingesetzt, wenn ich gefühlt alle paar Minuten das gleiche Minispiel absolvieren muss. Und auch die zufällig Verteilung der Fundstücke stieß mir oft sauer auf und führte z.B. gegen Ende häufig zu einem Ungleichgewicht aus Ressourcen und den nötigen Flaschen zum Bau von Zweitwaffen im beschränkten Inventar. Über die durchwachsene deutsche Lokalisierung habe ich mich ebenfalls bereits im Test der ersten Episode ausgelassen. Mit der Zeit gewöhnt man sich zwar an die Stimmen und ich habe es sogar irgendwann geschafft, mich halbwegs mit ihnen zu arrangieren, aber trotzdem sind die englischen Sprecher auf jeden Fall die bessere Wahl.