Prototype 220.04.2012, Paul Kautz
Prototype 2

Im Test:

Prototype kam, sah und ging wieder - ganz besonders bei uns in Deutschland, wo es nie offiziell erschien und ratzfatz indiziert wurde. Nicht, dass man da viel verpasst hätte: Simple Action in hässlicher offener Welt - da gab es schon damals weitaus bessere Abenteuer. Der zweite Teil, der nur leicht geschnitten auch bei uns erscheint, macht doch sicher alles besser. Oder?

Mein verseuchter Vater

James Heller. Ein bisschen leichtgläubig, mag keine Computer, ist aber ein ebenso guter Soldat wie liebender Vater. Doch seine Rückkehr aus dem Einsatz könnte schmerzlicher nicht sein: Frau und Kind gestorben, halb New York vom tödlichen Mercer-Virus infiziert. Die Wut, sie glüht heißer in ihm als in tausend Sonnen. Und als er seine Chance sieht, dem Namensgeber des Virus (und Held von Teil Eins) sein mächtiges Jagdmesser zwischen die Rippen zu treiben, zögert er keinen Augenblick. Ärgerlich für ihn: Mercer trägt nicht mal einen Kratzer davon. Gut für ihn: Statt Heller auf der Stelle mit seinen Mutantenkräften zu zerfetzen, infiziert er ihn, wodurch er einen Teil seiner Kräfte erhält. Was soll der Scheiß? Alex klärt auf: Er hat nichts mit der Plage zu tun, er ist nur Opfer einer gigantischen Verschwörung des Militärs. Sagt der Vermummte die Wahrheit? Oder spielt er nur ein dreckiges Spiel?

Die erwachsene Handlung ist interessant und wird im Stil von Sin City präsentiert.
Die erwachsene Handlung ist interessant und wird im Stil von Sin City präsentiert.
Diesen Fragen jagt man etwa zwölf Stunden lang nach. Die Handlung ist interessant und stilistisch gut erzählt; die Videos erinnern mit ihrer Schwarz/Weiß/Rot-Farbgebung an Sin City. Okay, nach Logiklöchern sollte man besser nicht zu genau Ausschau halten, denn sonst kommt man aus dem Stolpern nicht raus. Aber die Geschichte ist erwachsen und interessant - allerdings auch bar jeglicher Ironie und ohne Augenzwinkern. Sowie nur auf Englisch verfügbar: Wer mit den im Minutentakt platzenden F-Bomben nichts anfangen kann, sollte sich besser die Ohren zuhalten oder nur auf die optionalen deutschen Untertitel achten.

Die Welt ist mein Spielplatz

New York Zero - ein Schlachtfeld. Wer wissen will, was mit der Ostküstenstadt passiert ist, kann sich aus dem Hauptmenü heraus eine Zusammenfassung der Geschehnisse des ersten Teils ansehen. Spielerisch folgt Prototype 2 (ab 23,99€ bei kaufen) (P2) seinem Vorgänger auf dem Fuße: Das aus drei Zonen bestehende NYZ ist riesengroß und frei begehbar - was es zu

Außer den Sektoren gibt es keine Grenzen: Ganz New York Zero ist offen und kann am Boden oder aus der Luft erkundet werden. Das flüssige Zischen durch die Stadt macht einen großen Teil der P2-Faszination aus.
Außer den Sektoren gibt es keine Grenzen: Ganz New York Zero ist offen und kann am Boden oder aus der Luft erkundet werden. Das flüssige Zischen durch die Stadt macht einen großen Teil der P2-Faszination aus.
Hellers Spielplatz macht. Gleich von Anfang an kann er Wände hochsprinten und kurz durch die Lüfte gleiten, wodurch er enorme Bewegungsfreiheit erfährt: Es gibt keine unüberwindlichen Hindernisse. Ob am Boden, an Hauswänden oder in der Luft, er kann jederzeit überall hin, die Bewegungsrichtung macht keinen Unterschied. Die einzige Grenze wird zwischen den Sektoren gezogen: Man beginnt in der gelben, in der das Leben noch recht einfach ist. Es gibt jede Menge Infizierte und Mutanten, aber mit denen wird man ohne große Probleme fertig. Nach einigen Spielstunden wird die Luftbrücke zur grünen Zone geöffnet - und da warten schon dickere Kaliber. Aber erst im roten Sektor wird’s richtig wahnsinnig: Hier ist alles und jeder verseucht, hier gibt es fiese Mutanten am laufenden Band. Die Luftbrücken darf man, sobald sie einmal freigeschaltet sind, jederzeit nutzen - etwa, wenn man in einem älteren Sektor nach Boni oder Nebenmissionen Ausschau halten möchte. Das kann man dank New Game+ übrigens auch nach dem Abschluss der Kampagne.

Neben der Kampagne gibt es jede Menge zu tun. Allerdings sind die meisten Nebenmissionen komplett austauschbar und dadurch auf Dauer langweilig.
Neben der Kampagne gibt es jede Menge zu tun. Allerdings sind die meisten Nebenmissionen komplett austauschbar und dadurch auf Dauer langweilig.
Das Spieldesign ist genretypisch offen: Man kann ruhigen Gewissens nur der Handlung folgen; dadurch wird das Spiel zwar insgesamt etwas schwerer, aber man kommt recht schnell durch. Interessanter wird das Ganze aber natürlich dadurch, dass es links und rechts vom Hauptpfad auch jede Menge Sekundäraufgaben gibt: Man kann Aufzeichnungen suchen, die etwas mehr Licht in die Aktivitäten von Blackwatch und Gentek bringen. Blacknet-Missionspakete warten darauf, abgeschlossen zu werden. Gegner mit neuen DNS-Mustern rücken diese erst nach einer mächtigen Tracht Prügel heraus. Bis zum Bersten mit Infizierten und Mutanten gefüllte Höhlen müssen ausgeräuchert werden. Ab und zu wird’s auch zeitkritisch, etwa wenn man von einem abstürzenden Hubschrauber fallen gelassene Pakete schnell aufsammeln muss. All diese Aufgaben geben nicht nur Erfahrungspunkte, sondern auch neue Mutationen, mit denen man Hellers Kampffähigkeiten weiter ausbauen kann: Stärkere Angriffe mit höherer Reichweite, schnelleres Klauen von Vehikeln, mehr Biomasse oder stärkere Klingen. Die Erfahrungspunkte sorgen in regelmäßigen Abständen auch für einen Aufstieg in der »Evolutionsstufe«. Jede zusätzliche Stufe gibt einen Aufstiegspunkt, dessen Investition u.a. dafür sorgt, dass man schneller rennt, länger fliegt, mehr Lebensenergie in sich trägt oder weniger Schaden durch Gegner-Angriffe nimmt.

Absorbiert man eine Person, nimmt man ihr Äußeres an. Nur so kann man bestimmte Bereich betreten oder Maschinen bedienen. Leider bietet der Vorgang kaum eine Herausforderung.
Absorbiert man eine Person, nimmt man ihr Äußeres an. Nur so kann man bestimmte Bereich betreten oder Maschinen bedienen. Leider bietet der Vorgang kaum eine Herausforderung.
Das Problem mit den Nebenmissionen ist allerdings der eklatante Mangel an Abwechslung. Fast jede Sekundäraufgabe ist folgendermaßen aufgebaut: Zu einem Punkt gelangen, Infos über Person holen, Jagd auf Person machen (der gleich zu Beginn verfügbare »Jagdping« macht das sehr einfach) und sie aufsaugen, nach Flashback Infos über Zielpunkt holen, zu anderem Punkt rennen, viel Rabatz machen, das Ganze nochmal von vorn, fertig. Das macht man ein Mal, zwei Mal, drei Mal, zehn Mal. Irgendwann schläft man dabei ein. Die Story-Aufgaben sind grundsätzlich etwas kreativer, beschränken sich im Wesentlichen aber auch auf Varianten von »Finde diesen!« und »Erledige jenen!«.

Der Mutant in mir

Richtig interessant wird’s erst durch die neuen Mutantenkräfte, die man durch das Absolvieren von handlungskritischen Aufträgen erhält. Es geht einfach los, mit scharfen Klauen und klebrigen Tentakeln. Später wird’s richtig abgefahren: Da trägt

Die Kämpfe sind im Großen und Ganzen sehr einfach - lediglich bei größeren Gegnern muss man mit etwas Taktik vorgehen.
Die Kämpfe sind im Großen und Ganzen sehr einfach - lediglich bei größeren Gegnern muss man mit etwas Taktik vorgehen.
Heller gigantische Klingen an den Armen, kann mehrere Gegner gleichzeitig angreifen, ein Rudel bissiger »Brawler«-Mutanten zu seiner Unterstützung rufen, jede Person in eine fiese »Biobombe« verwandeln oder gigantische Stacheln aus dem Boden wachsen lassen. Die Anwendung einiger dieser Kräfte erfordert »Biomasse«, die man aber sehr einfach nachfüllen lassen - nämlich, indem man beliebige Personen absorbiert.

Das ist ganz einfach: Hingehen, Zielperson festhalten, Y (bzw. Dreieck auf der PS3) drücken - und schwuuups hat Heller nicht nur etwas Lebensenergie zurück, sondern auch sein Äußeres gewechselt. Was komisch aussieht, als würde er von einem Rudel Aale angegriffen. Dieser Formwandel ist mehr als nur putziges Feature: Nur dadurch erhält man Zugang zu bestimmten Bereichen oder kann Info-Terminals bedienen. Zusätzlich sieht man bei wichtigen Personen auch einen Teil ihrer Erinnerung als stilvollen Flashback - wichtig für Geschichte und viele Nebenmissionen. Grundsätzlich ist das Absorbieren kinderleicht, allerdings kann man es nicht immer einfach so machen.

Mit den richtigen Mutantenkräften sind auch die dicksten Brocken schnell geschafft: In regelmäßigen Abständen gibt's Bossgegner.
Mit den richtigen Mutantenkräften sind auch die dicksten Brocken schnell geschafft: In regelmäßigen Abständen gibt's Bossgegner.
Denn die aufzusaugende Person muss unbeobachtet sein - ist er oder sie im Blickfeld eines Soldaten, wird nicht zugeschnappt. Nun gibt es zwei Lösungen für das Dilemma: Entweder kaut man sich von hinten nach vorne durch, vom letzten Beobachter zur eigentlichen Zielperson. Oder man pfeift auf diese Pseudo-Stealth-Geschichte, packt die Klingenarme aus (man kann jederzeit zwischen Heller- und Tarnform wechseln), erledigt alle Beobachter und schnappt sich das bedauernswerte Opfer. Wie schon im ersten Spiel ist die KI grundsätzlich recht dämlich und stört sich nicht daran, wenn die eigene Gruppe im Sekundentakt dezimiert wird. Hat man es nur mit Soldaten zu tun, kann man nach einem informativen Haps einfach abhauen und in einer ruhigen Ecke die Form wechseln - danach hat man Ruhe. Erst wenn man von hartnäckigen Helikoptern oder Orion-Soldaten verfolgt wird,  muss man etwas wachsamer sein. Aber auch hier gilt: Ist man erstmal für eine Sekunde aus der Sicht verschwunden und hat die Äußeres-wechsle-dich-Taste gedrückt, ist man zumindest für den Moment alle Sorgen los.

 Wenn er einschlägt, dann schlägt er richtig ein!

Der Kampf gegen Soldaten, Infizierte, Mutanten, Panzer oder Helikopter könnte einfacher kaum sein: Mit zwei Tasten teilt Heller mächtige Hiebe aus, hält man die Tasten gedrückt, lässt er besonders starke Angriffe vom Stapel. Wenige Tastenkombinationen ermöglichen das Loslassen von Bestien oder durchschlagende Rundumangriffe, außerdem darf man aus der Luft angreifen sowie mittels einfachem Tastendruck ausweichen. Auch die Umgebung kann in die Scharmützel einbezogen werden: Viele kleinere und größere Objekte, vom Gitter bis zum Auto, können aufgenommen und in Richtung Feind geschmissen werden, auch mannigfaltige Waffen (vom MG bis zum Raketenwerfer) leisten nützliche Unterstützung. Später darf man auch Panzer oder Helikopter klauen und damit mächtig gewaltig austeilen - sehr nützlich bei stabileren Gegnern. Heller darf immer zwei seiner Mutantenkräfte gleichzeitig aktiv haben, möchte man sie ändern, kann man das über ein Ringmenü jederzeit tun. Und das sollte man auch, denn unterschiedliche

Später darf man auch am Steuer von Panzern oder Helikoptern Platz nehmen. Die Kontrolle ist einfach, das Ballern damit sehr spaßig.
Später darf man auch am Steuer von Panzern oder Helikoptern Platz nehmen. Die Kontrolle ist einfach, das Ballern damit sehr spaßig.
Gegner reagieren deutlich anders auf Klauen, Klingen oder Hammerfäuste. Spätestens bei den Bosskämpfen wird das sehr wichtig: Wer zwei Furcht erregende Juggernauts vor sich hat und auf den Einsatz der klebrigen Tentakel verzichtet, ist selbst schuld.

Das Ganze läuft erwartungsgemäß ziemlich blutig ab, auch in der deutschen Fassung. Allerdings kein »Mortal Kombat«-blutig, sondern eher »Hui, flatsch, vorbei«. Die hiesige Fassung ist an einigen Stellen geschnitten, am ehesten merkt man das an den Zivilisten: Attackiert man die einfach so, bekommt man etwas Lebensenergie abgezogen - was allerdings erst auf den höheren Schwierigkeitsgraden zum Problem wird. Die Lösung: absorbieren. Denn das kann man nach wie vor ungestraft. Komische Logik, ist aber so. Auch wurde das Zerstückeln etwas zurechtgestutzt, aber ganz ehrlich: Darauf habe ich in der PEGI-Version keine Sekunde lang geachtet. Hätte ich von diesen Schnitten nichts gewusst, mir wäre es nicht aufgefallen.

Wenn die Action abgeht, dann geht sie gut ab! Davon abgesehen ist aber auch Prototype 2 kein hübsches Spiel.
Wenn die Action abgeht, dann geht sie gut ab! Davon abgesehen ist aber auch Prototype 2 kein hübsches Spiel.
Was allerdings auffällt ist, dass P2 genau wie sein Vorgänger kein hübsches Spiel ist: matschige Texturen an allen Ecken und Enden, Figuren und Objekte sehen in Nahaufnahme grob aus, auch das Verwandeln von einer Form in die andere wirkt sehr ungelenk. Das vier Jahre alte Grand Theft Auto IV ist immer noch ansehnlicher. P2 ist düster und ernst, es gibt keinen Comictouch wie bei Crackdown oder Saints Row: The Third; die Straßen von New York Zero sind dreckig und versifft. Und voller Personen: Je nach Sektor laufen verdammt viele Zivilisten, Soldaten, Infizierte und Mutanten herum, reagieren auf Hellers Präsenz oder Gewaltanwendung. Auch sehr schön: Unabhängig davon, wie sehr man um sich wütet, gegen Dutzende Feinde gleichzeitig kämpft, während um einen herum Autos, Helikopter und Panzer explodieren, einem Raketen wütend an den Ohren vorbei zischen und Zivilisten kreischend in alle Richtungen stürmen - das Spiel bleibt flüssig, die Action geht gut ab. Sehr schön sind auch die Kleinigkeiten: Das Hauptmenübild richtet sich nach der aktuellen Position Hellers beim letzten Speicherpunkt, außerdem gibt es bis auf den Zonenübergang keine Ladepausen.

Fazit

Prototype 2: Nicht gerade hässlich, aber auch weit von hübsch entfernt. Jede Menge Missionen, die aber größtenteils ähnlich aufgebaut sind, wodurch es ihnen auf Dauer an Abwechslung mangelt. Das Absorbieren von Personen macht Spaß und verleiht dem Spiel einen interessanten taktischen Kniff - bis man dahinter kommt, dass man auf die Pseudo-Schleicherei pfeifen und einfach die Klingenarme zücken kann, das Ergebnis ist das Gleiche und deutlich einfacher. Das Spieldesign: Lediglich eine Verfeinerung der Formel des schwachen Vorgängers. Ein klassisches Wechselbad der Gefühle also. Und dennoch hat es mich unterhalten: Zwar fehlt Hellers Rachemission die Ironie und Over-the-Top-Action der Konkurrenz, aber das wird mit einer gut präsentierten Handlung und simpler, aber sehr flotter Action ausgeglichen. New York Zero ist ein schön designter, sehr großer Spielplatz, in dem es fast keine Grenzen gibt - ob Land oder Luft, Heller kommt überall mühelos voran; beim Rasen über Straßen, Häuser und Dächer schnell stellt sich ein motivierender Fluss ein, durch den die Umgebung zu einem Action-Sandkasten mutiert. Und obgleich die Kämpfe simpel sind - die Regie stimmt: Überall kracht und rummst es, man tritt gegen viele Feinde gleichzeitig an, die aus allen Richtungen auf einen einstürmen. Und dennoch knirscht der Sand im Getriebe: Das uninspirierte Missionsdesign raubt viel von der Faszination. Schade, denn dadurch bleibt Prototype 2 unterm Strich trotz aller Freude nur ein solider, aber leider kein herausragender Open-World-Spaß.

Wertung

360

Es kracht, es fetzt, es mutiert - und stagniert: Prototype 2 macht viel Spaß, verliert sich aber in ständiger Wiederholung weniger Aufgaben.

PlayStation3

Es kracht, es fetzt, es mutiert - und stagniert: Prototype 2 macht viel Spaß, verliert sich aber in ständiger Wiederholung weniger Aufgaben.

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