Dead or Alive 427.01.2006, Paul Kautz
Dead or Alive 4

Im Test:

Keine Konsole ohne Dead or Alive: Tecmos Traditionsreihe legte auf PlayStation und Saturn kompetent los, gewann auf DreamCast und PlayStation 2 an Schwung, schlug auf der Xbox mit Ausnahme des schwarzen Beach Volleyball-Schafes richtig ein – und will jetzt auf der frisch gebackenen Xbox 360 zeigen, wer die schwarz-gelben Hosen anhat. Ein starker Auftritt?

Shakespeares Schwippschwager schlägt zurück

Ein Druck auf die Xbox-Starttaste, ein kurzer Fluch ob des nicht abbrechbaren Team Ninja-Logos, ein verwunderter Blick auf die Spielepackung: Hö, habe ich versehentlich DoA Ultimate ins Laufwerk gesteckt? Die Menüstruktur wurde praktisch unverändert übernommen, kein motivierendes Introvideo weit und breit, nur eine verhältnismäßig kurze, rockig begleitete Collage aus diversen Figuren-Filmen. Egal, auf in den Story-Modus: 16 Recken werfen mir ihr fiesestes Hajaaaa-Gesicht entgegen, ein nicht unerheblicher Teil davon

Einige neue Fighter warten auf ihren Auftritt - u.a. La Mariposa.
DoA-typisch weiblich. Acht Kämpfe trennen mich vom technisch größtenteils hervorragenden Renderfilm als Belohnung, der nicht nur oft genug selten albern ist, sondern in dem es auch und gerade im Falle der femininen Klopper zumeist darum geht, möglichst oft möglichst viel anzudeuten, aber nichts zu zeigen: so schnitzt die eine halbnackt einen Salat zurecht, die andere wird zur Meerjungfrau. Um den Titel »Story« zu rechtfertigen, gibt es aller paar Fights einen kurzen Echtzeit-Film, dessen serientypischer Erzählgehalt mit Edding geschrieben auf einen Bierdeckel passen würde. Immerhin verändern sich die Sequenzen immer wieder ein bisschen, wenn man das Spiel mit dem gleichen Charakter durchackert, so dass man nicht immer denselben Humbug zu sehen bekommt. Denn da prügeln sich zwei Mädchen um einen Kohlkopf, da klettert ein Thaiboxer einfach so an einem gigantischen Gebäude herum, wird von einem Schwarm Raben angegriffen, schreit - und findet sich zwei Sekunden später beim nächsten Kampf wieder. Wie gewohnt ist die Story bestenfalls bruchstückhaft, schlimmstenfalls purer Selbstzweck, denn man erfährt praktisch nichts über die Kämpfer oder ihre Motivation.

Es gibt eine Menge freizuspielen: das fängt bei weiteren Kämpfern an (u.a. ein »Spartan-458« betitelter weiblicher Master Chief aus Halo), geht über zusätzliche Levels und Systemstimmen weiter und hört erst bei den Bonusklamotten auf. Jede Spielfigur hat anfangs zwei unterschiedliche Designs, die ihr auf bis zu acht aufblasen könnt - inklusive Thaiboxer Zacks seit Jahren gleichbleibend 

Der Master Chief (bzw. Spartan-458) lässt in DoA4 ebenfalls die Fäuste sprechen.
bescheuertem Teletubby-Dress. Doch vor den gut gefüllten Kleiderschrank haben die Entwickler bei den meisten Charakteren die fiese neue Endgegnerin »Alpha-152« gesetzt: ein blau schimmernder Dural-Verschnitt (aus der Virtua Fighter-Serie) mit echt fiesen Manövern, der mit ständiger Herumteleportierei, wahnwitzig durchschlagenden Kombos und einem völlig unberechenbaren Kampfstil dem bisherigen Nervboss Jinpachi Mishima aus Tekken 5 problemlos den Rang abläuft. Da ihr aber auf jedem der drei Schwierigkeitsgrade jeden Kampf so oft wie ihr wollt neu versuchen könnt, ist ein Sieg nur eine Frage der Zeit. Habt ihr keine Lust mehr auf die »Geschichten«, so warten natürlich noch andere Spielvarianten auf euch: Time Attack, Team Battle, ein Übungsmodus sowie das Survival. Das macht besonders viel Laune, weil's keine echte Pause gibt:  erledigt man einen Gegner, kommt schon der nächste hereingehüpft. Der »Watch«-Modus ist für das Popcorn-Publikum gedacht: Hier könnt ihr bis zu vier Computergegner gegeneinander antreten lassen und dabei auch Screenshots machen, die sich dann im Fotoalbum bewundern lassen.

Geisha gegen Oberschülerin

Das Spielprinzip unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von Mitbewerbern wie Tekken 5  oder Soul Calibur III : Es wird großer Wert auf Kontermanöver gesetzt. Man kann jeden Angriff mit präzisem Timing abfangen und kontern - selbst mitten in einer Kombo. Das erfordert zwar einiges an Übung, doch hat man einmal

Die Rasanz der Kämpfe ist im Vergleich zu den Vorgängern nochmals gestiegen.
die möglichen Bewegungen der Gegner verinnerlicht, kann man theoretisch ganze Kämpfe nur mit Konterattacken gewinnen, ohne selbst offensiv zu werden. Allerdings erfordert erfolgreiches Kontern jetzt mehr als nur wie bei DoA3 den Konterbutton gut getimt zu betätigen: jetzt muss man auch die Richtung des möglichen Angriffes vorhersehen und die entsprechende Richtung auf dem D-Pad drücken.

Doch auch Nicht-Anhänger der Gandhi-Prügelfraktion kommen gut auf ihre Kosten: Jede Figur hat ca. 70 Angriffsmanöver, die sich natürlich auch zu Kombos verbinden lassen. Allerdings gibt es auch hier wichtige Unterscheidungen zum Rest vom Prügelfest: Zum einen erwarten euch hier noch viel mehr Luftschleuder-Spielereien (»Juggle-Moves«) als gewohnt - erfahrene Spieler können Neulinge fast ohne Gegenwehr wie in einem Spinnennetz in der Luft halten und so in wenigen Sekunden mit einer langen Kombo fertigmachen. Zum anderen ist DoA allen Balancing- und Bewegungsverfeinerungen immer noch für Buttonmasher geeignet; nicht mehr so offensichtlich wie früher, aber nach wie vor stärker ausgeprägt, als bei anderen Prügelspielen.                 

Die Kämpfer sind untereinander gut ausbalanciert.
Die Reihen der Prügelhelden sind größtenteils bekannt, die üblichen Verdächtigen von Tina über Kasumi und Ayane bis zu Ryu Hayabusa und Bass sind vertreten. Neu im Aufs-Maul-Kader sind vier Recken: Eliot, der etwas sehr feminin designte britische Oberschüler mit dem langsamen, aber kraftvollen Mantis-Stil. La Mariposa, die amerikanische Wrestlerin/Capoeira-Kämpferin, die mit ihren schnellen und hektischen Moves ein offensichtlicher Abklatsch von Tekkens Christie Monteiro ist. Kokoro, die bedacht agierende japanische Geisha-Schülerin - und schließlich Spartan-458. Die altbekannten Schläger haben zum allergrößten Teil ihre bekannten Bewegungen sowie einige neu gewonnene Manöver. Hauptsächlich wurde an der Balance gefeilt, so dass manche Figuren jetzt stärker, andere schwächer sind.

T-Rex von hinten!

Was fällt einem sofort ein, wenn man an Dead or Alive denkt? Na klar: »Boob Bouncing«. Auch im vierten Teil liegt die optische Betonung der Kämpferinnen wieder auf Doppel-D-Oberweite und möglichst knapper Unterwäsche, das Tittenhüpf-System ist wieder hoppelig wie eh und je - tut das nicht auf Dauer weh? Zweiter Gedanke: »Interaktive Levels auf mehreren Ebenen« - Dingdingding, auch hier gibt es wieder 100 Punkte. Die mit keinem anderen 

Die Levels sind teilweise brillant designt...
Adjektiv als »prächtig« sorgsam umschriebenen Arenen bieten viele zerstörbare Objekte, in die man Gegner kicken kann, etliche Höhenmeter, die ein gut getimt geworfener Feind holpernd hinunterpurzelt und neue Gefahren. So könnt ihr in einem Level von Autos überfahren und in einem anderen von flüchtigen Dinosauriern überrannt werden! Ihr  prügelt euch in einem grandios detailverliebt designten Schloss, tauscht Kicks im Jurassic Park oder der afrikanischen Savanne aus - wahlweise mit brillant animierten Sauriern oder Giraffen, Elefanten und Nashörnern als Hintergrunddekoration. Ihr kloppt euch auch auf einem Gemüsemarkt oder bringt die Massen rund um einen Wrestlingring zum Beben. Dafür, und für die coolen Unschärfe- und Zeitlupeneffekte zwei enthusiastisch erhobene Daumen!

Und dann sind da noch die Figuren - man muss ihnen zugute halten, dass sie dem Anime-Weg konsequent folgen: dicke Möpse, große Kulleraugen, spärlich animierte Gesichter, teilweise merkwürdige Körper-Proportionen, zackige Animationen, reichlich klischeehafte Präsentation sowie bescheuerte Mono- und Dialoge in den Zwischensequenzen. Geht man nahe an die Kämpfer heran, bieten sie vor allem in 1080p einen bislang nicht gesehenen Detailgrad mit rasiermesserscharfen Texturen und herrlich verschnörkelten 3D-Modellen z.B. bei Kleidern oder Kopfbedeckungen. Doch wann zoomt man schon mal rein, außer wenn man einen Screenshot machen will? Denn in der normalen Kampfansicht sehen die Kämpen kaum besser aus als ihre DoA3-Pendants: Noch immer besteht die Haut aus einer hochglanzpolierten einfarbigen Textur, die dem  Ganzen den Look eines Puppentheaters verleiht. Noch immer bewegen sich Haare und Klamotten gerade bei schnellen Bewegungen oder Windeinfluss

...das puppenhafte Äußere der Figuren ist  dagegen gewöhnungsbedürftig.
extrem unnatürlich. Und noch immer erwecken die Animationen den Eindruck eines Zeitraffers - kein Vergleich zu den harmonisch fließenden Bewegungen eines Soul Calibur 3. Außerdem haben sich die Clipping-Fehler des dritten Teils fortgepflanzt: besonders in Verbindung mit Kleidung und Haaren verschwinden ganze Polygonperücken in Wänden und Hände in Straßenschildern - nicht gerade das, was man sich unter »Next-Gen« vorstellt! Insgesamt wäre das Gebotene mit wenigen Abstrichen speziell bei den Levels auch noch problemlos auf der Xbox möglich gewesen. Zumal auch die Akustik sehr bewährt rüberkommt: Unabhängig von der Nationalität sprechen alle Figuren ausschließlich Japanisch, die 5.1-Soundeffekte krachen gewohnt gut, die Drum-n-Bass-Musik rockt gut.

Was bei DoA Ultimate für einige Aufmerksamkeit sorgte, wird beim vierten Teil konsequent weitergeführt: Der Online-Modus. Zwar könnt ihr euch auch zu zweit vor einem Fernseher die Frisuren 

Die »Story« wird größtenteils in Echtzeit-Zwischensequenzen weitergeführt.
zerhackstücken (wahlweise mit einem Kämpfer oder im Tag Team), aber natürlich macht es mehr Spaß, sich online gegen Spieler aus aller Welt zu behaupten. Und natürlich bietet DoA4 das Xbox Live-typische Quick- und Optimatch-System, aber das war Tecmo nicht genug. Deswegen gibt es - Extrawurst,  Extrawurst - eine quietschbunte und sehr cartoonig gestaltete Lobby, in der ihr mit eurem Avatar herumwandern, mit anderen Spielern interagieren, euch laufende Spiele auf Videoleinwänden ansehen und natürlich selbst draufloshauen dürft, sobald ihr an der Reihe seid. Eigene Spieler dürft ihr nur in eigenen Lobbys eröffnen, die natürlich bare Münze kosten - die ihr mit Online-Fights verdient. Außerdem könnt ihr gegen Klimperkram auch neue Avatare sowie Zubehör für selbige kaufen. Alles nett und schön und gut, aber eigentlich wollte ich mich doch nur online prügeln. Was aufgrund der gelegentlichen Lags auch nicht immer so unproblematisch ist: hakt der Netzcode, ruckelt das Spiel zwar nicht, wird aber spürbar langsamer.            

Fazit

DoA3 zeigte zum Xbox-Start, was die neue Konsole grafisch drauf hatte, DoA Ultimate glänzte immerhin mit einem guten Online-Modus. DoA4 steht jetzt unter einem gewissen Zugzwang – und schafft es nicht, die hohen Erwartungen zu erfüllen. Weder ist das Game der grafische Overkill, den man erwarten könnte, noch bringt es einschneidende Veränderungen in die Serie. Ein DoA ist ein DoA ist ein DoA - die Spielmechanik wurde im Grunde nur verfeinert. Gut für Traditionalisten und beinharte Serien-Fanboys, die jede Wertung unter 97% automatisch als Anschlag auf ihr persönliches Lebensglück verstehen, schlecht für Beat-em-Up-Fans, denen der dreieinhalbte Aufguss (inkl. DoA Ultimate) des immergleichen Inhaltsbeutels langsam fade schmeckt. Betrachtet man DoA4 als eigenständiges Spiel, ist das, was man sieht, ziemlich gut: tolle Kulisse, einfache Steuerung, gelungener Xbox Live-Support. Der Spielverlauf ist schneller, chaotischer und streetfightiger als z.B. bei Soul Calibur 3 oder Tekken 5 – das macht die Kämpfe unberechenbarer. Ein schönes Spiel mit vielen guten Ideen, aber auch vielen alteingesessenen Ärgernissen.

Pro

<P>
brillante Hintergründe
rasante Kämpfe
gutes Konter-System
ausgewogene Kämpferschar
größtenteils sehr guter Online-Modus
massig freispielbares Material
interaktive Levels mit mehreren Ebenen
gute Akustik</P>

Kontra

gewöhnungsbedürftiger Plastikpuppen-Look der Figuren
spielerische Tiefe fehlt
lächerlicher Story-Modus
ausschließlich japanische Sprachausgabe
umständliches Online-Lobby-System
nervende Endgegnerin
gelegentliche Lag-Probleme
zappelige Haar-Animationen

Wertung

360

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