Summer Athletics29.07.2008, Benjamin Schmädig
Summer Athletics

Im Test: Zwar ohne Olympia-Lizenz, aber dafür auch nur mittelmäßig...

"Wer rastet, der rostet." "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel." "Sport ist Mord." Wir Deutschen sind ja echte Profis, wenn's um körperliche Ertüchtigung geht; jedenfalls wirft unser Sprachgut mit neunmalklugen Weisheiten nur so um sich. Trotzdem fällt es deutschen Entwicklern schwer, Visual Concepts, Konami oder der Breitensport-Abteilung von EA mal die Leviten zu lesen. Nur einer versucht es immer wieder: 49Games - die sich dieser Tage an die Olympische Spiele wagen...

Sommer vs. Winter vs. Olympia

Die Hamburger sind immerhin Experten, wenn es um die Digitalisierung großer Sportereignisse geht. Schließlich beherrschen die Jungs nicht nur Skispringen, Ski Alpin sowie Biathlon, sondern setzten bereits die Olympischen Winterspiele in Turin virtuell um. Ende des vergangenen Jahres erschien RTL Winter Sports 2008 - ihre bislang gelungenste Ansammlung kurzweiliger Knopfdrück- und Analogstick-Kreisel-Exzesse. Und auf diesem baut 49Games jetzt 

Die Olympischen Spiele... oder was dtp und 49Games daraus machen.auf, um euch mit olympischem Sommerflair ins Schwitzen zu bringen. Wer sich bei diesen Temperaturen am Wii-Workout versucht, weiß, wie sehr ich gelitten habe!

Sommerlich also ja - olympisch aber nein. Schließlich wollten (oder konnten) weder Entwickler noch Publisher die Versoftungs-Rechte an dem Turnier in Beijing erwerben. Im Grunde eine richtige Entscheidung; denn es ist nicht der Schuld der fehlenden ineinander verknoteten Ringe, dass Summer Athletics (ab 19,95€ bei kaufen) noch spröder wirkt als Segas Lizenztitel . Es liegt auch nicht an der Anzahl der Disziplinen, in denen sich Sportler unter 49-Flagge ertüchtigen. Die fällt mit 26 immerhin doppelt so hoch aus wie im geistigen Vorgänger . Dennoch sind das zwölf weniger als in Beijing 2008, zumal sich viele Wettkämpfe stark ähneln. Man rennt, man schießt, man springt, man schwimmt - klar, das ist eben Leichtathletik. Es fehlen allerdings gerade jene Sportarten, mit denen Sega für viel Abwechslung sorgt: u.a. Tischtennis, Turnen oder Gewichtheben. Fehlte 49 vielleicht die Zeit für weitere Disziplinen?

Internationales Niveau?

Die Vermutung liegt zumindest deshalb nahe, weil sich schon das Hauptmenü so furztrocken gibt, dass man eine hohe Waldbrand-Gefahrenstufe ausrufen möchte. Das ist mir vor allem deshalb ein Rätsel, weil Winter Sports 2008 mit einem richtig schicken Menü die Lust am sportlichen Abrackern geweckt hatte. Und ja, dieses Drumherum ist wichtig! Schon allein deshalb, weil hier auch sonst nichts fürs Auge geboten wird. Das fängt bei furchtbar unattraktiven Sportlern an, geht bei viel zu offensichtlichen Klon-Zuschauern sowie nicht existenten Wiederholungen weiter und hört bei der Abwesenheit einer ordentlichen Siegerehrung noch lange nicht auf. Wer sich bei den Summer Athletics Gold erkämpft, hört 'nen Tusch, sieht 'ne drehende Medaille und darf gehen. Der Gewinn der Karriere endet mit drei grinsenden Gestalten, die lustlos auf einem Treppchen stehen. Danke! Bemerkenswert höchstens, dass solch optische Wucht

Auf 360 und PC sieht der Workout noch am schönsten aus - falls euer Rechner diese Pracht stemmen kann.
in der niedrigsten Detailstufe auf einem 3GHz-Rechner dauerstottert. Mit sämtlichen zugeschalteten Details erkennt zwar keinen nennenswerten Unterschied, kann aber locker alle Bilder, Verzeihung, das Bild pro Sekunde zählen.

Die Ohren kommen nicht besser weg: Ein redefauler Stadionsprecher springt als Ersatz für die fehlenden Kommentatoren ein und unterhält dann gerade mal mit sich schnell wiederholenden Hinweisen auf das Rauchverbot, die Busverbindung in Richtung Innenstadt oder ähnliche - durchaus stimmungsvolle - Aufrufe. Abgesehen davon kann er die Weiten und Zeiten ansagen und den nächsten Teilnehmer aufrufen, wobei er munter zwischen "Spieler eins" und "Spielerin eins" wechselt. Von einer auflockernden Berichterstattung über das namenlose Ereignis keine Spur. Dass die restliche Akustik ähnlich spröde wirkt, macht die Atmosphäre kaum besser - im Gegenteil. Was Stimmung und Atmosphäre angeht, spielt Summer Athletics irgendwo in der Kreisliga, während Beijing 2008 tatsächlich olympisches Flair einfängt. Ich bin hauptsächlich deshalb enttäuscht, weil 49Games das alles besser konnte, als Summer Athletics noch Winter Sports hieß.     

Stillstand? Rückentwicklung!

Tatsächlich haben sich die Entwickler auf keinem Gebiet gesteigert. Es gibt nämlich immer noch keinerlei Online-Anbindung, und die Solo-Karriere ist nicht nur dünn, sondern magersüchtig. Das optisch sowie inhaltlich einzige, was eure sportliche Laufbahn von einer beliebigen Aneinanderreihung sämtlicher Wettbewerbe unterscheidet, sind Erfahrungspunkte, die ihr nach jedem Rennen auf Fähigkeiten wie Technik, Ausdauer oder Sprungkraft verteilt. Die Anzahl der in jeder Disziplin gesammelten Punkte hat nur leider überhaupt nichts mit eurer zuvor gezeigten Leistung zu tun: Ihr bekommt einfach 100 Zähler gutgeschrieben und dürft drauflos verteilen. Der oberflächliche Charakteraufstieg macht die Karriere für mich leider uninteressant - auch das vorherige Erstellen meines Alter Ego (eine der erwähnten 

Hektisches Analogstick-Wippen oder flottes Wi-Fuchteln? Gelungen ist beides!
charakterlosen Figuren mit gerade mal selbst gewählter Frisur, Hautfarbe und Trikot) war mir ausnahmsweise ziemlich schnuppe.

Warum verzichtet 49 selbst auf die Herausforderungen, die das Leben als Wintersportler auflockerten? Da musste man einen perfekten Start hinlegen oder - immer noch mein Favorit - beim Skispringen möglichst spektakulär stürzen. So hatte man kurze Zeit eine Menge Spaß und konnte sich auf unterhaltsamem Weg mit der Steuerung vertraut machen. Die ist bis auf wenige Ausnahmen schließlich richtig klasse; auf Wii funktioniert das Drehen und Schütteln von Remote sowie Nunchuk besonders gut! Am spannendsten und besser als Sega gelingen den Entwicklern die Ausdauer-Disziplinen wie Radfahren oder Langlauf. Kein Wunder: Das Prinzip der präzise dosierten Kräfteverteilung haben die Biathlon-Macher schon seit Jahren im Griff. Mit dem Fahren oder Laufen im Windschatten kommt sogar eine taktische Komponente hinzu - gedankenlosen Sprintern geht so schon nach wenigen Metern die Puste aus. Ähnliches gilt fürs Wasser, in dem euch nur im richtigen Rhythmus gedrehte Analogsticks oder Wii-Controller schnell ans Ziel bringen.

Knopfdruck-Hektik, Fuchtel-Schwung oder Stick-Gerüttel?

Unglücklich nur, dass die jederzeit aufrufbare Erklärung der Steuerung ausschließlich in Textform stattfindet. Kostet es in Beijing 2008 viel Übung, bis man in einigen Sportarten überhaupt konkurrenzfähig ist, braucht man hier mitunter mehrere Anläufe, um das Gelesene auf die teilweise knifflig zu entziffernde Anzeige zu übertragen und dann auch praktisch umzusetzen. Einmal verinnerlicht, gehen sämtliche Disziplinen aber sehr eingängig von der Hand und fordern eine angenehme Mischung aus Reaktionstests, Fingerfertigkeit und Taktgefühl. Dabei fällt es mir schwer, einer Version den Vorzug zu geben: Am eingängigsten und - bis zu einem gewissen Grad -

Beim Bogenschießen sind vor allem Konzentration und ruhige Finger gefragt.
realistischsten ist natürlich die Ertüchtigung auf Wii, wobei ich aus Bequemlichkeit die ebenfalls gelungene Gamepad-Malträtierung mitunter vorziehe und froh bin, dass man Summer Athletics per Tastatur ähnlich gut steuern kann.

Nur wofür überhaupt ins Spiel einarbeiten? Wegen des fehlenden Online-Modus' sicherlich nicht, die magere Solo-Karriere ist es ebenfalls kaum wert - lediglich das separate Abklappern einzelner oder mehrerer Übungen lohnt sich, falls sich mal bis zu drei Kumpels, Geschwister oder Freunde vor eurer Konsole oder eurem PC einfinden. Falls euer Besuch mit der Steuerung weniger vertraut ist, kann er sich ja für eine nachsichtigere "Simulations"-Variante entscheiden: Er bekommt dabei zwar dasselbe zu tun - kann aber seinen Fähigkeiten mit einem "Boost" dreimal pro Wettbewerb auf die Sprünge helfen. Außerdem dürft ihr wählen, wie viel euch die vom Spiel gesteuerte Konkurrenz entgegen setzt. Praktisch auch, dass ihr euch je nach Vorliebe auf geteiltem Bildschirm z.B. im Hochsprung messt (meist dürfen zwei gleichzeitig ran) oder ihr euch der Reihe nach das Gamepad in die Hand drückt. Für Letzteres braucht ihr allerdings einen langen Atem, denn jeder Teilnehmer spult im schlimmsten Fall seine kompletten drei Versuche ab, bevor der nächste an den Start geht. Das hatte Beijing 2008 mit seinem ständigen Wechsel besser gelöst.   

Fazit

Das Gemeine ist: 49Games ist ein furchtbar sympathischer Entwickler-Haufen, dem man eine solche Wertung einfach nicht verpassen mag. Die Wahrheit ist aber: Summer Athletics hat nicht nur gegen große Simulationen wie NBA 2K, PES oder Madden das Nachsehen - es erreicht nicht einmal die Klasse seines ohnehin mäßigen Quasi-Vorgängers Winter Sports 2008. Das fängt bei den hässlichen Menüs an, geht bei den fehlenden Kommentatoren weiter und hört bei der Minimal-Karriere lange nicht auf. Lediglich die Steuerung der zahlreichen Sportarten haben die Hamburger auf allen Plattformen richtig gut im Griff - das Schwingen von Remote und Nunchuk ist dabei naturgemäß die launigste aller Varianten. Besonders die taktische Herausforderung der Ausdauer-Disziplinen ist wesentlich motivierender als im direkten Konkurrenten Beijing 2008. Der hat allerdings in Sachen Atmosphäre die Nase deutlich vorn, bietet zwölf weitere Sportarten, die abwechslungsreichere Solo-Karriere und erlaubt Online-Wettkämpfe. Wie so ein Schnellschuss, Verzeihung... -spiel, das ausschließlich zu zweit, dritt oder viert etwas Spaß macht, ausgerechnet darauf verzichtet, bleibt jedenfalls ein Rätsel.

Pro

sehr gelungene Steuerung, besonders auf Wii
zahlreiche Disziplinen...
motivierende Langstrecken-Sportarten (Radfahren, Langlauf)
Multiplayer: abwechselnd oder im Splitscreen gegeneinander

Kontra

keine Olympia-Lizenz
... die sich zu sehr ähneln
magere Karriere
keine witzigen Herausforderungen wie im Quasi-Vorgänger o.ä.
müder Stadionsprecher statt TV-Kommentatoren
Charakterentwicklung ohne jeglichen Tiefgang
keinerlei Online-Anbindung
Multiplayer: drei Versuche pro Person statt abwechselnd
magere Atmosphäre: keine Siegerehrung, wenig Kommentare, nüchterne Grafik, spärlicher Ton

Wertung

360

Nicht einmal Xbox Live-verwöhnte Konsoleros dürfen online antreten!

PlayStation2

Grafisch natürlich schwächer, ansonsten aber gleich stark bzw. schwach wie die 360-Fassung.

PC

Ob mit Gamepad oder Tastatur: An der Steuerung scheitert auch diese Fassung nicht...

Wii

Mit Remote und Nuchuk bringt das Sportlich-Sein noch den größten Spaß.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.