Tomb Raider (2013)28.02.2013, Jörg Luibl
Tomb Raider (2013)

Im Test:

Was hat Lara Croft eigentlich nach der Uni gemacht, als sie noch keiner kannte? Bevor sie Videospielikone und Sexsymbol wurde? Crystal Dynamics will die Antwort im Pazifik geben: Auf der Suche nach einer uralten japanischen Zivilisation verschlägt es Lara und ihre Crew in das berüchtigte Teufelsmeer. Statt Ausgrabungen in tropischer Sonne warten Schmerzen, Gefahren und Feuerproben auf eine blutjunge Abenteurerin.

Gestrandet im Teufelsmeer

Wie konnte das alles passieren? Wo ist der Rest der gestrandeten Crew? 22 Tage waren sie unterwegs und jetzt dieses Desaster! Ist das alles ihre Schuld? Lara sitzt wie ein Häufchen Elend vor einem mickrigen Feuer. Sie ist schmutzig, sie zittert und ist froh, dass sie nach all den Strapazen überhaupt lebt. Man nimmt ihr an dieser Stelle die Hilflosigkeit ab, denn man hat sie von der plötzlich tosenden See durch bizarre Höhlen mit Leichen bis hin zu diesem Lager begleitet.

Was sie noch nicht weiß: Dutzende dieser Ruhefeuer werden folgen, nicht nur im Dschungel, sondern in schummrigen Höhlen und verschneiten Gebirgen. Diese Insel scheint aber schon jetzt ein Alptraum zu sein. Denn Lara wurde am Strand bewusstlos geschlagen, kopfüber in eine Art Kokon gesteckt und von einem Irren verfolgt, der ihr "doch nur helfen" wollte. Sie konnte ihn in einem Reaktionstest abwehren, ist durch enge Nischen voller Schädel geflohen und hat über den cleveren Einsatz von Feuer und Gewichten endlich einen Ausgang aus der Höhle sowie einen Rucksack der Crew gefunden.

Gute Regie, gute Sprecher

Zu Beginn riecht alles nach einem knallharten Survival-Abenteuer: Lara kriecht, flucht, schreit und zittert.
Zu Beginn riecht alles nach einem knallharten Survival-Abenteuer: Lara kriecht, flucht, schreit und zittert.
Jetzt sitzt sie da und blickt zurück, indem sie in die Kamera ihrer Freundin Sam schaut. Gerade im Einstieg ist die Regie sehr gut. Der pazifische Schauplatz als auch die Story, die sowohl über Rückblicke, aktive Dialoge als auch gesprochenene Tagebücher erzählt wird, machen neugierig. Sehr schön ist, dass Lara über sie nicht nur unterschiedliche persönliche Sichtweisen sowie so manche heikle Privatsache, sondern auch historische Perspektiven auf die turbulente Geschichte der Insel entdeckt. Zeugnis davon geben auch Hinterlassenschaften wie spanische Helme, Bunker und Bomberwracks aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Schwächen der Erzählung werden erst später offenbar, denn das Drehbuch lässt sich zu wenig Zeit für glaubwürdige Entwicklungen und Auflösungen.

Dass man sich voller Vorfreude ins Abenteuer stürzt liegt auch an der gelungenen deutschen Lokalisierung: Man merkt Nora Tschirner an, dass sie Laras Szenen vor sich hatte; vor allem ihre Debatten mit dem eitlen Professor sowie ihre Gespräche mit Roth wirken angenehm authentisch. Auch der Rest kann sich trotz einiger Klischeerollen wie dem bebrillten Nerd oder dem rüstigen Kapitän hören und sehen lassen – gute Arbeit, Square Enix!

Teufelsmeer?

Das Bermuda-Dreieck kennt man. Aber das Drachen-Dreieck, auch Teufelsmeer genannt? Wo sich Inseln wie Toshima, Miyake oder Izu tummeln? Es gilt ebenfalls als mysteriöser Ort, um den sich zahlreiche Legenden ranken. Das Gebiet liegt südlich von Tokio im japanischen Meer, wo nicht nur Taifune und Vulkane für Nervenkitzel sorgen. Hinzu kommen UFO- und Geister-Sichtungen sowie verschollene Flugzeuge und Schiffe. Eigentlich wollte Lara mit dieser Crew das sagenhafte altjapanische Reich von Yamatei finden, aber scheinbar ist sie auf eine mordende Sekte gestoßen. Und das alles ohne Waffen, ohne Vorräte und mit Verletzungen, die sie sich beim Sturz zugezogen hat. Was sie noch nicht weiß: Schon bald kann sie auf körperliche Mühsal pfeifen, aus dem Vollen ballern, von der Schrotladung bis zum Napalmpfeil mit einem Bodycount im gefühlten dreistelligen Bereich.

Sorgen, Hoffnungen & Enttäuschungen

Aber in diesen frühen Momenten hat Lara andere Sorgen. Und als Spieler kann man sich auch kaum vorstellen, dass eine junge Frau, die sich bei einem ausgeweideten Hirschen entschuldigte, innerhalb von wenigen Stunden zum Green Beret mutiert. Ihr hilft ja zu Beginn lediglich die Stimme ihres Mentors Roth, der scheinbar ihren Vater kannte und wie ein Ersatz für diesen einspringt - leider hakt die Story hier später nicht gut genug nach, denn man erfährt zu wenig über Mr. Croft. So gibt ihr sein Freund Roth ab und zu als Stimme im Hintergrund Tipps zum Überleben, zur Orientierung und scheint irgendwo auf dieser Insel zu stecken - immerhin eine Hoffnung!

Was hat es mit den Schädeln und Toten in dieser Höhle auf sich?
Was hat es mit den Schädeln und Toten in dieser Höhle auf sich?
Hinzu kommt leider noch eine andere, und zwar der grell blinkende Trost freigeschalteter Kostüme oder Galerien, was Crystal Dynamics überflüssiger Weise selbst in wichtigen Situationen in Pop-up-Manier unten rechts einblendet; genauso wie XP, Höhlenfunde & Co. Leider kann man diesen Klimbim nicht optional abschalten. Warum mich das so ärgert? Warum ich überhaupt so weit aushole und auf Laras Befindlichkeiten eingehe? Weil da so viel drin war in diesem Spiel und in dieser Figur! Weil die Entwickler in Ansätzen so viel hinsichtlich der Dramaturgie richtig machen, aber dann einfach nicht konsequent weiter machen. Sinnbildlich dafür ist eine Szene, in der sich das zitternde Küken in eine Shooterlady verwandelt, obwohl der Übergang hier sanfter ist als etwa in Far Cry 3.

Die plötzliche Verwandlung

Als Lara den ersten Mann umbringt, bricht sie schluchzend zusammen, voller Blut und Verzweiflung angesichts der schrecklichen Situation. An dieser emotionalen Szene freut man sich trotzdem: Wie primitiv hat man sie in ihren letzten Auftritten zum Sexsymbol degradiert? Endlich kann man sie als Charakter wieder ernster nehmen. Sie wirkt hier angenehm menschlich und glaubwürdig. Aber was dann passiert, ist sinnbildlich für die oberflächlichen Drehbücher in Videospielen: Sie schaut auf die Pistole, greift zu und kann danach einfach weiter ballern. Was soll das?

Nicht falsch verstehen: Es geht nicht darum, dass Lara gar nicht kämpfen soll, schließlich steckt das als Tochter eines "Croft" in ihr - auch in ihren ersten Abenteuern hat sie geschossen und die Story versucht diese Entwicklung vorzuzeichnen, als Lara an späterer Stelle im Gespräch mit Roth sagt: "Es fällt mir überraschend leicht." Okay, das ist auch nicht das Problem, dass die Lady lieber angreift als einzustecken. Aber es geht darum, dass nach Notwehr oder notwendigen Schießereien nicht sofort Rambo mit Headshotserien und Schrothagel anklopfen muss.

John Rambo lässt grüßen

Lara im Gespräch mit Roth: Die deutsche Lokalisierung ist gelungen.
Lara im Gespräch mit Roth: Die deutsche Lokalisierung ist gelungen.
Gerade hat sie noch mit Pfeilen einen Hirsch gejagt, dann schleppt sie zig Wummen rum? Man hätte Lara stark und wehrhaft darstellen können, ohne nach der ersten glaubwürdigen Reue gleich den Berufskiller aus ihr zu machen. Im Menü steht auch noch plump so etwas wie "Erfahrener Mörder" als Fähigkeit. Leider mutiert die Studentin der Archäologie etwas zu schnell zur Kampfsau, die selbst Green Berets im Dschungelkrieg alt aussehen lässt: Finte, Tritt gegen das Knie, Axt in den Schädel. Was? Klar wird das cool animiert, klar macht das in dem Moment durchaus Laune, aber darum geht's nicht, wenn sich die Spielewelt weiter entwickeln soll.

Hätte man sich bei Crystal Dynamics intensiver mit der Rolle der Lara Croft und den Möglichkeiten des Spieldesigns beschäftigt, hätte man diese Situation eleganter lösen können: Lara schmeißt die Pistole z.B. voller Verachtung in den Dreck oder ignoriert sie angewidert, weil sie damit ihren ersten Mord in Notwehr begangen hat! Dann greift sie entschlossen zum Bogen, kämpft weiter und begegnet im Laufe des Abenteuers vielleicht immer wieder mal einer Pistole oder einer Flinte. Aber dann hätte man als Spieler auch die Wahl, ob man zugreifen und volle Kanne Projektile rausrotzen will oder doch lieber subtil Pfeile verschießt. Wieso bietet man überhaupt ein Skillsystem und subtile Wege an, wenn man letztlich gar nicht unterschiedlich agieren kann? Man hat keine Wahl, Lara muss trotz einiger Schleicheinsätze Rambo werden, muss irgendwann viele Wellen an Schurken

Tomb Raider sieht klasse aus, schleppt aber zu viele überflüssige Rucksäcke mit sich herum, um möglichst vielen Leuten zu gefallen, die cruisen, ballern und sammeln wollen. Würde es davon nur einige abwerfen und sich seiner Tugenden besinnen (Tauchen, große Katakomben, Nervenkitzel vor dem Absprung, weniger Gegner), könnte es Uncharted übertrumpfen.
Tomb Raider sieht klasse aus, schleppt aber zu viele überflüssige Rucksäcke mit sich herum, um möglichst vielen Leuten zu gefallen, die cruisen, ballern und sammeln wollen. Würde es davon nur einige abwerfen und sich seiner Tugenden besinnen (Tauchen, große Katakomben, Nervenkitzel vor dem Absprung, weniger Gegner), könnte es Uncharted übertrumpfen.
niedermähen. Aber zu viel Actionund zu schwache Feinde sind leider im Duett ganz böse Wertungsfeinde.

Dabei liegt das bessere Spieldesign so nahe: Warum konzentriert man sich nicht auf die wertvollen Wurzeln der eigenen Reihe? Warum taucht Lara z.B. nicht? Gerade auf einer tropischen Insel mit all den Grotten und Höhlen? Gerade, wenn man den Survival-Aspekt selbst anbietet? Was waren das früher für spannende Passagen unter Wasser! Stattdessen rutscht Lara wie in einem Vergnügungspark immer wieder irgendwo Wildwasserbahnen runter, während sie ausweichen und Hindernisse mit Schrot weg ballern muss. Stattdessen verliert sie sich in einer unheimlich hübschen anzuschauenden Mischung aus Uncharted, Call of Duty und – festhalten, weil es sich jetzt komisch anhört- Darksiders; mit teilweise unterhaltsamen, teilweise spannenden, aber auch peinlichen Verirrungen. Es gibt viele ansehnliche Stellen, viel Action und Krachbumm, man fließt regelrecht von Lager zu Lager, aber lange Zeit ohne bemerkenswerte Höhepunkte.

Ein Hauch von Survival

Manchmal muss man Feuer einsetzen um Rätsel zu lösen oder einfach nur Licht ins Dunkel zu bringen.
Manchmal muss man Feuer einsetzen, um Rätsel zu lösen oder einfach nur Licht ins Dunkel zu bringen. Erst im letzten Drittel nimmt die Qualität der Rätsel zu.
Dieses Tomb Raider zeigt über dreizehn bis fünfzehn Stunden drei Gesichter: Den vielversprechenden Einstieg mit seiner verletzlichen Archäologin, den Mittelteil mit der Ballerernüchterung und den packenden Schluss mit seiner klassischen Heldin. Der stimmt wieder versöhnlich, weil die Entwickler endlich spannende Kletterpassagen, bessere Rätsel, dazu erste Bosse sowie packende Action inszenieren. Zu Beginn wecken sie leider die falsche Hoffnung auf einen ebenso emotionalen wie mysteriösen Survival-Trip, der einige dramaturgische Elemente aus der TV-Serie Lost (gestrandete Gruppe, kleine Intrigen, Freunde verschwinden und seltsame Fremde tauchen auf) mit dem rauen Kampf einer jungen Heldin gegen die Wildnis zu verbinden scheint. Da sammelt Lara Früchte, steckt in Fallen fest, wehrt sich gegen dumme Wölfe und genießt noch jedes Lager. Crystal Dynamics gelingt es allerdings inhaltlich nicht, diese Art des Spieldesigns glaubwürdig durchzuziehen, zumal sie alle Nase lang Munition findet und nie hungert. Es wirkt eher so wie ein "Schaut her, das machen wir anders als dieser Nathan Drake!" - dabei hätte man sich den schlecht gemachten Robinson-Kram gleich sparen können!

Dafür gelingt es ihnen, die Gefahr dieses Dschungels technisch brillant abzubilden, wenn Wasserschatten sanft auf Felsen wabern, Fackelfeuer an Decken züngelt oder der Tropenwind durch alte Tempel peitscht - die Kulisse erreicht ein ausgezeichnetes Niveau, das der aktuellen Konsolengeneration alle Ehre macht. Hier muss ich Crystal Dynamics auch nicht vor Uncharted 3 verstecken. Zwar fehlen die ganz großen Highlights wie etwa das Bergdorf in Tibet, das wie ein animiertes Stillleben anmutete, aber freut euch auf einige spektakuläre Hingucker über den Wolken und prächtige Tempelanlagen. Noch wichtiger als poröse Oberflächen, bewegtes Gras oder lebensechte Animationen ist die hervorragende Kameraführung: Die Regie der Perspektive ist so dynamisch, dass man immer ganz nah dran ist, wenn sich Lara durch Nischen zwängt, mit dem Wasser bis zum Hals durch Höhlen watet oder plötzlich vertikal wie ein Stein in Abgründe stürzt - und sich mal wieder übel verletzt. Wer prächtige Panoramen und schmerzhaftes Mittendringefühl sucht, wird es in diesem Tomb Raider finden.

Heiß und kalt im Kampf

Wer sich allerdings auf den Kampf um das Überleben auf einer Insel freut, wird vom Einstieg und dem Skillsystem geblendet: Da ist die Jagd mit dem Bogen, damit Lara etwas zu essen findet; da ist der Hinweis auf unnötige Geräusche in Höhlen; da ist das kostbare Feuer, das man nur an bestimmten Stellen entzünden kann; da sind all die Fähigkeiten wie

Zu Beginn hat Lara nur einen Bogen, aber schonb bald ein ganzes Waffenarsenal.
Zu Beginn hat Lara nur einen Bogen, aber schon bald ein ganzes Waffenarsenal.
Orientierung oder Kartenprofi, die Lara entwickeln kann, sie soll besser ausweiden und bessere Sachen finden können. Muss sie also die kommenden Stunden mit Hunger, Verletzungen und wilden Tieren klar kommen? Fallen und Waffen bauen, Kräuter sammeln, kann sie sich sogar verirren? Nein. Wer Lust auf Survival bekommt, wird spätestens mit Axt, Feuerzeug, Satellitenkarte, Revolver, Schrotflinte, Gewehr und Compoundbogen (natürlich alles x-mal aufrüstbar) feststellen, dass das alles nur Blendwerk war. Warum hat man sich nicht zumindest an dem System von Metal Gear Solid: Snake Eater orientiert, so dass Gesundheit und Zustand direkt mit der Nahrung zusammen hängen? Nein, Lara heilt sich automatisch wie jeder Shooterheld, muss nichts essen, muss nicht in der Wildnis ums Überleben kämpfen, muss nicht besonders clever sein, sondern vor allem eines: Überall herum liegende Munition sowie Baumaterial aufsammeln, damit Waffen aufrüsten, klettern und ballern.

Das kann auch Spaß machen. Und vor allem im letzten Drittel kommt Freude zusammen mit einiger Überraschung auf, als die Story endlich mit voller Fahrt auf das zusteuert, was man schon ahnte. Aber den Kampf hätte man bis dahin packender inszenieren müssen, indem man wenige, aber dafür anspruchsvollere Gegner aufbaut. Crystal Dynamics serviert eher einen soliden Deckungsshooter mit teilweise schrecklicher KI: Im schwächsten Abschnitt einer Barackensiedlung fühlt man sich wie in einem 08/15-Deathmatch gegen grenzdebile Feinde, wenn man einfach in einer Gasse steht und die dumm heran rauschenden Schurken wie Hühner über den Haufen ballert - einen nach dem anderen. Oder alle auf einmal, wenn man eines der hundert explosiven Fässer ins Visier nimmt. Es sind kaum Teamtaktiken oder Umzingelungen zu erkennen.

Samurai Hill

Neben den Seilpfeilen bekommt Lara auch Spule, mit der sie nicht nur hinunter, sondern auch hinauf gleiten kann.
Neben den Seilpfeilen bekommt Lara auch Spule, mit der sie nicht nur hinunter, sondern auch hinauf gleiten kann.
Daran biedert sich Crystal Dynamics ja an, wenn auch noch schwer gepanzerte Feinde mit Schilden auftauchen: Doch so leicht, wie man die Jungs hier umrundet und per automatischer Zielfxierung nach dem Ausweichen erledigt, ist das einfach nur Kosmetik - selbst aufnehmen kann man einen Schild genauso wenig wie etwa Granaten zurückwerfen. Und das, obwohl Lara beides angesichts von MG-Feuer (!) und vielen Feindwellen gut gebrauchen könnte; man fühlt sich gerade im Mittelteil von Tomb Raider fast wie im Pazifikkrieg, wenn es plötzlich minutenlang überall nur noch detoniert. Lara stirbt hier eher aufgrund der Masse als der Klasse der Schurken. Spätestens hier wird man ohnehin gezwungen, auch die Waffenfertigkeiten des komplett überflüssigen Skillsystems aufzurüsten, damit Schrotflinte, Gewehr & Co auch richtig viel Schaden austeilen. Aber im letzten Drittel kriegen die Kämpfe tatsächlich auch noch inhaltlich die Kurve: Ich möchte nicht zu viel verraten, aber erst nach knapp neun Stunden folgt nicht nur der erste (kleinere) Boss, sondern auch epische Schlachtszenen, die richtig Laune gemacht haben – vor allem, wenn man Spiele wie Darksiders II mag.

Was ist mit subtilen Manövern und bösen Kills? Gibt es auch, vom Dreck in die Augen bis zur Axt ins Knie. Die Schleichmöglichkeiten wirken zu Beginn noch attraktiv, wenn sich Lara geduckt (bei automatischer Anpasssung der Körperhaltung an die Deckung) durch ein Lager bewegt oder per Pfeilschuss an Wände einige Wachen weglockt, damit sie diese einzeln töten kann – gute Idee. Es lohnt sich auch, so vorzugehen, denn so werden deutlich weniger Wachen alarmiert. Aber die subtilen Situationen nehmen im weiteren Spielverlauf

Feuer spielt eine große Rolle: Man kann über Explosionen sowohl Rätsel lösen als auch jede Menge Feinde ins Jenseits befördern - auch mit Napalmpfeilen.
Feuer spielt eine große Rolle: Man kann über Explosionen sowohl Rätsel lösen als auch jede Menge Feinde ins Jenseits befördern - auch mit Napalmpfeilen. Allerdings übertreiben es die Entwickler mit den Detonationen und Fluchten durch Flammen - man fühlt sich überhaupt nicht bedroht.
immer mehr an Qualität ab, weil man keine aktiven Patrouillen bekämpft, sondern dumme Aufpasser mit kleinem Aufmerksamkeitsradius - es fehlen manchmal nur noch Schilder mit dem Hinweis "Lara, jetzt Stealthkills!": Da stehen dann Wachen mit dem Rücken zu ihr, die sie von hinten mit dem Bogen (!) erwürgt, was schon beim Zusehen so unrealistisch und tölpelhaft laut aussieht, dass die Wache zwei Meter weiter weg entweder taub oder humorlos sein muss. Überhaupt ist der Nahkampf viel zu stark, so dass man kaum Respekt vor heran rauschenden Machetenmännern entwickelt. Recht früh kann Lara die Axt tödlich frontal als Doppelhieb einsetzen oder über das Ausweichen zum Finisher ansetzen, falls sie den kinderleichten Reaktionstest meistert.

Akrobatik mit Lebensversicherung

Anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren hat Crystal Dynamics die moderne Wundertüte des Sammelwahnsinns  aufgemacht, die so funktioniert: 1/3, 1/5, 1/10 – alles auch noch von Anfang in der Statistik einzusehen, damit man bloß nichts selbst entdecken muss. Man kann auf dem Weg durch den Dschungel zig Reliquien, Geocaches, Schatzkarten, Totems, Tagebücher etc. finden, wenn man die Augen halb offen hält, ein wenig stöbert und klettert. Vor allem die Kraxelei mit Hilfsaxt & Co ist komfortabel an Steilhängen, obwohl sie nicht mehr an das erinnert, was Lara früher so stark gemacht hat: Die Spannung vor dem Absprung, wenn man in halsbrecherischer Akrobatik durch Katakomben turnte. Diese Angst muss man im Teufelsmeer lange Zeit nicht haben, denn Lara klettert trotz kleiner Reaktionstests, wenn sie mal den Halt verliert, nahezu gefahrenfrei zwischen Steilwänden und Simsen, die zwar nicht mehr so penetrant blitzen, aber meist weiß getüncht sind: Mal ein Klettersprung da, mal etwas mehr Tempo hier,

Rätsel und Akrobatik bewegen sich zu Beginn eher auf einem komfortablen als anspruchsvollen Niveau.
Rätsel und Akrobatik bewegen sich zu Beginn eher auf einem unterhaltsamen als anspruchsvollen Niveau.
aber alles immer sehr intuitiv ohne Adrenalinschübe - über Baumstämme an Schluchten balanciert sie sogar automatisch.

Vieles davon war zwar in Uncharted ähnlich komfortabel, aber dennoch befriedigender und spannender. Warum? Weil Crystal Dynamics diese Kletterpartien erst sehr spät im letzten Drittel vor einem pompösen Panorama inszeniert, einem aber bis dahin viel zu selten bei weit entfernter Kamera wirklich Zeit zum Kraxeln und Genießen lässt - Naughty Dog hat die Akrobatik viel mehr zelebriert, indem man Nathan perspektivisch zu einem Wurm degradiert und ihm so das Gefühl von Wie-da-hinten-muss-ich-hin? gegeben hat. Und gerade in entscheidenden Situationen, etwa der Besteigung eines gefährlich hohen Funkturms, erklimmt Lara den Gipfel ohne jegliche Hindernisse. Was soll das? Das ist seltsam, denn in weniger wichtigen Momenten streuen die Entwickler durchaus Stürze & Co ein, die in halsbrecherische Situationen überleiten, in denen sich Lara nur per Reaktionstests retten kann. Immerhin gilt auch hier, dass der Schluss mit seinem spektakulären hohen Seilwald oder seinen atemberaubenden Kletterpartien vor tosendem Sturm für vieles entschädigt.

Die Gegner-KI ist schwach bis dämlich. Angesichts der vielen Gefechte ein Ärgernis...
Man kann zwar ab und zu subtiler vorgehen und schleichen. Aber die Gegner-KI ist schwach bis dämlich. Angesichts der vielen Gefechte ein Ärgernis...
Das Erkunden der zerklüfteten Täler und Gebirge macht dennoch Spaß, vor allem wenn man später die Seilpfeile und danach die nützliche Winde erhält, sich so gezielt Wege in der Vertikalen schaffen kann, so dass Lara bisher unzugängliche Gebiete über das Hangeln oder Heruntergleiten erreicht. Schön ist auch, dass man über die Kombination aus Bogen, Feuer und Seilpfeil kleine physikalische Rätsel löst - etwa das Entzünden von entfernten Feuerschalen. Schade ist nur, dass man nicht viel öfter das richtige Timing für einen Absprung finden muss, dass man sich nicht öfter auch in Höhlen und Tempeln sportlich oder gar unter Wasser als Taucherin beweisen muss - meist kann man sicher sein, dass einem nichts passiert.

Die Rückkehr der Archäologin

Es ist nicht alles ernüchternd, es gibt auch tolle Entwicklungen. Sehr lobenswert ist z.B., dass Crystal Dynamics nicht nur die Archäologin, sondern auch die Frau wieder ausgräbt: Lara wird hier trotz all der hautnahen Perspektiven nie zum billigen Sexsymbol degradiert, die Kamera hält nie plump auf erogene Zonen, sondern zeigt in einem respektvollen Abstand einfach nur eine ebenso hübsche wie toughe Frau, die sich in den Gesprächen mit dem eitlen Dr. Whitman als starke Persönlichkeit präsentiert. Und rannte Lara in früheren Spielen wie eine primitive Grabräuberin durch alte Tempel, die mit Roundhousekicks jahrhundertalte Vasen zerdeppert, geht sie jetzt endlich ihrem Studium entsprechend authentischer vor. Sie sinniert über die alte Kultur Japans und weiß die Artefakte zu schätzen, die sie findet. Den Umgang mit ihnen löst Tomb Raider auch besser als

Gleich zu Beginn gibt es einen Reaktionstest, aber davon macht die Regie nicht all zu oft Gebrauch.
Gleich zu Beginn gibt es einen Reaktionstest, aber davon macht die Regie nicht all zu oft Gebrauch.
Uncharted: Man findet Masken, Münzen, Schätze & Co als toll designte 3D-Objekte. Und es macht nicht nur Spaß, sie zu drehen und zu zoomen, man kann auch Geheimnisse an ihnen finden – theoretisch eine klasse Idee. Man denke an „The Room“ auf dem iPad, was da alles möglich ist…

Und was bekommt man hier, nachdem man eine Maske gedreht hat? Ein paar Hinweise und blöde Erfahrungspunkte! Hier bleibt Crystal Dynamics schon wieder inkonsequent stehen. Warum nutzt man diese Artefakte nicht für bessere Rätsel und die Verknüpfung mit der Story? Man hätte kleine mechanische Vorrichtungen für Geheimfächer einbauen können, man hätte sie in Tempeln als Objekte einsetzbar machen könne, man hätte aus mehreren Sets gleicher Artefakte vielleicht Zugänge zu weiteren Gräbern schaffen können. Überhaupt diese Gräber: Warum hat man nicht die Geocaches genutzt, um eine Art Schnitzeljagd auf diese uralten Gemäuer einzuleiten, damit man sie erst finden muss! So stolpert man ja quasi alle Nase lang über sie – sie werden automatisch auf der Karte eingezeichnet. Geht man dann hinein, überkommt einen dieser wohlige Schauer der bevorstehenden Erkundung, zumal sie klasse aussehen, obwohl sie letztlich recht klein ausfallen. Und an deren Ende wird Lara tatsächlich wie Link von goldenem Glanz umhüllt, wenn sie die kostbare Truhe öffnet. Was findet sie? XP und weitere Schatzkarteneinträge auf der Karte! Was soll das für ein Schatz sein, der weitere Abgraspunkte für Sammelaffen aufdeckt? Warum bekommt man in diesen Truhen nicht wirklich wichtige oder zumindest für die Story relevante Dinge? So bleiben nahezu alle Funde der Lara Croft nicht mehr als spielerisch überflüssige Beuteobjekte .

Wasser, Wind und Feuer

Im Multiplayer-Modus warten
Im Multiplayer-Modus warten altbekannte Spielmodi ohne viele Überraschungen.
Apropos Rätsel: Es gibt sie, wenn auch etwas zu selten und zunächst recht einfach, aber sie werden im Laufe der Abenteuers besser. Schon im Einstieg spielt man mit Feuer und Gewichten, um einen Eingang frei zu machen - nicht besonders knifflig, aber unterhaltsam. Später löst man vieles mit dem Entzünden oder dem Feuerbeschuss; in einer Höhle mit Gas erledigt man Aufgaben sogar nur über Explosionen. In den Tempeln wird es interessanter, wenn neben dem Wind als physikalisches Element auch das Klettertiming passen muss. Anspruchsvolle Situationen gibt es erst im letzten Drittel, wenn Lara geschickt mit Strom, Seilhaken und Boot, Gewichten, Hebeln und Glocken hantieren muss. Im Gegensatz zu Uncharted vermisst man jedoch auch mal pompöser inszenierte und abwechslungsreichere Aufgaben, die eine andere Art der Logik verlangen. Falls man dennoch nicht weiter weiß, hilft die Schultertaste, mit der man Laras "Instinkt" aktiviert, der alle interaktiven Objekte kurz golden markiert.

Online mit bis zu acht Leuten

Die PC-Version:

Dank höher aufgelöster Texturen, verschiedener Kantenglättung, Tessellation sowie klarer definierter Schatten wirkt das Bild wesentlich schärfer und hübscher. Außerdem sorgt eine Technologie namens TressFX wahlweise für die aufwändige Darstellung sehr feiner Haarsträhnen, was selbst schnelle Rechner viele Bilder pro Sekunde kostet. Im ständigen Wind weht Laras Zopf damit recht imposant um den gesamten Kopf – allerdings sind die Strähnchen ganz allgemein und spätestens auf einem nassen Kopf viel zu leicht. Die Haare liegen zudem auf einer unsichtbaren Hülle weit über Laras Oberkörper auf, was einen höchst seltsamen Eindruck hinterlässt. TressFX bietet einen interessanten Blick in die Zukunft! Glaubwürdige Haare stellt es bisher aber nur mit Einschränkungen dar. Im Multiplayer, der extern bei Eidos Montreal entwickelt wurde, gibt es wie mittlerweile üblich von der Charakterwahl (u.a. die Figuren der Story) über individuelle Waffensets bis hin zu Freischalt- und Aufrüstoptionen für Erfahrungspunkte auch nach dem Finale eine Karrieremöglichkeit. Es gibt u.a. klassische Modi wie "Team-Deathmatch" und "Deathmatch" aka"Freier Wettbewerb" oder "Rettung" mit fünf recht weitläufigen Karten. In beiden Varianten kämpfen Überlebende des Schiffsbruchs gegen Schurken, die schon längere Zeit auf der Insel leben - inkl. fieser Fallen, Rutschpartien, Klettereinlagen sowie zerstörbarer Objekte. Im Ersteren kämpfen die beiden Mannschaften maximal drei Runden gegeneinander; jene, die zwei Runden für sich entscheiden kann, gewinnt. Im Letzteren haben beide unterschiedliche Aufgaben. Die Überlebenden bringen Erste-Hilfe-Kisten zu unterschiedlichen Punkten auf der Karte, während die Gegenspieler möglichst viele von ihnen per Nahkampf erledigen müssen. Bei "Schrei um Hilfe" geht es darum, Funksender anzubringen bzw. das zu verhindern. Meist ist Platz für bis zu acht Spieler; es gibt sowohl Ranglisten als auch freie Partien.

Während man das Abenteuer selbstverständlich auch am PC mit Gamepad spielen kann, ist die Steuerung mit Maus und Tastatur sehr gelungen. Vorbildlich: Alle Funktionen darf man mit jeweils zwei Tasten frei belegen. Ein Fehler macht der Steam-Version allerdings zu schaffen, denn auf einigen modernen Grafikkarten stürzt das Spiel mit eingeschalteter Tessellation regelmäßig ab. Wer auf älterer Hardware das Spiel gar nicht erst starten kann, sollte zudem das "Exklusive Vollbild" abschalten.

Fazit

Als nach dreizehn Stunden der Abspann läuft, bleibt trotz aller Kritik tatsächlich noch ein gutes Spiel in Erinnerung. Das liegt nur am packenden letzten Drittel, weil dort Anspruch, Rätsel und Spannung endlich anziehen. Dieses Tomb Raider ist zwar noch lange nicht auf dem spektakulären Niveau, das man ihm als alter Fan der ersten Teile so wünschen würde - am liebsten mit all dem Katakombenkitzel, mit viel weniger Ballast und mehr Entdeckerlust! Aber Lara Croft ist immerhin vom Sexsymbol zum Charakter gereift und wirkt als Archäologin wesentlich authentischer. Außerdem besticht Crystal Dynamics sowohl technisch als auch hinsichtlich der Kameraführung. Allerdings haben sie die große Chance verpasst an das anzuknüpfen, was Lara früher so unheimlich stark gemacht hat: Die anspruchsvolle Erkundung und Akrobatik  – mir fehlte oftmals die situative Spannung, außerdem das Tauchen. Es wollte angesichts des Sammelwahnsinns auch keine echte Freude an der Entdeckung von Schätzen aufkommen. Dieses Abenteuer fließt ja weitgehend unterhaltsam vor toller Landschaft, aber in der Mitte ohne Höhepunkte vor sich hin, wo es im ständig detonierenden Shootersumpf versinkt – ich dachte, ich bin im Pazifikkrieg. All der Überlebenskram und die Skillverteilung entpuppen sich spätestens dort als überflüssiges Blendwerk. Leider fehlte den Entwicklern der Mut zu echtem Survival inklusive Hunger, Munitionsknappheit & Co. Sie lassen zudem eine konsequente Dramaturgie gerade in der emotionalen Schlüsselszene vermissen; was hätte man daraus machen können! Dafür entführen sie in ein unheimlich ansehnliches, vorbildlich lokalisiertes, unterm Strich durchaus abwechslungsreiches Abenteuer. Am Ende wird mit dieser Lara Croft allerdings kein „Survivor“, sondern ein weiterer „Soldier“ geboren.

Update zur PC-Version, 5. März:

Lara macht auf dem Rechner die hübscheste Figur. Aufgrund der ansehnlicheren Kulisse sowie der noch nicht ganz realistischen, aber deutlich feineren Haardarstellung schneidet Tomb Raider hier etwas besser ab. Die Details zu Grafik, Steuerung & Co gibt es in dieser News.

Pro

sehr guter Einstieg
Story und Schauplatz machen neugierig
erstklassige, abwechslungsreiche Kulisse
gute deutsche Lokalisierung, gute Dialoge
Lara wirkt als Figur authentischer
klasse Kameraperspektiven
einige physikalische Rätsel & Hindernisse
Fähigkeiten und Waffen verbessern
dank besser Ausrüstung in Gebiete zurückkehren
gute Tagebücher & Rückblicke verweben Story
3D-Schätze untersuchen und Hinweise finden
spielerisch starkes letztes Drittel
diverse Multiplayermodi für bis zu acht Spieler
hübschere Kulisse, feinere Haardarstellung (PC)
mit Gamepad oder Tastatur gut spielbar (PC)

Kontra

Survivalaspekte sind überflüssiges Blendwerk
Story mit enigen Löchern und Stolpersteinen
penetrantes Aufblinken von Freischaltungen
schrecklich schwache KI-Gegner
Kraxelei fehlt situative Spannung
wenig große Rätsel-/Erkundungshöhlen
Lara mutiert zu schnell zur Killermaschine
Spielmitte gleicht Pazifikkrieg mit Dauerexplosionen
überfrachtetes bis nerviges Sammel
& Freischaltprinzip
Fähigkeitensystem überflüssig, keine echte Spezialisierung
Schätze & Artefakte werden nicht motivierend genug integriert
kein Tauchen

Wertung

360

Grandiose Kulissen, aber mehr Geballer als Survival: Das fulminante letzte Drittel sichert Lara Croft die gute Wertung.

PlayStation3

Tolle Landschaften, interessantes Szenario, viel Abwechslung, aber zu viel 08/15-Geballer und zu wenig situative Spannung.

PC

Die ansehnlichste Version bekommt man auf dem Rechner - inkl. feiner Haarberechnung.

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