ilomilo12.01.2011, Benjamin Schmädig
ilomilo

Im Test:

Meine Welt steht Kopf! In der einen Sekunde laufe ich über eine Reihe Würfel - in der nächsten kippe ich über die Kante und stehe plötzlich dort aufrecht, wo es vorher senkrecht nach unten ging. Noch einmal und noch einmal das gleiche Spiel an anderer Stelle und schon habe ich von oben und unten keine Ahnung mehr. Wo muss ich eigentlich hin?

Ein Spiel - zwei Helden

Ilomilo ist eigentlich gar kein Name. Ilomilo ist eigentlich zwei Namen. Denn Ilo und Milo heißen die tollpatschigen Helden. Und ihr Spiel ist ein knuffiges Drama. Ilo und Milo treffen sich nämlich täglich im Tag im Park - vergessen aber jedes Mal den Weg zu ihrem Treffpunkt! Oder sind es in Wirklichkeit gar die Wege selbst, die sich verändern? Auf jeden Fall stehen die beiden immer am anderen Ende des Levels, Verzeihung: Parks, und müssen irgendwie zueinander finden. Dabei entdecken sie u.a. die traurigen Postkarten zweier Verliebter, die sich vor vielen Jahren aus den Augen verloren haben. So schön können Metaphern sein!

Die Zeichenkunst der schwedischen Entwickler tut dabei viel, damit man Ilo und Milo sofort ins Herz schließt. Die beiden sehen aus wie Fäustlinge ohne Daumen, der eine rot, der andere blau. Als Gesicht dient ein aufgenähter Stofffetzen mit zwei schwarzen Punkten; Arme und Beine sind ovale Knubbelchen. Wenn sie einen Würfel aufsammeln, tragen sie einen kleinen Rucksack. Auf Knopfdruck blicken sie übers gesamte Spielfeld hinweg sehnsuchtsvoll in die Augen des anderen. Gelungene Veralberungen auf die Spielewelt - mal als Hommage an World of Goo , mal als mahnender Zeigefinger auf langweilige Kahlkopf-Helden - machen die sympathischen Figuren noch liebenswerter. Also: Wie bringe ich die drolligen Sackboy-Verschnitte zusammen?

Abseits des Pfades

Steuern kann ich stets nur einen, ein Knopfdruck lässt mich aber jederzeit zwischen Ilo und Milo wechseln. Immerhin befinden sich Hindernisse auf dem Weg über die Würfelstraßen, die mal vom einen, mal vom anderen beseitigt oder umgangen werden müssen. Einfachstes Beispiel ist eine Lücke im Würfelpfad. Einfachste Lösung ist das Aufheben eines (speziell markierten) Quaders, den man nahezu überall absetzen und wieder aufheben kann. Manche Würfel muss Ilo auflesen, um sie an Milo zu übergeben. Das geht trotz der räumlichen Trennung, weil sie die Quader neben einem Pfad ablegen können, so dass ihn der Partner auf einer anderen Seite des Pfades erreichen kann. Um zusammenzukommen müssen die Stoffhelden aber auf der gleichen Seite des Pfades stehen - genau da wird es knifflig. Sie dürfen nämlich nur an markierten Stellen über eine Kante auf die Seite des Weges treten. Vorbildlich: Das Prinzip verinnerlicht man binnen weniger Sekunden, der Qualmkopf-Faktor steigert sich aber jedes Mal, wenn die Perspektive kippt.

Der große Aha-Moment

Schade nur, dass es zu wenige wirklich harte Kopfnüsse gibt. Die meisten Levels meistert man durch einfaches Herumprobieren beim Hin- und Herlaufen. Nicht einmal die Extras sind besonders gut versteckt: Nur gelegentlich muss man in mehreren Schritten um die Ecke denken - und dann ist ilomilo klasse! Kommt man trotzdem nicht weiter, darf man ein Puzzle immerhin abbrechen und ein anderes erknobeln. Die größte Herausforderung is stets: Wie komme ich mit möglichst wenigen Schritten zum Ziel? Und genau darum geht es auch in den Online-Ranglisten. Diese üben allerdings wenig Reiz aus - mehr Aha-Momente beim Entschlüsseln scheinbar unüberwindbarer Hindernisse wären befriedigender.

Preis und Verfügbarkeit

Ilomilo ist nur über Xbox Live Arcade erhältlich und kostet 800 Microsoft-Punkte.Immerhin sind gut 70 Rätsel genug, um ein paar Tage zu fordern.

Etwas knapp ist hingegen die Anzahl der Objekte, die Ilo und Milo benutzen dürfen. Neben den Lücken füllenden Würfeln gibt es z.B. Quader, die einige Felder nach oben und wieder zurück schweben - wo soll man einen solchen absetzen, um an welche Seite welchen Würfels zu gelangen? Außerdem laufen später würfeldicke Wesen durch die Welt, die bestimmte Hindernisse auffressen und auf denen einer der Helden »reiten« kann. Wie »lenkt« man die Wesen zu einem solchen Hindernis und wohin muss Ilo reiten, um Milo den Weg freizumachen? Und es dürfen sich zwei Spieler gemeinsam am Knacken der Rätsel versuchen - hervorragend! Aber halt: Als wir es uns gemütlich machten und »Mehrspieler« wählten, war die Ernüchterung groß. Denn auch zu zweit sind Ilo und Milo ausschließlich abwechselnd an der Reihe. Nur dass Spieler eins eben Ilo, Spieler zwei dafür Milo steuert. Es gibt keine speziellen Levels, in denen es z.B. auf das aufeinander abgestimmte Timing ankommt, es gibt keinen geteilten Bildschirm und man darf auch nicht online knobeln. So ist der Menüpunkt seinen Eintrag leider kaum wert.  

Fazit

Wer ilomilo startet, löst knifflige Rätsel vor einer liebevoll ausstaffierten Kulisse aus buntem Stoff. Es ist nicht ganz LittleBigPlanet - es ist aber auch nicht weit davon entfernt. Besonders die schiefe Blasmusik, die herzlichen Figuren und ihre kleinen Geschichten sind ungemein sympathisch. Das Spiel ist dabei so schräg wie sein Äußeres, denn das notwendige Kippen der Perspektive regt auf wunderbare Weise zum Um-die-Ecke-Denken an. Man braucht ein gutes Verständnis für dreidimensionale Räume, um Ilo und Milo zusammenzubringen. Über die Dauer fehlen allerdings die besonders vertrackten Herausforderungen; viele Aufgaben löst man durch einfaches Umherlaufen. Auch die geringe Anzahl an Spielelementen spürt man als Dauertüftler. Die notdürftige Mehrspieler-Möglichkeit ist hingegen nicht einmal der Rede wert. Den schwedischen Entwicklern gelingt nicht der ganz große Wurf - die eine oder andere Hirnzelle bringt ilomilo aber auf ganz wundervolle Art und Weise zum Rauchen.

Pro

einfallsreiches Um-die-Ecke-Denken
liebenswerte Protagonisten, gefühlvolle Erzählung
einfallsreiches Artdesign, stimmungsvolle Musik
sympathische Anspielungen auf die Spielewelt
stets mehrere Puzzle zur Auswahl

Kontra

wirklich knackige Knopfnüsse sind etwas zu selten
relativ wenig Rätselelemente
völlig überflüssige Mehrspieler-Variante

Wertung

360

Ein liebevoll gestaltetes Knobelspiel mit vertracktem Um-die-Ecke-Denken. Leider bleiben viele Rätsel auf Dauer zu einfach.

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