Double Dragon Neon18.09.2012, Paul Kautz
Double Dragon Neon

Im Test:

Double Dragon - kennt das noch einer? Einer der Urväter des Sidescroller-Prüglers; ein Genre, das Ende der 80er, Anfang der 90er die Gamepads beherrschte und heute fast ausgestorben ist. Aber eben nur fast.

Genau wie damals, nur in neon

Damit beginnt der Ärger: Marian kriegt wie üblich eine gelangt, Billy und Jimmy müssen sie retten.
Damit beginnt der Ärger: Marian kriegt wie üblich eine gelangt, Billy und Jimmy müssen sie retten.
Da sind sie wieder, Billy und Jimmy Lee: Blond, muskulös, wortkarg, mit vermisster Freundin. Diese Blondine, Marian ihr Name, stand mal wieder die Nägel polierend vor der Werkstatt der beiden, als ein Verbrecher-Trio angelatscht kam, ihr einen mächtigen Schwinger verpasste, sie über die Schulter warf und im Namen des teuflischen Herrscher-Skelettes Skullmageddon entführte. Oder wie es im Double-Dragon-Universum bekannt ist: Mittwoch Nachmittag.

Noch immer scrollt das Spielfeld in mehreren Ebenen von links nach rechts (und gelegentlich von unten nach oben), noch immer werden Argumente per Faust und Fuß vorgebracht. Die Steuerung ist einfach: Schlagen hier, Kicken da, Kombination aus beidem bewirkt nette Manöver. Außerdem kann man sich ducken, was insofern praktisch ist, als dass man dadurch, gutes Timing vorausgesetzt, nicht nur dem feindlichen Angriff ausweichen, sondern daraufhin auch kurzzeitig rot leuchtend und mit doppelter Kraft zurückschlagen darf - etwas, das gerade bei den Bossgegnern hilfreich ist.

Zu zweit kloppt es sich besser: Ein zusätzlicher Spieler darf jederzeit ein- und aussteigen. Leider nur lokal, nicht auch online.
Zu zweit kloppt es sich besser: Ein zusätzlicher Spieler darf jederzeit ein- und aussteigen. Leider nur lokal, nicht auch online.
Zusätzlich gibt es, wie beim Original diverse Waffen, vom Baseballschläger über die Peitsche bis hin zu Sichel, Bumerang oder Wurfmesser. Sowie hilfreiche Magie, dank der man u.a. mit Feuerbällen um sich werfen oder mächtig rotierende Roundhousekicks verteilen kann, die selbst Chuck Norris den Bart aus dem Gesicht prügeln würden.

Die gute alte Kassette

So weit, so gut, aber: Ab hier wird es fummelig. Denn die Steuerung ist nicht nur träge (als Beispiel sei die umständliche Anlaufanimation genannt, die jedes Mal abgespult wird, wenn man rennen möchte), auch ist das Timing des Duckens nie wirklich berechenbar - oft genug habe ich eins in die Fresse bekommen (und dann gleich noch ein paar hinterher), obwohl ich mir sicher war, dass ich mich rechtzeitig geduckt hatte. Was umso blöder ist, weil das Spiel ohnehin schon sehr schwer ist: Zwar ist es kurz (ein Durchlauf dauert kaum mehr als eine Stunde), aber auch oldschool. Was so viel bedeutet wie „Wenn alle Leben weg, dann Level von vorn, bitte“. Und die Leben sind verdammt schnell weg!

Zeit für ein brüderliches High-Five ist immer Zeit, auch und gerade im Angesicht des pausenlos drohenden Todes - hier in Form eines Killer-Hubschraubers.
Zeit für ein brüderliches High-Five ist immer Zeit, auch und gerade im Angesicht des pausenlos drohenden Todes - hier in Form eines Killer-Hubschraubers.

Es gibt mehrere Wege, den verfrühten Exitus so lange wie möglich hinauszuzögern, ohne gleich das ganze Spiel auswendig lernen zu müssen. Zum einen gibt es den prima Koop-Modus, dank dem ein zweiter Prügelknabe jederzeit hilfreich zur Seite springen darf - wenn auch nur lokal und leider nicht online. Zum anderen darf man sich in den seltenen Shops für das mit heftigem Gedresche verdiente Geld zusätzliche Chancen kaufen. Hinzu kommen Verbesserungen der Upgrades: Immer wieder lassen besiegte Gegner verschiedenfarbige Audiokassetten fallen, ab und zu kloppt man die auch aus den üblichen Telefonzellen oder Mülleimern. Mit diesen Tapes kann man die eigenen Werte verbessern, entwickelt so mehr Schlagkraft oder eine höhere Widerstandsfähigkeit. Je mehr Tapes der gleichen Sorte man aufsammelt, desto mehr Energie gibt’s. Und wem das nicht schnell genug geht, der kann im Shop auch zusätzliche Bänder kaufen.

In einem anderen Laden wartet der „Tapesmith“, und dieser harte Bursche hat keine Verwendung für schnöde raschelnde Scheine - er will nur „Mythril“. Mit diesen nach einem Bosskampf verteilten Steinen, kann man seine Tapes wirksamer machen, wodurch wiederum mehr Geld beim ersten Shop gelassen werden kann. Ein Teufelskreis, aber ein unterhaltsamer.

Nicht nur stehen den Brüdern diverse Waffen zur Verfügung, auch haben sie die Macht der Magie - wodurch u.a. ein dicker Drache für Schrecken unter den Feinden sorgt. Alle Upgrades sind in mehreren Stufen verbesserbar, man muss nur die Augen nach Geld, Kassetten und Mythril aufhalten.
Nicht nur stehen den Brüdern diverse Waffen zur Verfügung, auch haben sie die Macht der Magie - wodurch u.a. ein dicker Drache für Schrecken unter den Feinden sorgt. Alle Upgrades sind in mehreren Stufen verbesserbar, man muss nur die Augen nach Geld, Kassetten und Mythril aufhalten.

I WANNA ROCK!

Die Suche nach Marian führt Billy und Jimmy durch die üblichen dreckigen Straßen, durch asiatische Landschaften und durch eine Raumstation. Der Grafikstil erinnert mit seinen ordentlich animierten Comicfiguren an das letztes Jahr im gleichen Genre grandios gescheiterte Lucha Fury, allerdings sind hier die in mehreren Ebenen scrollenden Levels zweidimensional. Nett, aber nicht spektakulär.

Deutlich interessanter ist da schon der Soundtrack: Da werden alle 80er-Klischees ausgepackt, da jault die Gitarre, da fiept der Synthie, da johlt die Stimme - der Griff zur FCKW-verseuchten Haarspray-Dose scheint unvermeidlich. Sehr witzig sind auch die kurzen Jingles, die eingespielt werden, wenn man durch die Upgrades scrollt - die Texte rund um „Training Wheels“ und „Dragon Power“ sind ebenso absurd wie unterhaltsam. Sehr putzig auch grafische Kleinigkeiten wie der sich an Nintendos berüchtigtem Power Glove orientierende „Hier geht’s weiter!“-Pfeil - oder das herzerwärmende Luftgitarrensolo am Levelende, auf das Bill & Ted sehr stolz wären.

Fazit

Double Dragon hatte für mich schon immer mehr historischen als spielerischen Wert: Fummelige Steuerung, furchtbare Kollisionsabfrage, übermächtiger Ellbogen-Schlag, blöde Sprungeinlagen, eine grausame Verfilmung - nicht die optimale Vorlage für einen von „Hajaaaaaaaaaa!“ begleiteten Sprungkick ins 21. Jahrhundert. Und doch schlägt sich Neon grundsätzlich gar nicht übel: Die Kulisse ist ansehnlich, das Kampfsystem eingängig, die Upgrades sind ebenso hilfreich wie witzig, der Soundtrack geht richtig gut ab. Trotzdem wünschte ich, dass sich Entwickler WayForward beim Design lieber mehr an der Gegenwart als an den Spielhallen der 80er orientiert hätte. Keiner verlangt Schleicheinlagen und Helikopter-Perks, aber was soll die träge Steuerung? Muss die schwammige Kollisionsabfrage wirklich sein? Und yeah, endlich mal wieder ein Spiel, bei dem ich den Level von vorn beginnen darf, wenn die Leben zur Neige gehen. Double Dragon Neon leitet brauchbare Aufsmaul-Arbeit, aber wenn ich die Wahl habe, greife ich doch lieber zu Shank oder Scott Pilgrim - The Game. Oder, wenn’s schon oldschool sein soll, zur ebenfalls noch ziemlich frischen Streets-of-Rage-Sammlung - jeder einzelne der darin enthaltenen Titel ist besser als der hier.

Pro

gut rockender Soundtrack
solider Koop-Modus
interessantes Upgrade-System
abwechslungsreiche Kulisse
unterhaltsames Gegner-Design

Kontra

kein Online-Koop
sehr kurz
lahmes Spielprinzip
unpräzise Steuerung
teilweise unfaires Design
blödes Rücksetzpunkt-System
übertrieben großes HUD

Wertung

360

Passabler Rückkehr zu alten Prügler-Werten - die auch frustrierendes Design und träge Steuerung beinhalten.

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