Im Test:
Die Action regiert
Die Action hält bereits seit einigen Jahren Einzug in die Serie und verdrängt dabei zunehmend den Horror, für den sie ursprünglich geliebt wurde. Zuletzt versuchte man auf dem 3DS mit Revelations einen Spagat zwischen Ballereinlagen und düsteren Abschnitten, doch richtig glücklich wurde mit diesem Mischmasch niemand. Bei Operation Raccoon City herrscht diesbezüglich Klarheit: Rätsel und Grusel spielen keine Rolle, stattdessen dreht sich alles um Action, wenn sich das schwer bewaffnete Quartett in Diensten Umbrellas durch die berühmt-berüchtigte Kleinstadt schlägt, um neben Zombies und BOWs auch Beweise zu vernichten. Die Handlung läuft parallel zu den Geschehnissen aus Resident Evil 2 und dessen Nachfolger ab, doch erlebt man sie hier aus der Perspektive der bösen Jungs und Mädels. Tatsächlich steht man im späteren Verlauf sogar dem alten Heldenduo bestehend aus Leon S. Kennedy und Claire Redfield gegenüber, um sie auszuschalten…
Ein (spielerischer) Alptraum
Doch bis dahin ist es ein langer, schwerer und frustrierender Weg. Warum? Weil Operation Raccoon City ein furchtbares, ödes und mitunter unfaires Spiel ist – zumindest, wenn man die etwa knapp achtstündige Kampagne mit ihren sieben Missionen alleine in Angriff nimmt. Verantwortlich dafür ist in erster Linie die unterirdische KI: Die drei Mitstreiter stellen sich meist an wie die letzten Vollidioten, wenn sie stur gegen eine Wand rennen, ständig in Fallen tappen und selbst auf kurze Entfernung ihre Ziele nicht treffen. Zudem scheint Teamwork für die Deppen ein Fremdwort zu sein, denn liegt ein Mitglied am Boden, kann ihm nur der Spieler wieder auf die Beine helfen. So ist man stellenweise mehr als Babysitter unterwegs anstatt sich um die Feinde zu kümmern. Immerhin wird man manchmal im Gegenzug von der KI mit einer Dosis Heilspray versorgt, doch meistens kümmert sie sich nicht um den Spieler und macht ihr eigenes Ding. So laufen die drei z.B. einfach voraus und lassen mich als Spieler allein zurück. Das ist ohne Zweifel die schlechteste KI, die ich in den letzten Monaten ertragen musste!
Deckungssystem mit Macken
Hier hilft das Deckungssystem, mit dessen Hilfe man an Kisten, Wänden und anderen Objekten automatisch Schutz sucht, sobald man sich in der Nähe befindet. Doch leider funktioniert es nicht immer so zuverlässig wie es sein sollte: So kann es passieren, dass man bestimmte Stellen gar nicht oder erst mit einer gewissen Verzögerung als Deckung nutzen kann. Ein schneller Wechsel zwischen den Barrieren ist leider genauso unmöglich wie das Überspringen niedriger Hindernisse, wodurch der Spielablauf starr und etwas altbacken wirkt. Immerhin kann man aus dem Schutz heraus sowohl gezielt als auch blind feuern.
Infektionsgefahr
Interessant sind dagegen zwei weitere Aspekte: Zum einen nagen Verletzungen mit offenen Wunden nicht nur an der Gesundheit, sondern locken auch die Fleischfresser an. Ein Umstand, den man auch für seine eigenen Zwecke missbrauchen kann, indem man den Söldnern entsprechende Wunden verpasst. Aufgrund der fehlenden Trefferzonen ist das jedoch leichter gesagt als getan und so scheint das „Bluten-Feature“ genauso vom Zufall abhängig zu sein wie die Virusinfektionen.
Der zweite Aspekt betrifft die Söldnertruppe, denn ihr Feuer richtet sich nicht zwingend gegen das Umbrella-Squad, sondern sie nimmt ebenfalls die Mutanten ins Visier. Wer es clever anstellt, kann sie also erst die Drecksarbeit machen lassen und greift die Spezialeinheiten erst an, wenn sie bereits einen Großteil der Mutationen aus dem Weg geräumt hat. An einer Stelle, bei der man dem Nemesis einen Parasiten einpflanzen muss, scheint das sogar die einzige Lösung zu sein, da man nur durch die ungewollte Unterstützung der Söldner eine Chance hat, dieses Ziel zu erreichen. Leider macht die Kameraden-KI häufig einen Strich durch die Rechnung, indem sie die Gegenspieler vorschnell attackiert. In solchen Momenten wünscht man sich zumindest ein rudimentäres Befehlssystem herbei, was bei dieser Katastrophen-KI überhaupt angebracht gewesen wäre.
Eine ganz spezielle Truppe
Allerdings ist man nicht von Anfang an mit den Fähigkeiten gesegnet – sie lassen sich erst im Tausch gegen Erfahrungspunkte freischalten, die man für Kills, das Sammeln von Datensätzen sowie das Erreichen bestimmter Levelziele bekommt. Jeder Charakter besitzt sowohl passive als auch aktive Fähigkeiten. Letztere werden durch einen Knopfdruck aktiviert, sind meist nur für einen begrenzten Zeitraum verfügbar und müssen sich anschließend regenerieren. Zudem gilt es, sich vor jedem Level auf eine aktive Fähigkeit festlegen - munteres Wechseln ist nicht gestattet. Allerdings kann man jede von ihnen in mehreren Stufen ausbauen, um z.B. für längere Zeit unsichtbar zu bleiben oder die Regenerationszeit zu verkürzen. An sich sind die verschiedenen Fähigkeiten eine prima Idee, doch spielen sie in der Praxis leider kaum eine Rolle – zumindest, wenn man alleine unterwegs ist, denn für die KI lassen sie sich weder festlegen, noch werden die Specials von ihnen eingesetzt.
Das komplette Arsenal
Die andere Seite
Ersetzt man die dämliche KI durch menschliche Mitstreiter, zeigt sich die Operation Raccoon City plötzlich von einer ganz anderen Seite: Während ich die Kampagne im Alleingang als mangelhaft einordnen würde, keimt hier zumindest im Ansatz ein Hauch von Spielspaß auf. Endlich greift man sich gegenseitig unter die Arme, kombiniert sinnvoll die Spezialfähigkeiten und nimmt es im Teamwork mit der Mutantenhorde sowie Söldnern auf. Trotzdem ist man noch weit davon entfernt, es mit der Klasse eines Left4Dead aufnehmen zu können, denn trotz besserer Zusammenarbeit und einem sauberen Netzcode bleibt der Spielablauf weiter zäh und auch die Probleme mit dem Deckungssystem sowie dem schwankenden Schwierigkeitsgrad bleiben bestehen. Trotz einiger bekannter Schauplätze wie dem Polizeirevier oder einem Umbrella-Labor ist die Reise im Quartett durch Raccoon City über weite Strecken langweilig oder frustrierend. Es fehlt einfach die Dramatik, Dynamik und Spannung eines Left 4 Dead oder Gears of War 3.
Cut!
Trotz Freigaben für Dead Space & Co hat man die USK leider nicht davon überzeugen können, das Spiel ungeschnitten nach Deutschland zu bringen. Entsprechend wurde nach vergleichbaren Maßstäben die Schere ähnlich angesetzt wie bei Left4Dead: Blutverschmierte Wände und entstellte Leichen wurden aus den Kulissen ganz entfernt oder minimiert, während das Abtrennen von Körperteilen in der hiesigen Fassung ebenfalls untersagt wurde. Trotz der Änderungen soll es keinen Einfluss auf den Mehrspielermodus und die kooperative Kampagne geben: Laut Capcom ist die USK-Version mit der internationalen Fassung kompatibel, so dass man mit Spielern aus der ganzen Welt losziehen kann und nicht auf deutsche Begleiter beschränkt wird.
Schwache Technik
Zumindest bleibt man sich treu, denn der Klangbereich befindet sich auf einem ähnlich niedrigen Niveau: Mit dem Steno-Hintergrundgedudel könnte ich noch leben und mit den schwachbrüstigen Waffensounds vielleicht sogar auch. Aber was hat sich Capcom bei dieser unterirdischen Lokalisierung gedacht? Schon die englischen Sprecher sind nur durchschnittlich, aber für die deutschen Aufnahmen hat man offensichtlich Amateure ins Studio gezerrt und das Ergebnis dann auch noch schlecht abgemischt. Seltsam, wo doch die deutsche Lokalisierung von Resident Evil: Revelations durchaus solide war.
Fazit
Die Operation Raccoon City ist Capcom missglückt! Denn der auserkorene westliche Entwickler Slant Six Games ist mit dem Skalpell abgerutscht und hinterlässt eine offene Wunde, die vor allem Fans der Resident Evil-Reihe schmerzt - aber auch solche, die sich eine Alternative zu Left4Dead erhofft hatten. Will man sich alleine mit Hilfe der KI-Gefährten durch die sieben Missionen in Raccoon City quälen, hilft angesichts der vielen Pannen, Fehler und dämlichen Aktionen der Begleiter in Kombination mit langatmigen Schussgefechten sowie dem schwankenden Schwierigkeitsgrad nur eins: Disk raus und ab aus dem Fenster mit dem Müll! Die Kampagne spielt sich zäh wie Kaugummi und befindet sich auch technisch mit Rucklern, Flimmerkanten, Problemen bei der Kollisionsabfrage und Clippingfehlern in einem jämmerlichen Zustand. Erst wenn man die KI durch Menschen ersetzt und die Kampagne kooperativ angeht, kommt endlich Teamgefühl auf, wenn man die durchaus interessanten Spezialfähigkeiten sinnvoll miteinander kombiniert. Die Schwächen hinsichtlich Technik und Spielablauf bleiben aber bestehen. Es ist einfach dröge, sich Welle für Welle den zähen BOWs und Söldnern zu stellen sowie nicht enden wollende Bosskämpfe und manch frustrierende Situation über sich ergehen zu lassen. Es mangelt nicht nur an aktueller Technik und motivierendem Spieldesign, sondern auch an einem gescheiten Deckungssystem und packender Atmosphäre. Gerade Letztere war immer ein Markenzeichen der Reihe, das hier kurz und schmerzvoll mit stupiden Ballereinlagen zerfetzt wird. In Left4Dead hatte ich schon beim Knurren eines Hunters einen Anflug von Panik und bin zusammengezuckt, wenn ich plötzlich von ihm angesprungen wurde. Solche Momente sucht man hier vergeblich, obwohl die Tradition der Serie sie hergeben würde. Operation Raccoon City ist trotz ansprechender Ansätze im Versus-Modus eine herbe Enttäuschung und kann weder bei Valves kooperativer Zombiehatz noch modernen Actionspielen mithalten. Es ist eine Schande für die Marke Resident Evil und einer der schlechtesten Titel der gesamten Reihe.
Wertung
360
Großer Name, nichts dahinter: Operation Raccoon City ist trotz netter Koop-Ansätze eine Schande für die Marke Resident Evil.
PlayStation3
Großer Name, nichts dahinter: Operation Raccoon City ist trotz netter Koop-Ansätze eine Schande für die Marke Resident Evil.
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