CrossBoard 712.11.2010, Jan Wöbbeking
CrossBoard 7

Im Test:

So war das nicht vereinbart! Noch vor einigen Jahren hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich einmal im Dienste von 4Players Hochleistungssport treiben würde. Doch nun hüpfe ich im Sekundentakt vor dem Fernseher herum, während Kollege Paul das Elend auch noch hämisch grinsend von der Seite knipst. Der Grund für die Verrenkungen ist Konamis Funsport-Spiel CrossBoard 7 (ab 32,90€ bei kaufen), welches exklusiv für Kinect erscheint. Wie bei Sonic Free Riders muss ich hier richtig stark in die Kurve lehnen, um nicht aus derselben zu fliegen. Wir haben getestet, ob Konamis Starttitel einen Adrenalin-Kick oder nur Muskelkater erzeugt.

Schwing die Kiste!

Falls sich jemand wundert, dass er noch nie von dem Titel gehört hat: In den USA wurde CrossBoard 7 unter dem Namen Adrenalin Misfits veröffentlicht. Im Grunde handelt es sich um einen klassischen Trendsport-Titel mit Fun-Racer-Einschlag. In diversen Spielvarianten rase ich mit den vielseitigen Boards durch Slalomtore, einen schneebedeckten oder sandigen Abhang hinunter, liefere mir ein Wettrennen gegen windschnittig gestaltete Comic-Charaktere oder versuche mich auf einem reißenden Fluss zwischen gewaltigen Wasserfällen an einigen Trickwettbewerben. Das Fahrverhalten unterscheidet sich auf den verschiedenen Untergründen nicht all zu stark. An Umfang oder Abwechslung mangelt es nicht - doch der Einzelspielerpart ist altbacken strukturiert. Ich versuche mich an einer Herausforderung nach der anderen und schalte nach und nach neue Figuren, einige Strecken sowie 50 Bretter für unterschiedliche Fahrstile frei.

 

Keine Chance für Sportmuffel: Bei Crossboard 7 muss sich der Spieler stark in die Kurven lehnen.

Was das Spiel von der Konkurrenz unterscheidet, ist der Körpereinsatz: Mir ist jedenfalls kein anderes Funsport-Spiel bekannt, bei dem man sich derart viel bewegen muss. Das Gute daran: Kein anderes Spiel kommt dem tatsächlichen Bewegungsablauf so nahe wie CrossBoard 7. Ich muss mich richtig stark zur Seite lehnen und kann Kurven tatsächlich mit einer realitätsgetreuen Gewichtsverlagerung schwungvoll durchfahren. Zwischendurch springe ich immer wieder mit Schmackes in die Luft, um einen Trick zu starten. Bin ich sicher wieder gelandet - was in den meisten Fällen gelingt - gibt es zur Belohnung einen Temposchub. Richtet euch schon einmal darauf ein, viel Raum vor dem Fernseher zu schaffen, denn das Spiel ist sehr platzhungrig.

Nun spring schon!

Der Nachteil an Konamis Wintersportspiel: Die Kinect-Steuerung reagiert zwar beim einfachen In-die-Kurve-Lehnen gut, aber bei weitem nicht immer so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ab und zu erkennt die Hardware meine Fußstellung falsch und schon steht mein Boarder quer auf der Strecke, was natürlich meine Medaillenhoffnung auf einen Schlag schwinden lässt. Noch ungenauer wird es bei den Tricks: Drehe ich in der Luft meinen Oberkörper oder führe eine kleinen Tritt mit dem Fuß aus, sorgt das auf der Mattscheibe für Luftakrobatik - theoretisch zumindest. Wenn man sich auf die Gesten eingestellt hat, werden auch in der Praxis die meisten Bewegungen umgesetzt. Doch für ein Spiel, bei dem man um Bestleistungen kämpft, läuft einfach zu viel schief. Am Genauesten wird noch das Gleiten mit ausgestreckten Armen erkannt: Dadurch schwebe ich nach einem Hüpfer vom hohen Hang bei guter Körperhaltung erstaunlich weit. Vielleicht wurde daher das Tricksystem so arg simpel gehalten. In den ersten Herausforderungen reichte es, ein wenig unkoordiniert vorm Bildschirm herumzuhampeln und schon hatte ich innerhalb von zehn Sekunden drei (!) Erfolge freigeschaltet. Gamerscore-Farmer könne hier schon in den ersten Minuten gnadenlos abräumen.

Als ich nicht mehr auf die trägen Anfänger-Boards angewiesen war, haben sich die Ballon-Rennen als unterhaltsam erwiesen - auch im simultanen Mehrspielermodus. Lediglich zwei Spieler bekämpfen sich im Splitscreen. Einen Staffellauf oder Online-Modus wie in Sonic Free Riders gibt es nicht. Sammelt man bei der Ballonjagd drei oder mehr Exemplare hintereinander ein, lassen sich ähnlich wie bei Tricks Punkte-Kombos aufbauen. 

Das Trick-System fällt allerdings arg simpel aus.
Die auf der Strecke verstreuten Energiekugeln und Lenkraketen sorgen ebenfalls für Chaos - oder wenn ein nicht beteiligter Spieler durch den Hintergrund läuft. Als Paul hinter Bens und meinem Rücken aus dem Büro gezischt ist, hat das die Kinect-Hardware so sehr irritiert, dass die Spieler ausgetauscht wurden: Plötzlich steuerte ich Bens Charakter und er meinen.

Glänzende Schneepisten

Auf visueller Ebene macht das Spiel weniger falsch: Die Framerate liegt zwar deutlich unter 60 Bildern pro Sekunde, der Wintersport läuft aber stets flüssig über den Schirm. Außerdem bietet der Schnee viel mehr flauschige, realistisch in der Sonne glänzende Knubbel als in Sonic Free Riders. Die Skate-Biester wurden zwar etwas zu übertrieben auf cool getrimmt, doch ihr fein strukturiertes, sanft beleuchtetes Fell kann sich sehen lassen. Wem das Design nicht gefällt, darf auch mit seinem Avatar über die Piste pflügen. Lediglich ein paar grobe Clipping- und Physik-Schnitzer trüben das ansehnliche Gesamtbild: So kann ich z.B. direkt durch Slalomtore fahren, ohne dass diese sich bewegen. Die Musikuntermalung besteht durchweg aus rocklastigen Stücken. Statt bekannter Lizenz-Titel gibt es meist kerniges Instrumental-Geschrabbel zu hören. Der überdrehte Kommentator fällt dagegen in die Kategorie akustische Lärmbelästigung. Selbst wenn ich mich richtig dumm anstelle, himmelt er mich penetranter an als jedes Boyband-Groupie.       

Fazit

Eigentlich ist es ja vorbildlich, dass sich Konami so aufopferungsvoll um die Fitness seiner Kunden kümmert - die ausladenden Bewegungen kommen einer echten Abfahrt schließlich deutlich näher als gemütliches Knöpfchendrücken auf der Couch. Das Genre passt besser zu Kinect als andere Spiele und nach einer frustigen Eingewöhnungsphase hat sich tatsächlich ein gewisser Spielfluss entwickelt. Doch ausgerechnet wenn man gerade richtig ins Spiel kommt, stellt sich die Technik quer, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Mein Sportler bremst urplötzlich ab, während die Gegner an mir vorbei rauschen. Oder die Kamera erkennt eine Trick-Geste nicht. Oder meine Figur führt einen Trick aus, obwohl ich mich überhaupt nicht bewegt habe. Die meiste Zeit über funktioniert die Steuerung, doch eben bei weitem nicht so präzise und verlässlich wie mit einem klassischen Controller. Wenn sich die Widrigkeiten der Technik einmal nicht offenbaren, sorgt die Jagd nach Zeit und Punkten trotzdem nicht für viel Spannung. Es gibt zwar genügend Disziplinen, aber keine Karriere und nicht einmal einen Online-Modus. Stattdessen werden immer nur neue Levels, Charaktere und fahrbare Untersätze freigeschaltet. Außerdem fällt das Tricksystem mit seiner Hand voll Stunts viel zu simpel aus. Für eine lustige Ballonjagd oder einen schnellen Abfahrtslauf zwischendurch ist das Spiel trotzdem gut, gerade wenn man nicht mehr auf die schwachen Anfänger-Boards angewiesen ist. Als ernst zu nehmende Alternative zu Shaun White oder Mario Kart Wii taugt CrossBoard 7 aber nicht.

Pro

<P>
realitätsnahe Gewichtsverlagerung
voller Körpereinsatz nötig
detailreiche Felldarstellung
ansehnliche Beleuchtung
viele unterschiedliche Disziplinen</P>

Kontra

<P>
viele unverschuldete Steuerungsfehler
simples Trick-System
Luft-Stunts werden zu ungenau erkannt
übertrieben euphorischer Kommentator nervt
altbacken aufgebauter Einzelspielermodus
nur zwei Spieler im Multiplayer
kein Online-Modus</P>

Wertung

360

Viel Bewegung, wenig dahinter: Ein simples Tricksystem, gelegentliche Steuerungsfehler und die altbacken strukturierte Karriere sorgen für Frust auf der Piste.

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