Lego Der Herr der Ringe26.11.2012, Paul Kautz
Lego Der Herr der Ringe

Im Test:

Lego und große Filmreihen - eine höchst erfolgreiche Mischung. Ist es da ein Wunder, dass jetzt auch Tolkiens legendärer „Herr der Ringe“, durch den in Kürze anlaufenden Hobbit-Film gerade wieder in aller Munde, in einer eigenen Klotzwelt inszeniert wird?

Ein Klotz, sie zu knechten

Hier wird geblödelt, gehampelt, der Balrog rülpst Gandalf feurig an, die Rohirrim um Eomer begrüßen Aragorn, Gimli und -nie hat er besser in ein Spiel gepasst als hier- Legolas mit einer herrlich bescheuerten Tanz-Choreographie. Boromir wird bei der Verteidigung der Hobbits nicht von Pfeilen, sondern u.a. einem Besen und einer Banane niedergestreckt. Und Peter Jackson höchstselbst hat einen kurzen Auftritt, in dem er sich mit seinen Oscars verteidigt. Unabhängig davon, wie ernst oder düster eine Szene ist - irgendwo findet sich immer etwas Albernes. Und es passt. Man hält es kaum für möglich, aber Traveller’s Tales hat’s hinbekommen. Was umso erstaunlicher ist, da zumindest in der englischen Version (die auf der deutschen Disc enthalten ist) Original-Stimmen aus den Filmen benutzt werden, um die Zwischensequenzen zu vertonen. Große, wortgewaltige Ansprachen plus Lego-Humor. Klingt bescheuert, ist bescheuert. Aber gut bescheuert. Ich mag es sehr.

Alles glänzt so schön neu

18 Missionen erwarten den Hobbitfreund, verteilt auf alle drei Filme. Klar, dass da nicht viel von der Handlung übrig bleibt: Die Geschichte wird extrem gestrafft präsentiert, die Dialoge sind zum Teil gekürzt oder um Sprüche aus anderen Szenen erweitert.

Wie üblich hat man immer die Wahl unter mehreren Figuren, die jeweils über Spezialeigenschaften verfügen, die man kombinieren muss. Zwei Spieler dürfen gleichzeitig ran, leider wieder nur am Splitscreen.
Wie üblich hat man immer die Wahl unter mehreren Figuren, die jeweils über Spezialeigenschaften verfügen, die man kombinieren muss. Zwei Spieler dürfen gleichzeitig ran, leider wieder nur am Splitscreen.
Wie gewohnt darf das Spiel von vorn bis hinten zu zweit in Angriff genommen werden, der Partner darf jederzeit ein- und aussteigen und die solide mitarbeitende KI vom Platz verdrängen. Leider gibt es auch dieses Mal wieder keinen Online-Modus, gesellige Partien sind auf den nach wie vor hübsch anzusehenden dynamischen oder (vertikal geteilt) statischen Splitscreen beschränkt.

In Sachen Missionsdesign haben sich die Entwickler nicht nur auf das serientypische „Dinge kaputt machen und anders wieder zusammenbauen“ beschränkt. So gibt es u.a. kleinere Schleichmissionen, Mach-alles-kaputt-Abschnittemit Baumbart oder Rätsel und Hol- und Bring-Quests. Aber nicht alles ist neu, was nach Mithril glänzt - so ging mir z.B. das elend in die Länge gezogene Durchqueren der Todessümpfe schnell auf die Nerven. Zusätzlich gibt es noch Nebenmissionen, die man auf der Oberwelt von NPCs erhält: Der eine sucht sein Schwert, der eine die Gummischlange seines Sohnes, der nächste einen formschönen Hut. Erfüllt man diese Missionen, gibt es u.a. die bekannten Punktmultiplikatoren als Belohnung.

Generell ist der Adventure-Anteil größer als je zuvor: So haben die Figuren jetzt ein Inventar, in dem Gegenstände platziert und kombiniert werden können - so entstehen z.B. eine Angelrute oder Abendbrot für die Hobbits. Zusätzlich gibt es noch eine Sammelkiste, aus deren Fundus alle Figuren schöpfen dürfen. Aber um diesen Fundus zu füllen, muss man die Augen nach Mithril-Blöcken aufhalten, welche die serientypischen goldenen Klötze ersetzen. Findet man das Mithril sowie Bauanleitungen, kann man beides beim Schmied investieren und neue Gegenstände hämmern lassen - so können im Laufe der Zeit alle Figuren auf Spezialfunktionen der anderen zurückgreifen, was natürlich für das mehrfache Durchspielen der Levels sehr hilfreich ist.

Willkommen in Epischhausen

Wolltet ihr schon immer mal durch ganz Mittelerde laufen? Das könnt ihr hier. Ja, durch  ganz Mittelerde. Die Entwickler, offensichtlich mit zu viel Zeit gesegnet, haben sich die Original-Karten von Tolkien zur Brust genommen, und sie mal eben zu einer gigantischen Spielwiese gemacht. Natürlich dauert das Durchqueren von Klotzelerde keine Monate, sondern eher die eine oder andere Viertelstunde, aber wer möchte, kann den Weg der Gefährten im Zeitraffer selbst durchtraben: Beginnend im Auenland (wo alles schön und sprießend und voller fröhlicher Hobbits und ihrer Schweinekumpels ist), über die Wetterspitze und Bruchtal bis nach Rohan, von dort weiter über Helms Klamm nach Osgiliath und Gondor bis hin zum Scheinwerferauge von Sauron. Alles, was im Hintergrund an Landschaft zu sehen ist, kann auch erreicht werden; die gesamte Gegend wird in Echtzeit gestreamt. Der Übergang zwischen den einzelnen, grafisch sehr unterschiedlichen Zonen, ist fließend: Die Sonne macht Platz für Regenwolken, statt weiter Felder tappt man durch knorrige Wälder. Wer seine Füße schonen will, kann auch, sobald er eine Gegend erkundet hat, später schnell von einer zur nächsten wechseln - sofern er den entsprechenden Marker aktiviert hat.

Serientypisch gibt es wenig Herausforderung - nicht mal die Bosskämpfe sind besonders anspruchsvoll. Dafür wurde der Adventure-Teil deutlich nach oben gekurbelt.
Serientypisch gibt es wenig Herausforderung - nicht mal die Bosskämpfe sind besonders anspruchsvoll. Dafür wurde der Adventure-Teil deutlich nach oben gekurbelt.

Man kann stur von Mission zu Mission stapfen (wobei die Gefährten am Ende des ersten Films getrennt werden, was zur Folge hat, dass man sich danach aussuchen kann, mit wem man eine Zeit lang weiter macht) oder die Oberwelt erkunden - Wegpunkte sind schnell gesetzt. Allerdings ist der Großteil von Mittelerde serientypisch am Anfang nicht erreichbar. Erst wenn mehr Helden nebst ihrer Spezialeigenschaften freigeschaltet werden, verlieren all die Hindernisse ihren Schrecken: Dunkle Höhlen werden dank Frodos Licht erkundbar, Zielscheiben haben Legolas‘ Pfeilen nicht entgegen zu setzen, Steinplatten bersten unter Gimlis Axt, Sam kann Pflanzen blühen lassen und Feuer entfachen. Es gibt verdammt viel zu entdecken in Klein Mittelerde: Das ist zwar nicht gerade Lego Skyrim, aber der schiere Umfang ist trotzdem beeindruckend. Und natürlich gibt es am Ende auch wieder einen Bonuslevel. Ich will nichts spoilern, aber freut euch auf Spaß mit Sauron.

Ein Licht geht auf über Mittelerde

Ganz Mittelerde dient als Oberwelt - je mehr Figuren und Gegenstände man freischaltet, desto zugänglicher wird Tolkiens Fantasiewelt.
Ganz Mittelerde dient als Oberwelt - je mehr Figuren und Gegenstände man freischaltet, desto zugänglicher wird Tolkiens Fantasiewelt.

Mehr als 80 Figuren füllen im Laufe der Zeit den Kader. Und zwar wohlgemerkt nicht nur alle Haupt- und Nebenfiguren aus den Filmen, sondern auch jene Charaktere, die nicht den Sprung von der Seite auf die Leinwand schafften - wie den, ahem, durchaus die Geschmäcker spaltenden Tom Bombadil. Knapp die Hälfte der Nasen wird über das Durchspielen der Kampagne verfügbar gemacht, der Rest muss auf der Karte gefunden und gekauft werden - die Figuren sind allerdings deutlich sichtbar markiert.

Technisch ist Lego Herr der Ringe das bislang fortschrittlichste Lego-Spiel: Die Figuren sind ein Traum in Plastik, gerade abgefahrene Figuren wie Baumbart oder Gollum sehen herrlich verschroben aus. Die Oberwelt hat ihre Augenöffnet-Momente, sollte aber besser nicht unter Crysis-Maßstäben betrachtet werden - es gibt viel Tearing und Fade-Ins sowie ausgesprochen hässliche Schatten. Sehr schön dagegen Momente wie das sich grafisch dem Kampagnenfortschritt anpassende Hauptmenü oder der Auftritt von Hunderten Figuren gleichzeitig im Bild - wie bei der Eröffnungsschlacht oder dem Kampf um Helms Klamm. Klar, das sind nur Copy/Paste-Statisten, aber das waren sie in den Filmen ja auch. Fans der Verbesserungen aus Lego Batman 2: DC Super Heroes werden sich freuen, dass sie zum Teil (wie im Falle der Speicherpunkte innerhalb von Missionen) auch ihren Weg nach Mittelerde gefunden haben. Zwar gibt es hier keine Kombo-Prügeleien mehr, aber dafür muss man nach dem Freischalten von Figuren auch keine Speicher-Zwangspause mehr einlegen.

Fazit

So sehr ich die Lego-Spiele auch wirklich schätze - die heftige Überfütterung der letzten beiden Jahre hat bei mir ein leicht unangenehmes Sättigungsgefühl bewirkt. Insofern hatte ich für den verklotzten Ringherrn nicht mit einer Überraschung gerechnet. Und im Großen und Ganzen gibt es die auch nicht: Die Spielmechanik ist ebenso vertraut wie der Großteil des Missionsdesigns, der legendäre Humor ist ebenso vorhanden wie Massen über Massen an Freischaltkram. Also alles wie immer? Nicht ganz: Die riesige Mittelerde-Oberwelt, die sich nach und nach immer mehr öffnet, ist schon ein Spiel für sich und deutlich gehaltvoller als frühere Spiele. Und mehr als noch bei Lego Harry Potter wird hier das Adventure in „Action-Adventure“ betont - die gebotenen Puzzles sind nicht gerade Lucas Arts, aber es ist angenehm, mehr tun zu können, als nur die Schlagtaste zu behämmern. Die Suche nach Mithril-Blöcken, das Schmieden neuer Ausrüstung, das freie Inventar - all das ergibt mal wieder ein Abenteuer, das richtig „durch“ zu spielen deutlich länger dauert als alle drei Special Editions der Filme durchzusehen. Und obwohl es paradox scheint, passt das leichtfüßig-alberne der Lego-Serie erstaunlich gut zum ernsten Ton der Vorlage (die zumindest im Englischen auch über die aus den Filmen bekannte Sprachausgabe getragen wird) - mein Highlight ist nach wie vor der Tanz der Reiter von Rohan. Klar gibt es auch unnötig in die Länge gezogene Levels (wie das nervende Wassersuchen in den Todessümpfen) und jede Menge Grafik-Unzulänglichkeiten in der Oberwelt, außerdem geht der Klotz-Charme in der realistisch gehaltenen Umgebungsgrafik etwas verloren. Trotzdem: Das ist das beste Lego-Abenteuer seit langem!

Pro

niedliche Präsentation
ausufernd große Welt
wunderbarer Humor, teilweise sehr albern
größtenteils Original-Stimmen (englische Version)
meisterlicher Soundtrack
mehr Adventure-Elemente als je zuvor in der Serie
gigantische Oberwelt
abwechslungsreiche Missionen
beeindruckender Umfang
witziger Bonuslevel
guter Koop-MModus
sehr viel zu entdecken und freizuschalten

Kontra

deutliche Grafikfehler in der Oberwelt
einige unnötig lange Levels
schwer nachvollziehbare Handlung
kein Online-Modus
uninteressante Nebenmissionen
lange Ladezeiten
geringer Schwierigkeitsgrad

Wertung

360

Die erhabene Herr-der-Ringe-Welt gesellt sich zum Albernen von Lego - eine erstaunlich fruchtbare Mischung!

PlayStation3

Die erhabene Herr-der-Ringe-Welt gesellt sich zum Albernen von Lego - eine erstaunlich fruchtbare Mischung!

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