Im Test:
Abstoßende Fassade
Auf den ersten Blick ist die von den Undead Labs heraufbeschworene Zombie-Apokalypse alles andere als attraktiv: Ausgelutschte Story, lahme Inszenierung, grauenvolle Technik - schnell und billig produzierter Horror-Trash eben... Denkste! Hinter all den grafischen Unzulänglichkeiten sowie überstrapazierten Klischees verbirgt sich doch tatsächlich ein überraschend interessanter und taktisch geprägter Überlebenskampf irgendwo im US-amerikanischen Nirgendwo.
Man braucht zwar eine Weile, bis man über die ganzen Pop-Ups, Ruckler, Kollisionsfehler, KI-Aussetzer und andere Macken hinwegsehen kann, aber sobald man seine eigene Basis errichtet und Verantwortung für deren Bewohner übernommen hat, lässt einen der tagtägliche Kampf um Nahrung, Munition sowie andere Ressourcen so schnell nicht mehr los.
Man plündert verlassene Gebäude, hält nach Überlebenden Ausschau, arrangiert sich mit anderen Gruppierungen, versucht den eigenen Stützpunkt auszubauen und die Zombieplage einzudämmen. Es gilt Infektionsherde zu säubern, Dead-Block-ähnliche Belagerungen zu überstehen, umherziehende Horden abzufangen oder besonders gefährliche Einzelexemplare zur Strecke zu bringen. Neben gewöhnlichen Untoten, gibt es nämlich auch solche mit Tobsucht, giftigem Blähbauch, ohrenbetäubenden Schreien oder kugelsicheren Westen.
Kopfsalat
Doch egal, welche Tötungswerkzeuge man verwendet, ein Zombie ist erst tot, wenn sein Hirn Matsch ist. Ob durch gezielte Schüsse, brachiale Finisher oder Überfahren spielt hier keine Rolle. Letzteres liefert bei ausreichender Geschwindigkeit so gut wie immer das gewünschte Ergebnis, was Fahrzeuge zu einer der wichtigsten Ressourcen überhaupt macht - egal, ob wendiger Kleinwagen, schnelles Coupé oder wuchtiger Jeep.
Schadensbegrenzung
Auch Waffen nutzen sich mit der Zeit ab und sollten bevor sie ganz zu Bruch gehen, repariert oder ausgewechselt, Munitions- und Medizinvorräte gepflegt sowie müde Knochen ausgeruht werden. Jeder befreundete Bewohner lässt sich spielen und verfügt über individuelle Talente und Fähigkeiten, die sich durch steten Gebrauch weiter verbessern lassen: Wer viel rennt und klettert, steigert seine Fitness, wodurch er noch besser rennen und klettern kann. Wer viel schießt, wird irgendwann zum Meisterschützen, wer sich viel prügelt, zur Kampfmaschine, wer viel erkundet und plündert, zum Aufklärungsspezialisten.
Fatale Folgen
Wer stirbt, ist jedoch Weg vom Fenster und kommt auch nicht wieder - selbst die Start-Charaktere sind vor diesem Schicksal nicht gefeit. Einen alten Spielstand kann man nach dem Exitus auch nicht laden, da das Spiel komplett eigenständig speichert - auch im Todesfall. Nur das Marschgepäck Verstorbener kann ähnlich ZombiU anschließend noch geborgen und zum Stützpunkt zurückgebracht werden. Dass man den Tod entsprechend ernst und Bedrohungen nie auf die leichte Schulter nimmt, tut Spannung und Charakterbindung aber gut.
Je größer die eigene Gruppe, desto mehr Optionen stehen einem zur Verfügung. Mit jedem neuen Gast steigt aber auch der Bedarf an Platz, Nahrung und Medikamenten. Irgendwann sind auch die Ausbaukapazitäten der Basis erschöpft und man muss sich nach geräumigeren Alternativen umsehen. Zudem können Außenposten und Fallen errichtet werden, um die Zombieplage an bestimmten Stellen zusätzlich einzudämmen. Denn selbst wenn man das Spiel verlässt, ist die eigene Gruppe weiterhin aktiv, und nimmt an simulierte Ereignissen, Einsätzen und Kampfhandlungen teil. Tagebucheinträge bringen einen aber auch nach längerer Auszeit wieder auf den neusten Stand.
Alles im Blick
Ist man selbst aktiv, wird man über mögliche Missionen und Gefahren stets über Funk informiert. Auch sonst trägt der nicht nur mit Gruppenmitgliedern geführte Funkverkehr zur Verdichtung der Atmosphäre bei. Man selbst tauscht via Walkie-Talkie aber nicht nur Informationen und Nettigkeiten aus, sondern kann je nach Spielfortschritt auch Verstärkung rufen, Hilfsmittel anfordern oder Bauentscheidungen treffen.
Praktisch ist auch die interaktive Kartenfunktion, auf der alle wichtigen Ereignisse und Entdeckungen eingetragen werden oder manuelle Zielpunkte setzen lassen. Abgesehen von story-relevanten Missionen sind die meisten Einsätze zeitlich nur begrenzt verfügbar und können bei Nicht-Annahme herbe Konsequenzen haben. Wer zu lange Vermisstenmeldungen ignoriert, riskiert z. B. den Tod der Betroffenen, was sich wie andere Fehlschläge auch auf die Moral der Gruppe auswirkt.
Doch auch andere Parameter wie Einfluss, Ausdauer und Ansehen gilt es stets im Auge zu behalten, Verletzungen und Müdigkeit darf man ebenfalls nicht ignorieren. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Entscheidung, Dinge schnell und laut oder langsam und leise zu erledigen. Egal, ob beim Kämpfen, Plündern, Fahren, Klettern oder Erkunden - man entscheidet selbst, ob man unnötige Auseinandersetzungen riskieren oder lieber meiden will. Leider sind die Resultate aber nicht immer überzeugend, da die KI ihre Höhen und Tiefen hat.
Luft nach oben
Wirklich schade ist nur, dass es keinerlei Mehrspielerkomponente gibt. Gemeinsame Beutezüge oder Verbarrikadierungen mit Freunden oder Tauschgeschäfte und Rivalitäten mit von anderen Spielern geführten Gruppen hätten dem ohnehin nur mit spärlichen Handlungsfetzen und zahmen KI-Nachbarn versehenen Überlebenskampf noch mehr Dynamik und Brisanz verleihen können. Immerhin haben die Undead Labs neben einer PC-Umsetzung auch einen Online-Ableger in Aussicht gestellt, der allerdings noch in weiter Ferne liege...
Fazit
Auf den ersten Blick ist State of Decay ein ungemein hässliches und trashiges Zombiegemetzel von der Stange. Lässt man das ausgelutschte Szenario, die schwache Inszenierung und die grottige Technik jedoch außen vor, entdeckt man dahinter einen ungemein interessanten und facettenreichen Überlebenskampf mit gelungenen Kampf- und Erkundungsreizen sowie motivierendem Basisbau und Ressourcen-Managment. Auch die große dynamische Spielwelt wird immer attraktiver, während die Gefahr unwiederbringlicher Opfer und tödlicher Infektionen trotz schwachbrüstiger Handlung für dichte Atmosphäre sorgt. Allerdings kann man nicht über jeden Makel so einfach hinwegsehen - gerade KI und Kollisionsabfrage sorgen immer wieder für Kopfschütteln. Am bedauerlichsten ist aber wohl die ungenutzte Möglichkeit, mit anderen Spielern zusammen ums Überleben zu kämpfen oder angesichts immer knapper werdender Ressourcen gar miteinander zu konkurrieren - eigene Pläne für einen Online-Ableger scheint es aber bereits zu geben.
Pro
Kontra
Wertung
360
Liebe auf den zweiten Blick: Hinter der grottigen Fassade schlummert ein interessanter und facettenreicher, wenn auch einsamer Überlebenskampf.
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