Aus großer Lizenz folgen große Spiele?
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Da zischt er abermals durch das schon wieder am Rande der Katastrophe stehende Manhattan: Spider-Man. Das Spiel ist eine Mischung aus offener Welt und Innen-Missionen.
Beenox hat ein Problem: So richtig geil sind die Spiele der Kanadier nicht. Nie wirklicher Mist, aber auch nie ernsthaft in „Muss man gespielt haben!“-Bereiche vordringend. Schade, denn die Ansätze für Exzellenz sind meistens da. Auch The Amazing Spider-Man: Manhattan sieht einfach fantastisch aus! Und wenn man sich ohne den kleinsten Ruckler in die mächtig gewaltigen Hochhausschluchten stürzt, der Boden wahnsinnig auf einen zurast, man im letzten Moment die rechte Schultertaste drückt und danach von herrlichem Gejubel und Gejuchze seitens des Spinnenmanns durch die faszinierenden Straßen der Stadt schwingt und zischt, in die strahlende Sonne hinein – dann, ja dann zeigt das Spiel echte Größe. Ärgerlicherweise beginnt das Spiel nicht so. Stattdessen muss man einen langatmigen Prolog im Innern eines Forschungslabors ertragen.
Das wunderbar dynamische Schwingen durch die edel gestaltete Stadt ist das Highlight des Spiels.
Dieser Mangel an Unbedingtheit ist leider symptomatisch für das Spiel: Es könnte so viel besser sein, strauchelt aber immer an der entscheidenden Hürde. Fassen wir doch mal die Eckpunkte des Spinners zusammen: Jede Menge Schwing-Action durch New York. Viele Kämpfe gegen kleine Gauner und große (zum Teil sehr außerweltliche) Gangster. Immer im Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und flapsigen Sprüchen. All das gibt es hier. Worüber beschwere ich mich dann also?
Der bunte Ritter
Zäumen wir den Gaul doch mal von hinten: Die Handlung ist gar nicht schlecht. Das Spiel schließt direkt an den aktuell in den Kinos laufenden Film an (und beinhaltet dadurch zwangsläufig den einen oder anderen Spoiler) und dreht sich um das Hin und Her zwischen Spider-Man (der übrigens im ganzen Spiel nicht ein Mal seine Maske abnimmt), Gwen Stacy, Alistair Smythe und Curt "The Lizard" Connors. Eine eklige Infektion ergießt sich über den Bewohnern von Manhattan,
Die Handlung ist ordentlich und solide inszeniert, leidet in der deutschen Fassung allerdings an der furchtbaren Sprachausgabe.
zwischen den Missionen bekommt man angezeigt, wie viele Opfer die Erkrankung bereits gefordert hat. Eigentlich düster, aber Spidey hat trotzdem immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Merkwürdigerweise scheint es ihm egal zu sein, dass ihn die Designer für einen Großteil der Missionen durch zum Teil einschläfernd uninteressante Labore, Abwasserkanäle und sonstige Hallen sowie ganz viele Luftschächte zum Durchkrabbeln schicken – mit immergleichen Aufgaben, immergleichen Simpel-Puzzles und immergleichen Kämpfen.
Womit wir beim zweiten Punkt wären: dem Kampfsystem. Dass die Entwickler große Fans von Batmans
Arkham-
Abenteuern sind, sah man schon am Vorgänger
Edge of Time. Auch dieses Mal kommt einem das von Feind zu Feind fließende Gekloppe bekannt vor, was ja per se nichts Schlechtes ist. Allerdings ist das Ganze hier extrem simpel gehalten: Timing spielt beim Kloppen keine Rolle, ein pausenlos behämmerter Angriffsknopf reicht normalerweise. Lediglich wenn der Spinnensinn aufleuchtet, ist etwas zusätzliche Aktion gefragt – nämlich der Druck auf den Ausweichknopf, durch den Spidey der nahenden Attacke entgeht und ohne Unterbrechung weiter arbeitet. Das Ganze ist hübsch anzusehen, aber aufgrund der quasi nicht vorhandenen Gegner-KI wirklich keine Herausforderung.
Das deutlich von den Batman-Spielen inspirierte Kampfsystem ist sehr simpel, ermöglicht aber schön fließende Kloppereien.
Nur selten muss man seine Vorgehensweise variieren – etwa wenn Gegner einen Schild haben oder Angriffe von vorn blocken (dann werden sie einfach von hinten bearbeitet) oder wenn sie derart schwer bewaffnet sind, dass der Spinnenanzug unerwartet schnell zu viele Lüftungslöcher aufweist. In diesem Fall muss die Schleichspinne ans Werk: Nähert man sich dem Feind von der Decke, kann man ihn ab einer bestimmten Entfernung per lautloser Netzattacke ausschalten. Was am Anfang noch aufregend wirkt, aber später derart überstrapaziert wird, dass man schnell merkt, dass man mit der Taktik "An die Decke zischen -> Gegner von oben mit Stealth-Attacke ausschalten -> schnell in Sicherheit rasen -> so oft wiederholen, bis alle Feinde weg sind" meist problemlos durch die Räume kommt. Lediglich die wenigen Bosskämpfe erfordern eine Kombination aller Spinnenfähigkeiten.