Im Test:
Der Actionheld aller Actionhelden
Duke Nukem? Blake Stone? Space Marine? Namenloser Supersoldat im Zweiten Weltkrieg? Alles schlaffe Hüllen! Es gibt nur einen wahren Actionhelden, und sein Name ist Hazard - Matt Hazard! Oder vielmehr: gab. Vor mehr als 20 Jahren war er die gefragteste Actionfigur weit und breit, seine Spiele waren die Mörderhits, jeder Buchstabe seines Namens ein Garant für Gold. Doch was passiert grundsätzlich, wenn der Ruhm unendlich scheint? Genau: Blöde Partygames, Kart-Rennspiele, Gastauftritte in Tennis-Simulationen. Der Stern sank, der Ruhm verblasste, das Haupthaar schwand. Doch mit einem Mal scheint die Zeit für eine triumphale Rückkehr des Heroen alter Schule, optisch eine Mischung aus Bruce Willis und Jason Statham, reif zu sein: Das neue Matt Hazard-Spiel verspricht die Erfüllung aller Action-Träume! Oder doch nicht? Das ist er - Matt Hazard: Teufelskerl, irrer Hund, Videogame-Ikone im Ruhestand. Oder fast.
Eines muss man Entwickler Vicious Cycle lassen: Ideen haben sie. Die Vorgeschichte um Matt Hazard ist ebenso bekloppt wie herrlich bescheuert im Intro umgesetzt. Das Tutorial ist eine Ansammlung von albernen Jokes, die Zwischensequenzen sind zum Teil schweinekomisch, im Spiel gibt es massig mehr oder weniger offensichtliche Anspielungen - von Halo (rabiater Koch »Master Chef«) über Mario (in Form von »Captain Carpenter«, der sich im Notfall in saftig-grüne Röhren verdrückt) und platte 2D-Pseudo-Nazi-Gegner bis hin zu einer Killer-Trulla in knappen Shorts und einem schweigsamen, nur in blauen Texttafeln kommunizierenden Endgegner, der einer gewissen Japano-RPG-Reihe entsprungen zu sein scheint. Und selbst wenn es
nicht direkt mit dem Spiel zu tun hat, bleibt es unterhaltsam - die Untertitel der Achievements bzw. Trophäen sind teilweise verdammt ideenreich. Kurz gesagt: Es gab seit Die Simpsons - Das Spiel kein Game, das die Spielewelt derart präzise auf die Schippe genommen hat. Aber genauso wenig wie das damals für ein gutes Spiel gereicht hat, ist es auch hier einfach nicht genug. In Sachen Parodie gab es seit dem offiziellen Simpsons-Spiel kein derart ausgefallenes Game mehr - besonders die Zwischensequenzen sind teilweise großartig.
Von Tentakeln und 2D-Nazis
Von den bekloppten Ideen abgesehen ist Eat Lead grundsätzlich ein Shooter in Schultersicht, wie er kaum durchschnittlicher an der Stange baumeln könnte: Matt kann jederzeit zwei Wummen mit sich herumtragen, die gegnerische Intelligenz findet ihren Höhepunkt darin, Waffen gefallener Kameraden aufzusammeln, man verbringt einen großen Teil seiner Zeit (zwischen acht und zehn Stunden) in Lagerhäusern. Klingt schrecklich belanglos, wäre es auch - wenn nicht ab und zu doch der Hauch eines Geistesblitzes durch die generische Fassade funkeln würde: Das Waffenarsenal wäre mit Pistolen, Gewehren, Shotguns und Granatwerfern sehr 08/15 - aber da sind ja noch die großartigen, ausgesprochen tödlichen Wasserpistolen, die gerade im Falle des Wasser-MGs mit einem herrlich bescheuerten Aufpump-Sound brillieren. Die Bosskämpfe sind in manchen Fällen (wie dem Tentakelvieh oder Altos Tratus) einfach nur irre nervend und frustrierend - aber gerade Letzterer wird derart wunderbar vorgestellt, dass man kaum böse über den nachfolgenden Kampf sein kann.
Wie das heutzutage so sein muss, verfügt auch Eat Lead über ein recht brauchbares Deckungssystem: Matt kann sich hinter jedem größeren Objekt verstecken und aus dieser Sicherheit heraus (viel zu präzise) seine
Gegner erledigen. Allerdings ist die Sicherheit nur vorgetäuscht, denn ein großer Teil des Schutzes kann mit genug Firepower zerstört werden - zurück bleibt ein klaffendes, gleißendes Loch im Programmcode, sowie die Notwendigkeit, sich schnell einen neuen Unterschlupf zu suchen. Das geht entweder, indem man einen frischen Punkt anvisiert und per Druck auf die Y- bzw. Dreiecks-Taste automatisch hinspurtet. Oder indem man (wie bei Wanted: Weapons of Fate ) um die Deckung herum schleicht. Das funktioniert erstaunlich gut, wird aber leider außerhalb des Tutorials kaum sinnvoll genutzt. Das Deckungssystem ist grundsätzlich clever und nützlich, nervt aber immer wieder mit fummeliger Kontrolle. Auf der anderen Seite gibt es tödliche Wasserpistolen...
Darüber hinaus ist die Kontrolle gerade in Verbindung mit der Deckung sehr zickig: Klebt Matt erstmal an der Wand, lässt er nur höchst ungern los - so manchen Bildschirmtod habe ich der Divenhaftigkeit der Steuerung zu verdanken, die sich einfach nicht schnell genug lösen wollte. Wo wir gerade dabei sind: Das Checkpunkt-System war ebenfalls mehr als ein Mal Grund für ausgerissene Haare. Zum einen liegen die automatisch gespeicherten Kontrollpunkte teilweise sehr weit auseinander - es ist wahnsinnig lästig, einen ausufernd langen Kampf gegen immer neue Horden von Klongegnern zu überstehen, um am Ende durch eine Blödheit doch noch draufzugehen und alles nochmal machen zu müssen. Darüber hinaus hat die Automatik auch ihre Tücken: So wird der Speicherpunkt beim Überschreiten einer virtuellen Linie ausgelöst, unabhängig davon, was man beim Überschreiten gerade macht. Sprich: Stirbt man gerade (was mir passiert ist, als neben mir ein explosives Fass hoch ging), wird dieser Zustand gespeichert. Beim nächsten Laden war ich sofort wieder tot, ein Kreislauf, aus dem es kein Entkommen gab - außer dem kompletten Neustart des Levels. Und sowas geht natürlich gar nicht.
It's Hazard... okay, ich halte ja schon die Klappe.
Auch technisch ist Eat Lead in erster Linie durchschnittlich: Leveldesign, Figuren, Animationen, Effekte - alles nett, aber unspektakulär und weit von der Brillanz anderer Shooter entfernt. Teilweise sogar verdammt weit: Der breite Rücken von Matt ist besonders beim präzisen Zielen zu dominant, teilweise ist das Spiel irre dunkel; so dunkel, dass selbst ein Hochkurbeln der
Gamma-Einstellungen nicht viel nützt. Aber: Das Ganze läuft jederzeit absolut flüssig, außerdem sind gerade die schon mehrfach gelobten Zwischensequenzen zum größten Teil exzellent in Szene gesetzt. Was nicht zuletzt auch an der sehr guten englischen Sprachausgabe liegt: Will Arnett (Arrested Development) und Neil Patrick Harris (Starship Troopers) sprechen ihre Rollen mit Begeisterung und Verve, es gibt viele kleine und große Witzchen - besonders das ständige Herumreiten auf Matts »It's Hazard Time!«-Motto ist ein prima Running Gag. Die Bossfights bestechen durch einige großartige Ideen - aber zum Teil auch durch elend frustrierendes Design!
Obwohl Matt ein kerniger Actionheld furioser Schule ist, bleibt sein Abenteuer von Brutalität verschont: Erledigte Gegner lösen sich in blauen Programmcode auf, den er wie Gevatter Kratos aufsaugt. Mit dem Resultat, dass Matt bereits nach kurzer Spielzeit seine normalen Schüsse mit Eis und Feuer verstärken kann - damit fallen Marines, Nazi-Sprites, Zombies (kein Shooter ohne Zombies!), besonnenbrillte Leibwächter, tödliche Kuschelarchäologinnen, Cowboys oder gemeingefährliche Fleischer doppelt so schnell. In diesen Augenblicken dreht die Musik mit einer Extraladung E-Gitarre richtig auf, in ruhigeren Momenten verschwinden sie, um Platz für Synthesizer zu machen, die herrlich chipsoundig drauflos zirpen - sehr cool!
Fazit
Ein großes Kompliment vorweg: Als Parodie auf die Spielewelt im Allgemeinen ist Eat Lead das beste Game seit den Simpsons - die Ideen sind teilweise ebenso brillant wie schweinekomisch; die Begegnung mit Altos Tratus, die Wasserpistolen-Gemetzel, die Zwischensequenzen - ich habe schon lange nicht mehr so bei einem Spiel gelacht. Das große Problem ist nur: Obwohl sich das Spiel darüber lustig macht, leidet es doch an genau denselben Designfehlern und Frustrationen wie die Spiele, die es zu verarschen vorgibt: Nervende Bossfights, immergleiche hohlbirnige Gegner, blöd gesetzte Checkpunkte, schwankfreudiger Schwierigkeitsgrad und wenig Abwechslung innerhalb der Missionen lassen das Lachen immer wieder im Halse stecken bleiben. Dennoch geht das Rezept zumindest bei mir halbwegs auf, denn wenn es auch gefühlte 100 Versuche und ebenso viele durch Fenster gepfefferte Gamepads gebraucht hat: Ich habe mich durchgebissen - einfach, weil die danach folgende Zwischensequenz den Ärger und Frust meist wert war. Es ist trotzdem irrsinnig schade, dass die Entwickler es nicht geschafft haben, ein Spiel zu designen, das ebenso motiviert wie amüsiert.
Pro
Kontra
Wertung
360
Als Parodie auf Videogames funktioniert Eat Lead wunderbar - als Spiel lässt es viele Wünsche offen.
PlayStation3
Als Parodie auf Videogames funktioniert Eat Lead wunderbar - als Spiel lässt es viele Wünsche offen.
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