FortressCraft: Chapter 127.04.2011, Benjamin Schmädig
FortressCraft: Chapter 1

Im Test:

Es waren nicht die übermächtigen Call of Dutys, Grand Theft Autos und Super Marios, die in den vergangenen Monaten immer wieder für Schlagzeilen sorgten. Die Erfolgsgeschichte dieses und des vergangenen Jahres ist das Spiel eines einzelnen unabhängigen Entwicklers: Minecraft. Kein Wunder, dass das Phänomen irgendwann Nachahmer findet - Nachahmer wie das auf den ersten Blick verblüffend ähnliche FortressCraft. Denn wie schwer kann es schon sein, den Fußspuren eines einzigen Entwicklers zu folgen?

Würfelwelten

Natürlich kommt die Ähnlichkeit des Namens einer Provokation gleich. Aus "Mine" wird einfach "Fortress" - das Gewicht der Wahrnehmung liegt ohnehin auf dem hinteren Teil einer Wortschöpfung. Allerdings: Selbst Minecraft-Schöpfer Markus Persson nickt den Nachahmer gelassen ab und laut Aussage der FortressCraft-Macher haben sie sich vor allem von DwarfFortress inspirieren lassen. Minecraft zeigte ihnen lediglich, wie sie verschiedene Elemente praktisch umsetzen könnten.

Klötzchenbauer bleibt Klötzchenbauer: Die äußerliche Ähnlichkeit zu Minecraft ist verblüffend. Und wie sieht es mit den inhaltlichen Werten aus?

Entstehungswirren hin, Erklärungsversuch her: Vor einigen Tagen veröffentlichte ProjectorGames das Spiel auf dem Xbox Live Independent-Marktplatz. 240 Microsoft-Punkte verlangen die Entwickler dafür - eine stolze Summe im Vergleich zu anderen Indietiteln. Und egal, aus welchen Wurzeln FortressCraft spross: Es sieht Minecraft zum Verwechseln ähnlich!

Baut auf, baut auf...

Die gesamte Welt besteht aus Quadern und wird beim Starten eines Spiels vom Zufallsgenerator erstellt. Das Besondere: Hier wie da kann man jedes Klötzchen nach Belieben entfernen, anderswo beliebig viele Würfel hinzufügen - so schafft man Höhlen, Häuser, Türme, Festungen... ein Youtube-Nutzer baute in Minecraft sogar eine funktionierende Recheneinheit! Der Indie-Hit machte es vor: Man schlägt Holz, verarbeitet das Holz zur Werkbank, erstellt auf der Werkbank eine Spitzhacke, baut mit dieser Stein  ab usw., usw., usw. Es ist egal, dass die Welt aus groben Kästchen besteht - am Ende hat man mit eigenen Händen sein eigenes Reich geschaffen.

Und all das kann auch FortressCraft? Der Editor ist ähnlich mächtig - auch hier lässt man mit unterschiedlichen Materialien seinen architektonischen Gelüsten freien Lauf. Auch hier lädt man Online-Kumpel dazu ein, die schier unendliche Spielwiese gemeinsam zu besuchen. Vorsichtshalber darf man sogar einstellen, ob die Besucher nur schauen oder auch gestalten dürfen. Schön - doch das war's! Denn hier endet das Erlebnis FortressCraft. Darf man überhaupt von einem Erlebnis sprechen, wenn der Abbau der Klötzchen so nüchtern wie in einem beliebigen Leveleditor geschieht? Der Xbox-Avatar, dem man über die Schulter oder aus den Augen blickt, bewegt nicht einmal das Werkzeug in seiner Hand. Der anvisierte Stein verschwindet einfach, nachdem er kurzzeitig durch einen grün umrandeten Platzhalter ersetzt wurde.

Das aktuelle FortressCraft trägt nicht umsonst den Untertitel "Kapitel 1": Die Entwickler wollen ihr Spiel in Zukunft ausbauen. So sollen in kommenden Versionen u.a. Kreaturen hinzukommen, zusätzliche Spielvarianten sowie die Möglichkeit, Karten zu erstellen, auf denen Spieler gegeneinander antreten können.

Kostenlos dürften die Erweiterungen allerdings nicht sein - die offizielle Webseite spricht von 240 Punkten pro Update. Welches Kapitel welche Inhalte enthalten soll, lassen die Entwickler dabei noch offen.

Eine PC-Fassung ist übrigens ebenfalls angedacht.

Auch neue Quader erschienen erst als grüne Gerüste, bevor sie ihren vollen Anstrich erhalten. Hat man Pech, bleibt der Avatar noch dazu in einem neu erschaffenen Würfel stecken.

Monoquader

Es ist nicht einmal nötig, Materialien zu besorgen oder herzustellen; man wählt den nächsten Klotz aus einem unbegrenzten Vorrat und fertig - die Illusion des Erschaffens durch eigene Hand entsteht hier nicht. In Minecraft formt man die Natur zu "Mein Reich!". In FortressCraft spielt man mit einem technisch wackeligen Editor. Dreht man sich um, sieht man in der Ferne etwa Dutzende Blöcke aus dem Boden wachsen, bevor sie endlich die grünen Platzhalter ausfüllen. Die Darstellung kommt oft genug ins Stottern und wer so schnell wie möglich ein paar Steine entfernt, wartet Sekunden, bis die Änderungen richtig dargestellt werden - in solchen Momenten ist FortressCraft so sexy wie ein Hund über seinem Häufchen. Versinken kann man in dieser Welt nie.

Zu allem Überfluss haben die vom Zufall erstellten Felsformationen mit der Realität oder Minecraft nicht viel gemein - sie gleichen eher einer kruden Plastik als der Natur. Und auch wenn der Anstrich der Kästchen den originalen Minecraft-Würfeln technisch überlegen ist: Die kreative Gestaltung vieler Quader schreit händeringend nach einem fähigen Grafiker. Kleines Glück im großen Unglück: Ohne eigenes Zutun gibt es ohnehin nur ein paar Gesteinsarten. Untertage findet man weder Erze noch andere Rohstoffe und auf der Oberfläche entdeckt man mit Gras bewachsene Erde wohin das Auge reicht - von wenigen Wassertümpeln mal abgesehen. Wozu auch? Tiere oder feindliche Kreaturen sucht man vergebens, ein Ökosystem gibt es schon gar nicht - genau so wenig wie das erhoffte Spiel.

Fazit

Eigentlich wäre es überflüssig, alles aufzuzählen, was FortressCraft fehlt oder falsch macht. Denn statt eines Baukastens, in dem Naturfreunde ihre Lust am freien Schöpfen ausleben, erhalten Xbox-Kreative nur einen trockenen Editor - ein Klickstudio für Kastengrafik, mehr ist es nicht. Andererseits wirbt die offizielle Webseite mit den Zeilen: "FortressCraft ist ein [...] Spiel, das sich um Aufbau, Überleben und Zerstörung dreht." Und das ist beim derzeitigen Zustand glatt gelogen! Das reine Hin- und Wegklicken der Bausteine erinnert kaum an etwas, das sich wie Aufbau und Zerstörung anfühlt. Das Überleben spielt nicht einmal im Ansatz ein Rolle, weil der Avatar nicht sterben kann. Weder gibt es gefährliche Umwelteinflüsse noch begegnet man in der leblosen Klötzchenwüste irgendwelchen Kreaturen. Schön, dass das Spiel mit kommenden Erweiterungen ausgebaut werden soll. Als das frühe Minecraft allerdings noch daran erinnerte, dass es sich in einer zeitigen Phase seiner Entwicklung befände, war es in allen Belangen längst reifer und vollständiger als FortressCraft. Im Gegensatz dazu ist dieser reine Editor kaum mehr als eine im Kern interessante, in diesem Zustand aber unfertige Technik-Demo!

Pro

umfangreicher Editor mit praktisch unbegrenzten Möglichkeiten
Onlinebau für bis zu vier Teilnehmer

Kontra

bis auf Tag-/Nachtwechsel keinerlei Welten-/Lebenssimulation
unnatürliche Geländeformationen
vergleichsweise wenige, grafisch einfallslose Bausteine
Hinzufügen und Entfernen von Quadern kostet Zeit
Figur bleibt in Gelände hängen
langsamer, stotternder Grafikaufbau
viele Grafikfehler und Vektorgrafik-Platzhalter statt Klötzchen

Wertung

360

Interessanter Baukasten, der äußerlich an Minecraft erinnert - der inhaltlich aber einer technisch unfertigen Technik-Demo gleicht.

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