Iron Man 2 - Das Videospiel07.05.2010, Mathias Oertel
Iron Man 2 - Das Videospiel

Im Test:

Dass ein Studio nach Fertigstellung eines Spieles geschlossen wird, ist nicht unbedingt ein gutes Omen - man denke nur an Pandemic (Saboteur) oder Sandblast Games (Destroy all Humans - Der Weg des Furons). Aber vielleicht ist Iron Man 2 doch mehr als der übliche Murks, den man erwartet, wenn "Studio-Schließung" und "Film-Lizenz" zusammen kommen?

Aus. Schluss. Vorbei.

Das San Francisco-Studio von Sega kann für Iron Man 2 weder gelobt noch zur Rechenschaft gezogen werden. Denn auch wenn vieles darauf hindeutet, dass die qualitative Entwicklung dieser Filmlizenz erheblichen Anteil an der Auflösung des Teams hatte, gibt es dennoch einige gute Ideen, die Einzug gehalten haben und die andeuten, in welche Richtung das Projekt hätte gehen sollen oder können - wenn die Zeit gereicht hätte.

Dazu gehört z.B. der Einfall, die Geschichte unabhängig vom Film zu erzählen und nur auf die Figuren zu setzen. Wie schon im Vorgänger kann man so neue Facetten der Charaktere zeigen, die im Film nicht beleuchtet werden. Die Story, die an den

Iron Man 2 bemüht sich vergeblich, den Ruf mieser Lizenz-Versoftungen aufzupolieren.
letzten Kinoausflug von Tony Starks Metallkostümen anschließt, dreht sich um den Diebstahl von Tonys lernfähiger KI Jarvis bzw. eines großen Teiles davon, die nun als Copy-Paste-Version auf böser Seite ihre Dienste verrichtet. Zugegeben: Der Ansatz ist nicht außergewöhnlich, aber dennoch gelungen.

Kein Filmflair

Noch gelungener wäre es allerdings, wenn auch nur eine einzige der zahlreichen Zwischensequenzen hinsichtlich Produktionsstandard, Schnitt-Technik, Dramaturgie oder Inszenierung einigermaßen Filmniveau erreicht hätte.

Aber nichts davon scheint zusammen zu passen. Fangen wir bei den aus dem Film stammenden Figuren an: Black Widow (im Film: Scarlett Johanssen) sieht aus wie eine total abgestürzte Amy Winehouse, Nick Fury (Samuel Jackson) erinnert an einen Piraten mit dunkler Hautfarbe, dem nur der Papagei fehlt und lediglich Tony Stark (Robert Downey Jr.) schafft es hin und wieder, an sein reales Ebenbild zu erinnern. Am Schlimmsten hat es jedoch Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) erwischt: Das einzige, was sie mit der Filmfigur gemeinsam hat, ist die Hautfarbe. Alles andere ist erschreckend falsch.

Dieses Manko teilen sich auch die Stimmen, die den meist nur schlecht animierten Mündern entfleuchen. Ich vermute zwar, dass in der Original-Version die Schauspieler ins Studio gezerrt wurden, um die Samples einzuspielen, aber sicher sein kann man nicht. Selbst der sonst so markante Sam Jackson bleibt hier erstaunlich blass und wirkt wie ein schlechter Stimmenimitator.

Noch schlimmer hat es die deutsche Version erwischt. Während im Englischen wenigstens der Versuch unternommen wird, die Figuren über das gesprochene Wort mit Witz, Charme und etwas Leben zu füllen, sind dies alles Charakteristika, die in der Synchro komplett fehlen.

Biedere Kulisse

Dass die Engine bei den Zwischensequenzen patzt, wäre ja vielleicht noch zu verschmerzen gewesen. Andererseits sollte

Die Bosse gehören zu den Höhepunkten in einer unter dem Strich schwachen Kulisse.
man auch nicht so hoffnungsvoll sein und davon ausgehen, dass die Grafikabteilung des (ich muss wieder daran erinnern) mittlerweile aufgelösten Entwickler-Teams ihre ganze Energie auf die Kulissen gesetzt hätte. Und was nutzen sie nicht alles: Physik basierend auf Havok- und ageia-Systemen, Criware als grundsätzliche Engine-Tools, KI-Routinen von Kynapse usw. Das erzielte Ergebnis steht dabei allerdings in keiner Relation zum Aufwand.

Sicher: Das Geschehen bleibt jederzeit ruckelfrei. Doch wenn das schon im Wesentlichen das einzige visuell herausragende Merkmal ist, wird einem angst und bange. Und tatsächlich können einem manche Effekte wie Explosionen Schauer des Entsetzens den Rücken hinunter jagen. Selbst der Vorgänger hatte technisch mehr auf dem Kasten als dieser Versuch, so zeitnah wie möglich zum Film noch ein paar Euros, Dollars oder sonstige Währungen mitzunehmen.  

Gegen diese Kulisse, die sich mit Nier und Samurai Shodown Sen um den Preis für das unzeitgemäßeste Grafikdesign des Jahres streiten dürfte, haben selbst sporadische Highlights wie gewisse Metalltexturen und das Aussehen der Mech-Bosse keine Chance.

      

Iron Man V2

Dabei gibt es spielmechanisch sogar einige Verbesserungen und deutlichen Fortschritt zu verzeichnen. Die Zeiten, in denen man als Iron Man (in manchen Missionen kann man auch als War Machine mit ähnlichen Möglichkeiten auf die Pirsch gehen) während der Flugsequenzen mehr mit der Steuerung als den Gegnern zu kämpfen hatte, gehören der Vergangenheit an.

Die Kontrollen wurden deutlich entschlackt, intuitiver gestaltet und auf das Wesentliche getrimmt: Explosive Action. Dass die Explosionen in diesem Fall tatsächlich meist eher Rohrkrepierer bleiben, lassen wir mal außen vor und nehmen um des lieben Friedens willen an, dass die Action explosiv ist.

Zumindest kann man haufenweise Mechs in zahlreichen Variationen in schlecht animierten Feuerbällen aufgehen sehen, nachdem man sie mit seinen durchschaltbaren Waffensystemen beharkt hat.

Die Zielerfassung arbeitet dabei zwar mitunter etwas hektisch, aber daran kann man sich gewöhnen, so dass die

In einigen Missionen hat man die Wahl zwischen Iron Man und War Machine.
Auseinandersetzungen sogar unerwartet in Spaßbereiche abdriften, die ich dem Titel angesichts der Präsentation nicht zugetraut hätte.

Doch spätestens wenn es in die schwach sowie lieblos gestalteten Innenräume oder in den Nahkampf geht, wird dem Spaß schnell wieder ein Riegel vorgeschoben. Denn so unterhaltsam (wenngleich sinnfrei) die luftigen Duelle sein können, so schwach und hinsichtlich der Kameraarbeit unterirdisch sind die Gefechte von Blech zu Blech - standardisiertes Button-Mashen ohne Taktik-, Strategie- oder Planungsbedarf.

Aufrüst-Wahn mit Verwirr-Garantie

Dass man zwischen den Missionen an den Kampfanzügen werkeln und seine Bewaffnung oder Nahkampfprogramme mit allerlei Verbesserungen ausrüsten darf, ist ein weiteres sinnvolles Element - zumindest auf dem Papier. Denn die Benutzerführung in diesem Bereich ist derart kompliziert, dass man entweder mit einem Navigationssystem oder einem Hochschulabschluss in Astrophysik ausgestattet sein sollte, wenn man sich schnell und einfach zurechtfinden möchte. Das hätte deutlich einfacher gehen können, ja müssen.

Und wenn wir schon bei "hätte eigentlich drin sein müssen" sind: Wo ist der kooperative Modus? In Zwischensequenzen arbeiten Iron Man und War Machine immer wieder zusammen. Im Spiel hingegen ist man auf eine der beiden Figuren beschränkt. Angesichts der ohnehin schwachen Kulisse hätte für mein Empfinden ein Splitscreen keine Performance-Einbußen mit sich gebracht. Und getreu dem Motto "Halbes Leid ist geteiltes Leid"  hätte sich diese ambitionierte Lizenz vielleicht sogar noch einige bitter nötige Bonuspunkte verdienen können.   

Fazit

Eigentlich kann Tony Stark einem leid tun. Der zeitliche Zwang, der oft mit Filmlizenzen einhergeht, hat in diesem Fall nicht nur dem Studio das Genick gebrochen, sondern sorgt auch dafür, dass die zweifellos vorhandenen Qualitäten von Iron Man 2 den schwachen Produktionsstandards geopfert werden. Die Vereinfachung der Flugkontrollen im Vergleich zum Vorgänger tut der Mechanik ebenso gut wie die eingängige Steuerung bei den ballistischen Gefechten gegen andere Mechs, während die Nahkampf-Auseinandersetzungen eher mau bleiben. Auch die Möglichkeit, die Kampfanzüge durch Aufrüstungen ständig zu verbessern und zu tweaken, ist gelungen. Aber kann mir mal jemand verraten, wieso man studiert haben muss, um aus der Menüstruktur bei der Waffenaufrüstung schlau werden zu können? Und wo wir gerade bei Erklärungsbedarf sind: Wer hat eigentlich das Figurendesign in den Zwischensequenzen zu verantworten? Scarlett Johannsen als Black Widow erinnert an Amy Winehouse auf Koks, Gwyneth Paltrow ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen und selbst Robert Downey Jr. und Samuel Jackson sind nur dann zu identifizieren, wenn man weiß, wen die virtuellen Karikaturen darstellen sollen. Wundert es da noch, dass die Kulisse im Allgemeinen enttäuscht? Schwache Soundabmischung und Sprachausgabe, bei denen man im Englischen nie sicher sein kann, ob es die Original-Sprecher oder schlechte Stimmen-Imitatoren sind, während die deutsche Synchro größtenteils indiskutabel ist, runden die technische Seite ab, die keinen Zweifel daran lässt, dass das verantwortliche Team entweder mit der Thematik oder dem Zeitplan vollkommen überfordert war.  Schade eigentlich, denn das grundsätzliche Konzept hätte tatsächlich aufgehen können.

Pro

solide Baller-Action
gute Steuerung
passable Bosskämpfe
zwei spielbare Figuren (Iron Man, War Machine)
Anzüge können aufgerüstet werden

Kontra

unübersichtliche Benutzerführung bei Upgrades
schwache Nahkampfmechanik
Zwischensequenzen unsauber inszeniert
Akustik unsauber abgemischt
kein Koop-Modus
immer wieder Probleme mit der Kameraführung
indiskutable Synchro-Spur
Hauptfiguren teils nicht wiederzuerkennen

Wertung

360

Ein ansatzweise gutes Konzept wurde ein Opfer des Lizenz- und Zeitdrucks. Technisch schwach, spielerisch bieder.

PlayStation3

Einige gute Konzept-Ideen werden von einer schwachen Kulisse und noch schwächerer Inszenierung in den Lizenz-Orkus abgeschoben.

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