Im Test:
Verspätete Action Defense
Wäre Iron Brigade (IB) seinerzeit als Trenched im Juni erschienen, wie es eigentlich vorgesehen war, hätte es der Vorreiter einer neuen Variante von Tower Defense-Spielen (TD) sein können - einer, bei der man nicht nur darauf beschränkt ist, seine Verteidigungstürmchen zu bauen, sondern auch aktiv ins Geschehen eingreift.
So aber sind in der Zwischenzeit mit Orcs must Die! sowie Dungeon Defenders zwei gute bis sehr gute Titel erschienen, die auf eine ähnliche Vermengung von Taktik und Action setzen. Und dadurch wirkt die in einer alternativen Vergangenheit angesiedelte Verteidigungs-Strategie mittlerweile "nur" noch wie ein Mitläufer. Daran können auch die vielen guten Ideen nichts ändern, die das Team um Tim Schafer einfließen ließ.
Magere Story, gutes Artdesign
Der kreative Ideenprozess setzte allerdings erst nach der Entwicklung der Geschichte ein. Die ist noch weitgehend klassisch Schwarz/Weiß: Guter General kämpft gegen bösen General, wobei man natürlich im Sold des guten Generals stehts. In einem Punkt ließen die Storydesigner allerdings tatsächlich Fantasie walten: Man ist in einem mobilen, unzerstörbaren Schützengraben (daher auch der ursprüngliche Titel, trench=Graben, Anm. d. Red.) unterwegs, der mit seinem an traditionelle Mech-Titel angelehnten Aussehen für den aktiven Beschuss der Gegner durch den Spieler zuständig ist.
Bekannte Mechanik
Hinsichtlich der grundlegenden taktischen Ausrichtung erfindet Iron Brigade das TD-Rad nicht neu: Auf den überschaubaren Gebieten gibt es ein oder mehrere zu verteidigende Ziele und meist eine Hand voll an so genannten "Röhren", aus denen die Monovisionen sich aufmachen, um eben diese Ziele zu zerstören.
In der verteidigenden Rolle platziert man Türme in drei Kategorien (leichte Geschütze, schwere Geschütze, Unterstützung), wobei jede Kategorie wiederum eine breit gefächerte Auswahl zur Verfügung stellt. Bei der Platzierung ist man nicht an vorgegebene Positionen gebunden, sondern kann das MG, die Flak oder was auch immer (natürlich ist auch fast alles in mehreren Stufen aufrüstbar) hinstellen, wo man möchte. Man muss nur beachten, dass jeder Turm nach Positionierung ein bestimmtes Areal beansprucht, in das man nichts
Bei der eher behäbigen Geschwindigkeit, mit der sich der Mech über das Schlachtfeld bewegt, hatten die Entwickler vermutlich auch die Balance im Blick. Doch hier sind sie etwas über das Ziel hinausgeschossen. Da man je nach Konfiguration in den Pausen zwischen den Wellen damit beschäftigt ist, den als Turmkauf-Währung verwendeten Schrott einzusammeln, der nach dem Abschuss der Feinde zurückbleibt, kommt schnell unnötig Hektik auf. Und die lässt sich auch mit Modifkationen für den Mech nicht komplett ausschalten.
Frische Ideen
Nein, viel wichtiger und hinsichtlich des Wiederspielwertes sowie der Motivation der Pulsschlag von Iron Brigade sind die Ausrüstungsmöglichkeiten: Es gibt nicht nur eine Unmenge an Waffen, die unterschiedlich viele Slots im Chassis des Mech beanspruchen. Zusätzlich warten die diversen Hauptaggregate mit einer unterschiedlichen Zahl an Slots für anzufordernde Türme sowie Waffen im Allgemeinen auf. Und schon ist man im Taktik-Dickicht: Nimmt man ein Chassis, mit dem man zwar nur auf zwei Waffenslots zugreifen kann, was die Benutzung schwerer Waffen wie der mobilen Artillerie ausschließt, der dafür aber Zugriff auf insgesamt vier unterschiedliche Türme aus allen zur Verfügung stehenden Kategorien hat? Oder nimmt man den Mech, der zwar mehr aktive Waffen tragen, aber dafür nur drei Turm-Slots und keinen Zugriff auf schwere Türme hat? Und welche Türme nimmt man? Das schwere MG, das leichte MG (das aber auch fliegende Gegner ins Visier nimmt), den Schrotflintenturm? Dabei muss man nicht nur die initialen Baukosten im Auge behalten, sondern auch perspektivisch denken, da Aufwertungen der teuren Türme
Iron Diablo?
Bei den Auseinandersetzungen bekommt man in bester Action-Rollenspiel-Manier immer wieder (zumeist nach Sieg über einen der Zwischen- oder der seltenen Endbosse) Ausrüstungskisten spendiert, die nach Aufsammeln in der Endabrechnung eine neue Waffe, ein neues Chassis oder sonstige Gimmicks offenbaren. Da diese Gegenstände nach dem Zufallsprinzip verteilt werden, geht man auch gerne in bereits bewältigte Abschnitte zurück. Denn es kann ja doch noch in der einen oder anderen Kiste die absolute Mega-Waffe warten. Ganz abgesehen davon, dass die zusätzlich gewonnene Erfahrung ebenfalls gerne genommen wird, da manche Waffen bzw. Mechs eine bestimmte Stufe voraussetzen.
Alternativ zur Story kann man sich auch im Überlebensmodus versuchen. Diese Spielvariante wurde erst mit dem Europarelease eingebaut, steht den Übersee-Trenchern aber nach einem Update ebenfalls zur Verfügung, bei dem auch interessanterweise gleich der Name mit angeglichen wurde. So sind internationalen Gemeinschaftsaktionen keine Grenzen gesetzt. Und der Modus-Name ist hier wahrlich Programm: Ist der Schwierigkeitsgrad der Kampagne angenehm moderat, wird man hier schnell an seine Grenzen geführt, unternimmt aber gerne einen neuen Versuch, wenn man ein neues Level erreicht hat und damit Zugriff auf neue Waffen und Türme bekommt.
Fazit
Neben Dungeon Defenders ist Iron Brigade das Paradebeispiel, wie eine moderne Tower Defense auszusehen hat. Die Mischung aus taktischer Geschützpositionierung und aktiver Ballerei geht nahezu perfekt auf, wobei der mobile Schützengraben sich auch mit Modifikation für mein Empfinden zu träge über die Schlachtfelder schleppt. Auch die monotone Kulisse, von der sich die cool designten Gegner umso stärker abheben, hat noch Luft nach oben. Doch die Taktik-Action punktet gewaltig mit einem durchdachten Aufstiegssystem, einem dem Action-Rollenspiel entstammenden Prinzip mit größtenteils zufällig ausgeschütteter Beute sowie vor allem den schier unendlichen Möglichkeiten, seinen Mech zu konfigurieren. Denn sowohl solo als auch vor kooperativ mit bis zu vier Spielern (sowie einem an die Spieleranzahl angepassten Schwierigkeitsgrad) ist eine Optimierung der Bewaffnung bzw. Turmzusammenstellung der Schlüssel zum Erfolg - vor allem im fordernden Überlebensmodus. Und je nach Bewaffnung ändert sich die Herangehensweise an die Abschnitte mitunter drastisch, so dass man auch gerne in bereits bewältigte Levels zurückkehrt – sei es nun, um neue Taktiken auszuprobieren oder seine Figur auf die nächste Erfahrungsstufe zu hieven. Um es kurz zu machen: Nach Stacking und Costume Quest ist Double Fine hier ein weiterer überaus gelungener Download-Titel gelungen, der die Grenzen der Tower Defense neu auslotet.
Wertung
360
Coole Tower Defense mit haufenweise Personalisierungs-Möglichkeiten, zufällig ausgeschütteter Beute sowie einem gleichberechtigten Fokus auf Taktik und Action.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.