Halo: Combat Evolved - Anniversary25.10.2011, Jan Wöbbeking
Halo: Combat Evolved - Anniversary

Im Test:

Ab dem 15. November können Fans des Master Chief einen Trip zurück ins Jahr 2001 unternehmen: Mit Halo: Combat Evolved - Anniversary (ab 16,96€ bei kaufen) legt Microsoft den ersten Teil der Serie neu auf. Neben aufpolierter HD-Grafik gibt’s diesmal auch Online-Koop, an Reach angelehnte Multiplayer-Matches und einige weitere Extras.

Wenn schon, denn schon

Producer Dennis Ries von 343 koordiniert die Zusammenarbeit mit Saber Interactive.
Producer Dennis Ries von 343 Industries koordiniert die Zusammenarbeit mit Saber Interactive.
Da sich Bungie von der Serie verabschiedet hat, entsteht das Remake zum Großteil in St. Petersburg beim dort ansässigen Team von Saber Interactive (Timeshift). Beaufsichtigt wird die Entwicklung von 343 Industries, welche sich auch um Halo 4 und kommende Serienteile kümmern werden. Producer Dennis Ries erklärte uns das Konzept: „Wenn wir schon ein Remake machen, dann richtig! Vor allem bei einem Titel wie Halo, welcher das Genre derart stark geprägt hat, wollen wir den Fans etwas bieten.“

Tatsächlich merkt man sofort, dass die Entwickler sich viel Mühe gegeben haben: Der Story-Modus wurde zwar inhaltlich 1:1 übernommen, lässt sich aber in zwei Varianten spielen, zwischen denen man jederzeit auf Knopfdruck wechseln darf. Die erste bietet die hochskalierte Original-Grafik des Klassikers, die zweite komplett überarbeitete Texturen, Effekte und eine frische Beleuchtung. Neben der deutschen Synchro befindet sich auch die englische Sprachausgabe auf der Disk. Außerdem wurden Waffengeräusche und Soundeffekte neu aufgenommen sowie der Soundtrack in George Lucas' Soundstudio »Skywalker Sound« neu eingespielt. Entgegen früherer Gerüchte kann man laut Ries aber auch den Original-Soundtrack auswählen – und für einen echten Flashback den Chorgesang des Originals genießen.

Coop Evolved

Neu ist auch der Online-Koop, mit der sich die komplette Kampagne mit einem Freund über Xbox Live spielen lässt. Weitere Neuerungen sind Firefight-Matches gegen immer neue Horden angreifender Allianz-Krieger, Erfolge für insgesamt 250 Gamerscore-Punkte, die 3D-Unterstützung der grafisch aufpolierten Fassung, ein Hand voll optionaler Kinect-Befehle (näheres dazu hier) und kleine, in den Levels versteckte Info-Terminals. Hat man eines gefunden und gescannt, verrät es - ähnlich wie in Metroid Prime - kurze Infos über das Halo-Universum und gibt Hinweise auf Teil 4.

Durch die neue Beleuchtung wirken einige Passagen nicht mehr so stockfinster.
Durch die neue Beleuchtung wirken einige Passagen nicht mehr so stockfinster. Davon abgesehen bleibt das Design dem Original treu.

Die spaßigste Neuerung ist aber der komplett überarbeitete und an Reach angelehnte Multiplayer-Modus. Als alter Fan war ich zunächst skeptisch: Wenn schon Mehrspieler-Matches, dann bitte genau so wie in den guten alten Netzwerk-Sessions – ohne verfälschende Spezialfähigkeiten aus Reach.  Nach einigen Matches waren meine anfänglichen Bedenken aber wie weggeblasen. Es ist natürlich schade, dass nicht alle Original-Karten enthalten sind: Schließlich habe ich mir im Jahr 2002 nichts sehnlicher gewünscht, als endlich Halo online zocken zu können statt immer nur auf Netzwerk-Sessions mit Freunden. Auch das Hantieren mit Tunnelsoftware brachte mich damals nicht wirklich weiter: Wenn man ein Tool wie Xbconnect auf seinem PC installiert hatte, konnte man die Xbox mit dem PC verbinden. Der Rechner gaukelte der Konsole dann ein normales Netzwerk-Match vor, obwohl man eigentlich über das Internet spielte. In der Praxis verursachte das System aber starke Lags und der Host war stark im Vorteil.

Multiplayer-Remix

Zurück in die Gegenwart:  Obwohl wie erwähnt nicht alle Karten aus Teil 1 dabei sind, ist es schön, endlich manche davon online zocken zu können. Einige Maps wurden bewusst weggelassen: Da Blood Gulch z.B. in Halo Reach neu aufgelegt wurde, haben die Entwickler sich auf die Exemplare konzentriert, welche es nicht bereits auf der Xbox 360 gab. Dazu gehört z.B. der Klassiker High Noon – eine leicht überarbeitete Version von Hang 'Em High: In der Mitte der Karte tänzeln die Spieler blitzschnell um Grabsteine und suchen in kleinen Gruben Deckung, während Scharfschützen auf den hohen Stegen und Aussichtsplattformen herumschleichen.

Danke, dass Sie sich für Air Master Chief entschieden haben!
Danke, dass Sie sich für Air Master Chief entschieden haben!
Hier war seinerzeit die Pistole besonders wirkungsvoll: Heranzoomen, ein paar mal abdrücken, und schon hatte man seine Gegner mit Leichtigkeit zur Weißglut gebracht. Wer dieses Gefühl wieder erleben möchte, kann die Balance der Waffen in den Originalzustand zurück versetzen. Oder aber man spielt mit besser aufeinander abgestimmten Wummen und anderem neumodischen Schnickschnack. Vor allem das Jetpack bringt Zunder ins Spiel: Wer es beherrscht, kann sich unheimlich elegant durch die Deckungen mogeln und sekundenschnell einen Gegner nach dem anderen ausschalten. Es ist erstaunlich, wie viel Spaß und Dynamik die Fähigkeiten aus Reach in die guten alten Maps bringen. Dazu gehört auch das Schild, welches einen Spieler kurzzeitig unbeweglich macht, aber auch sämtliche Projektile abprallen lässt. Zusätzlich haben die Entwicklern den Arealen kleine Änderungen wie Tunnels verpasst, um die Balance den neuen Umständen anzupassen. Unter den insgesamt sechs Mehrspieler-Karten befinden sich auch Exemplare aus anderen Serien-Teilen: Breakneck stammt aus Halo 2, Timberland aus der späteren PC-Umsetzung von Halo 1. Die Firefights gestalteten sich ähnlich unterhaltsam: Auf diversen Karten (eine davon aus der Kampagne) verschanzt man sich mit bis zu drei Online-Freunden auf einer Karte und wehrt die immer stärker werdenden Gegnerhorden ab. Wie in Reach kann man die Rundenzeit und einige andere Details festlegen.

Gut gealtert

Bump Maps waren eine der wichtigsten Neuerungen auf der Original-Xbox: Einige Oberflächen besitzen bereits in der hochskalierten Original-Fassung einen hübschen Oberflächenglanz.
Bump Maps waren eine der wichtigsten Neuerungen auf der Original-Xbox. Einige Oberflächen besitzen bereits in der hochskalierten Original-Fassung einen hübschen Glanz, besitzen in der aufpolierten Grafik aber noch etwas mehr Details.

Auch der Story-Modus rockt immer noch gewaltig: Es ist schon ein erhebendes Gefühl, nach so langer Zeit wieder über den  gigantischen Ringplaneten zu stapfen. Wieder schlüpfe ich in die Rolle von den Master Chief Petty Officer John-117. Er ist einer der letzten hochgezüchteten SPARTAN-II-Supersoldaten, welcher im Kampf der Menschen gegen die Alien-Allianz noch übrig ist. Nach der immer noch spannend inszenierten Flucht durch das von Aliens geenterte Schiff stürze ich schließlich in einer Rettungskapsel auf den Ringplaneten Halo ab. Nur der Master Chief hat den Aufprall überlebt – und die in seinen Anzug hochgeladene künstliche Intelligenz Cortana. Sie gibt mir gelegentlich Informationen darüber, aus welcher Richtung Feinde vorrücken oder lässt den einen oder anderen Kommentar ab. Obwohl ich ab und zu auf versprengte Mitstreiter treffe, bin ich die meiste Zeit über alleine unterwegs, was viel zur typischen Halo-Atmosphäre beiträgt. Später führt mich der Trip in gigantische unterirdische Bauwerke, auf im Neonlicht leuchtende Glasbrücken und in eklige Sümpfe voller angriffslustiger Parasiten.

Der Story-Modus fühlt sich immer noch an wie eine große Entdeckungsreise, auf der ich immer wieder in heftige Massenschlachten verwickelt werde. Im Vergleich zu den meisten aktuellen Shootern können die Allianz-Krieger erstaunlich viel einstecken. Da auch ich gut gepanzert ist, lädt das Spiel mich förmlich dazu ein, mich nah an die Gegner zu schleichen, ihr Schild mit einer Allianz-Waffe zu leeren und ihnen dann mit ein paar Bleikugeln und einem beherzten Schlag auf die Alien-Rübe den Rest zu geben. In kaum einem anderen Spiel verschmelzen Nahkampf und Schusswechsel auf größere Distanz so harmonisch – und sorgen für derart viel Adrenalin bei hitzigen Zweikämpfen.

Flashback

Obwohl ich das Original seit vielen Jahren nicht mehr in der Xbox hatte, konnte ich mich fast an jede einzelne Biegung erinnern. Besonders schön gelungen ist der Rhythmus aus ruhigen Augenblicken und hektischen Gefechten. In einem Moment schreite ich noch über die idyllisch überwucherte Planetenoberfläche und erkunde die wuchtige Architektur eines Gebäudes, kurz darauf stürzen mir bereits ein paar wild kreischende Allianz-Krieger entgegen. In den Kämpfen gegen zähe Aliens wird am ehesten deutlich, dass Halo gut gealtert ist: Die Gegner-KI war für damalige Verhältnisse sehr clever und sorgt auch heute noch für dynamische Kämpfe. Ein unüberlegter Schuss und auch ein weit entfernter Krieger alarmiert seine Kollegen. Und natürlich bleiben sie meist nicht auf dem Posten, sondern machen sich auf die Suche – bis weit hinter die Biegungen des Levels. Wenn ein Rudel aus Elite-Kriegern, Schakalen und Grunts mich überrannt hat, versuche ich es beim nächsten mal eben von der anderen Seite – und der Kampf läuft deutlich anders anders ab.

Vorsicht, Gegner-Nachschub!
Vorsicht, Nachschub!

Gelungenes Facelifting

Auch die Steuerung hat die zehn Jahre ordentlich überstanden: In diesem Bereich diente Halo schließlich als Blaupause für viele kommende Shooter. Die sich selbst aufladende Energie wurde ebenfalls in diesem Spiel eingeführt - und ergibt hier mehr Sinn als anderswo, da Master Chief schließlich in einer dicken Kampfrüstung mit Energieschilden steckt. Lediglich sein Sprungverhalten fühlt sich zu Beginn etwas  seltsam an – er gleitet erstaunlich weit und langsam durch die Luft. Und man muss sich natürlich in den ersten Minuten wieder daran gewöhnen, nicht ständig mit L anzulegen, weil ein Großteil der Waffen aus der Hüfte abgefeuert wird. Zwischendurch kann ich jederzeit auf Knopfdruck zwischen der verschönerten und der hochskalierten Original-Grafik wechseln. Während des Wechsels starrt man zwar rund vier Sekunden auf einen schwarzen Bildschirm - davon abgesehen laufen die beiden Engines aber einwandfrei nebeneinander her.

Mit Highlights wie Uncharted 2 oder Gears of War 3 können die Gesichter nicht mithalten – trotzdem bringt die neue Engine ein ansehnliches Ergebnis auf den Bildschirm. Ein Ergebnis, welches dem Original von Design und Farbgebung treu bleibt. Wenn z.B. früher an einer Wand grobschlächtige eckige Steinkonstruktionen zu sehen waren, entdeckt man neuerdings an der gleichen Stelle in das Massiv gemeißelte geometrische Muster. An einigen wenigen Stellen des Spiels hat sich das Aussehen aber auch komplett verändert: Das gilt vor allem für die stockfinsteren Korridore der havarierten Pillar of Autumn. Früher sah man dort nur etwas, wenn man die Funzel einschaltete. Heute tauchen die flackernden Feuer die Gänge in ein deutlich helleres, realistischeres Licht.

Fazit

Eigentlich bin ich kein Fan von Remakes – vor allem, wenn man am Mehrspielermodus herumdoktort. Doch nach dem Spielen bin ich restlos überzeugt: Die Entwickler haben sich bei der Restauration erstaunlich viel Mühe gegeben, um Serien-Fans ein würdiges Remake zu bieten. Das Ergebnis bleibt dem Original treu, bietet aber zusätzlich eine Unmenge sinnvoller Neuerungen. Als ich mich nach vielen Jahren wieder über die  Pillar auf Autumn ballerte, hat mich das Spiel beinahe wieder genau so gefesselt wie zum Xbox-Start. Vor allem die gute KI und das epische Level-Design haben das Spiel erstaunlich gut altern lassen. Und all das, was die zehn Jahre nicht so gut überstanden hat, wird von der frischen Grafik-Engine in ein zeitgemäßeres Licht getaucht. Besonders schön ist der jederzeit mögliche Wechsel zur hochskalierten Originalgrafik – und natürlich die üppige Online-Unterstützung. Neuerdings kann man sich übers Netz in Koop-Kampagnen, Firefight-Partien und äußerst lustige Multiplayer-Matches stürzen.

Wertung: sehr gut

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