MUD - FIM Motocross World Championship11.06.2012, Michael Krosta
MUD - FIM Motocross World Championship

Im Test:

Milestone und Zweiräder - das gehört zusammen, seitdem die Italiener vor über zehn Jahren mit ihren Superbike-Simulationen Maßstäbe auf dem PC setzten. Doch dieses Mal weichen die Rennmaschinen den MotoCross-Bikes und die asphaltierten Hochgeschwindigkeitskurse werden von staubigen Geländepisten abgelöst. Ist Mud eine gelungene Anlaufstelle für Offroad-Fans?

In den Staub

Seitdem THQ die MX vs. ATV-Reihe nach dem ordentlichen Reflex vorerst eingemottet hat, mangelt es an Alternativen: Zwar sorgen auch Titel wie Pure oder zuletzt Mad Riders für aufregende Duelle auf Quads und Bikes, doch sind die meisten der aktuellen Offroad-Spiele mittlerweile zu sehr auf den actionreichen Arcade-Spaß zugeschneidert. Und Mud? Hier geht es schon allein aufgrund der offiziellen FIM-Lizenz etwas seriöser zu, die die zwölf Läufe der MX1- und MX2-Meisterschaften inklusive aller Fahrer sowie Hersteller beinhaltet. Eine Simulation braucht man trotzdem nicht zu erwarten, doch dazu später mehr...

Der Weg zur Meisterschaft

Der Streckenoberfläche verformt sich in Echtzeit.
Der Streckenoberfläche verformt sich in Echtzeit.
Der offizielle Modus bietet neben Einzelrennen auch das Absolvieren der kompletten WM - alternativ darf man sich auch eigene Meisterschaften zusammenstellen. Zusätzlich hat man die Wahl, ob man auch die Qualifikation bestreitet und die Wochenenden von zwei auf lediglich ein Hauptrennen kürzt. Sitzt man auf dem Sattel und stürzt sich ins erste Rennen, stellt man schnell fest, dass die Spielmechanik simpel gestrickt ist: Musste man bei MX vs. ATV noch einen gewissen Rhythmus bei den Strecken erlernen und geschickt sein Gewicht verlagern, reicht hier eine einfache Vollgas-Mentalität aus, bei der man nur vor Kurven den Bremszug betätigen muss. Die Haltung des Fahrers spielt kaum eine Rolle - auch nicht vor Sprüngen, bei denen man mit Körpereinsatz nicht für zusätzlichen Schwung sorgen kann. Anstatt in der Luft ein ganzes Repertoire an möglichen Tricks abzuspulen, beschränkt man sich in den Rennen lediglich auf zwei Varianten: Der Scrub wird aktiviert, indem man eine Taste drückt und hält, bevor man abhebt, so dass der Fahrer sein Bike in der Luft schräg hält. Dabei kann man nicht einmal beeinflussen, in welche Richtung der Scrub ausgeführt wird. Lässt man den Knopf rechtzeitig wieder los und setzt ohne Unfall auf, wird man mit einem kleinen Geschwindigkeitsboost belohnt, der bei einem perfekten Timing entsprechend größer ausfällt. Spätestens jetzt wird klar, dass Milestone im Gegensatz zur SBK-Serie hier keine Simulation abliefern will. Und dann gibt es noch den Whip, der eigentlich nicht anderes ist, als ein vermasselter Scrub-Versuch, bei dem man die Taste erst zu spät in der Luft drückt. Entsprechend fällt der Boost bei der Landung nach einem Whip flach.

Die Arena ruft

Da Tricks damit im normalen Renngeschehen sehr kurz kommen, hat Milestone einen zusätzlichen Modus spendiert, in dem man sich in sechs Arenen an Rampen austoben kann - und die findet man auch an ungewöhnlichen Orten wie einem Flugzeugträger. Hier dürfen dann munter knapp 30 Aktionen vom Stapel gelassen werden, mit denen man Punkte sammeln und das Publikum beeindrucken kann. Trotzdem bleibt das Tricksystem sehr oberflächlich - vor allem wenn man bedenkt, was die Mitbewerber bieten.

Der Scrub sorgt - richtig ausgeführt - für einen kurzen Boost.
Der Scrub sorgt - richtig ausgeführt - für einen kurzen Boost.
Mit den 12 Staubpisten in Ländern wie Deutschland, Italien und den USA ist der offizielle Modus relativ schnell erledigt, zumal die Strecken weder besonders lang sind noch sich stark voneinander unterscheiden. Das zusätzliche Event Monster Energy FIM Motocross of Nations ist keine große Bereicherung, da es nur einen weiteren Kurs beinhaltet.

Das Streckendesign mag an sich in Ordnung sein, entpuppt sich im Zusammenhang mit dem Scrub-System aber oft als kontraproduktiv. Worin liegt der Sinn, wenn ich nach einem erfolgreichen Scrub mit einem Geschwindigkeitsboost belohnt werde, aber kurz nach der Landung schon die nächste scharfe Kurve wartet? Ohne Witz: Auf einigen Pisten ist man besser bedient, auf den Einsatz des Scrubs zu verzichten - egal, wie oft man während des Rennens darauf hingewiesen wird, doch die entsprechende Taste zu drücken.

MotoCross-RPG?

Die Strecken sind so designt, dass man oft abhebt.
Die Strecken sind so designt, dass man oft abhebt.
Mehr Tiefgang und Umfang als die offizielle Meisterschaft bietet die Mud World Tour, bei der Milestone erneut Rollenspiel-Elemente aufgreift, die damals bei SCAR für Innovation und Motivation sorgten. Leider fallen die Möglichkeiten hier sehr viel geringer aus: Die vier Charaktere, von denen man drei erst durch gewonnene Preisgelder kaufen kann, können lediglich in den Bereichen Ausdauer, Instinkt, Wendigkeit und Kraft verbessert werden. Einen eigenen Fahrer darf man sich hier leider nicht in einem Editor basteln - selbst das Equipment wie Anzüge, Handschuhe etc. wird größenteils festgelegt. Musste man bei Alfa Romeo-Raser noch diverse Gegenstände sinnvoll miteinander kombinieren, beschränkt man sich hier nur auf das Wesentliche und levelt sich gegen Bezahlung in den vier Bereichen nach oben. Ausdauer verlängert den Temposchub, den man sich durch das Trinken eines Energy Drinks verschaffen kann, während ein besserer Instinkt quasi das Gleich bei erfolgreichen Scrubs bewirkt. Wendigkeit macht den Fahrer dagegen schneller in Kurven und mehr Kraft sorgt für eine höhere Stabilität, wenn man über den holprigen Belag rast, der sich in Echtzeit verformt. Trotzdem hat man oft das Gefühl, dass der Kontakt zwischen Reifen und Boden nicht gut eingefangen wird. Stattdessen wirkt es manchmal so, als würde man eher über den Untergrund gleiten. Stürze sind ohnehin die Ausnahme - es sei denn, man landet nach einem Sprung unglücklich oder wird von der KI über den Haufen gefahren, was aber nur sehr selten passiert. Insgesamt ist die Stabilität von Anfang an erstaunlich hoch und das Fahren wirkt fast schon etwas zu simpel. THQs Reflex wirkte in dieser Hinsicht jedenfalls deutlich spannender - auch weil man die häufigen Beinahe-Stürze noch durch schnelle Reaktionen abfangen konnte.

Die Pisten führen um die ganze Welt, unterscheiden sich aber nicht so stark voneinander.
Die Pisten führen um die ganze Welt, unterscheiden sich aber nicht so stark voneinander.
Jeder der vier Charaktere wurde mit einem besonderen Talent geboren, was ihn zu Spezialisten für Ausscheidungsrennen, Tricks, Kontrollpunktrennen oder Duelle macht. Einen großen Unterschied spürt man zwar nicht, doch spült es mehr Geld in die Kasse, wenn man mit einem Spezialisten im jeweiligen Modus antritt. Das Ersparte wird nicht nur in den Zugang zu weiteren Events investiert, sondern auch in so genannte „Karten“, mit denen man neue Ausrüstung wie Sturzhelme, Energy Drinks oder den Wechsel in ein anderes Team kaufen kann, mit dem man gleichzeitig die persönlichen Anforderungen höher schrauben kann. Je besser das aktuelle Team, desto höher die Erwartungen, auf welchem Platz man bei den Mini-Meisterschaften rund um die gut 50 Karriere-Events landen muss.

Wie am Gummiband

Doch große Sorgen hinsichtlich des Anspruchs braucht man sich ohnehin nicht zu machen: Wie bereits gesagt, verzeiht die Fahrphysik viele Fehler und setzt kein Feingefühl voraus. Zudem sorgt eine Gummiband-KI dafür, dass das Starterfeld von insgesamt 15 Bikern nah beisammen gehalten wird. Zwar kann man sich nicht deutlich vor den Konkurrenzen absetzen und verschenkt dadurch schon mal in letzter Sekunde einen Sieg, doch verliert man auch nicht den Anschluss, wenn man nach einem Sturz weit zurückfällt.

Die Fahrphysik ist recht simpel gestrickt - die Bikes lassen sich gut kontrollieren.
Die Fahrphysik ist recht simpel gestrickt - die Bikes lassen sich gut kontrollieren.
Die leichten RPG-Ansätze der World Tour sind nett, lassen aber Tiefgang vermissen. Die kleine Auswahl an Modi sorgt im Zusammenspiel mit den wenigen Strecken ebenfalls schnell für Ernüchterung, weil sich alles zu schnell wiederholt. Zudem hat es Milestone völlig verpennt, auch kleine Setup-Einstellungen oder gar die Zusammenstellung von (Tuning-)Teilen für die Motorräder zu ermöglichen. Auch in diesem Punkt ist die Konkurrenz den Italienern wieder meilenweit voraus. Immerhin hat man den Fotomodus aufgepeppt, der jetzt mehr Spielereien mit Effekten erlaubt. Die Frage ist nur: Will man überhaupt Aufnahmen von diesen Pisten haben? So toll sehen Kulisse, Bikes und Fahrer nämlich nicht aus, dass man es unbedingt fotografisch festhalten will. Alles wirkt detailarm, spröde und veraltet - vor allem, wenn man Titel wie Pure als Vergleich heran zieht, obwohl der Titel der Black Rock Studios mittlerweile auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Wer zudem gerne in einer Helm- oder Lenkeransicht loslegt, wird ebenfalls enttäuscht, da Mud lediglich Außenperspektiven bietet. Aber es ist ja nichts Neues, dass Milestone nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch mittlerweile hinterher hinkt...

Rudimentärer Online-Modus

Dank Gummiband bleibt das Starterfeld meist dicht zusammen.
Dank Gummiband bleibt das Starterfeld meist dicht zusammen.
Auch hinsichtlich des Mehrspielermodus hat man den Anschluss verpasst: Anstatt besonders für die Trick Battles eine Möglichkeit anzubieten, Herausforderungen direkt an Freunde zu schicken oder spannende Online-Duelle um die höchste Punktzahl zu ermöglichen, bietet man lediglich Einzelrennen an - das war's! Zugegeben: Der Netzcode wirkt selbst bei maximal 12 Fahrern stabil  und leidet nur selten unter Lags, aber da wäre sehr viel mehr drin gewesen als das, was Milestone hier auftischt. Vor allem der Ausschluss der Trick-Arenen sorgt bei mir für Kopfschütteln und auch eine Splitscreen-Option sucht man vergebens. Stattdessen wurde hier eine Onlinekomponente hingeklatscht, die rudimentärer kaum sein könnte. Immerhin hat man noch an die Option gedacht, das Feld mit KI-Piloten aufzufüllen. Eine gute Entscheidung, denn trotz des separaten Rangsystems und Bestenlisten wird den meisten Spielern sicher schnell die Lust an den eintönigen Online-Events vergehen.

PC-Spieler benötigen übrigens ein Gamespy-Konto, um überhaupt online an den Start gehen zu dürfen. Überhaupt ist eine Internetanbindung Pflicht, denn erst nach einer Überprüfung des mitgelieferten Codes darf das Spiel gestartet werden. Dazu gesellt sich eine Beschränkung auf drei Aktivierungen - eine Maßnahme, mit denen man sich ganz bestimmt richtig viele Freunde im PC-Lager macht.

Fazit

Mit der Verbindung von Rennspiel und Rollenspiel-Elementen hat Milestone mit SCAR für eine kleine Revolution gesorgt, die mich damals prima unterhalten und frischen Wind ins Genre gebracht hat. Der Versuch, diesen Ansatz in die MotoCross-Welt von Mud zu übertragen, ging leider daneben: Zu oberflächlich wirkt das System, zu eintönig die wenigen Modi und Strecken. Dazu vermisst man einen gewissen Anspruch, angefangen von der simplen Fahrphysik über fehlende Einstellungsmöglichkeiten bei den Bikes bis hin zum rudimentären Tricksystem, der Gummiband-KI und dem peinlichen Onlinemodus. THQs Ausflüge in Offroad-Gefilde mögen zwar auch nicht das Gelbe vom Ei gewesen sein, doch gab es dort neben zusätzlichen ATVs eine größere fahrerische Herausforderung, ein im Vergleich gigantisches Trick-Repertoire und vor allem ein viel besseres Offroad-Feeling! Mud bleibt dagegen in seinem eigenen Matsch stecken - da hilft auch kein Energy Drink mehr...

Pro

offizielle Lizenz
leichte RPG-Elemente in Karriere
Geländeverformung in Echtzeit

Kontra

Boost-Funktion passt nicht zum Streckendesign
mangelhaftes Kontaktgefühl zwischen Maschine und Piste
Gummiband-KI
kein Tricksystem (abseits der oberflächlichen Trick-Battles)
keine Anpassungen an Motorrädern möglich
sehr rudimentärer Onlinemodus (nur Einzelrennen)
kein Charakter-Editor

Wertung

360

Milestone rast in den Matsch - und bleibt dort mangels Anspruch und viel Oberflächlichkeit stecken.

PlayStation3

Milestone rast in den Matsch - und bleibt dort mangels Anspruch und viel Oberflächlichkeit stecken.

PC

Bis auf limitierte Aktivierungen und Gamespy-Zwang identisch zu den Konsolenfassungen.

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