Woanders schmeckt's besser...
Auch die prinzipielle Erzählstruktur mit Prolog und den darauf folgenden, jeweils an anderen Orten stattfindenden Akten kennt man – und zwar aus
The Witcher 2. Eine weitere Parallele zu CD Projekts Kampfmagier ist der Schauplatz Valvenor aus Akt 1. Wie in Flotsam wartet hier die Hauptanzahl der Nebenmissionen - interessanter als in den nachfolgenden Akten, die insgesamt ca. 15 bis 20 Stunden eurer Zeit in Anspruch nehmen, sind die Aufgaben auch. Die größtenteils schlauchigen, ab und an etwas mehr Erkundungsspielraum gewährenden Abschnitte hingegen erinnern an
Mass Effect - unsichtbare Mauern, durch die man abgeblockt wird, inklusive. Zwar bekommt Bound By Flame nur in seltenen Momenten einen ganz eigenen Charakter und schafft es nur ebenso selten, an die Qualität der Vorbilder heranzukommen. Doch gleichzeitig hat man stetig ein Gefühl der Vertrautheit, das einem wenigstens vermittelt, die Zeit mit diesem Spiel ordentlich angelegt zu haben.
Das beschleicht einen übrigens auch bei der Kulisse: Mit ihren leichten schwarzen Comic-Umrandungen, den grellen Lichteffekten und den klaren Farbstrukturen in der Umgebung erinnert sie mich an was? Klar: Silverfall. Und da seinerzeit bereits das fantasievolle Grafikdesign eines der definierenden Elemente des ansonsten herkömmlichen Hack&Slays war, kann ich Bound By Flame diesen Stil nicht übel nehmen - auch wenn man durchaus extremer Richtung Comic hätte gehen können. Was ich Spiders allerdings übel nehme: Die PC- und PS4-Versionen sind der 360-Version (PS3 lag zum Test
Die Bosse haben es in sich. Gut, dass die Gefährten auch als Ablenkung funktionieren.
leider nicht vor) nicht so weit voraus, wie ich es mir wünschen würde. Ja: Die Bilder sind schärfer als auf der niedriger aufgelösten Microsoft-Konsole der letzten Generation. Und die Entfernung, in der auf Rechenknecht und Sony-System die Elemente deutlich sichtbar in die Umgebung "gepflanzt" hätten, ist größer. Doch im Wesentlichen liegen die verschiedenen Versionen gleichauf - auch was die ausdrucksarme Mimik angeht können die Highend-Fassungen sich nicht so weit absetzen, als dass sie eine bessere Wertung einheimsen.
Zwischen Dark Souls und Splinter Cell
Immerhin: Das Kampfsystem hinterlässt einen durchdachten und beinahe eigenständigen Eindruck. Allerdings hat sich Spiders gut angeschaut, was Titel wie
Dark Souls oder der Witcher gemacht haben und versucht, einen Kompromiss zu schaffen. In der Praxis sieht das so aus: Man kann per Tastendruck zwischen zweihändigen Waffen wie Großschwertern, Hämmern oder Äxten sowie schnellen dual geführten Dolchen wählen, die auch jeweils ihren eigenen Fähigkeitenbaum in der Charakterentwicklung besitzen. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Mit Zweihand-Prügeln kann man z.B. Schilde der Gegner brechen und mit gutem Timing aus einem Block heraus einen Konter starten - Parallelen zu From Softwares düsteren Ausnahmerollenspielen der Souls-Serie drängen sich auf, auch weil man hier ebenfalls auf Scharmützel gegen wenige, aber normalerweise gefährliche Gegner setzt. Mit Dolchen ist man schneller und hat zudem die Option, feindlichen Angriffen aus dem Weg zu springen (abermals Timing nötig) und kann danach eine Schlagkanonade landen. Kombos, bei denen man von Zweihand ohne Unterbrechung auf Dual wechselt, gibt es nicht. Dafür allerdings die vom Dämon gewährte Feuermagie, die man als Ball aktiv auf die Gegner hetzen, aber auch nutzen kann, um seine Waffen temporär zu Feuerklingen zu machen. Durch Gegner, die anfälliger auf das eine oder andere reagieren, wird man zum Wechsel gezwungen - schön!
Die Fantasy wird routiniert und stereotyp inszeniert.
Weniger schön ist allerdings, dass die Zusammenstellungen der Feinde und ihrer Angriffsschemata häufig zu wenig Zeit für Reaktionen lässt. Vor allem, wenn man alleine unterwegs ist oder die passabel kämpfenden Mitstreiter für den Kampf das Zeitliche gesegnet haben (nach dem Ende der Auseinandersetzung werden sie wiederbelebt), können Angriffe von der Seite oder Kombinationen bestimmter gegnerischer Aktionen schnell dafür sorgen, dass man wieder am letzten Kontrollpunkt einsteigen muss. Insbesondere wenn die in den Gefechten träge und immer wieder manuell zu justierende Kamera mal wieder nicht mitspielt und man die Angriffe nicht kommen sieht, so dass man keine Gelegenheit hat, zu kontern oder zu blocken, wächst der Frust. Der wird jedoch minimiert, während die Spannung gleichzeitig gesteigert wird, wenn man sich die Schleichmechanik zu Nutze macht, die mit den beiden Dolchen geliefert wird. Denn schafft man es z.B., sich an die schwächeren Gegner wie z.B. Bogenschützen heranzuschleichen, kann man ihnen mit einem Angriff den Garaus machen - im Idealfall unbeobachtet von den anderen Feinden. Selbst härtere Kontrahenten lassen sich durch einen Hinterrücks-Angriff massiv schwächen, so dass man das Ungleichgewicht zu seinen Gunsten verändern kann.