Klettern auf Schienen 3.0
Natürlich habe ich mich zwangsläufig mittlerweile an die Klettermechanik auf Schienen gewöhnt. Dennoch kann ich in Zeiten von Uncharted 3 (auch nicht gerade eine Ausgeburt
Auch wenn es im revolutionären Amerika nicht so weit nach oben geht wie im Italien der Renaissance: Die Klettermechanik ist so weit auf störungsfreien Spielfluss getrimmt, dass es schädlich wird.
an Kletter-Innovation) und vor allem dem Ubi-eigenen I Am Alive nicht nachvollziehen, wieso man immer noch den gefahrlosen Flow einem Spielfluss verbunden mit (zumindest leichter) Herausforderung vorzieht. Wobei ich das neue Schwingen von Ast zu Ast und das "Durchlaufen von Astgabeln", also die Automatismen in der Horizontalen begrüße. Für mich passt es zum naturverbundenen Indianer Connor, dass er sich durchs Geäst nahezu so schnell und mühelos fortbewegt wie auf einer Straße. Doch sobald es in die Vertikale geht und er eigentlich Anstrengung aufwenden müsste, hätte man doch eine optionale Komponente für all diejenigen einbauen können, die nicht durchrauschen möchten und bei der man z.B. eine Taste zur Rettung drücken muss, bevor er in Absturzgefahr kommt. Gleiches gilt für besonders gefährlich scheinende Sprünge.
Damit könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das Klettern an sich würde reizvoller und Verfolgungsjagden über die Dächer bekämen eine zusätzliche Spannungskomponente, da bei einem Scheitern die Gegner die Flucht doch noch vereiteln oder einen ins Visier ihre Musketen nehmen könnten. Ich verlange gar nicht, dass Ubisoft sich komplett von bekannten Mechanismen abwendet -obwohl ich mit meiner Neugier gar nicht hinter dem Berg halten möchte, mit was man alternativ für Spannung sorgen könnte-, doch es würden schon kleine Modifikationen des Vorhandenen ausreichen, um das Erlebnis von semiautomatischem Autopilot in Richtung interessanter Spielfluss zu drehen - auch ohne irgendwelche Zielgruppen zu verschrecken.
Anvil Next
War es Zeit für eine neue Engine? Mit einem Auge auf AC Revelation schielend, sage ich "Ja!" Denn so imposant die Panoramen im Italien der Renaissance waren, so sehr wurde der Grafikmotor schließlich in die Knie gezwungen. Und auch, wenn in der neuen Welt noch nicht alles optimiert wurde oder aus einem Guss scheint, hilft der visuelle Fortschritt, Teile der mechanischen Stagnation zu egalisieren. Angesichts der Größe der Areale kann ich über gelegentliche Pop-ups oder merkwürdige Fade-ins in der Landschaft, den krümelige
Die Anvil Next-Engine zaubert trotz Mankos immer wieder stimmungsvolle Panoramen.
Eigenschatten der Figuren und sogar über einige der allgegenwärtigen Kleidungs-Clippings oder die sporadisch in den Keller gehende Sichtweite hinwegsehen. Denn im Gegenzug bekommt man teils wunderschöne Panoramen, dicht bewachsene Wälder und idyllische Lichteffekte zu sehen. Wenn der Nebel über den See wabert und sich an die Hügel schmiegt, während die Sonne herrlich golden aufgeht, möchte man diesen Moment einfach nur genießen und spürt fast die frische Morgenluft in seinen Lungen. Doch auch die stimmungsvolle Kulisse kann nicht verhindern, dass auch die Wildnis zu schnell an Reiz verliert. Man kann zwar auch hier wieder viel machen, doch Spannung kommt nur in der Anfangsphase auf. Spätestens in dem Moment, wenn man seinen ersten Bären erlegt hat (natürlich viel zu einfach über simple Reaktionstests) und damit quasi an die Spitze der Nahrungskette vorrückt, geht der zum Stöbern und Forschen verleitenden Umgebung die Puste aus.
Wer nichts mit Natur anfangen kann, kann sich stattdessen an einem weiteren Markenzeichen der Serie ergötzen: Der ausgefeilten sowie sorgsam recherchierten Architektur sowie dem darauf abgestimmten Artdesign. Man hat zwar nicht die majestätischen Höhen der italienischen Renaissance-Gebäude zur Verfügung, doch die Aufbruchstimmung der neuen Welt sowie die an die englischen Ursprünge erinnernden Siedler-Gebäude der beiden Metropolen sind immer wieder ein Blickfang – ganz zu schweigen von den Mastenwäldern der in den Häfen vor Anker liegenden Schoner, Frachtschiffe oder mit Kanonen gespickten Fregatten.
Fast wie Total War
Artdesign und sorgsam recherchierte Archtitektur gehörten seit jeher zu den Stärken der Serie.
Die potente Engine hat auch keine Probleme, Schlachten mit mehreren hundert Teilnehmern bei gleichzeitigem Musketenfeuer oder dem wuchtigen Einschlag von Kanonenkugeln darzustellen. In den wenigen Momenten, in denen man wichtigen Kriegsereignissen beiwohnt, ist das Mittendrin-Gefühl enorm. Dennoch finden sich auch immer wieder Momente abseits der bereits angesprochenen Mankos, in denen Anvil Next nur wie ein leicht geöffnetes Fenster in die nächste Generation wirkt. Rasen wird ausgerollt, manche Büsche bestehen aus nur wenigen Copy-Paste-Bitmaps und auch bei einigen Texturen fehlt das letzte Detail, das vielleicht erst mit den Nachfolgern der aktuellen Konsolensysteme geliefert werden kann.
Beim Figurendesign sowie Animationen und Mimik muss man zwischen den detaillierten Hauptfiguren auf der einen sowie NPCs und Nebencharakteren auf der anderen Seite differenzieren. Während Connor, Haytham und vor allem Charles Lee als einer der Antagonisten über eine ausdrucksstarke, glaubwürdige sowie facettenreiche Mimik verfügen, bei der man auch kleine Emotionen gut ablesen kann, bleiben andere Figuren deutlich hinter diesem Standard zurück. So bleibt ein insgesamt zwar nach wie vor stimmungsvoller, aber auch uneinheitlicher Gesamteindruck.