Fantastische Haustiere16.05.2011, Mathias Oertel
Fantastische Haustiere

Im Test:

Was darf es denn als Haustier sein? Mädchen wollen Ponys – oder zumindest eine Katze. Fragt man Jungs, bekommt man meistens die Antwort "Hund" zurück. Dass bei der Pflege auch das Säubern der Katzenklos usw. mit zu den Aufgaben gehört, beachten die Kids meist nicht – mit dem Ergebnis, dass der Vierbeiner letztlich von den Eltern versorgt wird. Diese Probleme gibt es bei "Fantastische Haustiere (ab 59,00€ bei kaufen)" nicht. Doch wie sieht es mit dem Unterhaltungswert aus?

Kinderkram?

Machen wir uns nichts vor: Fantastische Haustiere (FH) ist als Kinect-Titel so weit weg von den immer noch sträflich vernachlässigten Core-Spielern wie der HSV von der Champions League. Denn nicht nur vom knuddeligen Design der virtuellen

Vorsicht: heiß!
Vorsicht: heiß!

Spielgefährten richtet sich das Spiel an die jüngeren Familienmitglieder. Auch die stets süßlich-freundliche, aber erstaunlicherweise niemals nervende oder belehrende weibliche Stimme aus dem Off, die die Spieler an die Hand nimmt und mit den Spielelementen vertraut macht, sorgt für eine kindoptimierte Ansprache.

Das muss per se nicht schlecht sein. Und es hat mich auch früher nicht davon abgehalten, mich mit entsprechenden Titeln angefangen von Hot Wheels über die einschlägigen Filmumsetzungen bis hin zu Nintendogs und Kinectimals zu unterhalten – wahlweise auch solo, wenn die Kids zu Hause gerade keine Zeit oder keine Lust haben.

Augmented Kinectipets

Die so genannte "erweiterte Realität" (augmented reality, AR) ist spätestens seit dem 3DS wieder in aller Munde und unter iOS ohnehin nicht mehr aus dem Appstore wegzudenken. Auch hier versucht man, sich diese computerunterstützte Ergänzung der realen Umgebung zu Nutze zu machen. Das Ergebnis ist schließlich eine Mischung bekannter Elemente: So ist der mal mehr, mal weniger niedliche Gefährte nicht nur häufig in Schauplätzen unterwegs, die an das an das zuckersüße Kinectimals-Design erinnert. Denn mindestens ebenso oft ist der vierbeinige Gefährte in der von der Kinect-Kamera erfassten Umgebung mit dem Spieler abgebildet – ein Konzept, das Sony bereits mit EyePet erfolgreich umsetzen konnte. Allerdings funktioniert die Erkennung der Umgebung sowie die Interaktion der virtuellen Figur mit dieser oder dem Spieler auf der PS3 besser. Die gelungenen Momente, in denen man in der Realität neben sich in die Luft greift, sein Vieh krault und das Ergebnis sauber umgesetzt auf dem Bildschirm sieht oder wenn man um Möbel herum mit dem Hund, der Katze oder dem Einhorn „Fangen“ spielt, sind jedoch magisch – aber zu selten.

Überhaupt hat Kinect mitunter Schwierigkeiten, bestimmte Bewegungen vernünftig zu erkennen und diese Gesten in entsprechende Reaktionen beim Haustier umzuwandeln: Während die Stimme einen freundlich dazu animiert, mit den Armen zu wedeln, damit flugfähige Begleiter abheben, reagiert das Vieh an der Seite gar nicht, schaut einen herzzerreißend süß an und macht irgendwas – aber natürlich nicht das, was es machen sollte.

Die
Die "erweiterte Realität" bringt die Tiere in die eigenen vier Wände.

Das sorgt selbst bei geduldsfähigen Eltern irgendwann für Frust, während Kinder an dieser Stelle eher die Lust an der "einfachen" Interaktion mit ihrem Spielpartner verlieren und sich stattdessen den Mini-Games bzw. der Haustier-Versorgung zuwenden.

Hege und Pflege

Dabei greift man ebenfalls auf bekannte Mechanismen zurück: Das Waschen oder Füttern kennt man bereits aus zahlreichen Titeln angefangen von Nintendogs bis hin zu Kinectimals, wobei die visuelle Rückmeldung der Tiere geringer ausfällt als bei der Konkurrenz. Bei den Minispielen geht man ebenfalls kein Risiko und verlässt sich u.a. auf Ballwerfereien in virtuellen Umgebungen bzw. AR-Mätzchen, die PS2-User beispielsweise in abgewandelter Form aus diversen EyeToy-Titeln kennen.  Immerhin gibt sich Kinect hier keine Blöße: In den Umgebungen spielt der (ohnehin vergleichsweise geringe) Lag keine beeinflussende Rolle und in den AR-Minigames ist die Erkennung gut.

Da man für nahezu alle Aktivitäten Belohnungen bekommt, seine Trainerfähigkeiten nach und nach steigern und mit diesen beiden Elementen enorm viel freischalten kann, bekommen kleine und große Dompteure immer wieder eine Karotte vor die Nase gehalten, um sich mit den Tieren zu beschäftigen.

Grenzenlose Fantasie

Obwohl viele aus anderen Titeln bekannt Elemente nicht an das Vorbild heranreichen und auch die Summe aller mechanischen oder technischen Funktionen nur selten über den grauen Durchschnitt sowie die direkte Konkurrenz Kinectimals hinausgeht, gibt es einen Punkt, in dem die fantastischen Haustiere sämtliche Mitbewerber hinter sich lassen: Einen

Im Editor können die Kleinen (& Großen) ihrer Kreativität freien Lauf lassen.
Im Editor können die Kleinen (& Großen) ihrer Kreativität freien Lauf lassen.
Tier-Editor. Wem der mitgelieferte Streichelzoo nicht ausreicht oder wem die teils mythischen (Einhorn, Drache), teils "normalen" Haustiere wie Katze, Hund oder Minipony nicht ausgefallen genug sind, kann sich im Editor austoben. Hier darf man nach Belieben aus allen freigeschalteten Elementen sein Traumhaustier zusammensetzen.

Sei es nun ein Drache, der mit Hörnern, einem rosa Reptilienschwanz und glühend roten Augen witzig-süßen Schrecken verbreitet, während das seidenweich scheinende Hundefell zum Streicheln animiert. Oder ein pechschwarzes Einhorn. Oder eine wilde Mischung aus Reptil-Katze und fliegendem Hund (nicht die Fledermaus). Der Fantasie bei der Gestaltung ist kaum eine Grenze gesetzt, wobei gleichsam positiv auffällt, dass die Navigation gut funktioniert. Und dass die Auswahl der Bauteile Persönlichkeit und Fähigkeiten beeinflusst. Offensichtlichstes Beispiel: Ohne Flügel kann das Tier nicht fliegen. Doch über Mimik-Einstellungen kann man sogar die Stimmung festlegen, die sich dann z.B. in einer deutlich sichtbaren Verspieltheit oder auch einem  leicht über die Stränge schlagenden Toben bemerkbar macht.

Fazit

Wer bereits zum Start von Kinect mit den Wildkatzen auf Lemur Island nichts anfangen konnte, wird auch von den Fantastischen Haustieren nicht überzeugt. Denn letztlich verbirgt sich dahinter nur eine sorgsam und bis auf die Gestenerkennung technisch saubere Mischung bekannter Elemente wie EyePet und Kinectimals, die mit einem guten Dutzend Minispiele angereichert wurde. Jüngere Spieler werden trotzdem ihren Spaß haben. Zum einen gibt es immer wieder magische Momente, wenn die Verbindung von Kinect und der "erweiterten Realität" funktioniert, und die Illusion aufgebaut wird, tatsächlich mit einem der knuffigen Knuddelviecher zu agieren. Zum anderen reizt das Streben zur nächsten "Tiertrainerstufe". Und nicht zuletzt dürfte der Editor mit seinen Gestaltungsmöglichkeiten für die kleinen Tierdompteure die eher gering ausfallende Anzahl an Aktivitäten versüßen. Kurzum: Gelungene Unterhaltung für Jüngere, die aber wie nahezu alle anderen Kinect-Titel das Potenzial nicht auszuschöpfen versteht.

Pro

Knuddelgrafik
gute Lokalisierung
kindgerechte Unterhaltung
umfangreicher Haustier-Editor

Kontra

Gestenerkennung immer wieder unsauber
"Augmented Reality" nicht immer glaubwürdig umgesetzt
zu wenige Minispiele integriert
technisch maximal durchschnittlich

Wertung

360

Nette Unterhaltung für junge Tierdompteure, die das volle Kinect-Potenzial aber nicht auszuschöpfen weiß.

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