Forza Motorsport 411.10.2011, Michael Krosta
Forza Motorsport 4

Special: Vergleich: Forza Motorsport 4 vs. Gran Turismo 5 SPEC 2.0

Fahrzeugauswahl:
Masse ist nicht unbedingt Klasse: Mit über 1000 Boliden bildet GT5 den größten Fuhrpark aller Zeiten, doch kommt diese große Zahl vor allem durch zig Modell-Variationen mit minimalen Design-Änderungen zustande. Zudem liegt der Schwerpunkt hier zu sehr auf japanischen Autobauern. Forza 4 bietet eine bessere Balance hinsichtlich der Hersteller und hat neben Oldtimern auch mehr aktuelle Modelle in der Garage. Die Abwesenheit von Porsche ist dagegen ein herber Verlust und der Ersatz in Form eines einsamen RUF-Modells ein schwacher Ersatz. Nervig ist hier zudem die immer noch (zu) hohe Anzahl an Rechtslenkern bei europäischen und amerikanischen Flitzern.

Fahrzeugmodelle:
GT5 hat mit seiner Auswahl an Premium-Fahrzeugen eindrucksvoll gezeigt, wie detailliert man Boliden in Videospielen mittlerweile modellieren kann. Ein Großteil des Fuhrparks bekommt mit dem jüngsten Update allerdings nur eine generische Cockpitansicht verpasst – immerhin besser als vorher, denn zum Start wurde bei den Standardwagen das Cockpit komplett gestrichen. Diese sollen übrigens vereinzelt gegen Premium-Varianten ausgetauscht werden. Das hat Forza 4 nicht nötig: Wie schon im Vorgänger werden von Anfang an alle Boliden mit der beliebten Innenansicht ausgestattet und können qualitativ mit den Premium-Wagen der Konkurrenz locker mithalten. Der neue Autovista-Modus zum Erkunden der extrem aufwändig modellierten Wagen ist jedoch auf eine Auswahl von knapp 30 Flitzern begrenzt.

Soundkulisse:
Leistungsfähige Sportwagen, die wie ein Staubsauger klingen? Reifen, die noch genau so quietschen wie in GT3? Genau mit diesen Problemen hat GT5 zu kämpfen. Zu selten röhren die Motoren so kernig, wie es sein sollte – die Soundeffekte (etwa bei Kollisionen) sind sogar völlig misslungen, während die Qualität der Motorenklänge immerhin zwischen sehr gut und furchtbar generisch schwankt. Anders bei Forza 4: Hier dröhnen die Maschinen herrlich aggressiv aus den Boxen, verändern beim Tuning den Klang und auch das Knacken des Getriebes sowie die quietschenden Reifen tragen spürbar zur Motorsportatmosphäre bei. Die Soundeffekte wirkten im letzten Teil gerade im Bereich der Kollisionen und Unfälle aber insgesamt einen Tick wuchtiger, dafür klingen die Motoren besser als jemals zuvor.

Streckenangebot:
Zwar ist das Angebot von Forza 4 und GT5 über weite Strecken identisch, doch fährt Polyphony mit imposanten Staubpisten, grandiosen Stadtkursen, zig Variationen (z.B. Nürburgring-Layouts) und den bewährten Originalstrecken (Trial Mountain & Co) deutlich mehr auf als die Konkurrenz. Zudem bewegt man sich hinsichtlich der Streckenführung etwas näher an der Realität. Turn 10 holt mit Neuzugängen wie dem fantastisch umgesetzten Kurs in den Berner Alpen zwar auf, doch wurde mit New York der einzige Stadtkurs der Serie gestrichen. Zudem vermisst man einige Klassiker wie z.B. Donington, Monza oder Monaco im Repertoire, auch wenn der Hockenheimring seinen Einstand feiert. Insgesamt ein klarer Sieg für Gran Turismo 5.

Karriere:
Die Karriere zählt weder bei GT5 noch bei Forza 4 zu den Glanzlichtern, da das Abklappern von kurzen Events mit der Zeit relativ schnell öde wird. Klassische Meisterschaften mit Quali & Co gibt es offline bei keinem der beiden. Das Rangsystem in Forza 4 lässt sich dank Aufschlüsselung besser nachvollziehen als bei GT5 – neue Rangabzeichen sorgen außerdem für Motivation. Bezüglich der Fahrzeugauswahl hat man im Forza-Universum (fast) völlige Freiheit – dafür werden Strecken und Events innerhalb der Welt-Tournee jetzt vorgegeben. Das automatische Tuning erweist sich als komfortabel. Großer Nachteil: Die Welt-Tournee ist aufgrund der automatischen KI-Anpassung viel zu leicht ausgefallen! Preisgelder, Belohnungen und Rabatte bei Herstellern werden außerdem zu großzügig verteilt. Alternativ legt man klassisch los und klappert die Events unabhängig der Tournee ab – KI-Einstellungen inklusive, aber ohne echte Ausdauerrennen. GT5 sorgt mit den Spezial-Events (z.B. Kartfahren, Lizenzen) sowie Mini-Meisterschaften für mehr Abwechslung und verlangt dem Fahrer dabei einiges ab. Mit dem B-Spec-Modus bietet man außerdem ein zweites Karriere-Standbein für Strategen. Dank Updates lassen sich B-Spec-Rennen mittlerweile auch über den Web-Browser am PC managen.

Kulisse:
Die neue Grafikengine von Turn 10 ist grandios: Zwar wirken viele klassische Strecken immer noch etwas steril, doch zeigt z.B. der Ausflug in die Alpen, was technisch in ihr steckt. Vor allem das neue Beleuchtungssystem (Image Based Lighting) kann mit weichen Schatten und schicken, wenn auch manchmal etwas übertriebenen Lichteffekten überzeugen. Damit wirken die Kulisse insgesamt authentischer als im Vorgänger. Doch auch GT5 kann dank wunderschöner Stadtkurse sowie Offroad-Pisten mit feinen Partikeleffekten in dieser Liga mitfahren und bietet außerdem Tag-/Nachtwechsel. Forza 4 stellt dagegen nur auf wenigen ausgewählten Strecken verschiedene Tageszeiten zur Auswahl – richtig dunkel wird es hier aber nie. Schwache Kantenglättung findet man bei beiden. Mitunter starkes Tearing, grobe Schatten und einige 2D-Texturtapeten lassen GT5 hinsichtlich der Kulissen aber eine Klasse schwächer erscheinen als Forza 4.

Wettersystem:
Turn 10 kann oder will sich einfach nicht auf Wetterexperimente einlassen. Bei Gran Turismo ist man weiter: Zwar stehen Wetter-Optionen nur auf wenigen ausgewählten Pisten zur Auswahl, doch gibt es neben nassen Regen- sogar rutschige Schneeabschnitte. Wetterwechsel und damit einen gewissen Grad an Dynamik darf man zumindest in Onlinerennen seit dem letzten Update in den Optionen einstellen und sogar den Nässegrad der Strecke festlegen - toll. Die Inszenierung hält sich aber weiterhin in Grenzen, wenn man die Regenrennen aus GT5 mit denen eines F1 2010 oder F1 2011 vergleicht.

Rennserien:
Schon allein aufgrund des ähnlichen Fuhrparks gibt es zumindest im GT-Bereich viele Gemeinsamkeiten zwischen Forza 4 und GT5, was sich auch in ähnlichen Veranstaltungen und jeweiligen Fahrzeugbeschränkungen zeigt. Gran Turismo kann sich aber mit der Integration von Ferraris F1-Boliden, WRC-Schleudern und Nascar-Flitzern etwas absetzen, obwohl keine der Serien ordentlich umgesetzt wurde: WRC mit vier Fahrern und kurzen Wertungsprüfungen hat genauso wenig mit der Realität gemeinsam wie ein Nascar-Starterfeld von mageren 16 Fahrzeugen oder ein F1-Rennen, bei dem nur Ferraris antreten. Ausnahme bilden aber die unterhaltsamen Kart-Rennen, mit denen sich GT5 den kleinen Vorsprung auf jeden Fall verdient hat.

Fahrverhalten:
Sowohl die GT- als auch die Forza-Serie haben es sich auf die Fahnen geschrieben, mit einer möglichst realistischen Fahrphysik zu überzeugen – und beiden gelingt genau das, denn vor allem mit einem Force Feedback-Lenkrad stellt sich ein fantastisches Fahrgefühl ein, auch wenn der Anspruch von PC-Simulationen immer noch nicht ganz erreicht wird. Hilfen wie ABS, Traktionskontrolle, Automatikgetriebe, Bremsassistenten sowie interaktive Darstellungen der Ideallinie greifen Anfängern in beiden Titeln effektiv unter die Arme, wobei sich die Systeme bei GT5 feinstufiger regeln lassen. Mit Offroad-Pisten und wechselnden Witterungsbedingungen musste Polyphony Digital mehr Arbeit in die Fahrphysik investieren – Forza 4 verwendet dagegen die Originaldaten des Reifenherstellers Pirelli, was für einen weiteren Realismus-Schub sorgt. Insgesamt neigen die Boliden in Forza etwas stärker zum Übersteuern und brechen mit dem Heck entsprechend schneller aus, was etwas mehr Arbeit am Lenkrad erfordert. Egal ob GT5 oder Forza 4: Beide Titel stehen für Freude am (anspruchsvollen) Fahren und sind in diesem Bereich auf den Konsolen die erste Wahl.

Community-Service:
Im Community-Bereich kann Forza niemand etwas vormachen: Schon seit den Anfängen der Serie gab Turn 10 den Nutzern die nötigen Werkzeuge zur Hand, um sich in Editoren auszutoben und die mitunter beeindruckenden Design-Ergebnisse über Xbox Live zu verbreiten. Auch Tuning-Einstellungen, Fotos, Replays und Mustergruppen lassen sich mittlerweile mit der Community teilen und zur kritischen Bewertung stellen. Zusätzlich gibt es das coole Auktionshaus und auch die Clubs mit Fuhrpark-Sharing feiern hier endlich wieder ihr Comeback. Nachwuchs-Regisseure basteln außerdem ihre eigenen professionell choreographierten Clips, während regelmäßig aktualisierte Online-Wettbewerbe die Langzeitmotivation aufrecht erhalten. Letzteres bietet auch GT5 und überhaupt gibt man im Community-Bereich mittlerweile mehr Gas als in der Vergangenheit: Eigene Profile mit einsehbaren Statistiken und eingebundener Online-Lobby, ein internes Nachrichten- und Pinnwandsystem, Verschenken von Autos und das Teilen von selbst erstellten Strecken sowie Fotos (nicht aber Videos), Login-Belohnungen in Form von Museums-Karten oder Autos zeigen, dass man die Spieler bei der Stange halten und zum Austausch anregen möchte. So darf man z.B. auch seine B-Spec-Fahrer anderen Benutzern für Remote-Rennen ausleihen. Trotzdem wirkt das Angebot im Vergleich mit den zahlreichen Möglichkeiten in Forza 4 eher bescheiden und wurde auch mit dem Spec 2.0-Update nicht sinnvoll erweitert.

Tuning:
Sowohl in GT5 als auch Forza 4 findet man eine gigantische Auswahl an Tuningteilen, darunter diverse Motoren-Upgrades, verbesserte Fahrwerke, frei einstellbare Getriebe, Gewichtsreduzierungen, Differenziale, Auspuff-Varianten und Reifenmischungen. Selbst optisches Tuning kommt dank lizenzierter Felgen in beiden Spielen nicht zu kurz. Dank der Möglichkeit zu kompletten Motoren- und Antriebsumbauten und einer größeren Anzahl an Bodykits sowie Bremsen-Upgrades (…die bei GT5 trotz diverser Patches immer noch nicht nachgereicht wurden) hat Forza 4 unterm Strich mehr zu bieten als der PlayStation-Konkurrent.

Setup:
Ähnlich sieht es hinsichtlich der Einstellungsmöglichkeiten aus: Zwar erlauben beide Titel massig Freiraum, um z.B. an der Aerodynamik, am Fahrwerk, dem Differenzial oder Getriebe herumzuschrauben, doch bietet Forza 4 nicht nur feinere Abstufungen, sondern auch zusätzliche Optionen wie das Festlegen des Reifen- und Bremsdrucks, die bei GT5 einfach fehlen. Schön: Seit Spec 2.0 dürfen hier für jedes Fahrzeug bis zu drei Setups gespeichert werden – ein direkter Online-Tausch ist im Gegensatz zu Forza 4 allerdings nicht möglich.

Schadensmodell:
Lange hat es gedauert, doch Yamauchi-san hat es doch noch geschafft, ein vollständiges Schadensmodell für GT5 via Patch nachzureichen, bei dem sich Kollisionen und Unfälle auf die Fahrphysik auswirken – und das z.T. recht heftig. Optisch machen die Schäden dagegen immer noch nicht viel her, denn bis auf ein paar unscheinbare Beulen oder wackelnde Teile bleiben die meisten Vehikel selbst nach schweren Einschlägen erstaunlich gut in Schuss. Bei Forza 4 ziehen dagegen schon kleinste Berührungen deutliche Kratzer und mitunter beeindruckende Verformungen der Karosserie nach sich. Die Cockpits werden in beiden Spielen aber von Schäden verschont. Der Einfluss auf die Fahrphysik ist wie bei GT5 vielleicht nicht immer realistisch oder nachvollziehbar, doch spürt man die Auswirkungen nach Unfällen deutlich. In Forza 3 ging an den Fahrzeugen allerdings noch mehr zu Bruch als beim aktuellen Teil. Trotzdem bleibt das Schadensmodell von Forza 4 im Gesamteindruck knapp vor GT5.

KI:
Seit dem Spec 2.0-Update darf man die Aggression der KI in zehn Stufen regeln – leider nur im Arcade- und Trainingsmodus. Die GT5-Karriere leidet weiterhin an schwankenden Leistungen der Piloten: Manuelle Anpassungen sind nicht möglich, trotzdem warten immer wieder Herausforderungen, die den Fahrern einiges abverlangt. Anders bei Forza 4: Während der Welt-Tournee will sich die adaptive KI nicht so recht an das Können des Spielers anpassen, stattdessen wird der Schwierigkeitsgrad generell viel zu niedrig angesetzt! Erst unabhängig von der neuen Karriere darf man in Event-Listen das KI-Können manuell anpassen und bekommt auf den höheren Stufen endlich die Herausforderung, die man sich auch im Rahmen der Welt-Tournee gewünscht hätte. Doch selbst hier sind die Bremspunkte der Fahrer noch zu früh und man spürt trotz vereinzelten Abflügen, dass die KI in Kurven niemals ans Limit geht, sondern nur auf Geraden die Motorleistung voll ausschöpft. Außerdem neigt sie in Forza 4 mehr als in der Vergangenheit zu stupiden Rempeleinlagen und befindet sich damit mittlerweile auf einer vergleichbaren Stufe mit GT5.

Mehrspieler-Modi:
Dank des Spec 2.0 Updates hat man in GT5 jetzt mehr Möglichkeiten, neben der Witterung auch die Fahrzeugauswahl an bestimmte Bedingungen anzupassen und damit für ein einheitlicheres Starterfeld zu sorgen. Auch Forza 4 bietet massig Optionen, um ein individuelles Reglement aufzusetzen – im Gegensatz zu GT5 vermisst man allerdings eine optionale Boost-Funktion für garantierte Kopf an Kopf-Duelle sowie ein Strafsystem für Pisten-Rowdies. Dafür punktet das Microsoft-Rennspiel vor allem bei den Spielmodi: Während in GT5 im Prinzip nur Einzelrennen oder Zeitfahren auf dem Programm stehen, überzeugt Forza 4 zusätzlich mit Spaß-Wettbewerben wie Katz und Maus, Markieren oder Autofußball sowie einem gelungenen Matchmaking, das optional durch die Erstellung von privaten oder öffentlichen Lobbys ersetzt werden darf. Das Starterfeld wurde außerdem von acht auf 16 Spieler verdoppelt, womit man mit GT5 gleichzieht. Neu ist der Rivalen-Modus im Stil von EAs Autolog, bei dem auch im Fernduell der Kampf um die Spitzenpositionen innerhalb der Ranglisten entbrennt – sei es gegen Freunde oder Fremde. Der Netzcode erweist sich bei beiden trotz vereinzelter Lags als überdurchschnittlich gut. Splitscreen-Rennen werden ebenfalls hier wie dort geboten, doch vermisst man neben LAN-Unterstützung optionale Qualifikationsläufe vor den Rennen.

Zusatzfeatures:
In GT5 finden sich ungewöhnliche Menüpunkte wie Ölwechsel oder sogar eine Waschanlage. Der Fotomodus bietet außerdem eine gigantische Auswahl an Funktionen – da wirkt das Pendant in Forza 4 fast schon spartanisch. Das Head-Tracking via PlayStation Eye ist nett, aber aufgrund der zu hohen Fehleranfälligkeit praktisch nicht brauchbar. Kinect macht diesbezüglich in Forza 4 eine wesentlich bessere Figur – das gilt mit wenigen Abstrichen auch für die Navigation via Stimme. Sogar das controllerfreie Fahren funktioniert gut, obwohl man darauf auch hätte verzichten können. Der Strecken-Editor aus GT5 gefällt, obwohl man nur an Parametern herumspielen und die Piste nicht von Grund auf designen darf. Schön auch, dass man die PSP-Garage aus Gran Turismo sowie eigene Songs importieren darf. Das Speichern und Studieren von Telemetriedaten erfreut ebenfalls jeden Möchtegern-Ingenieur – optional lassen sich auch Daten anderer Fahrer laden. In Forza 4 wird dagegen eine Echtzeit-Telemetrie angeboten, auf die man während des Rennens zugreifen kann. Museumskarten geben in GT5 Zugang zu weiteren Informationen rund um die Autos und Hersteller. Dies wirkt jedoch sehr trocken im Vergleich zum beeindruckenden Autovista-Modus in Forza 4, in dem man eine Auswahl an extrem hochwertig modellierten Boliden bis ins kleinste Detail erkunden kann. Im Vergleich zum letzten Teil hat Forza im Bereich der Zusatzfeatures viel Boden gut gemacht und tritt der GT-Serie mittlerweile auf Augenhöhe gegenüber.

 
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