Castlevania: Harmony of Despair04.08.2010, Mathias Oertel
Castlevania: Harmony of Despair

Im Test:

Yippie! Endlich wieder ein neues 2D-Castlevania für die Xbox 360. Es ist schon viel zu lange her, seit man mit Symphony of the Night auf Vampirjagd gehen konnte. Doch bevor der Jubel zu laut wird: Das im Rahmen des "Summer of Arcade" erscheinende Harmony of Despair ist anders als andere Castlevanias, da es vorrangig auf eine Mehrspieler-Erfahrung setzt. Kann das aufgehen?

Das Urgestein 

Neben Titeln wie Probotector (aka Contra) oder den Metroids ist die Castlevania-Serie ein Paradebeispiel für das klassische 2D-Action-Adventure, das u.a. mit Shadow Complex erfolgreich zu neuen alten Ufern geführt wurde. Das Markenzeichen der Vampirjagden waren seit jeher umfangreiche Burgareale, die mit mitunter waghalsigen Sprungpassagen erforscht werden mussten, während man quasi nebenbei Monster im Dutzend plättete, knackigen Bossen den Garaus machte und das ein oder andere Rätsel löste. Mit dem zuerst für PSone, später dann auch auf XBL Arcade erschienenen Symphony of the Night wurde

Die Zeiten ausufernder Schloss-Erforschung sind vorbei: In Harmony of Despair sind die Abschnitte nicht nur überschaubar, sondern von Anfang an aufgedeckt.
ein vorläufiger Höhepunkt erreicht. Und zuletzt haben die Vampire nur noch auf Nintendos DS ihr Unwesen erfolgreich in mehreren Ablegern getrieben. Und während man in Spanien bei Mercury Steam fleißig an der Fertigstellung von Castlevania: Lords of Shadow arbeitet, kehrt die Serie auf der 360 wieder zu ihren 2D-Wurzeln zurück - zumindest beinahe.

Gemeinsam ist man stark

Wieso nur beinahe? Nun ja: Bislang waren die Jagden auf Dracula und seine Stammesgenossen immer Solisten vorbehalten. Mit Harmony of Despair (CHD) beschreitet Castlevania neue Wege, deren Spielerfahrung und Spaß nur kooperativ mit bis zu sechs Spielern maximiert werden kann. Zwar kann man auch solo mit jeder der fünf zur Verfügung stehenden Figuren, die Serienkenner als "Best-of-Zusammenstellung" vergangener Helden von Alucard bis Soma Cruz erkennen werden, in sechs Abschnitten gegen die Zeit auf Bossjagd gehen. Doch da sich das gesamte Konzept samt Levelstruktur auf Mehrspieler-Unterhaltung konzentriert und diesem Zweck nahezu alles andere unterordnet, fühlt man sich als Solist fehl am Platz.

So sind die Abschnitte insgesamt deutlich kleiner ausgefallen als man es von anderen Serien-Ablegern gewohnt ist. Zusätzlich gibt es nichts Geheimes zu entdecken - die komplette Karte ist von Anfang an aufgedeckt und lässt sich in drei Stufen zoomen, auch während man darin unterwegs ist.

So wird gewährleistet, dass man stets eine gute Übersicht hat, wo sich die anderen Team-Mitglieder beim Online-Spiel befinden. Und das wiederum sorgt dafür, dass man sich gut koordinieren kann, um auch die etwas schwerer und nur mit Teamwork zu erreichenden Schatztruhen zu plündern. Allzu viel Zeit sollte man sich dafür allerdings nicht lassen: Jeder Abschnitt gibt einem maximal 30 Minuten, um seinen Weg zum Boss zu finden und ihm den Garaus zu machen.

Dieses mitunter knappe Zeitfenster kann sogar noch verkleinert werden, wenn die Mitstreiter nach ihrem ersten Ableben als 

Abgesehen von ein paar Effekten zeigt sich die Kulisse sehr altbacken und bezieht ihre Inspiration aus bereits veröffentlichten Castlevanias.
Skelett herumlaufen, dabei aber weiter kämpfen können, und in dieser Form nochmals getötet werden. Dann nämlich beginnt die Uhr, rasanter herunter zu ticken, so dass zusätzlich zum knackigen Schwierigkeitsgrad auch noch ein gewisses Maß Torschlusspanik hinzukommt.

Solo ist nur halber Spaß

Alleine hingegen schrammt man auf den Karten immer wieder verdammt nah an der Frustgrenze entlang. Nicht wegen des herben Anforderungsprofils - das kennt man von Castlevania und das muss auch so sein.

Sondern eher, weil die auf Action und Geschwindigkeit getrimmten Mechaniken dem bekannten Einzelspieler-Erlebnis so gar nicht entsprechen. Erforschung fällt flach, Rätsel gibt es außerhalb von kooperativen Schalterkombos nicht, die Charakterentwicklung wurde minimiert und reduziert sich meist auf den Erwerb neuer Gegenstände im Shop, die die Figurenwerte verbessern und so die Überlebenschancen erhöhen. Dazu hat man sich irgendwann an den Umgebungen sattgesehen: Nicht nur, weil sie im Vergleich mit anderen Castlevanias klein ausfallen. Sondern vor allem deshalb, weil alle Level-Texturen und sonstige Versatzstücke den bereits veröffentlichten Teilen entstammen und mitunter schon zehn Jahre auf dem Buckel haben. Und dieses Alter merkt man dem CHD-Artdesign an.

Dennoch hat man auch als Einzelspieler an dem, was in asiatischen Rollenspielen so gern als "Grinden" bezeichnet wird, seinen Spaß. Irgendwann hat man die Abschnitte so lang beackert, bis man nicht nur genügend Geld für Ausrüstung gesammelt hat, sondern auch seltene Gegenstände findet, so dass man auch solo den Boss knacken kann. Doch von der Euphorie, die man normalerweise mit der Vampirhatz von Konami in Verbindung bringt, ist man sowohl alleine als auch online weit entfernt.

Lass Fünfe gerade sein

Und das trotz der fünf gut ausbalancierten Figuren, die alle ihre wesentlichen Grundeigenschaften aus dem jeweiligen "Hauptspiel" mitgebracht haben: Alucard z.B. ist ein sehr starker Nahkämpfer, sollte aber online von auf Magie spezialisierten Figuren wie Shanoa unterstützt werden, damit man die größtmögliche Schlagfertigkeit im Team entwickelt.

 

Bis zu sechs Spieler können online auf Bossjagd gehen.
Allerdings ist man bei der Einschätzung der Figuren und ihrer Fähigkeiten auf sich allein gestellt - die Dokumentation ist gerade mal auf das Nötigste beschränkt. So muss man entweder ein Kenner der Titel sein, aus denen der jeweilige Held/die Heldin kommt und daher wissen, wie man z.B. sein Magierepertoire erweitert. Oder aber man probiert die Charaktere im Offline-Spiel aus - doch selbst dann besteht die Gefahr, dass man gewisse Aktionsmöglichkeiten einfach nicht erkennt oder einzusetzen weiß.

Eine gute Idee hingegen  ist das Eleminieren von Beutestreit. Egal, wer die jeweilige Schatzkiste aufmacht, bekommen alle Gold oder eine adäquate Belohnung, die ihrer Figur entspricht. Dass man den jeweiligen Charakter bar jeglicher Modus-Grenzen sowohl offline als auch im Online-Spiel einsetzen kann, ist ebenfalls eine gute Idee.

Alternativ zum kooperativen Bosskampf auf Zeit kann man sich auch im Überlebensmodus (einer Art Deathmatch) versuchen. Doch der Reiz dieser Spielvariante verflog bei mir noch schneller als der Unterhaltungswert des Sologrinds - zu willkürlich schien die Spielerzusammenstellung, zu abhängig das Ergebnis von der Ausrüstung und nicht von den Fähigkeiten.  

Fazit

Harmony of Despair ist ein erster gelungener Schritt in eine interessante Richtung. Allerdings ist auch zu spüren, dass das Konzept noch nicht den Kinderschuhen entwachsen ist. Vieles wirkt noch unrund. Das beginnt bei der absolut unzureichenden Dokumentation, die Anfängern oder Castlevania-Fans, die eine längere Serien-Pause eingelegt haben, den Einstieg unnötig schwer macht.  Und das hört erst bei der Kulisse auf: Der visuelle Mischmasch aus den letzten Castlevanias bis hin zum grandiosen Symphony of the Night hat keinen eigenen Stil, wirkt austauschbar und bietet letztlich weder Neues noch qualitativ Hochwertiges. Und dass Solisten bei einer Mehrspieler-Time Attack-Bosskampf-Jagd zu kurz kommen, ist zwar zu erwarten, bleibt aber dennoch bedauerlich. Denn der Reiz, seine Figur immer weiter zu steigern, ihre Finessen im Zusammenspiel mit anderen Vampirjägern gezielt einzusetzen und sich so nach und nach durch die sechs Mini-Burgen zu ackern, ist nicht unerheblich und wird durch die kompakten Abschnitte zusätzlich angeheizt. Das berühmt-berüchtigte Grinden sorgt zwar auch solo für eine nicht von der Hand zu weisende Grundmotivation - doch vorzugsweise sollte man mit Freunden auf Untotenjagd gehen. Ich hoffe, dass Konami an dieser Neuausrichtung des klassischen 2D-Castlevanias festhält und in einer eventuellen Fortsetzung den nötigen Feinschliff ansetzt und damit vielleicht sogar ein Erlebnis wie Symphony of the Night mit Koop-Möglichkeit auf die Beine stellt. Potenzial ist in jedem Fall vorhanden, wird hier aber nur in Ansätzen genutzt.

Pro

gelungene Mehrspieler-Bossjagd auf Zeit
fünf gut balancierte bekannte Castlevania-Helden
gute Steuerung
akkurate Kollisionsabfrage
motivierendes "Grinden"

Kontra

keine Level-Erforschung mehr, keine Rätsel
nur rudimentäre Charakterentwicklung
vergleichsweise kleine Umgebungen
veraltete Kulisse
unzureichende Dokumentation bzw. Erklärung zu den Figuren

Wertung

360

Das Mehrspieler-Debüt der Castlevania-Serie zeigt interessante Ansätze, lässt im Detail aber die gewohnte Klasse vermissen und ist für Solisten nur eingeschränkt unterhaltsam.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.