Sacred 301.08.2014, Mathias Oertel

Im Test: Die heilige Beutekuh geschlachtet

Die Fantasy-Welt Ancaria war lange Zeit eine der interessanten Hack&Slay-Welten diesseits von Sanktuario. Prall gefüllt mit Aufgaben, Monstern und Beute hat sich die Sacred-Serie ihren Platz neben Diablo und Dungeon Siege verdient erarbeitet. Für Sacred 3 (ab 3,20€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) arbeitet mit Keen Games nicht nur ein neues Team an dem Titel. Man schmeißt auch das gesamte Konzept um. Ob das gut gehen kann, verrät der Test.

Namen sind Schall und Rauch

Freunde Ancarias! Wenn ihr euch genau wie ich auf erneute Beuteraubzüge in der ursprünglich von Ascaron als Diablo-Konkurrent erdachten Fantasy-Welt gefreut habt: Dann. Kehrt. Um. Denn bereits nach etwa zehn Minuten Spielzeit, die teils mit einer belanglosen Story samt erzwungen witziger Dialoge, teils mit rudimentärer, auf simples Knopfhämmern reduzierter Prügelaction ohne jegliche Beute gefüllt werden, ist eines klar: Sacred 3 hat außer der Fantasy-Welt als Hintergrund und der Seraphim als einer von vier spielbaren Charakteren (bzw. fünf in der Erstauflage) nur noch wenig mit dem gemeinsam, was über Jahre als unterhaltsame Alternative zu den Diablos, Dungeon Sieges und Baldur's Gate: Dark Alliances bekannt war.

Auch wenn vieles nach einem klassischen Hack&Slay-Abenteuer aussieht, muss man viele Abstriche hinnehmen. So gibt es in Ancaria z.B. keine Beute mehr...
Schlimmer noch: Nach den ersten zehn Minuten bleibt bis zum Ende das Gefühl, dass man eigentlich alles schon kennt. Es gibt durchaus interessante Auseinandersetzungen gegen ernst zu nehmende Bosse. In manchen Gebieten muss man Artillerie in verschiedenen Formen ausweichen. Man kann auf der Übersichtskarte nicht nur die nächste Story-Mission in Angriff nehmen, sondern in kleinen Prügel-Abstechern versuchen, sein Reservoir an Heil- und sonstigen Auffüll-Tränken aufzubessern. Und man kann nach Levelaufstieg gegen Gold die wenigen aktiven oder passiven Fähigkeiten bzw. einzelne Ausrüstungsgegenstände aufwerten und dadurch neue Buffs freischalten. Doch nach vier Stunden spielt sich Sacred 3 immer noch genauso wie in den ersten zehn Minuten. Gleiches gilt nach sechs, acht oder zehn Stunden. Weder Mechanik noch Erzähltempo variieren, alles fließt mehr oder weniger gleichförmig vor sich hin. Abhilfe hätten die unterschiedlichen Charaktere schaffen können. Doch bis auf die eine oder andere Spezialfähigkeit  und die etwas andere Herangehensweise, die der Bogenschütze fordert, macht es auch hier zu wenig Unterschied, wen man sich herausgepickt hat.

Golden Dynasty Ancaria Axe Warriors

Mit den Spezialfähigkeiten lassen sich die Gegnermassen schnell dezimieren. Allerdings kann jede Figur nur zwei ausrüsten.
Ich habe prinzipiell nichts dagegen, wenn Entwickler neue Wege beschreiten möchten - auch bei bekannten Serien. Nur sollten diese Wege dann auch so weit funktionieren, dass eventuelle Verluste bei wertgeschätzten Mechaniken aufgewogen werden. Für Sacred 3 würde das bedeuten: Die Kämpfe, die man erlebt, sind mechanisch, technisch und dramaturgisch so ausgereift, dass man die ganzen Zugeständnisse wegsteckt, die man angesichts dessen machen muss, was man eigentlich mit dem Namen suggeriert und was man definitiv nicht bekommt. Oder anders: Wenn ich schon auf Beute, offene Welt und relativ freie Charakter-Entwicklung verzichten muss, dann müssen die Auseinandersetzungen in jeder Hinsicht rocken.

Tun sie aber nicht. Mal fühlt es sich an wie ein Diablo 3 light - nur dass man in Sanktuario innerhalb des Kampfsystems und den Figuren mehr Abwechslung wahrnimmt. Dann wiederum wie ein Skylanders - mit dem Unterschied, dass Skylanders deutlich besser aussieht, die Figuren sympathischer sind und die Helden springen können. Doch viel zu häufig kommt man sich vor wie in einem isometrischen Dynasty Warriors: Man drückt die immer gleichen Tasten, kriegt als Ergebnis die immer gleichen Kombos und lässt von Zeit zu Zeit einen von zwei ausgerüsteten Spezialangriffen vom Stapel. Leider flaut der anfängliche Reiz der Kämpfe ähnlich schnell ab wie bei den Tecmo-Koei-Titeln. Da Deep Silver ohnehin die Dead-Island-Lizenz besitzt, wäre man evtl. besser beraten gewesen, hier einen Arcade-Prügler rund um die Untoten zu stricken, als auf Teufel komm raus zu versuchen, Ancaria einer Frischzellenkur zu unterziehen.

Simpler Spaß

Zur Ehrenrettung von Keen Games muss ich allerdings zugeben, dass die bis auf den im "göttlichen" Schwierigkeitsgrad oft zu leichten Gefechte ähnlich der Dynasty-Warriors-Serie durchaus Spaß bereiten können - vor allem, wenn man mit mehreren Spielern unterwegs ist. Möglich sind kooperative Gefechte sowohl offline (zu zweit) als auch online (maximal zu viert). Wenn ein Effektgewitter über den Bildschirm rauscht und am Ende nur noch Leichen den Boden säumen, kurz bevor sie ausgeblendet werden, kommt es zwar nicht zu euphorischer Schnappatmung. Doch Keen Games hat zumindest die Grundlagen gut umgesetzt. Und es kommt natürlich nicht zum Streit um Beute - was man an dieser Stelle nicht unterschätzen sollte. Dennoch: Die unterhaltenden Momente sind zu spärlich gesät, als dass man Sacred 3 nach dem ersten Durchspielen, das je nach Komplettierung der Nebenmissionen in etwa acht bis zwölf Stunden dauern dürfte, nochmal aus dem Regal kramt - wenn man überhaupt so lange durchhält.

Denn auch wenn das Fundament solide ist, sind einige Aufbauten im Umfeld marode  allen voran der Humor. Nicht nur, dass der telepathische Sidekick Aria mit ihrer merkwürdigen Vorstellung von Humor versucht, Lacher zu provozieren. Auch die Waffengeister, die man in unregelmäßigen Abständen aufgabelt und die einem Sonderbuffs spendieren, sprechen

Man kann offline zu zweit und online mit bis zu vier Spielern auf Monsterjagd gehen.
immer wieder zu einem. Und irgendwann im Entwicklungsprozess kam irgendjemand auf die Idee, diesen Figuren nicht nur Charakter (so z.B. als Frauenheld, Domina, Betrunkene), sondern ihnen auch auf dem Papier womöglich sogar witzige Einzeiler mit auf den Weg zu geben. Nur: Der Humor zündet nicht. Zumindest nicht bei mir. Statt witzig zu sein, sind die Kommentare im Bestfall albern und im schlimmsten Fall einfach nur plump und dümmlich. Ancaria war in Sacred 1 und 2 auch nicht immer ernst. Und auch seinerzeit hat der Humor mitunter merkwürdige Wege beschritten. Doch das hier passt einfach nicht. Wie auch das Denglisch: Wieso sprechen ausnahmslos alle Figuren die Ortschaften oder Völker mit englischer Tonalität aus. Das deutsche "Ancaria" klingt doch auch gut. Wieso muss es "Enkäria" sein, aber bitte mit englischem "R", also "Arr"? Das ist alles insofern bedauerlich, da die Sprecher sowohl im Deutschen als auch im Englischen gut ausgewählt sind, aber eigentlich von Anfang an angesichts der merkwürdigen Dialoge keine Chance hatten.

Buntes Ancaria

Als Koop-Action ist Sacred 3 durchaus brauchbar.
Immerhin: Bei der Kulisse kommt durchaus immer wieder das Gefühl auf, durch Ancaria zu schreiten. Was auch dadurch begünstigt wird, dass Ascaron in den ersten Spielen eine farbenfrohe Klischee-Fantasy bemühte. Daher fühlt man sich bei der isometrischen Darstellung, die keine manuelle Veränderung der Kameraposition unterstützt, in einigen Momenten wie früher. Nur dass es früher irgendwie sauberer lief. Trotz offener Welt, trotz zahlreicher Details in der Darstellung. Hier scheint jedes System überfordert - auch wenn sich die mal größeren, mal weniger auffälligen Bildratenprobleme nicht auf die Arenakämpfe auswirken.

Der PC, der im Übrigen für die Installation knapp 20 GB veranschlagt, steht naturgemäß am besten da und bietet das sauberste Bild. Allerdings steht man hier vor einer Qualitätsentscheidung: Schaltet man V-Sync ein, muss man immer wieder mit stockender Bildrate rechnen. Oder aber man lässt es aus und hat dann das übliche Nachziehen, das man mit "Tearing" assoziiert. Auf den Konsolen hat man diese Wahl nicht - und damit keine Chance, den Bildratenproblemen aus dem Weg zu gehen, die zudem noch von leichtem Kantenflimmern (vor allem auf der PS3) begleitet werden. Hinsichtlich der Steuerung liegen alle Versionen gleichauf - insofern man am PC ein Gamepad nutzt. Die Maus-/Tastatur-Kombo ist arg fitzelig und unituitiv: Gesteuert wird per Standard über WASD, während man die Maus nutzt, um die Richtung des Angriffs festzulegen.

Fazit

Das Problem ist nicht einmal, dass der Schriftzug Sacred 3 auf dem Cover prangt, obwohl der Titel außer dem Schauplatz Ancaria und der Seraphim als spielbare Figur wenig mit der einstmals ruhmreichen Hack&Slay-Serie aus deutschen Landen gemeinsam hat. Viel schwerer wiegt, dass die Umstellung auf ein beutefreies, lineares sowie beinahe herausforderungsfreies Rumgekloppe auch dann nicht optimal funktionieren würde, wenn "Abenteuer in Ancaria" oder sonstwas der Name wäre. Kurzweilig macht die unkomplizierte Action zwar Laune - vor allem mit mehreren Kämpfern. Aber mir fallen so viele Titel ein, die sich ähnlich spielen oder auf ähnliche Elemente setzen, die aber in der Umsetzung weitaus überzeugender sind - die Palette reicht von den Skylanders über Dynasty Warriors bis hin zu Golden Axe. In Zeiten einer "Kloppmist"-Renaissance, die von Diablo 3 und Torchlight 2 eingeläutet wurde, hätte eine "richtige" Sacred-Fortsetzung viel Erfolg versprochen. Doch in dieser Form dürfte Ancaria selbst für Fans extrem seichter Koop-Action nur selten das Reiseland erster Wahl darstellen.

Pro

fünf spielbare Figuren...
Scherbengeister bringen aktive/passive Buffs
offline zu zweit, online mit bis zu vier Spielern kooperativ prügeln
farbenfrohe Kulisse...
passable Bosse
Waffen und Rüstungen auflevelbar...

Kontra

... die sich aber bis auf geringe Ausnahmen sehr ähnlich spielen
keine Beute mehr
statt offener Welt gibt es Schlauchlevels
... die aber auf allen Systemen Probleme hat
hakelige Maus-/Tastatursteuerung am PC
... man hat aber nur wenig Einfluss
"Shop" als Bezeichnung eine Übertreibung
nur wenige Spezialfähigkeiten
kaum Herausforderung

Wertung

360

Keine Beute, keine offene Welt, kein Spaß: Alles, was Sacred ausgemacht hat, ist weg und wurde von banaler, nur in kleinen Dosen unterhaltender Koop-Action ersetzt.

PC

Keine Beute, keine offene Welt, kein Spaß: Alles, was Sacred ausgemacht hat, ist weg und wurde von banaler, nur in kleinen Dosen unterhaltender Koop-Action ersetzt.

PlayStation3

Keine Beute, keine offene Welt, kein Spaß: Alles, was Sacred ausgemacht hat, ist weg und wurde von banaler, nur in kleinen Dosen unterhaltender Koop-Action ersetzt.

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