Fighters Uncaged11.11.2010, Benjamin Schmädig
Fighters Uncaged

Im Test:

Wenn Microsoft nicht will, macht es eben Ubisoft. Genauer gesagt ist sind es die AMA Studios - sonst von Universitäten, Siemens oder der NASA engagiert - die erwachsene Kinect-Besitzer ansprechen wollen. »Ab 16« steht auf der Verpackung, denn hier wird auf Schrottplätzen und in dreckigen Gassen geschlagen und getreten. Was für echte Männer? Ja, für echte Männer mit Hang zum Masochismus!

Dabei statt mittendrin

Los geht's! Ich will die Nummer eins im Ring, Verzeihung: auf der Straße werden. Also erstelle ich mir zunächst einen Kämpfer. Ein cooles, muskelbepacktes Alter Ego als Gegenentwurf meines krummen Schreibtischrückens soll es sein. Fäuste wie Dampfwalzen soll er h... geht nicht? Ich muss wirklich dieser Jammerlappen im Kapuzenshirt sein? Selbst in Sonys schwachem The Fight-Editor war mehr drin! Man darf auch nicht gegen einen Kumpel kämpfen - weder vor einer Konsole noch im Internet. Reines Soloprügeln also, wenn auch ohne echte Karriere. Denn hier gewinnt man die erste Liga, indem man sechs Gegner besiegt. In der zweiten Liga warten dann dieselben sechs Gegner sowie drei neue usw. Dabei statt mittendrin!

Teil zwei des Einstiegs übersteht das Spiel hingegen recht souverän, denn es macht Stück für Stück sämtliche Techniken vor. Beim Nachmachen steigt man so recht schnell hinter das Prinzip: Geht die Faust zum Gesicht, geht auch die Faust auch im Spiel zum Gesicht. Tritte gehen ebenfalls dorthin wo man sie hinsetzt.

Video. So sieht es aus, wenn die aus dem Ring gelassenen Kämpfer so zuschlagen wie sie sollen.Eine präzise Abfrage führt Fighters Uncaged (ab 49,90€ bei kaufen) allerdings nicht durch, stattdessen landen alle Kicks stets auf derselben Höhe des Kopfes oder Körpers; man muss nur die ungefähre Höhe anvisieren. Auf eine glaubwürdige Physik wie UFC 2010  verzichtet das Spiel übrigens. Vielmehr entscheidet ausschließlich das richtige Timing über Treffer und Blocks. Hey - nichts gegen frohes Arcade-Prügeln!

Ohne Rums, ohne Style

Nichts dagegen jedenfalls, wenn es mit viel Krawumm und noch mehr dreckigem Stil auf die Kinnlade gäbe. Umso schlimmer allerdings, wenn mir die ach so bösen Gegner mit mädchenhaften Sprüchen und einer unterirdisch verweichlichten Sprechweise auf die Pelle rücken. Da macht mich der Military Bad Guy vor dem Kampf pseudohart an, um nach seinem Sieg mit einem lieben »das nächste Mal klappts bestimmt« abzuwinken. Immerhin: Bei so viel Uncoolness übersieht man beinahe die sterilen und völlig belanglosen Kulissen.

In den Vordergrund drängt sich dafür eine Bewegungserkennung, die den zweiten Teil des Wortes kaum verdient. Auf der gamescom hatte ich mir das Spiel zweimal angeschaut und so lange es ging mit den Entwicklern geplaudert. Schließlich muss man sich mit den neuen Möglichkeiten der Bewegung erst mal vertraut machen. Und tatsächlich: Arbeitet man sich ein wenig ein, finden einfache Schläge und Tritte ihr Ziel - ein vielversprechendes Vorzeichen in die Zukunft des virtuellen Kämpfens?        

Der Drehkick hat den Dreh nicht raus

Schön wär's! Denn Fighters Uncgaed leistet sich schon im Aufbau einen denkbar unglücklichen Fehler: Die Füße müssen in einer Linie parallel zum Sensor stehen. Bitte? So funktioniert kein Boxen, kein Kickboxen, so funktioniert kein einziger mir bekannter Kampfsport, in dem geschlagen und getreten wird. Es ist ja nicht nur die Grundstellung: Es sind auch Techniken, die eigentlich aus der Drehung heraus ausgeführt werden - die ich hier aber schon durch kleine Gesten auslöse. Wenn ich einen Drehkick einleite, indem ich den Oberkörper zum Gegner neige und mit den »tretenden« Fuß kurz nach hinten tippe, ist das einfach unbefriedigend. »Zum Glück« gibt es nicht viele solcher Techniken. Dass man sich Gesicht nach vorne in Richtung Gegner neigen muss, um in die Hocke zu gehen, ist übrigens ein kurioses Unding.

Vor allem sind es aber die Fehler der Bewegungserkennung, die aus Fighters Uncaged viel zu oft ein Glücksspiel machen. Beispiel eins: Ich führe jedes Mal einen Kopfstoß aus, wenn ich mich nach dem defensiven Zurücklehnen des Oberkörpers schnell wieder aufrichte. Beispiel zwei: Ich führe Sprungkicks aus, obwohl die Füße am Boden bleiben.

Das Training erklärt sowohl Grundlagen als auch fortgeschrittene Techniken. Das Spiel erkennt allerdings viele Bewegungen falsch.
Beispiel drei: Der Auslöser »Vorlehnen und Kicken« gleicht dem Auslöser »Vorlehnen und nach hinten fegen« so sehr, dass ihn das Spiel schon mal verwechselt. Um Fehler zu vermeiden, müsste man wahrscheinlich den gesamten Kampf über still am Fleck stehen, was erstens nicht zum Thema passt, zweitens nur geübten Kampfsortlern gelingen dürfte und drittens ohnehin unmöglich ist, da einige Techniken Bewegungen des Oberkörpers verlangen. Selbst das mäßige The Fight setzt die echten Bewegungen besser um! In dieser Form ist Microsofts Bewegungserkennung jedenfalls unbrauchbar.

Bleibt besser im Ring!

Andere Schwächen liegen dabei nicht in der fehlerhaften Erkennung, sondern in einer übertrieben nachsichtigen Fehlerkorrektur. So löst jedes sehr, sehr müde Schräg-nach-vorne-schieben der Arme schon einen Haken aus. Für einen Kick reicht es, ein Bein langsam und gerade (!) nach oben zu ziehen. Soll damit die Verzögerung der Kinectkamera ausgleichen werden? Diese sorgt schließlich an anderer Stelle dafür, dass man einen Kick nicht blocken kann, wenn man kurz vor dem Tritt noch das Bein hochzieht - ein hässlicher Makel in einem Kampfspiel. Auch einige wegen unglücklicher Kamerapositionen sowie unscheinbarer Bildschirm-Hinweise uneinsehbare Attacken lassen sich schwer abwehren.

Nicht zuletzt ist es die von Kinect unabhängige Kampfmechanik, wegen der sich jeglicher Vergleich zu Muskelprotzen wie Tekken 6  oder UFC 2010 erübrigt. Warum muss ich z.B. alle Angriffe mit bestimmten Techniken beantworten, damit der Gegenangriff als punkteträchtiger Konter zählt? Wieso werden nur spezifische Aktionsfolgen als Kombos anerkannt, andere logische Kombinationen aber nicht? Wieso kann ich Haken nur mit einer Ausweichbewegung abwehren, aber partout nicht mit gehobenen Händen blocken? Und wieso erfasst das Spiel nicht einmal meine Bewegungen vom Sensor weg oder auf ihn zu? Der Abstand zum Gegner ändert sich nämlich ausschließlich dann, wenn einer von uns eine Technik ausführt, an die eine Positionsänderung gebunden ist. So stehe ich entweder direkt vor dem Gegner oder befinde mich in mittlerer oder weiter Entfernung zu ihm. Dass ich jeweils nur bestimmte Angriffe ausführen kann, ergibt Sinn. Das ich mich nicht frei bewegen kann, ist allerdings ein Armutszeugnis für die bewegungssensitive Steuerung eines Kampfspiels.      

Fazit

»Du bist der Controller.« Stimmt! Ein Controller, auf dem zwei Tasten und ein Digikreuz irgendwelche Bewegungen auslösen. Zugegeben: Einfache Schläge und Tritte überträgt Fighters Uncaged genau so ins Spiel. Bei aufwändigen Techniken funktioniert die Erkennung allerdings weniger präzise und trickreiche Angriffe gelingen nur, indem man einen davon unabhängigen Auslöser ausführt. Nicht einmal die typische Kampfsport-Grundstellung wird hier erkannt. Schlimmer noch: Das Spiel interpretiert zahlreiche Bewegungen einfach falsch - das darf nicht passieren! Es ist ja nicht nur die Technik; es ist auch ein Spiel, das auf starre Bewegungsfolgen setzt, anstatt den freien Kampf zu fördern. Immerhin: Stilistische Langeweile und die praktisch nicht vorhandene Karriere tun dem längst übergelaufenen Fass da auch nichts mehr. Das Beste an Fighters Uncaged ist die Tatsache, dass es das mittelprächtige The Fight in einem besseren Licht dastehen lässt. Und das muss man erst mal schaffen!

Pro

einfache Techniken werden zuverlässig erkannt
sinnvolles Tutorial

Kontra

eingeschränkte Angriffs
und Verteidigungsmöglichkeiten
ständige falsche Bewegungserfassung
es werden wenige glaubwürdige Bewegungen verlangt
keine Charaktererstellung, keine echte Karriere
keinerlei Mehrspielermöglichkeit
langweilige Kämpfer, hässliche Kulissen
völlig unpassende deutsche Sprachausgabe, falsche Übersetzungen

Wertung

360

Selbst ohne die fehlerhafte Bewegungserkennung wäre Fighters Uncaged ein schwaches Kampfspiel! Hier kommen weder Kinder noch Erwachsene auf ihre Kosten.

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