Warriors Orochi 318.04.2012, Mathias Oertel
Warriors Orochi 3

Im Test:

Krieger. Überall Krieger. Dynastien. Samurai. Legenden Trojas. Gundam. Wenn es um handfeste Massenkeilereien geht, ist Koei das Maß aller Dinge. Allerdings müssen sich die Japaner den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nur marginale Fortschritte machen und ihre Spiele daher ungeachtet von Hauptfiguren oder Ära austauschbar wirken. Kann Warriors Orochi 3 (ab 67,30€ bei kaufen) markantere Zeichen setzen?

Immer wieder dasselbe? Ja und Nein!

Ein Mantra, das in Anlehnung an Gertrude Stein für die Auseinandersetzungen gegen Tausende eher schwerfällig und stupide agierende Gegner seit Dynasty Warriors 2 auf der PS2 gilt, lautet: Warriors ist Warriors ist Warriors. Egal ob sie nun aus der chinesischen Dynasty- oder japanischen Samurai-Ecke stammen, ob sie im antiken Griechenland angesiedelt sind oder die Schauplätze gar in den Weltraum verlegt und mit der Gundam-Lizenz angereichert werden. Soll heißen: Abgesehen von den Texturen der Hauptfiguren oder den Effekten der Spezialangriffe hat sich meist wenig getan - zumindest zu wenig, als dass man abseits der Kulisse von einem kontinuierlichen Fortschritt sprechen könnte. Wobei die Schlachtfelder nie irgendwelche Grafikbäume ausreißen konnten und sich im Bestfall maximal durchschnittlich präsentierten.

Doch ein Ableger der Warriors, die Orochi-Reihe, war schon immer etwas anders - zumindest inhaltlich. Ohne den Zwang, sich irgendwelchen geschichtlichen Ereignissen unterordnen zu müssen, waren die gemeinsamen Kämpfe der Krieger aus den Samurai- und Dynasty-Serien gegen einen Dämonenkönig eine Experimentierwiese - so auch Warriors Orochi 3 (WO3). Zwar bleibt man hinsichtlich der Kampfmechanik prinzipiell den Wurzeln treu und bietet ein Kombosystem mit zwei Knöpfen plus Block, Sprung und Spezialattacke. Auch bei der Visualisierung der Schlachten braucht man nicht auf ein Wow-Erlebnis offen. Es bleibt weiterhin beim oberflächlichen Design, das trotz nicht gerade üppiger Details nicht mit aufploppenden Gegnern spart. Doch abseits dessen gibt es ein paar Überraschungen.

Man lebt nur zweimal

Moment mal! Ist das nicht...? Richtig: Ryu Hayabusa gibt sich die Ehre und
Moment mal! Ist das nicht...? Richtig: Ryu Hayabusa gibt sich die Ehre.
Dazu gehört z.B. die Geschichte, die einen zu Beginn sofort in ein Finale wirft: Mit einem Kämpfertrio, bei dem ein ständiger Wechsel zwischen den Kriegern nicht nur möglich, sondern erwünscht ist, um Kombos aufzubauen, attackiert man eine von Untoten umringte Hydra - und scheitert!

Doch man muss nicht verzagen: In allerletzter Sekunde wird man von einer zeitreisenden Priesterin gerettet und findet sich in einem als Verteilerknoten dienenden Camp wieder. Um das Ende (den Kampf gegen die Hydra) erfolgreich zu gestalten, muss man immer wieder in der Zeit zurückreisen, dort die verschiedenen Schlachtfelder dominieren, seine Figuren aufleveln und neue Kämpfer akquirieren. Mitunter besucht man einige Gebiete sogar wiederholt, wobei man jedoch andere Bedingungen vorfindet oder sich neue Bereiche öffnen, da man in der Zwischenzeit in einer anderen hiermit verbundenen Schlacht etwas ausgelöst hat, was Auswirkungen zeigt. Dies ist eine hilfreiche Technik, um das Umgebungsrecycling argumentieren zu können.

Bei der Krieger-Auswahl beschränkt man sich dieses Mal jedoch nicht auf die bekannten Serien, auf die sich Orochi bislang gestützt hat. Neben den chinesischen und japanischen Feudalkriegern bekommt man Unterstützung von Figuren aus anderen Tecmo Koei-Titeln. Warriors: Legends of Troy, das strategisch angehauchte Bladestorm: Der hundertjährige Krieg, das Action-Rollenspiel Trinity: Souls of O’Zill, Dead or Alive, Ninja Gaiden  - sie alle entsenden mindestens einen Krieger, um für Abwechslung zu sorgen. Über 120 Figuren lassen sich kombinieren, um ein möglichst schlagkräftiges Trio auf die Beine zu stellen. Johanna von Orleans kämpft an der Seite von Achilles? Kein Problem! Der Ninja Ryu Hayabusa soll ebenfalls eingreifen? Nur zu! Und Ayane soll nicht nur Zak verprügeln, Ryu unterstützen oder auf irgendwelchen Stränden Volleyball spielen? Jawollja! Bei dieser Anzahl treten jedoch auch immer wieder Balancing-Probleme auf: Manche Figuren wirken mächtiger als andere und sind vor allem in Kombination (so man sie denn findet) ein potentes Mittel, um mehr oder weniger problemlos durch den "normalen" Schwierigkeitsgrad zu rauschen.

Umfangreiches Drumherum

Vor allem dann, wenn man die Möglichkeiten wahrnimmt, die einem im Camp zur Verfügung stehen. Waffen können nicht nur gekauft, sondern auch "verschmolzen" werden, wobei die schwächere Waffe in der stärkeren aufgeht und man evtl. damit verbundene Boni ebenfalls einschmiedet. Natürlich funktioniert das auch mit Klingen, die man während der Gefechte findet.

Die Effekte sind ansehnlich, für die Kulisse im Allgemeinen gilt dies weniger...
Die Effekte sind ansehnlich, für die Kulisse im Allgemeinen gilt dies weniger...
Man findet bzw. bekommt eine Figur, zögert aber, sie ins nächste Gefecht mitzunehmen, weil sie deutlich unter dem Level des gerade favorisierten "Stamm-Teams" ist? Kein Problem: Neben der Erfahrung, die das gerade aktive Mitglied des Trios für erledigte Feinde sammelt, wird ein Teil auch in einen allgemeinen Pool ausgeschüttet. Diesen kann man verwenden, um das berüchtigte Grinden zu minimieren und gezielt Charaktere ohne Kampfeinsatz auf neue Stufen zu hieven, bevor man in den Krieg zieht. Auch der kooperative Online-Modus ist vom Camp aus erreichbar, wobei man zum einen nur wenig Mitspieler findet, zum anderen auf beiden Systemen von Lags gestört wird, so dass der üppige Story-Modus vorrangig offline seinen Reiz entfacht.

Mehr Strategie

Doch es ist nicht nur der schiere Umfang, der Orochi 3 vom üblichen Warriors-Einerlei abhebt und immer wieder dafür sorgt, dass man den mangelnden Fortschritt innerhalb der Grundmechanik nur selten bedauert.

Denn unter dem Strich findet man hier trotz der nur leicht verbesserten Knopfgehämmer-Schlachten das taktisch tiefste Warriors-Spiel seit langem. Damit meine ich nicht nur die Team-Auswahl per se, die beeinflusst, wie man sich schlägt. Denn zusätzlich haben viele Figuren untereinander einen Beziehungsstatus, der wiederum Boni und weitere Hilfen auf dem Feld der Ehre freischaltet. Dabei muss man nicht nur zwangsläufig die jeweilige Figur mit in den Kampf nehmen. Mal reicht es auch, Missionen für sie zu erledigen und später kann man sich die Freundschaften sogar im Teehaus teuer erkaufen.

Auch diese junge Dame kennt man aus einer anderen Tecmo Koei-Serie.
Auch diese junge Dame kennt man aus einer anderen Tecmo Koei-Serie.
Auch in strategischer Sicht findet eine positive Rückbesinnung statt: Zwar bestechen die Klonarmeen immer noch eher durch Masse als durch KI-Klasse, doch selten waren die Auswirkungen der eigenen Aktionen auf die mit einem kämpfenden Truppen und Generäle stärker zu spüren als hier. Mitunter habe ich mich positiv an die Kessen-Serie (ebenfalls Koei) oder Phantagrams Kingdoms under Fire-Debüt auf der Xbox erinnert gefühlt. Nicht nur, dass sich scheinbar mehr Truppen um mich scharen, wenn ich erfolgreich durch die Gegner pflüge: Auch die unabhängig von mir kämpfenden und dynamisch durch die Gebiete wandernden Offiziere mit ihren Gefolgsleuten wirken deutlich aktiver, effektiver und ziehen auch ohne mein Zutun Zwischenbosse aus dem Verkehr. Dass man nicht die Hälfte der Spielzeit mit "Babysitting" beschäftigt ist, tut der Dynamik nur gut!

Japanische Kommunikation

Ungewöhnlich ist die Entscheidung Koeis, dieses Mal den Kriegern nur japanische Sprachausgabe zu spendieren und diese Englisch zu untertiteln. Ich vermisse zwar das übertriebene Pathos der englischen Sprecher nicht. Doch angesichts der Flut an fernöstlicher Akustik, die auch während der Kämpfe auf einen einprasselt und über entscheidende Wendungen sowie Ereignisse informiert, wird man immer wieder durch die Untertitel abgelenkt, die einem diese Infos visuell weitergeben. Abgesehen davon wird durch die enorme Fülle an Sprachsamples eine interessante Atmosphäre aufgebaut, die auch von der Musik unterstützt wird. Die gibt sich für ein Warriors-Spiel erstaunlich untypisch und baut eher selten auf den japanischen Pop-Rock, den man eigentlich mit diesen Titeln assoziiert, sondern bietet einen interessanten Mix. Schnelle Beats wechseln sich ab mit ruhigen Melodien oder traditionellen fernöstlichen Kompositionen.

Fazit

Wer hätte das gedacht? Ausgerecht die eher als Nebenprodukt entwickelte Warriors Orochi-Serie entpuppt sich mit ihrem dritten Teil als fortschrittlichste Variante der seit Jahren stagnierenden Massenschlachten. Mit über 120 Charakteren,  aus denen man sein Kämpfertrio zusammenstellen kann, haufenweise modifizierbaren Waffen sowie einem Freundschaftssystem, das auch auf dem Schlachtfeld Wirkung zeigt, wird eine interessante taktische Grundlage für die Massenkeilereien gelegt. Außerdem sind die Auswirkungen der eigenen Aktionen in den Kriegsgebieten hinsichtlich Moral sowie Kampfverhalten der anderen Armeeteile deutlich spürbarer, so dass auch der strategische Faktor stärker betont wird als in den letzten Warriors-Titeln. Schade ist allerdings, dass die Kampfmechanik immer noch zu oberflächlich ist und die Technik keinerlei Fortschritte macht. Dennoch: Wer bislang immer einen weiten Bogen um alles gemacht hat, was mit Koeis Warriors-Spielen zu tun hatte, könnte von Orochi 3 eines Besseren belehrt werden.

Wertung

360

Die Massenschlachten aus dem Hause Koei waren in den letzten Jahren selten so unterhaltsam wie hier.

PlayStation3

Die Massenschlachten aus dem Hause Koei waren in den letzten Jahren selten so unterhaltsam wie hier.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.