Vandal Hearts: Flames of Judgment27.01.2010, Jens Bischoff
Vandal Hearts: Flames of Judgment

Im Test:

Kennt ihr noch die PSone-Klassiker Vandal Hearts 1 und 2? Ich weiß noch, wie ich damals ganze Nächte mit Ash und Joshua auf den virtuellen Schlachtfeldern verbracht habe. Als Konami die Wiederbelebung der Taktikserie angekündigt hatte, war meine Freude entsprechend groß. Seit letzten Mittwoch ist das als Prequel angelegte Flames of Judgment auf Xbox Live Arcade erhältlich. Kann es das Feuer der Begeisterung erneut entfachen?

Am Anfang war das Feuer

Flames of Judgment spielt einige Jahrzehnte vor dem 1997 erschienenen PSone-Original: Die Spielwelt Sostegaria leidet unter den Folgen eines erbitterten Krieges zwischen Urdu und Balastrade, der vor 16 Jahren ein abruptes Ende nahm als die Armeen beider Nationen in einem den Göttern zugeschriebenen Meteoritenhagel ihr Leben ließen.

Der Trailer beinhaltet nur wenige Spielszenen und gewährt eher Einblicke in Szenario und Story.Viele Kinder wurden damals sowie infolge schwerer Hungersnöte und Krankheiten zu Waisen. Auch Protagonist Tobias Martin verlor im Krieg seinen Vater und wenig später seine Mutter und landete schließlich wie viele andere auch in der Obhut eines kirchlichen Kinderheims. Jahre vergingen, als eines Tages plötzlich sein Heimatdorf von Banditen angegriffen wird. Als er und sein Freund angewiesen werden, Hilfe in der nahe gelegenen Garnison zu holen, überschlagen sich die Ereignisse und es droht ein erneuter Krieg zwischen Urdu und Balastrade, den Tobias und seine Gefährten natürlich um jeden Preis verhindern wollen.

Die in eingedeutschten Textdialogen und bilderbuchartigen Sequenzen mit englischer Sprachausgabe präsentierte Handlung in vier Akten wirkt optisch ungemein bieder und erzählerisch reichlich plump. Auch das Charakterdesign zählt sicher nicht zu den Stärken des Titels. Aber egal, im Vordergrund stehen wie schon bei den Vorgängern taktische Rundenkämpfe auf quadratisch gerasterten Schlachtfeldern und da können Tobias und Co. durchaus überzeugen. Man dirigiert allerdings keine Armee aus Rittern, Bogenschützen oder Zauberern, sondern sechs individuelle Story-Charaktere, die zwar unterschiedliche Talente besitzen, aber sich nach persönlichem Geschmack und Spielstil einsetzen und entwickeln lassen: Regelmäßig angewandte Aktionen werden immer effektiver und verbessern damit verbundene Attribute, während ungenutzte Fertigkeiten stagnieren. Man entscheidet quasi selbst, ob man weitgehend flexibel bleiben oder sich gezielt spezialisieren will. Es gibt aber auch einzigartige Spezialtalente, die in bestimmten Situationen zum Einsatz kommen: Connor kann nach einem Todesstoß z. B. in Raserei verfallen und gleich noch einen Zug machen, während Luce, wenn sie einen kritischen Treffer landet, einen Schlachtruf ausstößt, der eine Runde lang den Angriffswert aller Gefährten steigert. Zudem kann es je nach Talentstufe zu Teamattacken kommen, wenn sich in Reichweite des Ziels ein Verbündeter befindet, während Angriffe von hinten oder der Seite wie üblich mehr Schaden anrichten als frontale Treffer und Schützen Höhenvorteile nutzen können.

Agieren und reagieren

Wie in Vandal Hearts II kann man auch wieder zwei Waffen gleichzeitig tragen. Dieses Mal jedoch nicht eine in jeder Hand, sondern eine aktiv und eine jederzeit griffbereit, um sie ohne Zugverlust wechseln zu können. Das ist nicht nur sinnvoll, um gegen bestimmte Arten von Gegnern mehr Schaden anzurichten, sondern auch um das bereits aus dem ersten Vandal Hearts bekannte, aber erweiterte Kontersystem taktisch klug zu nutzen: Greift man einen mit Schwert, Axt, Dolch oder Hammer ausgerüsteten Gegner mit einer Nahkampfwaffe an, holt dieser unmittelbar darauf zu einem Gegenschlag aus, auch bei Attacken von hinten. Sogar feindliche Schützen schießen nach einem Bogenangriff direkt zurück. Das gleiche gilt natürlich auch, wenn man selbst angegriffen wird. Um Schaden ohne Gegenwehr anzurichten, muss man also feindliche Schützen im Nahkampf sowie gegnerische Krieger im Fernkampf attackieren. 

Flames of Judgment bietet klassische Rundentaktik in Rasterform, die spielerisch durchaus überzeugt. Bei der grafischen und erzählerischen Inszenierung wäre jedoch mehr drin gewesen.
Nach dem Angriff kann man die Waffe allerdings nicht mehr wechseln, so dass man, sollte der Gegner, wenn er zum Zug kommt, noch leben, selbst Schaden ohne Gegenwehr einstecken muss.

Daher gilt es stets abzuwägen ob man Feinden in Reichweite mit gleichen Waffen begegnet, um sich die Möglichkeit auf Konter offen zu halten oder ob man den Einsatz entgegen gesetzter Waffengattungen wagt, was einen schnell zum Ziel aller überlebenden Feinde im Umkreis machen kann. Sind die Lebenspunkte einer Spielfigur nämlich aufgebraucht, fällt sie für den Rest der Schlacht aus, was bei einer lediglich sechsköpfigen Truppe entsprechend schwer wiegt - vor allem, wenn es den einzigen fähigen Heiler oder Verteidiger trifft. Zauber, die man anhand von ausgerüsteten Büchern lernen und später auch ohne Vorlage nutzen kann, können hingegen nicht gekontert werden. Allerdings besteht dabei das Risiko eines Rückschlags, das dem Zauber Wirkenden ohne Fremdeingriff Schaden zufügt, was zwar gewöhnungsbedürftig ist, aber für mehr Chancengleichheit unter den Angriffsarten sorgt. Tödliche Treffer werden übrigens wieder sehr martialisch inszeniert - die übertriebenen Blutfontänen gibt es zwar schon seit dem Original, zum neuen, fast kindlichen Grafikstil wollen sie aber nicht wirklich passen. Nach Kampfende sind jedoch alle Gefallenen wieder kuriert; dauerhafte Verluste wären aufgrund der kleinen, storygebundenen Charakterriege auch undenkbar gewesen.

Fade Fassade

Grafisch hätte man aber durchaus ein aufwändigeres Erscheinungsbild erwarten können. Klar ist das bei einem Strategiespiel nicht so wichtig, aber sowohl Figuren, Animationen als auch Kulissen wirken einfach reichlich unzeitgemäß und erzeugen trotz passabler Soundkulisse nur wenig Atmosphäre - das französische (!) Hintergrundgeplapper bei Shopbesuchen ging mir mit der Zeit sogar ziemlich auf den Senkel. Verbesserungswürdig ist auch die Kameraführung während der Kämpfe. Zwar kann man die Spielansicht kippen, drehen und zoomen, aber alles nur sehr eingeschränkt.

Die Bosskämpfe sind meist interessant - dieser Sandwurm verschwindet zwischenzeitlich auch mal unter der Erde.
Auch die automatische Transparenzfunktion bei Sicht versperrenden Objekten funktioniert nicht immer zufrieden stellend. Ansonsten ist die Handhabung aber sehr angenehm. Man hat eine visualisierte Zugreihenfolge, kann gegnerische Reichweiten anzeigen lassen, detaillierte Feindinfos abrufen oder während des Kampfs erbeutete Gegenstände direkt ausrüsten, wobei jeder Figur zwei Rüstungs-, Waffen und Item-Slots zur Verfügung stehen. Ärgerlich ist nur, dass man zu gefundenen Gegenständen erst nach der Schlacht konkrete Infos einsehen kann. Bei einer neuen Waffe oder Rüstung weiß man nicht einmal, ob sie besser oder schlechter als die aktuelle ist, was einfach schlampig wirkt.

Schade ist auch, dass man im Verlauf des mit nur einem Dutzend Story-Gefechten recht überschaubaren Feldzugs gerade einmal sechs Spielfiguren kontrollieren darf. Das macht das Party-Management zwar intensiver und handlicher, lässt Fans groß angelegter Schlachten aber in die Röhre schauen; auch flugfähige Figuren sind nicht mehr mit von der Partie. Stattdessen bestreitet man eher kleinere Scharmützel in vorwiegend kompakten Arealen. Über einen Mangel an Gegnern kann man sich jedoch nicht beschweren: Oft trifft überraschend feindliche Verstärkung ein, tierische Gegner sorgen für interessante Dreieckskämpfe und vereinzelt kämpft man auch an der Seite von verbündeten KI-Kameraden. Es gibt simple Kampfeinsätze, bei denen man einfach sämtlich Gegner vernichten muss sowie gut inszenierte Bosskämpfe, aber auch Geleit- und Fluchtmissionen. Obendrein kann man auch acht optionale Kampfareale entdecken, in denen oft lukrative Belohnungen warten. Auf fast jedem Schlachtfeld gibt es neben auffallenden, aber oft abseits gelegenen Schatzkisten auch andere Verstecke, in denen sich Gold, Waffen, Rüstungen oder Karten bzw. Zugänge zu verborgenen Bonusarealen finden.

Der Wunsch nach mehr

Darüber hinaus gibt es aber auch noch andere gelungene Interaktionsmöglichkeiten mit der Spielumgebung: Mal muss man mit zwei Figuren gleichzeitig zwei Kurbeln betätigen, um ein Gatter zu öffnen, mal gilt es an einem Abhang lockere Felsen ins Rollen zu bringen, um ein verschlossenes Tor zu zerschmettern und ein anderes Mal muss man mehrmals eine Lore aktivieren, um rechtzeitig zu fliehen, während eine feindliche Übermacht immer näher rückt.

Es gibt zwar nur wenige und meist sehr kompakte Karten, aber die sind immerhin sehr abwechslungsreich und bieten diverse Interaktionsmöglichkeiten wie auslösbare Gerölllawinen um in dieses verriegelte Fort einzudringen.
Aufgrund des insgesamt recht kurzen Feldzugs, dessen Schlachten nur selten länger als eine halbe Stunde dauern, darf man natürlich nicht zu viel erwarten. Aber während der zehn bis 15 Stunden Spielzeit wird doch einiges an Abwechslung geboten. Je nachdem wie man sich in einer Hand voll Schlüsselszenen entscheidet, bekommt man sogar zwei Spielenden zu Gesicht. Der Wiederspielwert ist ansonsten aber eher gering, da die Kampagne keine spielerischen Verzweigungen bietet und man trotz Dialogentscheidungen immer dieselben Schlachten schlagen muss.

Zudem gibt es nach Ende keine Möglichkeit mehr bereits gemeisterte Einsätze erneut zu bestreiten wie noch während der Kampagne. Auch zusätzliche Schwierigkeitsstufen für einen erneuten Durchgang sucht man vergeblich. Der nicht veränderbare Schwierigkeitsgrad ist zudem ziemlich harmlos, kein Vergleich zu den Vorgängern, wo man teils wirklich um sein Leben zittern musste. Das macht das Spiel für Einsteiger natürlich besonders zugänglich, Veteranen fühlen sich aber nie wirklich gefordert. Lediglich den originell konzipierten, aber auch nicht wirklich schweren Endkampf musste ich aufgrund einer bösen Überraschung, die wohl daher rührte, dass ich mich nicht an die geplante Abfolge gehalten habe, einmal wiederholen. Das Fehlen eines Mehrspielermodus' wie in Band of Bugs wiegt aufgrund der im Vergleich zu den Vorgängern eher kurzen Spielzeit natürlich doppelt schwer. Auch der vergleichsweise hohe Preis von 1.200 Microsoft-Punkten dürfte manch einen abschrecken. Der direkte Vergleich mit den Vorgängern ist jedoch kein fairer, da die seinerzeit zwar deutlich umfangreicher aber eben auch deutlich teurer waren...       

Fazit

Flames of Judgment bietet wie seine PSone-Urahnen klassische Rundentaktik auf schachbrettartigen Schlachtfeldern. Das mag spielerisch antiquiert, grafisch sogar vorsintflutlich wirken. Aber die an sich sehr simpel gestrickten und präsentierten Scharmützel bedienen nicht nur nostalgische Reize, sondern bieten auch interessante Facetten wie das duale Waffensystem mit entsprechender Kontermechanik oder die von der eigenen Spielweise aktiv bestimmte Charakterentwicklung. Gut, die Story hat lediglich Alibi-Charakter, der nicht veränderbare Schwierigkeitsgrad ist insgesamt viel zu lasch und vor allem der Umfang ist für 1.200 Microsoft-Punkte nicht sonderlich üppig. Ein Mehrspielermodus wie bei Band of Bugs oder zusätzliche Schwierigkeitsgrade hätten die Langzeitmotivation sicher enorm gesteigert. Doch Genrefans werden immerhin zehn bis 15 Stunden gut bei Laune gehalten, können einige Schätze und Bonusgebiete entdecken und anhand mehrerer Schlüsseldialoge sogar zwei Spielenden erleben. Auch die Bossfights und Umgebungsinteraktionen sind gelungen und die Navigation geht bis auf die etwas zickige Kamera gut von der Hand. Ungewohnt ist hingegen die bescheidene Anzahl von gerade einmal sechs spielbaren Charakteren sowie der Verzicht auf allgemeine Klassen oder flugtaugliche Figuren. Insgesamt ist das neue Vandal Hearts trotz interessanter Zutaten mehr Vorspeise als Hauptgang - geschmeckt hat's trotzdem.

Pro

solide Rundentaktik
gelungene Bossfights
einfache Handhabung
interessantes Kontersystem
individuelle Charakterentwickung
motivierende Umgebungsinteraktionen

Kontra

mäßige Story
antiquierte Optik
überschaubarer Umfang
nur sechs spielbare Charaktere
gelegentliche Übersichtsprobleme
sehr harmloser Schwierigkeitsgrad

Wertung

360

Solides Taktikrollenspiel alter Schule, dem es leider an Umfang und Herausforderung mangelt.

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