Perfect Dark Zero01.12.2005, Mathias Oertel
Perfect Dark Zero

Im Test:

Lange ist es her, dass sich Videospiel-Veteranen mit Joanna Dark vergnügen konnten. Genauer gesagt war es das Jahr 2000, in dem die Kultschmiede Rare das Spiel Perfect Dark als inoffiziellen Nachfolger des grandiosen GoldenEye auf dem N64 veröffentlichte. Fünf Jahre und eineinhalb Konsolengenerationen später ist Joanna wieder da – auf der Xbox 360.

Willkommen in der Vergangenheit

Wer sich beim Titel leicht an Resident Evil Zero auf dem GameCube erinnert fühlt, liegt gar nicht so falsch. Denn genau so wie RE Zero die Vorgeschichte der Ereignisse in Raccoon City erzählt, führt euch Perfect Dark Zero (ab 14,91€ bei kaufen) in eine Prä-N64-Ära – zumindest was die Geschichte betrifft: In PDZ erfahrt ihr, wie Joanna zu der Kick Ass-Geheimagentin wurde, die sie im kultigen Modul für Nintendos 64-Bitter war und wie ihr Kampf gegen die Antagonistenfirma dataDyne begann.

Joanna überzeugt nicht nur mit ihren Kurven, sondern hat auch spielerisch einiges auf dem Kasten - vornehmlich allerdings im Multiplayer-Modus.
Zwei Spiele – zwei Erfahrungen

Nachdem Rare mit GoldenEye und Perfect Dark zwei spielerisch sowohl solo als auch für Mehrspielerpartien bahnbrechende Shooter vorgelegt und damit seinen Ruf als Spieleschmiede allererster Güte gefestigt hat, sind die Erwartungen immens groß. Zumal man ja auch mit dem auf Multiplayer-Spaß ausgelegten Xbox-Remake von Conker’s Bad Fur Day angedeutet hat, dass man vor allem in Hinblick auf rein menschliche Duelle nichts verlernt hat.

PDZ teilt übrigens noch ein weiteres Feature mit der Xbox-Inkarnation des anarchischen Eichhörnchens. Es besteht eigentlich aus zwei Spielen: der Kampagne und dem Mehrspieler-Modus, der vorzugsweise über Xbox Live gespielt werden sollte.

Nicht der Rede wert

Wieso dataDyne zum großen Erzfeind von Joanna Dark wurde, wollen wir hier nicht verraten. Was weniger daran liegt, dass wir irgendetwas spoilern möchten. Doch die Story ist so dünn und fragmenthaft, dass man selbst bei Erwähnung von Bruchstücken sehr schnell die Spannung vermiesen könnte. Oder anders gesagt: Wäre die gute Jo ähnlich schwachbrüstig wie die Story, hätte sie es nie auf das Cover der FHM geschafft.

Doch abgesehen davon kann die Action überzeugen. Ein reichhaltiges Waffenarsenal, auf höheren Schwierigkeitsgraden halbwegs fordernde Gegner sowie eine gut in Szene gesetzte Physik-Engine machen einiges her.

Allerdings hat Rare vergessen, der Gegner-KI ein halbwegs selbständiges Verhalten zu spendieren: Wenn die Feinde euch einmal gesehen haben, werden sie alles daran setzen, euch den Garaus zu machen. Aber dabei werden sie niemals auf Teamtaktiken zurückgreifen, sondern eher nach dem Motto "Mein

Die Gegner-KI ist vorrangig auf Konfrontation ausgelegt und vergleichsweise weit vom üblichen Shooter-Standard entfernt.
ist der Sieg" versuchen, euch alleine ins Jenseits zu befördern. Schade, denn mit etwas mehr Unberechenbarkeit und vor allem Eigenständigkeit, hätte man die Spannung deutlich nach oben treiben können.

Im Umkehrschluss treibt euch die KI der hin und wieder mit euch im Team laufenden Freunde in den Wahnsinn, da diese auch nicht cleverer agieren als die Gegner und sich nur zu gerne über den Haufen schießen lassen – was im übrigen auch für neutrale Personen gilt, die nicht einmal weglaufen, wenn ihr ihnen in den Hintern ballert. Hier wurde Potenzial zur Bildung von Atmosphäre mit großem Aufwand das Klo hinunter gespült.

Wenn es in den fulminanten Feuergefechten schließlich richtig zur Sache geht, wartet nicht nur ein wahrer Effekthagel auf euch. Auch der Adrenalinspiegel steigt steil an. Zumindest bis in den weitestgehend linearen Abschnitten mangels Gegnern und aufgrund eher trockener Rätsel ein wenig Leerlauf aufkommt, so dass man sich geradezu schmerzhaft das nächste Rudel Gegner wünscht.

Im Gegenzug stellt Rare wie bei den Klassikern GoldenEye und Rare abhängig vom Schwierigkeitsgrad unterschiedliche Missionsanforderungen an euch, die ein wenig von der suboptimalen KI ablenken.      

Dass man trotz des einen oder anderen Mankos weiter macht, ist auch der famosen Akustik zu verdanken: Ihr bekommt eine im Großen und Ganzen gute Lokalisierung, bei der allerdings ab und zu der schon im Original ab und an misslungene Witz negativ auffällt. Zusätzlich wird das Gewehrfeuer-Stakkato durch eine dramatische Musikuntermalung angeheizt, die mit zum Besten gehört, was in letzter Zeit zu hören war.

Die Optik mit ihrem Comic-Touch gibt erste Anhaltspunkte, was NextGen-Grafik bieten kann.
Joannas dunkle Seite

Hätte die Kampagne alleine große Schwierigkeiten, überhaupt in Award-Nähe zu kommen, wird es Fans gehobener Online- Unterhaltung freuen, dass sich PDZ im Multiplayer in bester GoldenEye-Tradition (N64) präsentiert..

Nicht nur, dass man sich kooperativ durch die Kampagne ballern kann: Auch die zahlreichen anderen Modi begeistern sowohl kurz- als auch langfristig.

Auf der einen Seite gibt es die gewöhnlichen Deathmatch-Modi Volltrefferzahl, Team-Volltrefferzahl, Kampf um die Flagge und Territorium-Kampf.

Das Besondere am Deathmatch: Abhängig von der Kartengröße könnt ihr euch mit bis zu insgesamt 32 menschlichen Spielern Duelle liefern. Es können sogar jeweils 15 Bots zugeschaltet werden, so dass auf den Schlachtfeldern gewaltig die Post abgehen kann. Und angesichts der schwachen Gegner-KI im Einzelspieler-Modus ist das Kampfverhalten der Multiplayer-Bots eine kleine Offenbarung: Sie sind schwer zu bezwingen und auf etwas höheren Stufen ist sogar das Verhalten in Flaggen-Spielen sehr zufrieden stellend.

Die so genannten Darkops-Modi lassen ebenfalls Duelle für bis zu 32 Spieler zu, verzichten allerdings auf die Bot-Möglichkeit. Dementsprechend sind die Spielvarianten vollkommen auf die rein menschlichen Duelle ausgelegt. Die Auslöschung ist z.B. ein klassisches "Last Team Standing".

Beim unglücklich betitelten Gemetzel verteidigt ein Team eine Basis, kann über abgeschossene Feinde und erledigte Aufgaben Waffen kaufen, hat aber nur ein Leben. Das andere Team hat unbegrenzt Leben, aber nur einfache Waffen und muss nun versuchen, die Basis einzunehmen.

Die Infektion wiederum ist ein Spiel Jeder-gegen-Jeden, das mich persönlich irgendwie an Völkerball erinnert hat, da hier letztlich zwei Gruppen (Infizierte und Nichtinfizierte) gegeneinander kämpfen und Infizierte z.B. nur Punkte bekommen, wenn sie alle Nichtinfizierten auslöschen.

Über Xbox Live sehr beliebt ist auch die Sabotage: Ein pures Zerstörungsspiel, bei dem das Team gewinnt, das beim gegnerischen Eigentum den größten Schaden einrichtet.

Aber nicht nur die abwechslungsreichen Modi und die gut designten Karten sorgen für Spielspaß. Auch die neuen Bewegungen wie Ausweichrollen, Nahkampfattacken und das in Deckung gehen, die in der Einzelspielerkampagne eher vernachlässigbar sind, bekommen online einen vollkommen neuen Stellenwert. Allerdings ist es bedauerlich, dass das in Deckung gehen nur auf Knopfdruck an bestimmten Punkten funktioniert, was in der Hektik durchaus mal misslingt. Doch der Intensität der Online-Duelle schadet dies nur in Ausnahmefällen. Es hätte allerdings gut getan, ein paar Karten mehr einzufügen, da die Auswahl auf Dauer nicht zufrieden stellt. Doch es besteht berechtigte Hoffnung, dass Rare über Xbox Live neue Maps nachlegen wird.

Coole Effekte, feine Animationen und schöne Lichtspielereien warten auf euch.
NextGen-Optik?

Rare nutzt PDZ ähnlich wie Kameo als Showcase für bestimmte Grafik-Fähigkeiten der Xbox 360 und schießt dabei manchmal etwas über das Ziel hinaus. Denn auch wenn Normal Mapping in einigen Momenten viel für die Atmosphäre tun kann, führt übermäßiger Gebrauch nicht immer zum erwünschten Ziel. Denn so cool die spiegelnden und dreidimensional erscheinenden Oberflächen in den Technikfluren der dataDyne-Levels sind, so übertrieben wirkt der Effekt im Dschungel. Leider können auch die Explosionen und die immer wieder besonders in HD ruckelnden Zwischensequenzen nicht überzeugen.

Doch abgesehen davon entsteht eine ansehnliche Kulisse: Der leicht mit Comictouch versehene Stil ist zwar nicht jedermanns Sache, doch er ist insgesamt sehr stimmig und wirkt nur selten so künstlich aufgebauscht wie im angesprochenen Dschungel.

Auch die Bewegungsabläufe sowie Lichteffekte (vor allem auf den Waffen) zeigen, was die nächste Grafikgeneration auf dem Kasten hat und machen bereits jetzt Lust auf die nächsten 360-Spiele. Immer wieder ein Blickfang sind die realistischen Nachladeanimationen, so dass ich mich permanent dabei ertappt habe, in einer ruhigen Minute einen Schuss abzugeben umn nur wegen der hochklassigen Animation dsa Magazin zu wechseln!

Ebenfalls sehr gelungen ist der Effekt, wenn ihr einem Gegner die Panzerung Stück für Stück vom Körper ballert. Gleiches gilt für den beeindruckenden Zoom bestimmter Waffen, den ihr sensitiv über die linke Schultertaste regeln könnt.  

Fazit

Alle Xbox 360-Besitzer mit Faible für feine Shooter-Action liegen mit Joanna genau richtig. Für Einzelspieler bietet sich zwar auch Call of Duty 2 an, doch was die Weltkriegshelden an Intensität bieten, schafft Joanna mit ihren Kurven auch. Einzig die Intelligenz der dataDyne-Schergen lässt im Vergleich zu wünschen übrig und auch die Levels könnten sich als weniger linear präsentieren. Doch was Fräulein Dark in der Einzelspieler-Kampagne vermissen lässt, macht sie mit ausufernden Mehrspieler-Sessions mehr als wett. Fans abwechslungsreicher Online-Action finden spannende Modi sowie gut agierende Bots, werden allerdings die etwas zu knappe Kartenauswahl beklagen. Doch hier sorgt Rare hoffentlich bald für Nachschub. Bleibt noch die Technik: Akustisch bis auf die nicht immer überzeugende deutsche Sprachausgabe ein Hochgenuss, legt Rare einen deutlichen Beweis dafür ab, dass die Xbox 360 in der Tat dabei ist, die Tür zu einer auf Konsolen bislang ungeahnten Grafikpracht aufzustoßen. Dass sich bei viel Licht auch etwas Schatten in Form von Rucklern findet, ließ sich wohl nicht vermeiden. Trotz aller Defizite ist Joannas neues Abenteuer eine klare Empfehlung wert. 

Pro

stimmige Grafik
klasse Soundtrack
passable deutsche Sprachausgabe
prall gefülltes Waffenarsenal
grandiose Mehrspieler-Modi
gut eingesetztes Physik-System
schöne Animationen
explosive Action

Kontra

in HD leichte Ruckler in den Story-Sequenzen
schwachbrüstige Story
berechenbare KI
lineare Levelstrukturen
übertriebenes Normal Mapping
zu wenig Mehrspielerkarten

Wertung

360

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