Im Test:
Tausendundeine Falle
Vom knuffigen Figuren-Design darf man sich keine Sekunde lang täuschen lassen. So putzig die Schlangen, Yetis und explosiven Kröten auch aussehen – die meisten davon können mich binnen Sekunden ins Verderben stürzen und den kompletten Fortschritt zunichtemachen. Spelunky (ab 14,99€ bei kaufen) von Derek Yu und Andy Hull gehört zum Genre der Roguelike, welches sich am Dungeon-Crawler Rogue von 1980 orientiert. Typische Merkmale sind die zufallsgenerierten Levels, allerlei versteckte Schätze und natürlich der bockschwere Schwierigkeitsgrad. Wenn der Forscher mit der roten Nase von einer Stachelfalle durchbohrt wird, ist die Schatzsuche vorbei, wie im echten Leben. Auch der Homecomputer-Klassiker Spelunker war natürlich ein Vorbild.
Schaffe ich es doch einmal, mich in die nächste Welt vorzukämpfen, lassen die Entwickler immerhin etwas Gnade walten. Der „Tunnelmann“ installiert auf Wunsch einen Speicherpunkt, welcher mich im ersten Level der neuen Welt starten lässt - allerdings nur, wenn ich ihn dafür bezahle. Mal braucht er Bomben, mal Seile oder auch einen hohen Geldbetrag. Sind meine knappen Ressourcen vorher im Überlebenskampf draufgegangen, habe ich Pech gehabt. Nach dem Tod darf ich wieder einmal ganz von vorne beginnen.
Mit Seil und Bomben
Die Schatzsuche gestaltet sich wie ein klassischer 2D-Plattformer: Ich hüpfe über tödliche Stachelgruben und wehre meine Widersacher mit der Peitsche ab. Ist ein Abgrund zu tief, kommt eines der streng rationierten Seile zum Einsatz, an denen ich herunterklettern kann. Falls unter mir nur tödliche Stacheln oder Gift spuckende Schlangen lauern, kann ich auch ausweichen und mir anderswo den Weg mit kleinen Bomben freisprengen.
Habe ich genug Gold und Edelsteine zusammengerafft, gehe ich auf Shopping-Tour. Mitten in den todbringenden Fels- Dschungel- oder Eishöhlen gibt es kleine Läden, in denen ich mich mit nützlichen Extras eindecke. Dazu gehören ein Kompass, eine Spitzhacke, Supersprungschuhe, Eiskanonen und vieles mehr. Direkt aufheben darf ich die Objekte aber nicht, sonst wird der Ladenbesitzer fuchsteufelswild und schießt mich sofort mit der Schrotflinte über den Haufen: Game Over. Auch eine zu nah am Shop gezündete Bombe lässt den empfindlichen Händler ausflippen. Mit etwas Übung lässt er sich aber austricksen. Auch wenn ich auf dem Weg zum Ausgang zu lange trödle, wird es knifflig. Dann verfolgt mich ein Gespenst, welches mich – ihr ahnt es bestimmt schon – bei Kontakt sofort tötet und das Spiel beendet. Auch an eine fette Indiana-Jones-Kugel haben die Entwickler gedacht. Wer sie auslöst, sollte schleunigst die Beine in die Hand nehmen.
Waaahhh!
Der Trip in gefährliche Grotten erinnert nicht nur optisch an Rick Dangerous auf dem C64. Auch damals starb man tausend Tode, kam aber im Wesentlichen durch Auswendiglernen der fies platzierten Fallen weiter. Da in Spelunky die Levels vom Computer generiert werden, ist eine weniger monotone Taktik nötig. Es geht eher darum, das Gegnerverhalten und die Funktionen der Extras zu studieren. Wenn ich überleben will, muss ich lernen, die Gefahren früh einzuschätzen und keine Flüchtigkeitsfehler zu begehen.
Von ein paar fies platzierten Stachelfallen abgesehen funktioniert der zufällige Level-Aufbau erstaunlich gut. Selbst wenn ich keine Seile oder Bomben mehr habe, gibt es fast immer einen Ausweg. So frustrierend die tausend Tode auch sind: Hinterher habe ich meist das Gefühl, dass ich auf andere Weise weiter gekommen wäre. Ab und zu kommt es aber auch zu ärgerlichen unverschuldeten Kettenreaktionen.
Der Lockruf des Goldes
Schön ist dagegen, dass die Zufalls-Grotten für mehr Abwechslung sorgen als ich zunächst dachte: Manchmal finde ich z.B. eine alte Indianergruft voller verführerisch blinkender Schätze. Oder einen Schwarzmarkt mit allerlei schönen Extras, die ich mir nicht leisten kann, weil der Tunnelmann kurz vorher 10.000 Goldstücke für einen Speicherpunkt kassiert hat. Na toll.
Wenigstens etwas einfacher wird es, wenn bis zu drei Helfer lokal einsteigen. Stirbt ein Spieler, muss sein Partner einfach einen im Untergrund vergrabenen Vampir-Sarg finden und schon hat die eben noch tote Figur wieder volle Energie. Außerdem ist sogar ein toter Partner nützlich. Er schwebt als Geist über den Bildschirm und kann z.B. unbeschadet Fallen auslösen, vor die man sonst einen Stein oder andere Objekte schmeißen müsste. Dass kein Online-Koop integriert wurde, ist schade, aber zu verschmerzen. Vor allem, wenn man
Übereifrige Zombie-Helfer
Als Einzelspieler kann man sich übrigens ebenfalls helfen lassen – und zwar von untoten KI-Kollegen. Sie schaffen einige Feinde aus dem Weg, springen aber auch gerne mal in eine tödliche Falle. Ihr solltet euch also gut überlegen, ob euch der im Shop erhältliche KI-Zombie die stolze Summe wert ist.
Echte Profis werden vermutlich über Extras wie Speicherpunkte lachen: Schon im kostenlosen PC-Original von 2008 ging es den Fans vor allem darum, das Spiel in einem möglichst schnellen Speedrun durchzuzocken oder möglichst viele Schätze
Aggressionsabbau
Wer die über Stunden aufgestaute Wut abbauen will, kann sich im lokalen Deathmatch für bis zu vier Spieler austoben, welches im PC-Vorbild noch nicht enthalten war. Für zwischendurch ist das Gemetzel auf bildschirmgroßen Arenen eine lustige Abwechslung. Im Vergleich zu Multiplayer-Hüpfern wie Giana Family sind mir die Matches aber zu hektisch. Meist dauert es nur wenige Sekunden, bis alle Gegner oder Bots aus dem Weg gebombt sind. Die Peitsche lähmt hier nur kurzzeitig, während Bomben, Gruben und attackierende Riesenspinnen meist das Aus bedeuten.
Fazit
Aaaaaahrg! Dieses Spiel macht mich fertig. Nach zwei Tagen Spelunky sehe ich überall Pfeilfallen und Riesenspinnen. Warum nur muss es so irre schwer sein? Warum nur ein Leben? Warum nicht wenigstens ein alternativer Schwierigkeitsgrad zum Kennenlernen? Ein falscher Schritt, ein Stolpern und schon heißt es Game Over. Auch wenn es bisher noch so gut lief, war alles für die Katz. Es ist wirklich schade, dass Spelunky sich nur an knallharte Profis wendet, denn eigentlich steckt ein knuffiger und gut ausbalancierter Mix aus Action-Rollenspiel und Plattformer im Spiel. Ich hätte nicht gedacht, dass es so motivierend es sein kann, automatisch generierte, verführerisch blinkende Schatzgrotten zu erforschen. Vor allem die vielen coolen Extras und Waffen machen Spaß. Beim Schwierigkeitsgrad haben die Entwickler es aber stark übertrieben: Er sorgt zwar für Spannung, aber auch für derart viele Frustmomente und Neustarts, dass mir nach hunderten von Toden die Lust vergangen ist. Wer eine Engelsgeduld besitzt, Super Meat Boy im Schlaf beherrscht oder ein Faible dafür hat, sich durch Titel wie The Binding of Isaac durchzubeißen, kann ruhig zugreifen – und rund zehn Prozent auf die Wertung aufschlagen. Durchschnittlich begabte Jump-n-Run-Fans sollten sich den Kauf aber gut überlegen.
Pro
Kontra
Wertung
360
Motivierend, knuffig, aber auch übertrieben frustrierend: Spelunky ist nur etwas für Hüpf- und Rollenspiel-Profis.
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