F1 201220.09.2012, Michael Krosta
F1 2012

Im Test:

Sechs Weltmeister im Starterfeld, unberechenbare Pirelli-Reifen und das USA-Comeback auf der neuen Piste in Texas: Die Formel Eins hat in dieser Saison wieder einiges zu bieten. Mit F1 2012 (ab 3,86€ bei kaufen) will Codemasters die Faszination der Königsklasse einfangen und den Fans ein intensives Rennerlebnis bieten, das sich noch näher an der Realität bewegt. Gleichzeitig möchte man Anfängern und Gelegenheitsrasern mit einer Fahrschule sowie neuen Modi entgegen kommen. Beste Voraussetzungen für einen Besuch auf dem Award-Podest?

Da fehlt doch was...

Rekordchampion Michael Schumacher ist der Pechvogel der diesjährigen Formel Eins-Saison. So viele Ausfälle, so viele mechanische Defekte und wenn es mal läuft, fehlt dem AMG Mercedes meist das Silberpfeil-Gen, um ganz vorne mitzumischen. Im wahren Leben ist der achte WM-Titel für den Kerpener also in weiter Ferne. Aber wäre es nicht schön, den F1-Opa zumindest im Spiel wieder von einer Siegesserie zur nächsten zu führen? Wäre es nicht klasse, mit Sebastian Vettel den WM-Hattrick perfekt zu machen? Wäre es nicht ein feiner Zug, selbst einen Außenseiter wie den Inder Narain Karthikeyan oder Timo Glock zum virtuellen Weltmeister zu küren - also Fahrer, die in der Realität derzeit keine Chance auf einen solchen Erfolg haben?

In der Vergangenheit war das alles dank des Grand Prix-Modus möglich. In meiner Vorschau zu F1 2012 habe ich Codemasters sogar noch ausdrücklich dafür gelobt, die Serie mit neuen Modi und Elementen ständig zu erweitern anstatt nur Updates mit Minimalaufwand abzuliefern oder Inhalte zu kürzen. Bei der Testfassung dann der Schock: Die Entwickler haben den Grand Prix-Modus gestrichen! Es gibt also weder die Möglichkeit, mit einem der 24 lizenzierten Fahrer eine Saison zu bestreiten, noch darf man sich einen individuellen Rennkalender mit seinen Lieblingspisten zusammenstellen. Das alles war in den beiden Vorgängern möglich. Einzig in Einzelrennen, beim Zeitfahren und diversen vorgefertigten Szenarien schlüpft man in die Overalls der realen Vorbilder. Wer auch immer für die glorreiche Idee verantwortlich ist, den beliebten GP-Modus zu streichen: Derjenige gehört geteert und gefedert! Ich empfinde es als bodenlose Frechheit, etwas so Elementares aus dem offiziellen Spiel zur F1-Saison 2012 zu entfernen. Das wäre so, als würde EA ein neues FIFA veröffentlichen, aber nur Freundschaftsspiele mit den lizenzierten Teams erlauben, sie vom Ligabetrieb oder Turnieren aber ausschließen.

Fahrschule als Pflichtveranstaltung

Am Anfang der Karriere startet man in einem der schwächeren Teams.
Am Anfang der Karriere startet man in einem der schwächeren Teams.
Der Weg zum WM-Titel im originalgetreuen Rennkalender mit seinen 20 Strecken führt also über die überarbeitete Karriere, die viel an Charme eingebüßt hat. Warum? Zum einen hat man die stylische Menüführung im Motorhome durch langweilige Textfenster und Tabellen ersetzt, in denen man sich Zeitungsausschnitte, E-Mails und den aktuellen WM-Stand anschauen kann - also quasi das, was man früher am Laptop getan hat. Durch die öde Aufmachung wirkt die Karriere jetzt noch trockener als früher. Doch auch inhaltlich hält sich die Begeisterung zunächst in Grenzen - vor allem die erste Saison, in der man als Nummer Zwei-Fahrer keinen Einfluss auf die Weiterentwicklung des Boliden nehmen kann, ist kein Zuckerschlecken. So fährt man nur ein Rennen nach dem anderen, deklassiert im Idealfall seinen Kollegen und hat im Team trotzdem nichts zu sagen. Zum anderen wurden die Interviews verbannt, die zwar ohnehin kaum Einfluss auf das Geschehen hatten und sich schnell abnutzten, aber trotzdem eine Bereicherung für die F1-Atmosphäre abseits des Cockpits waren. Von ihr ist ohnehin nicht viel zu sehen: Ich vermisse auch in diesem Jahr echte Siegerehrungen auf dem Podest mit Nationalhymnen und Champagnerduschen, Grid-Girls in der Aufstellung sowie einen Blick auf den Rummel abseits der Piste. Stattdessen gibt es wieder nur eine Auswahl an Parc Fermé-Szenen, an denen man sich schnell satt gesehen hat. Wäre es nicht cool, wenn man nach dem Sieg noch eine Ehrenrunde drehen dürfte, anschließend selbst den Wagen in der Boxengasse abstellt und nach dem Wiegen persönlich den Weg zum und auf das Podest beschreiten dürfte?

Das Lotus-Team ist mit den Renault-Motoren eine der großen Überraschungen der Saison 2012.
Das Lotus-Team ist mit den Renault-Motoren eine der großen Überraschungen der Saison 2012.
Bevor man die Karriere in Angriff nehmen kann, ist ein Besuch beim Young Drivers Test verpflichtend. Bei dem neuen Modus handelt es sich um eine Fahrschule, in der vor allem Anfänger durch Videos und Tests mit den F1-Boliden sowie Funktionsweisen von KERS und DRS vertraut gemacht werden. Ärgerlich für Veteranen, denn auch sie müssen mindestens am ersten der beiden Testtage die Schulbank drücken, weil der Zugang zur Karriere erst im Anschluss gewährt wird. Viel Zeit muss man aber ohnehin nicht aufbringen: Nach einer knappen halben Stunde sind schon alle Prüfungen abgeschlossen - da wäre definitiv mehr möglich gewesen. Schade zudem, dass die Videos nur mit der Engine-Grafik dargestellt werden. Für die Anschauungsbeispiele hätte ich mir Szenen aus der realen Formel Eins gewünscht. Immerhin hat man F1-Testfahrer Anthony Davidson als Berater verpflichtet, der für jede Strecke ein Tutorial eingesprochen hat und dabei wertvolle Tipps hinsichtlich der Ideallinie, der verwendeten Gängen etc. gibt. Telemetriedaten darf man allerdings nicht analysieren - schade.

Viele Vorschriften

Michael Schumacher beim Versuch, seinen Gegner außen zu überholen.
Michael Schumacher beim Versuch, seinen Gegner außen zu überholen.
In der Vergangenheit hat Codemasters den Spielern viel Freiheit gegeben, wie sie sich ihr Formel Eins-Erlebnis gestalten wollen. Wer kein Qualifying und lediglich Rennen über drei Runden fahren wollte, bekam genauso die Gelegenheit dazu wie nur bei schönstem Sonnenwetter an den Start zu gehen. Damit ist es jetzt vorbei, denn hinsichtlich der Karriere macht man ungewöhnlich viele Vorschriften: Erst wer bei jeder Strecke eine Mindestdistanz von 25% absolviert, darf überhaupt antreten. Möglichen Wetterkapriolen kann man in den Einstellungen ebenfalls nicht mehr aus dem Weg gehen. Der Qualifikationslauf wird außerdem zur Pflichtveranstaltung, doch haben sich die Entwickler immerhin eine zeitsparende Alternative überlegt. Wer keine Lust auf die drei vollen Qualifying-Sessions oder die verkürzte Variante hat, bekommt hier mit der Blitz-Qualifikation eine weitere Möglichkeit, bei der nur eine schnelle Runde gegen den Geisterwagen des Führenden absolviert wird - ein schöner Zusatz. Trotzdem fühle ich mich hier zu sehr von Codemasters dazu gegängelt, die Karriere so zu spielen, wie sie es für richtig halten. Ich vermisse viele der Freiheiten aus den letzten Jahren.

Das gilt auch für das Thema Reifenverschleiß, das dank Pirelli von größerer Bedeutung ist als jemals zuvor. Von daher kann ich es nachvollziehen, dass die Entwickler den Abbau der Pneus als einen wichtigen Bestandteil der aktuellen F1 auch im Spiel umsetzen wollen. Aber ist es tatsächlich ein Grund, das Deaktivieren der Abnutzung komplett zu verbieten? Ich denke nicht, aber genau das wurde getan. Hinzu kommt, dass der Abbau des Gummis nicht so unberechenbar wirkt wie in der Realität, in der die Piloten mit einem plötzlichen Verlust der Bodenhaftung konfrontiert werden. Im Spiel lässt das Grip-Niveau dagegen nur in kleinen Schritten nach. Dem Spielverlauf kommt das sicher entgegen, realistisch ist es aber nicht, denn laut Fahrern wie Michael Schumacher kann man aufgrund der Reifenproblematik in der heutigen Formel Eins kaum noch am Limit fahren. Im Spiel ist es dagegen selbst auf angefahrenen Reifen immer noch locker möglich. Hardcore-Fans dürften sich daran stören; mir gefällt der gewählte Kompromiss, da ich zwar den Reifenverschleiß spüre, aber nicht dazu gezwungen werde, so vorsichtig zu fahren wie die realen F1-Piloten. Dass ich aber nicht selbst darüber entscheiden kann, ob ich die Abnutzung aktivieren will oder nicht, gefällt mir weniger.

In höheren KI-Stufen geht es eng, aber meistens fair zu.
In höheren KI-Stufen geht es eng, aber meistens fair zu.
Mechanische Defekte sind ebenfalls ein Punkt, auf den man in den Optionen keinen Einfluss nehmen darf. So kann es durchaus passieren, dass KERS über einige Runden ausfällt oder DRS nicht richtig funktioniert. Schwere Zwischenfälle wie Motorenplatzer oder Getriebeprobleme traten während meiner vielen Testkilometer allerdings nicht auf - weder bei mir noch bei der Konkurrenz. Bisschen inkonsequent, oder? Was mich ebenfalls nervt: Warum schafft es Codemasters nicht, endlich einen Editor zum Erstellen einer eigenen Spielfigur zu integrieren, so dass ich nicht länger mit der leicht schielenden Vorlage Vorlieb nehmen muss? Auch beim Design der Helme würde ich mich lieber selbst kreativ austoben anstatt gezwungen zu werden, auf vorgefertigte Exemplare zurückzugreifen. Das Rangsystem habe ich außerdem immer noch nicht durchschaut und es ist mir ein Rätsel, warum und für was ich die entsprechenden Punkte nach dem Rennen bekomme.

Die Neuzugänge

Lange Geraden eignen sich hervorragend, um sich im Windschatten an den Vordermann heran zu saugen.
Lange Geraden eignen sich hervorragend, um sich im Windschatten an den Vordermann heran zu saugen.
Die neue Season-Challenge richtet sich vor allem an Leute, die nicht die geforderte Zeit in die klassische Karriere investieren wollen. Hier besteht eine Saison aus gerademal zehn Rennen zu jeweils fünf Runden inklusive Qualifying - selbstverständlich wird wieder alles streng vorgeschrieben, genau wie das dynamische Wettersystem, das neuerdings auch nur Teilbereiche der Strecke unter Wasser setzen kann. Der Clou am neuen Modus: Anstatt klassisch um WM-Punkte zu kämpfen, kann der Spieler hier jeden beliebigen Fahrer zu einem Duell herausfordern - und das in drei Schwierigkeitsgraden. Setzt er sich in mindestens zwei der drei folgenden Rennen gegen seinen Rivalen durch, darf er dessen Cockpit übernehmen. Und das führt zu einem Punkt, der mir sauer aufstößt, denn besiege ich z.B. Fernando Alonso und nehme in seinem Ferrari Platz, wird der Spanier aus den folgenden Läufen ausgeschlossen, bis ich sein Cockpit wieder freigebe. Klar, dass bei diesem Reglement die Fahrertabelle total verfälscht wird, wenn ich einen Piloten meiner Wahl einfach aus der Wertung herausnehmen kann. Zudem gibt es eine weitere Kuriosität, denn meine Figur wird nicht nur in den Boliden, sondern auch in den Rennanzug des besiegten Fahrers gesteckt. Es sieht lächerlich aus, wenn mein eigener Pilot nach einem Sieg feiert, aber auf dem Overall groß der Schriftzug „M. Schumacher“ prangt. Zudem ist die nüchterne Aufmachung an den Karrieremodus angelegt - entsprechend wirkt die Präsentation auch bei dieser abgespeckten Variante sehr trocken.  

Duell gegen Champions

Das Wettersystem kann neuerdings auch nur Teilbereiche der Strecke unter Wasser setzen.
Das Wettersystem kann neuerdings auch nur Teilbereiche der Strecke unter Wasser setzen.
Ebenfalls neu im Sortiment ist der Champions-Modus. Hier dreht sich alles um Herausforderungen rund um die sechs Weltmeister, die in diesem Jahr in der Formel Eins mitmischen. Vergleichbar mit den vorgefertigten Szenarien bei der „Zeitfahr-Attacke“ muss man bestimmte Aufgaben erfüllen, um die Champions in jeweils drei Schwierigkeiten zu schlagen. Dazu gehört z.B. eine wilde Aufholjagd auf frischen Reifen, ein packendes Duell im Regen oder ein erfolgreicher Neustart hinter dem Safety Car. Allerdings reicht es nicht immer, vor den (Ex-)Weltmeistern ins Ziel zu kommen - Ziele wie schnellste Runden werden in manchen der sieben Herausforderungen zusätzlich gefordert. Genau wie bei der Zeitfahr-Attacke sind Rahmenbedingungen wie Team, Strecke und Wetter festgelegt, doch mischen hier auch andere Fahrer mit. Der Champions-Modus ebenfalls eine schöne Ergänzung, doch viel Zeit wird man auch hier nicht investieren, da alle Herausforderungen schnell freigeschaltet und absolviert sind.

Tolles Fahrgefühl

Doch in erster Linie zählt das Erlebnis im Cockpit, wenn man sich im Windschatten an den Vordermann heran saugt, mit dem Einsatz von KERS und Kampflinie seine Position verteidigt und die etwa 750 PS starken Boliden auf dem Asphalt hält. Hier hat Codemasters schon in den letzten Jahren eine gute Figur gemacht und enttäuscht auch 2012 nicht: Die Steuerung via Controller reagiert jetzt noch direkter und Unebenheiten werden noch glaubhafter vom Fahrwerk abgebildet. Es macht einfach Spaß, sich hinter das Steuer der detailliert nachgebildeten Boliden mit ihren originalgetreuen Cockpits zu klemmen - auch weil die Fahrphysik weiterhin einen guten Kompromiss aus Simulation und Spielbarkeit darstellt. Ich wäre Codemasters trotzdem dankbar, wenn man in Zukunft auch einen Hardcore-Modus für Lenkradbesitzer anbieten würde, in dem man noch feinfühliger mit Gas, Bremse und der Lenkung umgehen müsste.

Die versetzte TV-Ansicht ist neu.
Die versetzte TV-Ansicht ist neu.
Im freien Training und der Qualifikation hat man in der Box die gewohnten Möglichkeiten, den Boliden hinsichtlich Aerodynamik, Getriebe, Fahrwerk und Bremsen auf die jeweilige Strecke sowie den eigenen Fahrstil abzustimmen. Alternativ wendet man sich an seinen Ingenieur und greift auf eine Auswahl an manuellen Setups zurück. Zudem lässt sich im Vorfeld die Taktik hinsichtlich des gewünschten Benzinmanagements festlegen: Wählt man den vorsichtigen Weg, hat man im Rennen viel Spielraum, die Motorendrehzahl zu erhöhen und mehr Leistung aus dem Aggregat zu quetschen. Allerdings steigt das Gesamtgewicht des Wagens, was sich negativ auf die Rundenzeiten und das Fahrverhalten auswirkt. Geht man aggressiv mit wenig Benzin und einem leichten Auto an den Start, läuft man dagegen Gefahr, kurz vor Ende plötzlich mit leerem Tank da zu stehen - ein Problem, mit dem einige Piloten in dieser Saison schon zu kämpfen hatten. So bleibt die normale Benzinstrategie der optimale Kompromiss für alle, die kein unnötiges Risiko eingehen wollen, aber trotzdem mit den drei Benzinmischungen im Rennverlauf experimentieren möchten. Schön zudem, dass sich die Teams hinsichtlich der Leistung mittlerweile stärker voneinander unterscheiden: In höheren Schwierigkeitsgraden ist es in Krücken wie einem HRT oder Marussia eigentlich nicht möglich, vorne mitzufahren.

Spannende Positionskämpfe

Auch im Spiel ist Alonso stark.
Auch im Spiel ist Alonso stark.
Die KI gab in der Vergangenheit immer wieder Anlass zur Kritik: Zu aggressiv war ihr Auftreten und irgendwie wollte das Schneckentempo, in dem sie sich im Rahmen der Qualifikation meist um den Kurs bewegten, nicht so recht zu den Rundenzeiten passen, die danach auf dem Monitor aufleuchteten. In dieser Hinsicht hat sich mittlerweile einiges getan, denn endlich haben die Konkurrenzen auf ihrer Jagd nach der Bestzeit das Gaspedal entdeckt und stehen nicht länger im Weg rum. Im Gegenteil: Befindet man sich gerade auf einer schnellen Runde, räumen sie sogar die Ideallinie, wenn sie gerade wieder auf dem Weg zurück zur Box sind. Von dort kann man jetzt auch in Echtzeit auf einer Karte verfolgen, wie die KI ihre Runden dreht. Trotzdem wäre es schön, wenn man auch direkt ins Cockpit der Fahrer schalten und ihre Fahrt live miterleben könnte.

Unter Druck

In Kurven reagiert die KI oft noch zu vorsichtig.
In Kurven reagiert die KI oft noch zu vorsichtig.
Allerdings spürte ich erst ab dem Profi-Level einen echten Druck, der jedoch je nach Strecke stark schwankt. Auf manchen Pisten muss man sich jeden Meter hart erkämpfen, auf anderen fährt man der Konkurrenz auf und davon. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die KI an scharfen Kurven und Schikanen immer noch zu vorsichtig agiert - und das selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad „Legende“, bei dem die Piloten die Messlatte eigentlich verdammt hoch legen. Beim Start lassen sie es aber ebenfalls zu gemütlich angehen, so dass man auf den ersten Metern problemlos viele Positionen gutmachen kann. Das gilt vor allem dann, wenn früh nach der Start-/Ziellinie die erste Kurve folgt.

Es fällt auf, dass die KI nicht mehr so verbissen agiert wie früher und ihre Abschussmentalität zurückgefahren hat – gut so! Als Folge dessen fühlen sich viele Überholmanöver fairer, aber gleichzeitig spannender an. Allerdings neigen die anderen Fahrer immer noch dazu, sich bei Überholversuchen den Frontspoiler zu beschädigen; ein Problem, unter dem schon der Vorgänger gelitten hat. Hin und wieder konnte ich außerdem seltsame Manöver der KI beobachten, die fast schon an Zickzack-Fahren erinnerten. Das Stauproblem in der Boxengasse wurde ebenfalls noch nicht ganz beseitigt. So kann es weiterhin passieren, dass man nach einem Stopp nicht sofort losfahren kann, weil man erst eine Karawane passieren lassen muss. Ich mache es einfach so wie im letzten Jahr und verlagere meine Boxenstopps eine Runde vor oder nach dem ursprünglich geplanten Besuch. Bei längeren Renndistanzen löst sich das Problem dagegen meist von alleine. Es ist schade, dass Codemasters zwar einige Kritikpunkte hinsichtlich der KI verbessern aber nicht vollständig eliminieren konnte. Trotzdem überwiegt das Positive: Ich habe in den zwei höchsten KI-Stufen viele fordernde Rennen und großartige Positionskämpfe erlebt, die meinen Puls in die Höhe getrieben und die Faszination Formel Eins klasse rübergebracht haben.

Die Augen der Stewards

Einen so zuverlässigen Silberpfeil wie im Spiel hätte sich auch Pechvolgel Schumacher für die laufende Saison gewünscht.
Einen so zuverlässigen Silberpfeil wie im Spiel hätte sich auch Pechvolgel Schumacher für die laufende Saison gewünscht.
Das überarbeitete Strafsystem trägt ebenfalls seinen Teil dazu bei: Endlich brummen mir die Stewards bei der kleinsten Berührung nicht länger eine Durchfahrtsstrafe auf. Verschaffe ich mir einen Vorteil und überhole unerlaubt, bekomme ich jetzt außerdem die Gelegenheit, den Fehler auch ohne die Rückspulfunktion rückgängig zu machen, indem ich den Konkurrenten innerhalb eines Zeitlimits wieder passieren lasse - prima! Trotzdem ist das System noch nicht perfekt: Ich habe z.B. KI-Fahrer erlebt, die mich trotz Gelbphase überholt haben, für die Aktion aber nicht bestraft wurden. Auch hinsichtlich der Bewertung von Abkürzungen zeigen sich Schwächen bei der Erkennung. Auf manchen Kursen kann man sich ungestraft abseits der regulären Piste einen gewaltigen Vorteil verschaffen, während man auf anderen schon eine Verwarnung bekommt, wenn man mit zwei Reifen die Strecke verlässt. Wie in den Jahren zuvor lassen sich die Flaggenregeln in den Optionen auch einschränken oder sogar ganz ausschalten. Schön: Zum ersten Mal wird auch das Überfahren der weißen Linie am Boxenausgang geahndet. Schade nur, dass die Boxenstopps zum großen Teil immer noch automatisiert ablaufen. Ab der Boxeneinfahrt hat man keine manuelle Kontrolle mehr über sein Fahrzeug - nicht mal den „Pit Limiter“ darf man selbst betätigen.

Schwaches Schadensmodell

Die Sichtverhältnisse bei Regenrennen sind übel - vor allem, wenn man in die Gischt des Vordermanns gerät.
Die Sichtverhältnisse bei Regenrennen sind übel - vor allem, wenn man in die Gischt des Vordermanns gerät.
Während die Entwickler das Strafsystem verbessert haben, bleibt hinsichtlich des Schadensmodells leider alles beim Alten. Kosmetische Schäden wie Verformungen, Kratzer und Beulen sehen zwar gut aus, doch Auswirkungen auf die Fahrphysik lassen sich kaum wahrnehmen. Hinzu kommt, dass das Schadensmodell so inkonsequent bleibt wie eh und je: Oft bleiben heftige Einschläge ohne große Folgen, beim nächsten Mal wartet dagegen der Totalschaden, den man nur mit Hilfe der optionalen Rückspulfunktion ungeschehen machen kann. Gerade bei Beschädigungen am Fahrwerk oder den Flügeln müssten die Entwickler die Auswirkungen auf die Fahrphysik besser und feinfühliger abbilden.

Wer ist die Nummer Eins im Team?

Eine gute Startposition ist die halbe Miete.
Eine gute Startposition ist die halbe Miete.
Im Mehrspielerbereich findet man die bekannten Modi vom schnellen über benutzerdefinierte Rennen bis hin zur Koop-Weltmeisterschaft, die im letzten Jahr eingeführt wurden. Hier bestreiten zwei Spieler eine ganze Saison als Teamkameraden, die um die Vormachtstellung kämpfen. Der Modus erfordert zwingend eine Onlineverbindung - Einzelrennen dürfen dagegen auch in einem lokalen Netzwerk ausgetragen werden. Duelle am geteilten Bildschirm für zwei Piloten sind ebenfalls wieder mit von der Partie - und das sogar am PC. Schön sind die vielen Anpassungsmöglichkeiten: Als Host darf man genau festlegen, welche Fahrhilfen erlaubt sind, welche Wetterverhältnisse herrschen und ob das volle Schadensmodell zum Einsatz kommt. Qualifikationen zur Bestimmung der Startpositionen dürfen ebenfalls ausgetragen werden, wenn auch nur in den beiden verkürzten Varianten. Gut so, denn es wäre sicher frustrierend für Leute, die bereits in Q1 rausfliegen und sich den Rest der Quali gelangweilt anschauen müssten. Für eine bessere Chancengleichheit darf man die Boliden optional übrigens auf eine identische Leistung trimmen, so dass auch ein HRT mit einem McLaren mithalten kann. Das Anlegen privater Lobbys ist genauso möglich wie die Einschränkung von Teilnehmern hinsichtlich ihres Online-Rangs. Insgesamt dürfen bis zu 16 Fahrer an den Mehrspieler-Rennen teilnehmen. Das restliche Starterfeld wird alternativ von KI-Piloten besetzt, so dass sich auch hier bis zu 24 Raser auf den Pisten tummeln. Schön: Man kann sowohl einzelne Piloten nach Wünsch hinzufügen (einschließlich separaten KI-Schwierigkeitsgraden) oder gleich in einem Rutsch alle vakanten Plätze füllen.

Im Testbetrieb offenbarten sich aber leider noch viele Probleme mit dem Netzcode: Über Steam konnten wir weder eine Qualifikation noch ein Rennen komplett austragen, weil schon nach wenigen Minuten die Verbindung zusammengebrochen ist. Sollte das in der Verkaufsfassung so bleiben, wäre der Onlinemodus in dieser Form unbrauchbar. Wir werden deshalb am Wochenende Gas geben und prüfen, ob die Probleme mit dem Netzcode zum Release behoben werden. Wie behalten uns deshalb vor, die Wertung gegebenenfalls nachträglich anzupassen, sollte der Onlinemodus unspielbar sein.

PC auf Pole Position

Vor allem am PC sehen die Boliden fantastisch aus - auch dank der neuen Beleuchtungseffekte.
Vor allem am PC sehen die Boliden fantastisch aus - auch dank der neuen Beleuchtungseffekte.
Rein technisch betrachtet könnte F1 2012 auf den ersten Blick als Zwilling des Vorgängers durchgehen. Doch im direkten Vergleich wird deutlich, dass Codemasters die Beleuchtung weiter optimiert hat und die Schauplätze dadurch noch einen Tick natürlicher wirken. Beim Sound hat man ebenfalls Hand angelegt: Nie zuvor hörte sich das aggressive Röhren der V8-Aggregate in den Formel-Boliden kerniger und bissiger in einem Spiel an als hier - ein Fest für die Ohren! Der Boxenfunk hat ebenfalls zugelegt und informiert mich nicht nur regelmäßig über Abstände und anstehende Boxenbesuche, sondern auch über die aktuelle Benzinstrategie meiner unmittelbaren Konkurrenten. Manchmal liegt er aber auch total daneben oder ist spät dran. So war ich nach meinem Boxenstopp oft schon längst zurück auf der Strecke, während aus dem Kopfhörer die Warnung kommt, dass ich doch bitte aufpassen soll, die weiße Linie nicht zu überfahren.

Wie schon bei den Vorgängern fährt F1 2012 auf dem PC dank besserer Kantenglättung, höherer Bildrate, feineren Grafikdetails (Partikel, F1-Modelle) und kürzeren Ladezeiten  technisch in einer anderen Liga als auf PS3 und Xbox 360. Vor allem auf der Sony-Konsole springen die Flimmerkanten ins Auge, während die Ego-Engine sich bei der Bildrate oft am Rand des Zumutbaren bewegt, doch auch auf der 360 stößt man offensichtlich langsam ans Limit der Leistungsfähigkeit. Wer einmal auf dem PC seine Runden gedreht hat, möchte deshalb nur noch ungern zur Konsole zurückkehren. Einige PC-Besitzer wird es zudem freuen, dass Codemasters in diesem Jahr Games for Windows den Rücken gekehrt und sich stattdessen für Steam entschieden hat.

Fazit

F1 2012 hatte das Zeug zum Award: Dank optimierter Steuerung, dem aufgebohrten Sound und vielen sinnvollen Verbesserungen im Detail (Strafsystem, Benzinmanagement, KI)  macht das Rasen in diesem Jahr noch mehr Spaß! Das gesamte Erlebnis im Cockpit wirkt runder, ausgereifter und noch packender als zuvor. Aber warum wurde der Grand Prix-Modus gestrichen? Es will mir nicht in den Kopf, wie man eine derart dämliche Entscheidung treffen kann! Ich will mit den bekannten Piloten nicht nur Einzelrennen bestreiten - nein, ich will Schumi zu seinem achten Titel führen oder mit einem Außenseiter wie Karthikeyan um die WM-Krone kämpfen. Dass mir diese Möglichkeit genommen wird, ist schon alleine ein Gold-Killer für mich. Doch auch die ungewöhnlich häufigen Vorschriften stoßen mir sauer auf. Warum kann ich Modi und Streckenkalender nicht mehr anpassen? Das alles sind dumme Design-Entscheidungen. Da bieten Neuzugänge wie die Season Challenge, die extrem kurze Fahrschule oder die Duelle gegen die Weltmeister zwar einen willkommenen, aber unzureichenden Ersatz. Die Karriere will in ihrem trockenen Erscheinungsbild auch nicht recht bei mir zünden. F1 2012 mag zwar hinsichtlich Fahrgefühl und Umfang der beste Teil der Reihe sein, doch hat Codemasters es immer noch nicht geschafft, einige bekannte Fehler und Schwächen (Stichwort: Schadensmodell, Boxenstopps) auszubügeln, die man jetzt schon jahrelang mit sich herum schleppt. Wer auf die aktuellen Lizenzen verzichten kann, ist mit dem Vorgänger deshalb weiterhin gut bedient und braucht F1 2012 nicht. Alleine wegen der Streichung des GP-Modus würde ich ihn der aktuellen Version sogar vorziehen… Ein großes Fragezeichen steht zudem noch hinter dem fehleranfälligen Netzcode: Sollte die Verkaufsfassung genauso unspielbar sein wie unsere Testversion, werden wir die Wertung ggf. noch nach unten korrigieren.

Pro

lizenzierte Teams, aktuelle Fahrer & Strecken
tolles Fahr- & Geschwindigkeitsgefühl
(meist) flüssige Darstellung (vor allem PC)
vorgefertigte & manuelle Setups
(optionales) Schadensmodell... 
anspruchsvolle KI (ab Profi-Stufe)... 
mechanische Defekte... 
diverse neue Modi (u.a. Fahrschule)
optionale Fahrhilfen
dynamisches Wettersystem
direktere Steuerung
taktisches Benzin-Management
Reifenverschleiß
verbessertes Strafsystem
gelungene Cockpitansicht
spürbarer Windschatten
Leistungsunterschiede zwischen Teams
Experten-Tutorial für jede Strecke
mehr Spannung dank KERS & DRS
authentische Motorenklänge
informativer Boxenfunk
ansehnliche Kulisse
(optionale) Rückspulfunktion
Safety Car enthalten
(eingeschränkte) Rückspulfunktion
Replays von kompletten Rennen
Koop-WM (online)
Splitscreen-Rennen möglich
LAN / System Link wird unterstützt

Kontra

keine klassische WM spielbar (Grand Prix-Modus)
kein eigener Rennkalender möglich
vorgeschriebene Mindestlänge bei Karriere-Rennen
sehr kurze Fahrschule & knapper Champions-Modus
...das sich kaum auf die Fahrphysik auswirkt
...mit Problemen an Schikanen und beim Start
...die sich nicht deaktivieren lassen
vereinzelte Aussetzer beim Strafsystem
dröge Karriere
vereinzelte Warteschlangen beim Boxenstopp
undurchsichtiges Karriere-Rangsystem
Boxenfunk nicht immer passend
Bildrate teilweise an der Schmerzgrenze (Konsolen)
kein Editor (Figur, Helmdesign etc.)
keine Einführungsrunden / Ehrenrunde / Siegerehrung
mitunter stark schwankender Schwierigkeitsgrad
viele Automatismen bei Boxenstopps
keine Telemetriedaten

Wertung

360

Einige Fortschritte, aber auch Stagnation und sogar schmerzhafte Rückschritte zeichnen den diesjährigen F1-Auftritt aus. Da war definitiv mehr drin...

PC

Technisch fährt die "Formel PC" in einer anderen Liga als die Konsolen!

PlayStation3

Technisch ist F1 2012 auf der PS3 leicht schwächer als auf der Xbox 360, aber inhaltlich sind beide Versionen identisch.

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