Rambo: The Video Game24.02.2014, Mathias Oertel
Rambo: The Video Game

Im Test: Dein schlimmster Spiele-Albtraum?

Rambo als Rail-Shooter? Da muss man mich nicht lange bitten. Natürlich ist mir bewusst, dass die letzten Videos nicht gerade einen herausragenden Eindruck hinterließen. Doch ich erwarte schlichten stupiden Ballerspaß auf Schienen mit gelungener Lizenz-Einbindung. Leider war das schon zu viel erwartet, wie der Test zeigt.

1947 - 1988?

Künstlerische Freiheit schön und gut, aber hier hat es das Entwicklerteam von Teyon  übertrieben: Man steigt im Jahr 1988 ein und wird Zeuge der Begräbniszeremonie John Rambos. Eine Kamerafahrt zeigt den Grabstein, auf dem die Geburts- und Todesdaten 1947 und 1988 (das Herstellungsdatum des dritten Films) neben dem Spruch "May God Forgive Him" eingraviert sind. Parallel dazu hört man die vollkommen unpassende Grabrede eines anonymen Uniformträgers, die allen, die die Geschichte des Vietnamveteranen nicht kennen, die wesentlichen Schlüsselszenen der ersten zwei Teile nacherzählt, bevor mit einem letztlich vorhersehbaren, aber interessanten Kniff in den dritten umgeleitet wird. Allerdings hätte ich bei einem Spiel, das mit der offiziellen Filmlizenz hausieren geht, erwartet, dass sauberer recherchiert wird.  

Denn John J Rambo wurde nicht 1947, sondern 1946 geboren. Doch das ist nicht das einzige Problem: Außer Rambo und Colonel Trautman sind keine Charaktere lizenziert.  Daher unterscheiden sich die Figuren teilweise stark von ihren Film-Gegenstücken. Und nicht nur das - anstatt sich hinsichtlich der Inszenierung an den Vorbildern entlang zu hangeln, fehlen immer wieder Kleinigkeiten, werden Kameraperspektiven verändert, Szenen anders geschnitten usw. Dadurch wird selbst bei den wenigen Andeutungen emotionaler Momente (ja, die Filme hatten tatsächlich so etwas im Ansatz zu bieten) die Atmosphäre spürbar gemildert – und das, obwohl die verwendete Original-Musik von Jerry Goldsmith immer wieder für wohlige Schauer der Erinnerung sorgt. Ja, ich gebe zu: Ich gehöre zur Rambo-Generation. Ich kann mich immer noch über die herrlich trashigen Dialoge wie "Es leuchtet blau" und Co freuen. Und genau deswegen kann ich nicht darüber hinweg sehen, wie schludrig man hier erzählerisch mit den Vorlagen umgeht. Zumal man auch technisch weit davon entfernt ist, auf der Höhe der Zeit zu sein: Die Kulisse könnte bis auf ein paar hoch aufgelöste Texturen im Großen und Ganzen auch der PS2- oder Xbox-Spätphase entstammen. Die Charaktermodelle sind schwach animiert, die Gegner werden bis zum Erbrechen geklont, die Explosionen sind mehr "Piff" statt "BUMM". Und obwohl man das Gesicht von Stallone benutzen darf, haben es die Entwickler über einen erheblichen Teil der Zeit nicht verstanden, einen Wiedererkennungswert herzustellen und seine ohnehin nicht symmetrischen Gesichtszüge weiter zu entstellen. Wundert es einen da noch, dass die direkt aus den Filmen gesampelten Sprachfetzen ebenso technisch altbacken wie die Kulisse wirken und auch die neu eingesprochenen Texte wie ein Relikt wirken?

Lightgun-Shooter am Pad

Man spielt Schlüsselstellen der Filme nach, entsprechende Atmosphäre kommt aber nur selten auf.
Mechanisch hingegen versucht man, den Rail- oder Lightgun-Shooter mit einigen konzeptionell interessanten Finessen aufzuwerten. Man hat ein Deckungssystem, wobei man häufig sogar noch über das hinausgeht, was z.B. Time Crisis bietet: Man hat die Wahl, in welche Richtung man sich hinter einem Schutzwall verstecken möchte. Doch zum einen sind viele  Deckungen zerstörbar, zum anderen bieten sie keinen kompletten Schutz, wenn Gegner geskriptet auf der Seite auftauchen oder über die Mauer lugen, um einen ins Visier zu nehmen. Beim Laden der Waffe gibt es einen je nach Schießprügel unterschiedlichen idealen Zeitpunkt, bei dem man einen Munitionsbonus bekommt; einen normalen, der einem die Standardzahl an Patronen einkippt und ein erschreckend großes Scheitern-Fenster, das nicht nur das Nachladen extrem verzögert, sondern auch noch weniger Schuss spendiert. Man kann beim Erreichen einer neuen Charakterstufe nicht nur grundlegende Werte steigern, sondern auch Spezialfähigkeiten wählen (wie z.B. Erfahrungspunkt-Bonus, modifizierte Anforderungen beim Nachladen usw., wobei bis zu drei mitgeführt werden können.

Es gibt ein Kombosystem, das nicht nur die Punktzahlen, sondern auch die Wutanzeige füllt. Die wiederum kann man verwenden, um kurzzeitig für jeden feindlichen Abschuss Lebensenergie gut geschrieben zu bekommen. Dass man in diesem Modus nicht auf Munition oder Nachladen achten muss, erhöht die Intensität ebenfalls.

Ballern, was das Zeug hält - das kann sogar hier kurzzeitig unterhalten.
Hinzu kommen Reaktionstests, bei denen man gut getimt eine Taste drücken muss, um Rambos Überleben zu sichern.

Doch so gut diese Ideen auch sind, bekommt man kein einheitliches Spielerlebnis serviert, immer wieder gibt es Unstimmigkeiten. So war z.B. in einer Sequenz nur noch ein Gegner übrig, der Rambo in seiner Deckung unter Beschuss nahm. Bis hierhin alles okay. Dann musste der Gegner nachladen - auch noch gut. Rambo kommt aus der Deckung nimmt ihn ins Visier, doch während noch die Nachlade-Animation beim Feind läuft, kriegt Rambo einen Treffer ab. Bitte was? Habe ich irgendwo einen anderen Kontrahenten übersehen? Nein, der tödliche Treffer und das daraufhin startende Skript zeigt an, dass es tatsächlich der nachladende Vietcong war, der John Rambo angeschossen hat - das ist schlecht. Überhaupt hätte es nicht geschadet, wie bei ähnlich gelagerten Titeln gelegentlich eine Anzeige einzublenden, welcher Gegner einen als nächstes ins Visier nimmt und daher primär ausgeschaltet werden sollte. Mitunter verliert man die Übersicht, wenn sich zahlreiche Feinde auf dem Bildschirm tummeln - zumal einige zwar ballern, was das Magazin hergibt, aber nicht einmal das Wasser treffen würden, wenn sie aus einem Boot fielen, während andere scheinbar aus der Hüfte schießend massiven Schaden anrichten.

"Killingisaseasyasbreathing"

Okay: Dieser Satz stammt aus dem 2007er-Streifen Rambo, der nicht Teil des Spiels ist. Doch was die Darstellung von Pixelblut betrifft orientiert sich die All-in-One-Trilogie ganz klar an dem bislang letzten Auftritt von Stallone als Kriegsheld und schüttet bei jedem Treffer und bei jedem geglückten Reaktionstest mehr Pixelblut aus als die Filme damals - und das auf allen Systemen. Überhaupt halten sich die technischen Unterschiede in Grenzen. Selbst auf dem PC sind die Zwischensequenzen erschreckend gering aufgelöst, zeigen Artefakte und auf allen Systemen kann das Geschehen auch in den Cut-Scenes oder bei starkem Nachladen kurzzeitig ins Stocken kommen.

Dennoch habe ich mich dabei ertappt, wie ich immer wieder kurzzeitig von der Simpel-Action unterhalten wurde. Denn auch wenn die ganzen draufgestülpten Zusätze nicht immer wie ein Rädchen in das andere greifen, kann nicht einmal dieser Titel das motivierende Konzept "Rail-Shooter" komplett aushebeln. Allerdings würde ich dringend dazu anraten, entweder am PC mit der akkuraten Mauskontrolle oder auf der PlayStation 3 mit Move-Unterstützung zu spielen - auch wenn man auf der Sony-Konsole die Tasten nicht neu belegen kann, so dass man ggf. mit Knarrenaufsätzen für Move unnötig umgreifen muss. Doch selbst das ist angenehmer als mit der Pad-Steuerung auf der Xbox 360 das Fadenkreuz zu regulieren - immer wieder verreißt man, die gut gemeinte, aber uneinheitlich umgesetzte Zielhilfe sorgt ebenfalls für Desorientierung. Sprich: Man muss schon ein dickes Frustfell haben, wenn man an der Microsoft-Konsole spielt, zumal in den Abschnitten zum dritten Film der Schwierigkeitsgrad ordentlich zulegt.

Fazit

Eigentlich müsste man an die Bewertung mit einem großen Maß an Ironie und Sarkasmus gehen. Denn ohne Fanbrille wirkt der Titel wie purer Abfall. Doch sowohl das Thema Rail-Shooter als auch die Lizenz-Grundlage liegen mir dafür zu sehr am Herzen. Und aus dieser Perspektive ist Rambo – The Video Game leider eine Enttäuschung, wenngleich man meilenweit von richtigem Action-Müll wie Ride to Hell - Retribution entfernt ist. Man hat einige konzeptionell interessante Ideen, um den Rail-Shooter zu modernisieren. Man hat eine der stärksten Action-Lizenzen, die man sich vorstellen kann. Man darf sogar Stimme und Antlitz von Sylvester Stallone verwenden. Und was macht man damit? Man mixt sie halbgar zusammen, so dass sie den Filmen nicht gerecht werden und auch in der Railshooter-Mechanik maximal das Nötigste tun. Von der Technik, die auch der Spätphase der PS2 bzw. Xbox entstammen könnte, will ich gar nicht anfangen. Auch wenn man nach den Videos eigentlich nicht mehr hätte erhoffen können, tut es mir weh, mitanzusehen, wie viel Potenzial hier auf der Strecke bleibt.

Pro

Original-Musik
Rail-Shooter ein zeitloses Prinzip
Upgrade-System und andere konzeptionell interessante Ideen
Figur sieht Sylvester Stallone tatsächlich ab und zu ähnlich
ungeschnitten
mitunter durchaus fordernd (vor allem an Konsolen)

Kontra

technisch schwach
niedrig aufgelöste Zwischensequenzen
knarzende Original-Sprachsamples
Klongegner
inkoheräntes Trefferverhalten
mit Controller zwangsläufig geringer Spaß
neuer Erzähler ein unnötiges Ärgernis
schwache Inszenierung
Tasten auf PS3 mit Move nicht frei belegbar

Wertung

360

Die Zutaten dieses Rail-Shooters sind schmackhaft, doch das Ergebnis ist häufig nicht einmal Baller-Fast-Food. Die Lizenz wurde weitgehend gegen die Wand gefahren. Auf 360 frustriert die hakelige Steuerung zusätzlich.

PC

Die Zutaten dieses Rail-Shooters sind schmackhaft, doch das Ergebnis ist häufig nicht einmal Baller-Fast-Food. Die Lizenz wurde weitgehend gegen die Wand gefahren.

PlayStation3

Die Zutaten dieses Rail-Shooters sind schmackhaft, doch das Ergebnis ist häufig nicht einmal Baller-Fast-Food. Die Lizenz wurde weitgehend gegen die Wand gefahren.

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