SBK-08: Superbike World Championship01.08.2008, Michael Krosta
SBK-08: Superbike World Championship

Im Test: Viel Simulation, wenig Spielspaß?

Wenn es um Motorrad-Rennspiele geht, haben die Entwickler von Milestone mittlerweile so etwas wie eine Monopolstellung inne: Neben Titeln rund um die Superbike-Weltmeisterschaft schrauben die Italiener mittlerweile auch für Capcom die MotoGP-Serie zusammen - die Technologie hinter beiden Spielen ist dabei aber nahezu identisch und hat mit einigen Kritikpunkten zu kämpfen. Wagt man mit der 360-Premiere von SBK einen Neuanfang oder ruht man sich weiter aus?

Viel Auswahl

Schon in den ersten Minuten nach dem Einlegen der Disk trägt SBK 08 die typische Entwicklerhandschrift von Milestone: Nach dem drögen Realfilm-Intro landet ihr nach einer recht langen Ladezeit im Hauptmenü, wo eine ganze Reihe an Spielmodi darauf warten, ausprobiert zu werden. Den Anfang macht der Direkteinstieg, bei dem ihr sofort ins Rennen katapultiert werdet, ohne Einfluss auf die Fahrer- oder Streckenwahl nehmen zu können - das dürft ihr erst beim Punkt "Schnelles Rennen" entscheiden. Fahrt ihr lieber das gesamte Session-Programm vom Training über Qualifying bis hin zum Warm-Up und dem eigentlichen

Mehr Punkte für die Gamerscore?

Alle 360-ErfolgeHaupt-Events aus, ist ein komplettes Wochenende eure erste Wahl. Zum Glück dürft ihr in der Box die Zeit manuell vorspulen und müsst daher nicht jede Session bis zum Schluss aussitzen. Natürlich ist auch eine komplette Meisterschaft am Start, in der ihr auf den zwölf lizenzierten Pisten wie Monza, Assen, Donington oder Brno um Punkte kämpft. Schade, dass ihr hier nur mit den Originalfahrern an den Start gehen könnt, deren Polygon-Gesichter auch gerade bezüglich der Augen etwas seltsam aussehen. Es wäre schön gewesen, sich in einem Editor einen eigenen Fahrer zusammenbasteln zu können, was ja mittlerweile keine Seltenheit mehr im Genre ist. Habt ihr dann immer noch nicht genug, warten auch noch eine ganze Reihe an Herausforderungen auf euch, bei denen ihr bestimmte Ziele erfüllen müsst. Ironischerweise spielt sich das Tutorial ganz ähnlich und wird deshalb dem Anspruch einer Einführung kaum gerecht. Anstatt den Spieler langsam auf den Renneinsatz vorzubereiten und ihm Schritt für Schritt die Eigenheiten der Motorräder näher zu bringen, werden sie bereits im ersten Kapitel ins kalte Wasser geworfen und dürfen z.B. an bestimmten Checkpunkten eine Mindestgeschwindigkeit nicht unterschreiten oder müssen mit einer vorgegebenen "Bremszeit" auskommen, die bei jeder Betätigung

Dank der offiziellen Lizenz sind alle Fahrer, Teams und Strecken der Saison 2008 enthalten.
abnimmt. Schade, dass keine klassische Fahrschule angeboten wird, in der nach und nach Brems-, Beschleunigungs- oder Kurventests absolviert werden müssen - gerade bei einem derart anspruchsvollen Handling der Maschinen.

Feingefühl gefragt

Spielt ihr auf der leichtesten Realismus-Einstellung, ist die Welt noch in Ordnung: Die Motorräder lenken sich fast wie auf Schienen und ihr müsst euch schon saudumm anstellen, um den Fahrer aus dem Sattel zu hauen. Merklich anspruchsvoller geht es schon bei der Arcade-Einstellung zu, bei denen das Heck in Kurven gerne schon mal ausbricht, wenn ihr zu viel am Gaszug zieht. Diese Einstellung ist in etwa vergleichbar mit dem, was euch damals bei den MotoGP-Titeln von THQ und Climax erwartet hat. Die drei folgenden Stufen "Erweitert", "Simulation" und "Extrem" richten sich dagegen an echte Profis. Obwohl SBK 08 nicht mein erstes anspruchsvolles Motorrad-Rennspiel ist, war ich spätestens unter den Simulationsbedingungen hoffnungslos überfordert - genau wie es beim letzten MotoGP auf der PS2 der Fall war, das ebenfalls von Milestone stammt. Selbst mit den analogen Triggern war es mir nicht möglich, so viel Feingefühl zu entwickeln, um die Superbikes halbwegs passabel auf der Strecke zu halten. Stattdessen legte ich mich in nahezu jeder Kurve hin - selbst auf vermeintlich einfachen Pisten wie Monza kommt der Simulationsritt einer Fahrt auf rohen Eiern gleich. Mein Gott, was ist das frustrierend! Ich will nicht wissen, wie sich hier ein Anfänger fühlt, der zum ersten Mal auf einem virtuellen Sattel sitzt und vermutlich schon

Auf nasser Fahrbahn fällt es selbst mit der Arcadesteuerung schwer, nicht die Kontrolle über die Superbikes zu verlieren.
bei der Arcade-Einstellung verzweifelt aufgibt, die gerade unter nassen Bedingungen bereits ziemlich knifflig werden kann. Zum Glück habt ihr aber die Option, die verschiedenen Fahrhilfen und Einstellung euren Wünschen entsprechend anzupassen.

Strafe muss sein?

Doch das entschärft nicht die in meinen Augen dämliche Regel, dass beim Zeitfahren die Rundenzeit aberkannt und die Herausforderungen sogar komplett abgebrochen werden, sobald man mit den Reifen auch nur ein bisschen neben die Straße kommt. Ich könnte es verstehen, wenn man abkürzt und sich so einen Vorteil verschafft. Doch dass man schon bei einer kleinen Unachtsamkeit (die ohnehin schon Zeit kostet) derart hart bestraft wird, ist maßlos übertrieben! Im Rennen sind die offiziellen SBK-Regeln dagegen willkommen, denn wer hier Mist baut, muss sich zu Recht auf Durchfahrtsstrafen und andere Folgen gefasst machen. Auf Wunsch könnt ihr das Regelwerk aber deaktivieren, genau wie die Möglichkeit, dass Pilot und Maschine nach Unfällen Schaden davon tragen. Achievement-Jäger lassen das natürlich an - immerhin gibt es wertvolle Gamerscore-Punkte, wenn ihr den Fahrer fünf Mal verletzt oder euer Bike zehn Mal schrottet. Eigentlich lasse ich die 360-Erfolge bei einem Test meist links liegen, aber wenn ich bei einer Simulation solche stupiden Dinge für Punkte machen muss, wie drei Runden lang im Gegenverkehr zu fahren oder in fünf Online-Rennen den letzten Platz zu belegen, kommt mir die Galle hoch. Ich habe bisher selten so vollkommen spaßfreie, fast schon dumme Achievements gesehen wie hier - aber das nur so nebenbei.         

Einstellungswahnsinn

Eine deutlich bessere Figur macht SBK 08 bei den Setup-Möglichkeiten: Während Anfänger und Schraubmuffel bequem diverse Schieberegler bedienen, dürfen Möchtegern-Mechaniker auch Detaileinstellungen an Federn (Spannung, Härte, Druck- und Zugstufendämpfer), Getriebe, Bremsbalance, Lenkung bis hin zur Kette vornehmen und sogar abspeichern. Zudem könnt ihr auch Rücksprache mit eurem Ingenieur halten, der euch auf Wunsch auch seine persönliche Abstimmung für das Qualifying und Rennen vorschlägt, so dass ihr euch zur Not auch gar nicht selbst mit dem Setup herumschlagen müsst.

Echte Profis fahren selbstverständlich in einer der drei Helmansichten.
Echte Hardcore-Fans werden sich dagegen über die Fülle der Einstellungen sicherlich genau so freuen wie über das anspruchsvolle Fahrverhalten. Auch das Aufzeichnen der Telemetrie-Daten zur anschließenden Analyse kommt wohl vor allem den Profis entgegen.

Schwache Präsentation

Der hohe Grad an Realismus reicht aber lediglich bis zur Fahrphysik - auch wenn die Rückseite der Verpackung eine fotorealistische Grafik verspricht, wird einem schon beim Warten in der Startaufstellung klar, dass SBK 08 davon sehr, sehr weit entfernt ist. Stattdessen erwarten euch triste Flimmer-Kulissen, in denen vornehmlich leblose Pappaufsteller die Tribünen bevölkern und sich bis auf die 22 Fahrer nichts bewegt oder regt. Da sahen selbst die letzten Ausflüge mit der MotoGP auf der Xbox 360 deutlich schöner aus! Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, versauen vor allem beim Regen einige Slowdowns das Geschwindigkeitsgefühl, was am besten in den drei Helmansichten rüber kommt. Beim Rest der insgesamt knapp zehn Perspektiven wird die Kamera dagegen hinter dem Motorrad positioniert und fängt das Geschehen sowie die gelungenen Animationen der Superbike-Piloten gut ein. Trotzdem ist das, was Milestone hier an technischen PS auffährt, insgesamt ernüchternd. Auch der Audiobereich kommt nicht über den Durchschnitt hinaus und so knarzen euch im

Die Stärke der KI-Fahrer lässt sich in mehreren Stufen anpassen.
Renngeschehen lediglich die langweiligen Motorengeräusche entgegen - Funkverkehr, Kommentatoren oder Musik gibt es nicht. Angesichts des schwachen Menü-Soundtracks war diese Entscheidung aber vielleicht gar nicht so verkehrt.

Lag im Tank!

Auf der Xbox 360 dürft ihr endlich auch über Xbox Live Rennen mit bis zu acht Bikern austragen. Dabei machen die Einstellungsmöglichkeiten einen hervorragenden Eindruck: Neben Freundschaftsspielen dürft ihr auch Ranglisten-Matches ausfahren sowie eigene Lobbys nach eurem Geschmack aufsetzen. Dabei legt ihr u.a. den Realismusgrad fest, schreibt allen Teilnehmern die Nutzung der Innenansichten vor oder reserviert Plätze für eure Freunde. Auch die Suchoptionen nach offenen Spielen sind vorbildlich, so dass ihr genau das findet, was ihr wollt - sei es die Strecke, der Realismusgrad, das Wetter, die Anzahl maximaler Runden oder die Frage, ob Kollisionen zwischen den Motorrädern möglich sein sollen oder nicht. Auch seht ihr in der bestehenden Lobby, wie viele Runden die anderen Teilnehmer noch absolvieren müssen sowie deren aktuelle Rennposition. So könnt ihr abwägen, ob es sich lohnt, bis zum Rennende in der Lobby zu bleiben, um anschließend selbst einzusteigen. Dumm nur, dass die Lobby automatisch geschlossen wird, falls sich der Host verabschiedet, denn die Rolle des Gastgebers wird nicht automatisch an den nächsten Spieler weiter gereicht. Hach, das klingt doch trotzdem alles super - gerade wenn man eine solche Optionsvielfalt mit enttäuschenden Online-Vertretern wie Ferrari Challenge vergleicht. Doch leider wird man schnell von der grausigen Realität eingeholt, sobald die Ampel beim Online-Start auf Grün springt: Egal, ob mit drei, fünf oder acht Spielern - in jeder unserer Testfahrten wurde der Rennverlauf von z.T. massiven Lags gestört, bei denen die Bikes stellenweise sogar unkontrolliert durch die Luft geflogen sind. Nein, so macht das keinen Spaß - da können auch die vielen Lobby-Einstellungen nichts mehr retten. Da ihr weder im Splitscreen noch über System Link Duelle austragen könnt, hat sich das Thema Offline-Rennen mit mehreren Teilnehmern ganz schnell erledigt.

     

Fazit

Besonders viel Spaß hatte ich bei den Fahrten in SBK 08 nicht! Ich liebe zwar Simulationen wie GTR oder rFactor (vor allem mit Lenkrad), aber für eine Hardcore-Sim auf zwei Rädern scheint mir das Gamepad (und mein fahrerisches Talent) immer wieder zu beschränkt zu sein. Selbst mit den feinen Analog-Triggern des 360-Controllers war ich total überfordert, die Superbikes unter Simulationsbedingungen auf der Strecke zu halten - vom Extremmodus will ich erst gar nicht anfangen. Ich kann mir gut vorstellen, dass beinharte Simulationsfans ihren Spaß an diesem Handling haben - ich hab ihn dagegen nicht! Und wer als Anfänger ernsthaft darüber nachdenkt, mit diesem Spiel ins Genre einzusteigen, sollte sich besser nach Alternativen umsehen, die nicht von Milestone stammen, deren Spiele sich mittlerweile irgendwie alle gleich anfühlen. Ich könnte jetzt schon wetten, dass das nächste MotoGP auf der 360 nichts anderes sein wird als ein SBK 08 mit anderen Motorradmodellen und Fahrern. Ist der Realismusgrad noch eine Frage des persönlichen Geschmacks (und den Einstellungen im Spiel), dürfte man sich bei der Technik einig sein: Die tristen Kulissen, die zudem immer wieder von Slowdowns heimgesucht werden, sind zusammen mit den durchschnittlichen Motorenklängen eine Enttäuschung - vor allem im Vergleich mit MotoGP 07 von THQ, das selbst heute noch eine bessere Figur macht als SBK 08. Das Gleiche gilt auch für den Onlinemodus, der zwar massig Optionen bietet, aber mit ständigen Lags den Rennspaß merklich bremst. Da sich der Umfang aber sehen lassen kann und allein die vielfältigen Detaileinstellungen an den Motorrädern ein Traum für Mechaniker sind, ist SBK 08 für Sim-Liebhaber mit Sicherheit interessant - der Rest fährt lieber woanders, auch wenn es durch das Milestone-Monopol bald keine Alternativen mehr geben dürfte.

Pro

offizielle Lizenz (2008)
12 Originalstrecken
viele Spielmodi
enorm anspruchsvoll (für Sim-Fans)
massig Setup-Möglichkeiten (+Abspeicherung)
individuelle Anpassung beim Realismusgrad
gute Steuerung (mit Fahrhilfen)
verschiedene Witterungsbedingungen
viele Kameraperspektiven

Kontra

triste Kulissen
z.T. krasse Online-Lags
vereinzelte Slowdowns
Bikes kaum noch kontrollierbar (ab Sim-Steuerung)
durchschnittliche Motorensounds
Rundenzeit ungültig, wenn man nur minimal von Strecke abkommt
hässliche Fahrermodelle
z.T. starkes Kantenflimmern
kein Splitscreen

Wertung

360

SBK 08 ist ein Traum für Sim-Fetischisten! Alle anderen verzweifeln aber an dem anspruchsvollen Handling und der mageren Technik.

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