Im Test: Die Legende lebt - hat aber etwas von ihrem Glanz verloren...
Was vom Schwerte übrig blieb
Neun Jahre sind eine lange Zeit. Genau genommen so lang, dass Adjektive wie »phänomenal«, »bombastisch« oder »brillant« erheblich an Wucht und Wirkung verlieren. Genau diese Worte fielen aber 1999, als Soul Calibur so ziemlich jeden Preis abräumte, den ein Spiel abräumen kann, und sich aus gutem Grund für immer in die Liebesecke der Gehirne von Beat-em-Up-Freunden gebrannt hat. Und in aller Kürze: Die 800 MS-Punkte (knapp zehn Euro) für Soul Calibur könntet ihr auch weitaus schlechter investieren. Und dennoch bleibt das Gefühl zurück, nicht genug für sein Geld zu bekommen.
Der Grund dafür ist ganz einfach: Das XBLA-Soul Calibur ist nicht das Dreamcast-Soul Calibur. Das wichtigste, die perfekte Spielmechanik, ist unverändert, und funktioniert auf dem für schnelle Eingaben nicht unbedingt geeigneten 360-Pad auch ganz wunderbar. Aber beim Drumherum haben die Entwickler weniger die Schere als vielmehr den Rasenmäher angesetzt: Der Missions-Modus, das Herzstück des Originals, wurde aus welchen Gründen auch immer ersatzlos gestrichen. Für alle, die damit nichts anfangen können: Hier warteten mehr als 70 Herausforderungen auf euch, eine schwerer als die andere. Mal musstet ihr den Gegner unter starkem Gegenwind erledigen, mal hattet ihr nur einen Krümel Lebensenergie, mal zählte nur ein Ring Out als Sieg. Dieser Modus war insofern besonders motivierend, als dass man durch ihn neue Figuren und jede Menge Artworks freischalten konnte. Die sind nun komplett von Anfang an verfügbar: Art Gallery, alle Kostüme, Edge Master - alle da. Nur die Motivation, sie sich selbst zu verdienen, die ist weg. Das beinhaltet auch das interaktive Intro, das man sich selbst zusammensetzen konnte.
Die inneren Werte zählen
Von Missionsmodus mal abgesehen haben sich die Entwickler bei den Spielmodi keine Blöße erlaubt: Arcade, Time Attack, Survival, Extra Survival (in dem derjenige gewinnt, der als Erster einen Treffer landet - Sudden Death gewissermaßen), Gegeneinander, Team Battle - und natürlich dürft ihr die zahlreichen Kombos auch im Trainingsmodus üben. Die 19 Kämpfer, die sich von wenigen Ausnahmen abgesehen alle völlig unterschiedlich spielen, bieten eine wundervolle Auswahl an Stilrichtungen und Waffengattungen: Nunchacku, Katana, Hellebarde, Kampfstab, Axt, Zweihänder - selbst Exoten wie das Snake Sword sind im Kader vertreten. Die Steuerung geht wunderbar flüssig von der Hand, und zwar sowohl mit dem Digipad als auch mit dem Analogstick. Mit Ersterem lassen sich allerdings nicht alle Schrägbewegungen präzise ausführen, im Zweifelsfall muss man schnell zwischen Pad und Stick hin- und herwechseln. Allerdings gibt es keinen Rumble-Effekt mehr.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung stellte Soul Calibur nicht weniger als das grafische Nonplusultra dar: Derart flüssige Bewegungen, derart brillante Animationen gab es vorher einfach nicht zu sehen. Neun Jahre danach sieht es immer noch gut aus - aber mehr auch nicht. Nach heutigen Maßstäben ist es nicht hässlich, aber nur solide. Allerdings haben sich die Entwickler die Konvertierungsaufgabe etwas zu leicht gemacht: Fonts und Bildschirm-Anzeigen wurden einfach nur hochgerechnet und sehen auf HD-Geräten dementsprechend fusselig und verwaschen aus. Vor dem eigentlichen Hauptmenü wurde ein selten hässlicher Vorschaltbildschirm platziert - und es gibt keinen 16:9-Modus! Ihr dürft das Bild leicht verbreitern, aber in jedem Fall bleiben auf 16:9-Geräten links und rechts dicke Streifen, die immerhin mit einem Wallpaper verziert werden. Auch an der Akustik-Front ist der Zahn der Zeit nicht spurlos vorbeigeschliddert: Der Soundtrack wummert gut und druckvoll wie eh und je aus den Boxen, aber Sprachausgabe und Effekte klingen kratzig und qualitativ bestenfalls durchschnittlich.
Fazit
Soul Calibur, ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt, ich werde dich immer lieben. Ich habe früher wahnsinnig viel Zeit mit dir verbracht, ich bereue keine Minute davon. Hey, nicht umsonst baumelt ein »Soul Calibur-Gott«-Kleber an meinem Monitor, den mir die unwürdigen Kollegen aufgrund meines Maxi-Nunchuck-Dauerfeuers irgendwann entnervt aufgeschwatzt haben. Und auch heute bereitest du mir viel Freude, auch heute noch schwingen meine Chackus-des-Todes genauso flott und präzise wie vor neun Jahren. Aber du bist nicht mehr dieselbe, wir haben uns auseinander gelebt. Dass du nicht mehr so gut aussiehst wie damals, kann ich dir nicht vorwerfen - auch ich habe mich verändert, außerdem sind deine inneren Werte ja immer noch so schön wie einst. Aber warum hast du dich von dem Missionsmodus getrennt? Den mochte ich immer am liebsten an dir! Wieso hast du zugelassen, dass dich faule Leute einkleiden? 4:3 ist heute einfach nicht mehr so hip wie noch 1999, die Jugend von heute trägt 16:9! Und überhaupt: Hat dir keiner gesagt, dass mittlerweile online angesagt ist? Ach, Soul Calibur, du bist für immer in meinem Herzen. Wirklich. Aber lass uns unsere Liebe in der Erinnerung für immer frisch erhalten. In der Realität bröckelt deine Fassade nämlich.
Pro
Kontra
Wertung
360
Spielerisch ist Soul Calibur nach wie vor topp - aber die XBLA-Version ist im Vergleich zum Original stark eingeschränkt.
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