Dead Rising 2: Case Zero02.09.2010, Mathias Oertel
Dead Rising 2: Case Zero

Im Test:

Ende September kommt mit Dead Rising 2 der Nachfolger einer hierzulande beschlagnahmten Zombiehatz in den Handel. Vorab ist auf der Xbox 360 im Arcade-Bereich allerdings der Prolog namens Case Zero für schlanke 400 Punkte erhältlich. Der soll abseits der gerührten Werbetrommel einen Einblick in die frischen Mechaniken geben und den neuen Protagonisten vorstellen, der sich in wenigen Wochen in Las Vegas mit den Untoten eine heiße Schlacht liefern soll. Lohnt sich der Appetithappen?

Kurz, aber interessant

Wie jetzt? Vorbei? Verdammt! Das waren doch nur knapp mehr als zwei Stunden! Aber okay: Ich habe Katey, die Tochter des Protagonisten Chuck Greene,  sowieso nicht retten können. Was letztlich bedeutet, dass ich das unbefriedigende "Ende F" gesehen habe. Also frisch ans Werk: Story neu starten und einen weiteren Versuch unternehmen.

Obwohl Dead Rising 2 Case Zero (C0) als spielbarer Prolog für den Nachfolger der Zombiehatz aus dem Jahre 2006 relativ kurz ausfällt, ist der Wiederspielwert recht hoch angesiedelt: Zum einen, weil es dank einer guten Mischung bekannter und

Auf Wiedersehen, Frank West - Willkommen, Chuck Greene... Die Fortsetzung des Überlebenskampfes setzt auf einen neuen Hauptdarsteller.
frischer Mechaniken immer wieder ein Vergnügen ist, sich durch Hunderte von Untoten zu kämpfen, die das verschlafene Nest Still Creek etwa 40 Meilen vor Las Vegas ebenso heimsuchen wie den Rest der USA.

Und zum anderen, weil es nur den Wenigsten gelingen dürfte, beim ersten Durchlauf wirklich alles zu entdecken, was Capcom in C0 versteckt hat, um zu zeigen, welche Wege man mit Dead Rising 2 beschreiten möchte - und dabei sogar noch das optimale Ende zu erreichen.

Kombo-Wahn

Doch worum geht es? Wie schon beim Vorgänger könnte man beim flüchtigen Draufschauen auf C0 den Eindruck bekommen, dass man nur das Ziel verfolgt, die Untoten so effektvoll wie möglich der ewigen Ruhe zuzuführen. Dabei kann man wie gehabt nahezu alles was in der Gegend herumliegt als Waffe verwenden: Baseballschläger, Holzbretter oder Kreissägeblätter machen nur den offensichtlichen Anfang. Aber ebenso kann man mit herumstehenden Briefkästen, Kaugummi-Automaten oder Stühlen, Bratpfannen und ähnlichen Haushaltsgeräten versuchen, die Ausgeburten der Hölle in die Flucht zu schlagen.

Die These "Es zählt ja nur die Gewalt" wird zusätzlich durch eines der neuen Elemente angeheizt, das im Prinzip das Fotografieren des Vorgängers ersetzt: Die Waffen-Kombo. Man kann hier im Prolog und wird auch in DR2 immer wieder Waffen und Gegenstände finden, die mit anderen an Werkbänken kombiniert werden können. In C0 ist dies z.B. der Baseballschläger, der mit Nägeln versehen und damit zu einer Nagelkeule wird oder die Auto-Batterie, die an einem Rechen befestigt dafür sorgt, dass die Zombies mit einem Stromschlag nach hinten geschleudert werden - was immer wieder für einen Lacher sorgen kann. Und wer seine Augen in Still Creek besonders offen hält, wird auch irgendwo das Paddel entdecken, an das man Motorsägen montieren kann, um sich durch die Meute auf den Straßen zu pflügen.

Hat man die richtigen Kombinationen entdeckt, wird man nicht nur durch schicke neue Waffen und die Freischaltung der so genannten Kombokarten belohnt. Beim Einsatz dieser Spezialgeräte ist die Ausschüttung an Erfahrungspunkten deutlich höher und der nächste Charakteraufstieg, der wiederum für zusätzliche Lebensenergie, neue Spezialbewegungen oder ein größeres Inventar sorgt, fliegt deutlich schneller heran. Allerdings ist Case Zero in diesem Bereich auf maximal Level 5

Einer gegen alle... Dank des selbstgebauten Kettensägen-Paddels schlägt die Kräfte-Waagschale zu Chuck Greenes Gunsten aus. 
beschränkt. Dafür allerdings kann man die erreichte Stufe in das Hauptspiel importieren - inklusive aller Kombokarten. Ob das mit dem erspielten Geld ebenso der Fall sein wird, muss der Praxistest der Importversion zeigen. Unter Umständen könnte die Anfangsphase in Dead Rising 2 auf der 360 hinsichtlich des Balancing etwas aus den Fugen geraten.

Gleichsam muss Chucks Vegas-Abenteuer beweisen, dass die Kämpfe gegen die "normalen" Zombies mehr Anspruch zu bieten haben als die hier eher unterfordernden Gefechte. Denn selbst wenn die Untoten Waffen wie Schraubenschlüssel oder Pistolen mit sich führen, nutzen sie diese nicht. Stattdessen hat man hier den Eindruck, dass es sich um "wandelnde Waffen-Aufbewahrung" handelt, die brav darauf wartet, dem Humus zugeführt zu werden, damit man den Schießprügel in sein Inventar überführen kann. Es wäre ungleich spannender, wenn die tumben Gegner in ihrer Nebelwelt mitunter unkontrolliert die Waffen zu nutzen verstünden.

      

Sensible Charakterzeichnung

Auch nach der E3 blieben hinsichtlich Charakter-Gestaltung, Erzählstruktur etc. noch einige Fragen zu Dead Rising 2 offen. Alle Antworten darauf gibt C0 nicht, doch eines lässt sich nach dem Abspann des Prologes bereits sagen: Auch hier sind die Zombie-Auseinandersetzungen sowie die vollkommen überzogene und sich mitunter nicht ganz ernst nehmende Gewalt nur ein kleines Stil-Element, um die Sorgen und Motivation der Hauptfiguren zu transportieren.

Mit erstaunlich viel Sensibilität und Gespür für die Situation schafft es das Entwicklerteam von Blue Castle Games, sowohl die Hauptfiguren als auch die Nebendarsteller mit viel Leben zu füllen, so dass man schnell eine Beziehung zu ihnen aufbaut. Allen voran Chuck, der sich in erster Linie um seine Tochter Katey sorgt. Die wurde nämlich mit dem Zombievirus infiziert

Man darf versuchen, Zivilisten zu retten, deren Dialogsystem innerhalb der Spielwelt allerdings nur aus Textzeilen besteht.
und muss in bestimmten Abständen das Inhibitor-Medikament Zombrex erhalten, das die Verwandlung zum Zombie temporär aufhält. Zudem muss er versuchen, Ersatzteile für ein Motorrad zu finden, damit er dem Militär entkommen kann, bevor sie das Dorf erreichen, unter Quarantäne stellen und ihm Katey wegnehmen - die Zeit drängt.

Die stillen Momente und Gespräche der beiden innerhalb des tosenden Zombiesturmes sind das Highlight der Erzählstruktur und machen wie auch das Zombrex/Katey-Motiv Hoffnung, dass es in DR2 nicht nur darum gehen wird, wie bei den Dynasty Warriors den K.O.-Zähler hochzuschrauben.

Das gilt ebenfalls für die Charaktere, denen man in dieser kurzen Episode begegnet: Angefangen vom schießwütigen Bob, der auf der Suche nach seiner Tochter ist, bis hin zu einem Mädchen-Trio, das sämtliche Klischees des Junggesellinnen-Abschieds bedient, aber gleichzeitig auch zu einer moralischen Entscheidung führt: Eines der Mädchen ist infiziert, braucht dringend das Zombrex, das Chuck für Katey vorgesehen hat und ihre Freundinnen weigern sich, ohne sie gerettet zu werden. Ein Dilemma! Oder etwa nicht?

In einem Punkt hatte ich allerdings mehr erhofft: Wo ist Frank West? Der Protagonist des ersten Teiles ist weit und breit nicht zu sehen, so dass der Übergang von DR1 zu C0 zu DR2 eher holprig stattfindet - wobei sich erst noch herausstellen muss, welchen Eindruck der Einstieg zu Dead Rising 2 letztlich für sich betrachtet hinterlässt.

Allerdings hoffe ich, dass DR2 sich in einem Punkt vom Vorgänger und auch diesem Prolog entfernt. Denn während die gut inszenierten Zwischensequenzen komplett mit Sprachausgabe versehen wurden, bleiben die Dialoge innerhalb der Spielwelt auf Erzähltexte beschränkt. Dadurch bleibt man dem bislang eingeführten Stil zwar treu, zeitgemäß ist dies jedoch nicht mehr.

Opfer, Täter, Rätsel

Ebenfalls treu scheint man sich bei den Bossen zu bleiben: Hier jedenfalls ist der Mechaniker Jed in direkter Tradition zu den Kollegen aus Teil 1 zu sehen und der eindrückliche Beweis, dass Chuck wie seinerzeit Frank weniger Angst vor den Untoten als vor den Lebenden haben muss. Die große Gefahr geht nicht von den Zombies aus, sondern von den Menschen, die die nahende Ausrottung der menschlichen Zivilisation für ihre eigenen Zwecke mißbrauchen, anstatt näher zusammenzurücken und den Untoten eine gemeinsame Front entgegen zu werfen.

Die Rätsel, mit denen man in C0 konfrontiert wird, beziehen sich meist auf Figuren, für die man einen bestimmten

Die Engine bringt ohne aufzumucken haufenweise Untote auf den Bildschirm, zeigt aber in diesem Download-Prolog Schwächen im Texturdetail sowie bei manchen Schatten. 
Gegenstand besorgen bzw. jemanden finden muss oder auf Türen, deren Schlüssel man erst nach exzessiver Suche im Abschnitt findet. Das ist zwar letztlich nur wenig mehr als zweckmäßig, da man aber parallel dazu mit dem eigenen Überleben und ggf. der Rettung anderer Zivilisten beschäftigt ist, findet man eine unterhaltsame Mischung  größtenteils bekannter Mechaniken, die Hoffnung machen, dass DR2 die Tradition angemessen fortsetzt.

Technisch gelingt dies nur mit Einschränkungen. Dazu muss man allerdings sagen, dass der Vorgänger auch gut gealtert ist. Dennoch wirkt C0 nicht ganz so fortschrittlich, wie ich es mir gewünscht hätte. Einige Bodentexturen wirken sehr verwaschen, ein paar Animationen von Chuck oder den Nebenfiguren sind nicht ganz so sauber wie ich erwartet habe und Probleme mit der Kollisionsabfrage oder die groben Schatten, die man hier mitunter zu sehen bekommt, sollten in DR2 auch besser die Ausnahme darstellen.

Bei Case Zero sage ich allerdings noch "Im Zweifel für den Angeklagten", immerhin handelt es sich hier um einen Download-Titel, der nicht einmal 850 MB wiegt - zumal im Gegenzug selbst die Massen an Untoten, die sich auf dem Bildschirm tummeln, für keinerlei Bildraten-Probleme sorgen. Alles läuft rund und butterweich. nur im Detail zeigt sich C0 nicht immer zeitgemäß. Doch vielleicht sind das die Kompromisse, die man bei der Download-Optimierung eingehen musste.    

Fazit

So ganz schafft es Capcom mit Case Zero nicht, die Lücke zwischen dem ersten und dem (zumindest im Ausland) bald erscheinenden zweiten Teil von Dead Rising zu schließen. Das ist vor allem dem Fehlen Frank Wests zuzuschreiben, der mit einem Cameo-Auftritt Wunder gewirkt hätte. Denn abseits von ersten Story-Andeutungen um den neuen Hauptdarsteller Chuck Greene erfährt man nichts, was die beiden Zombiejagden verbinden könnte.  Doch was der beim einmaligen Durchlauf gut zwei bis zweieinhalb Stunden dauernde Prolog abseits dessen bietet, macht Lust auf mehr. Und er liefert mit verschiedenen Enden und der Aussicht, seine Figur bis auf Stufe 5 zu bringen und diese dann in DR 2 zu exportieren, einen vergleichsweise hohen Wiederspielwert, der die Anschaffungskosten von gerade mal 400 Punkten wett macht. Besonders erfreulich ist dabei, dass viele Kernelemente des Vorgängers nahezu unverändert auftauchen: Kompromisslose Action mit hohem Gore-Faktor; eine überraschend sensible Charakterzeichnung der Hauptfiguren; simple, aber effektiv eingestreute Rätsel; ein gelungener Bosskampf sowie Entscheidungen. Einige Schwächen wie die kaum fordernden Standardauseinandersetzungen mit den Untoten, die im Detail noch nicht vollends überzeugende Kulisse oder Probleme mit Clippings sowie Kollisionsabfragen stehen noch unter Bewährung. Denn was in diesem gelungenen Appetithappen noch entschuldigend als  "günstiger Download-Titel" durchgewunken wird, kann in der fertigen Version bei identischem Sachverhalt für Abzüge sorgen.

Anmerkung: Dead Rising 2 Case Zero ist nur in den XBL-Marktplätzen außerhalb Deutschlands verfügbar!

Pro

gelungenes Waffen-Kombo-System
Figur kann bis Level 5 aufgebaut werden
stimmige Charakterzeichnung
rund laufende Engine
Zombrex und Katey ein interessantes Story-Element
Export der Charakterwerte in Dead Rising 2
einfache Steuerung

Kontra

einmaliger Durchlauf dauert nur etwa zwei Stunden
technische Schwächen im Grafik-Detail
Standard-Kämpfe mit wenig Anspruch
nur wenig Sprachausgabe in der Spielwelt

Wertung

360

Etwas zu kurz geratener Download-Prolog mit passablem Wiederspielwert, der trotz technischer Defizite neugierig auf Dead Rising 2 macht.

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