Brothers: A Tale of Two Sons09.08.2013, Mathias Oertel
Brothers: A Tale of Two Sons

Im Test:

Der "Summer of Arcade" auf Xbox Live wird eingeleitet von einer kleinen Produktion aus Schweden: Mit Brothers - A Tale of Two Sons wagt sich das erfahrene Studio von Starbreeze in ruhigere Gefilde. Man setzt auf Emotionen, Bilder sowie ein ungewöhnliches Steuerungskonzept statt auf brachiale Action. Geht das Vorhaben auf?

Tod ist überall

Ein kleiner Junge kniet unter einem Baum vor einem Grabstein. Vor seinem inneren Auge sieht er, vermutlich zum hundertsten Mal, wie seine Mutter stirbt. Doch er wird unsanft in die Realität zurückgeholt: Sein älterer Bruder benötigt seine Hilfe, um den schwer erkrankten Vater zum Dorfarzt zu bringen. Dort angekommen scheint es nur eine Rettung zu geben: Das Elixir eines magischen Baumes. Die beiden Brüder machen sich auf den Weg, diese Medizin zu beschaffen.

Während des gut vier Stunden langen Abenteuers wird der Tod immer wieder thematisiert. Und das nicht nur in den Gefahren wie Wölfen, Trollen, Riesen oder Walen, die auf dem beschwerlichen Weg durch eine stimmungsvoll gestaltete Fantasy-Welt lauern. In düsteren Wäldern baumeln Gehängte an den Ästen. An einem anderen Ort wird man Zeuge, wie ein Mann sich das Leben nehmen möchte - es liegt an den Brüdern, ihn zu retten, bevor man durch Erforschen der Gegend herausfindet (oder zumindest ahnt), wieso er Suizid begehen wollte. Oder man rettet ihn nicht und folgt weiter dem Pfad, der zur rettenden Medizin führt. Dann wiederum muss man durch ein Gebiet, in dem Riesen eine gewaltige Schlacht ausgetragen haben und deren noch blutende Leichen den Weg versperren. Wie es zu dieser Schlacht kam, gehört zu den Rätseln dieser geheimnisvollen, hinsichtlich des malerischen Artdesigns an die Fable-Serie erinnernden Welt.

Stimmungsvolle Charakterzeichnung

Das Mysterium wird zusätzlich durch die Art der Erzählung befeuert: Die wenigen Worte, die gewechselt werden, entstammen einer Fantasie-Sprache. Stattdessen stehen sowohl die auf dem Schirm gezeigten als auch die im Kopf entstehenden Bilder im Mittelpunkt, die von einem sehr guten Soundtrack unterstützt werden. Mal pompös, aber häufig eher zurückhaltend und an sphärische irische Weisen erinnernd, findet die Musik stets die richtigen Worte, die man sich von den Figuren vergeblich erhofft.

Man steuert den älteren Bruder mit dem linken Stick, den jüngeren mit dem rechten.
Man steuert den älteren Bruder mit dem linken Stick, den jüngeren mit dem rechten.
Die beiden Brüder definieren sich dementsprechend auch nicht vorrangig über das, was sie sagen, sondern das, was sie tun: An vielen Orten der linear-schlauchigen Umgebung kann man mit der Umgebung, Tieren oder Personen interagieren. Je nachdem, welchen der zwei man verwendet, passieren unterschiedliche Dinge, die helfen, die Figuren zu charakterisieren. Nimmt der Kleinere z.B. eine in einem Topf gepflanzte Blume zum Anlass, den Topf ungeschickt zu Boden zu werfen, wo er zerschellt, riecht der Ältere vorsichtig daran. Man stellt schon früh im Abenteuer fest, dass der Teenager keinerlei Talent zum Harfenspiel hat, der jüngere Bruder aber geschickt die Saiten zupft, dafür aber nicht schwimmen kann. Und obwohl es auch Aktionen gibt, die parallel durchgeführt werden können, vermisse ich etwas: Die Interaktion zwischen beiden, die nur an bestimmten, für die Geschichte wichtigen Punkten stattfindet. Es ist schade, dass der große Bruder in keiner Form auf den herunter geworfenen Blumentopf reagiert und auch ohne Regung daneben steht, wenn der Knirps einen Vogelkäfig öffnet und der Gefiederte auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Denn über diese Reaktionen hätte die Beziehung zwischen den beiden Helden enorm vertieft und die Emotionalität verstärkt werden können.

Große Gefühle und schwache Rätsel

Wobei Brothers in dieser Hinsicht nicht viel vermissen lässt. Im Zusammenspiel von Bildern, Musik und der sehr einfühlsamen Erzählung, die trotz schwerer Themen auf große Schockeffekte weitgehend verzichtet, wird ein breites Spektrum an Gefühlen angeschlagen. Die Trauer, die nicht nur der kleine Bruder empfindet, ist ebenso spürbar wie diverse Ängste, die gelegentliche Freude, Mitleid oder Unsicherheiten.

Immer wieder werden über die Bilder spannende Momente und große Emotionen aufgebaut.
Immer wieder werden über die Bilder spannende Momente und große Emotionen aufgebaut.
Daher ist es schade, dass die eigentliche Mechanik nicht nur weitgehend herkömmlich ist, sondern die integrierten Umgebungsrätsel  durch die Bank zu leicht sind.

Kopfnüsse sucht man vergebens, die Lösung für die Puzzle ist meist offensichtlich. Und später werden viele Elemente entweder neu kombiniert oder schlicht wiederholt, so dass sich auch hier der Puzzlereiz in Grenzen hält. Zudem laufen die Standard-Sprünge wie in guter alter Zelda-Manier automatisch ab. Soll heißen: Ist ein Abgrund überwindbar, reicht es, mit den Brüdern darauf zuzulaufen und am Rand springen die beiden ohne Zutun des Spielers. Leider wird dadurch auch ein Spannungsmoment entfernt. Denn ist man in einer seltenen Situation auf der Suche nach dem richtigen Weg, kommt keine Gefahr auf, da man nicht in Schluchten abstürzen kann.

Herausforderung für Auge und Hand

Dass es trotzdem mitunter zu fordernden Momenten kommt, ist einem Kniff der Steuerung zu verdanken: Man steuert beide Brüder gleichzeitig, den älteren über den linken Stick, den jüngeren über den rechten. Aktionen löst man mit der jeweiligen Schultertaste aus, wobei mitunter nötig ist, die Taste zu halten oder im richtigen Moment loszulassen. Da dieses Konzept gnadenlos durchgezogen wird, muss man sich und seine Hand-Auge-Koordination stets unter Kontrolle haben.

Auf seiner Mission muss das Bruderpaar auch düstere Gewölbe durchqueren.
Auf seiner Mission muss das Bruderpaar auch düstere Gewölbe durchqueren.
Ich zumindest hatte immer wieder Schwierigkeiten, wenn sich der jüngere Charakter auf der linken Seite des Bildschirmes befand und mein Gehirn versuchte, ihn über die Bewegung meines linken Daumens zu bewegen - und dabei ignorierte, dass der große Bruder am Rand des Bildschirms angekommen war.

Man braucht etwas Zeit, bis man sich an die Kontrollmechanik gewöhnt hat. Und selbst dann läuft nicht immer alles glatt. Doch wenn es darauf ankommt, ist der Steuerung kein Vorwurf zu machen. Und in einigen wenigen, richtig gelungenen Momenten kommt auch ein erhöhter Kooperationsspielfluss auf - so etwa, wenn die beiden durch ein Seil verbunden sind und man sich abwechselnd von Vorsprung zu Vorsprung schwingen muss. Oder wenn die beiden an einem Flugdrachen hängen oder sich in einem Ruderboot vor aus dem Wasser springenden Walen zu retten versuchen. Doch diese Momente sind leider zu spärlich gesät. Für eine Weiterführung dieses Konzeptes würde ich mir wünschen, dass nicht nur die erzählerische oder emotionale, sondern auch die spielerische Ebene ausgereizt würde.

Fazit

Die Geschichte von Brothers ist das gewichtige Aushängeschild dieser kleinen Produktion von Starbreeze. Einzig über die stimmungsvollen, mal idyllischen, mal bedrohlichen Bilder sowie die spärlich eingesetzte Fantasiesprache und den großartigen Soundtrack erzählt, weckt sie starke Emotionen. Auch das Steuerungskonzept, die Brüder jeweils über einen Stick und eine Interaktionstaste zu kontrollieren, ist hoch interessant und geht nach einer steilen Eingewöhnungsphase schließlich ordentlich von der Hand. Doch inhaltlich wird das Potenzial nicht genutzt: Die Umgebungs- und Schalterrätsel kann man nicht einmal mit viel gutem Willen als fordernd bezeichnen. Sprünge über Plattformen finden wie bei Zelda automatisch statt. Die wenigen direkten Auseinandersetzungen mit Gegnern sind nicht so spannend wie Momente, in denen man nur mit einer Fackel bewaffnet durch einen dunklen Wald läuft, aus dem einen glühende Augen anstarren. Unter dem Strich bleibt ein konzeptionell hoch interessanter Titel, der gut vier Stunden lang den Fokus auf Ruhe, Emotionen und Charakterzeichnung setzt und dabei das eigentliche Spiel etwas aus den Augen verliert.

Anm.d.Red.: Das Spiel ist bislang nur auf Xbox 360 erschienen. Die PC- und PS3-Versionen werden in wenigen Wochen folgen.

Pro

interessantes Steuerungskonzept
emotionale Erzählung
stimmige Kulisse mit an Fable erinnernden Stil
wunderschön auf die Bilder abgestimmter Soundtrack

Kontra

nahezu kein forderndes Rätsel
automatisches Springen bei Plattformen
zu wenig Interaktion oder Reaktion zwischen den Brüdern
schwache Bosskämpfe

Wertung

360

Die Erzählung punktet mit packenden Emotionen und einem großartigen Soundtrack. Das prinzipiell gelungene Steuerungs-Konzept wird jedoch nur in Ansätzen ausgereizt und die Rätsel sind viel zu leicht.

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