Serious Sam 3: BFE22.10.2012, Paul Kautz
Serious Sam 3: BFE

Im Test:

Elf Jahre ist es her, dass Serious Sam seinen ersten Auftritt hatte. Elf Jahre seit dem ersten Selbstmörder-»WaaaaaAAAAAAAAHHHHH!«, der ersten Superkanone, den ersten Massengefechten unter ägyptischer Sonne. Elf Jahre sind eine ganz schön lange Zeit...

Da steh‘ ich nun, ich armer Tor...

Rummsbumms, und zwar pausenlos: Im Grunde seines Herzens ist Serious Sam noch ganz der alte. In vielerlei Hinsicht aber auch nicht mehr.
Rummsbumms, und zwar pausenlos: Im Grunde seines Herzens ist Serious Sam noch ganz der alte. In vielerlei Hinsicht aber auch nicht mehr.

...und komm‘ mir ganz schön blöde vor. Denn irgendwie hatte ich für einen Moment den Verdacht, das falsche Spiel gestartet zu haben: Sam »Serious« Stone steht in einer realistisch designten Innenstadt, die auch problemlos als Kulisse für Black Hawk Down oder Level 4 in einem beliebigen Militär-Shooter dienen könnte. Wieso laufe ich durch zerschossene Häuserschluchten, wenn mein Herz doch nur eines begehrt: Mit der Minigun und der Kanone für atomar beschleunigte Eisenkugeln hunderte Meter große Minotauren zerlegen! Stattdessen fühlt sich das Ganze wie Call of Modern Battlefield an, Sam führt Funkgespräche mit dem »HQ«, später trabt er sogar durch düstere Levels, in denen die Taschenlampe für spärliche Übersicht sorgt. Serious Sam, was ist mit dir passiert?

In der Tiefe seines Herzens ist der Sonnenbrillenträger ganz der alte geblieben: Noch immer bestimmen Gefechte gegen wahnwitzig viele Gegner das Tagesgeschehen - man betritt ein auffällig großes Areal, von allen Seiten stürmen Feinde schreiend, grunzend und galoppierend heran, die Magazine werden leer geschossen, der Nebel des Todes verzieht sich.

Im Nahkampf wird jeder Anspruch genauso fallen gelassen wie ein herausgerissenes Feindesauge.
Im Nahkampf wird jeder Anspruch genauso fallen gelassen wie ein herausgerissenes Feindesauge.
Danach: Aufmunitionieren, Heilpakete suchen, das Ganze bitte von vorn - kennt man, mag man, wenn man’s mal etwas weniger anspruchsvoll haben möchte. Serious Sam 3 (SS3) verlässt sich dabei, vom Szenario mal abgesehen, größtenteils auf Altbewährtes: Die meisten Widersacher kennt man ebenso wie die Waffen, das »Zeigefinger auf der rechten Schultertaste festtackern, Gegnerwelle abwarten, ballernd rückwärts im Kreis laufen, zur nächsten Welle wechseln«-Spielprinzip sowieso. Das Kunstblut spritzt hektoliterweise, einzelne Kills werden trocken kommentiert und aus dem Nichts herbeigebeamte Feinde fallen einem gerne mal in den Rücken. So weit, so Serious Sam.

Weg mit diesem Kopf!

Es gibt auch Neuerungen:  Man darf jetzt sprinten und sich ducken, wobei Letzteres nicht nur komplett sinnlos ist, sondern auch dem die Werbung prägenden »No Cover. All Man.«-Motto irgendwie entgegen steht.

Technisch hat Serious Sam 3 nicht viel zu bieten: Die Szenarien sind detailarm und matschig texturiert. Immerhin ist die Darstellung flüssig.
Technisch hat Serious Sam 3 nicht viel zu bieten: Die Szenarien sind detailarm und matschig texturiert. Immerhin ist die Darstellung flüssig.
Auch das Zielen über Kimme und Korn ist in einem Shooter, in dem de facto keine Einzelschüsse abgegeben werden, reichlich fehl am Platze. Sehr neu und ausgesprochen merkwürdig ist der »Nahkampf«: Bereits auf mehrere Meter Entfernung kann man die A-Taste drücken, woraufhin Sam zum Wolf wird - er kickt den Feind weit weg, reißt ihm das Auge raus oder gleich den Kopf ab. Das ist zwar nützlich, aber tatsächlich sogar zu nützlich: Bei den meisten Gegnern ist der Nahkampf ein One-Hit-Kill. Im Gegensatz dazu stehen Gegner, die selbst auf weite Entfernung oder durch Rauch- und Nebelschwaden hindurch mit tödlicher Präzision ihre Schrotgewehre abfeuern, während man sie selbst noch nicht mal sieht - wirklich lästig!

Die Kampagne ist als Prequel zum ersten Spiel ausgelegt. Man könnte jetzt lang und breit über die Inszenierung via Echtzeit-Zwischensequenzen schwafeln. Man könnte das Ganze aber auch mit »Vollkommen egal!« zusammenfassen und ignorieren - ehrlich, eine Handlung braucht hier wirklich keiner! Viel interessanter ist, dass man, Tradition ist Tradition, die gesamte Kampagne auch vier Mann hoch kooperativ online angehen kann, im Zweifelsfall auch zu zweit im lokalen Splitscreen.

Den größten Spaß hat man, wie üblich, beim kooperativen Ballern. Wobei im Vergleich zur PC-Version deutlich weniger Freunde mitspielen dürfen.
Den größten Spaß hat man, wie üblich, beim kooperativen Ballern. Wobei im Vergleich zur PC-Version deutlich weniger Freunde mitspielen dürfen.
Zusätzlich dazu steht noch ein normaler Multiplayermodus mit neun Spielvarianten zur Verfügung, der auch einigermaßen flüssig und schön chaotisch abläuft - aber daran leidet, dass es sehr wenige Karten gibt.

Einst gehörten die Serious Sam zu den technischen Vorreitern, gerade was die schiere Größe der Spielfelder anbelangt. Diese Zeiten sind vorbei: SS3 sieht nicht übel aus, aber auch nicht gut. Die Explosionen sind ansehnlich, die Gegnermassen beeindruckend, die Welt ist auf Größe und Weitläufigkeit ausgerichtet. Außerdem läuft die Engine wieder mal sehr schnell, die Darstellung bleibt auch bei Dutzenden Feinden im Bild flüssig. Auf der anderen Seite mangelt es erheblich an Details, die Umgebungen sind immergleich und langweilig, die Figuren simpel designt, die Texturen eine matschige Schmach, die Fade-Ins auf recht nahe Distanz hässlich - damit lockt man niemanden von Battlefield 3 weg.

Fazit

Im Großen und Ganzen bleibt Sam immer noch Sam: Die Action ist angemessen hohl und wuchtig, die Sprüche sind trocken, die Kamikazebomber schreien energischer als je zuvor. Das Spiel hat nach wie vor seine befriedigenden Momente: Etwa wenn man eine Horde heranschreiender Suizidler mit einem Mal in einer gigantischen Explosion zerfetzt. Oder ein Kloppediklopp-Vieh an sich vorbei springen lässt, um danach mit dem mächtigen Vorschlaghammer nur noch ein paar einsam kullernde Knochen am Boden zurück zu lassen. Und dennoch fühlt es sich fremd an: Realistisch gestaltete Szenarien, dunkle Abschnitte mit der Taschenlampe, übermächtiger Nahkampf - warum nicht gleich noch Schleichlevels und Erfahrungssysteme? Für den Zwischendurch-Krachbumm ist Sam der Dritte noch immer brauchbar, aber das gilt auch für die HD-Remakes der ersten beiden Teile - und die liefern die vermisste geradlinige Cartoon-Action. Wenn man spüren möchte, wie sich eine moderne Wahnwitz-Ballerei anzufühlen hat, führt immer noch kein Weg an (der internationalen Version von) Bulletstorm vorbei. Serious Sam 3 ist ein blasser Abklatsch früherer Großtaten, gegen den sogar der Duke wie eine echte Bombe wirkt. Man verpasst nichts, wenn man das verpasst.

Pro

unterhaltsames Dauergeballer
viele Mehrspielermodi
kreative Waffen
abgefahrenes Gegnerdesign

Kontra

hat mit dem bekannten Serious Sam nicht mehr viel zu tun
oftmals nervend spawnende Gegner
abwechslungsarmes Spielprinzip
z.T. unnötig in die Länge gezogene Arenakämpfe
übermächtiger Nahkampf
schwache Präsentation
grobe, detailarme Figuren

Wertung

360

Der neue Sam ist auch auf der 360 nur noch ein Schatten seiner selbst - ihr verpasst nichts, wenn ihr dieses Spiel verpasst.

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