Devil May Cry 421.01.2008, Mathias Oertel
Devil May Cry 4

Im Test:

Stylische Action hat einen Namen: Dante. Seit sechs Jahren schwingt und wütet der Dämonenjäger durch die Devil May Cry-Serie. Dabei stellte er Geduld und Frustrationsgrenze immer wieder auf eine harte Probe. Mit dem vierten Teil, der erstmals auch auf einem nichtsonyschen Konsolensystem seine Aufwartung macht, kommt ein neuer Held zum Einsatz. Ist Nero ebenso charismatisch wie sein wortgewandter Kollege?

Gelungene Wachablösung

Capcom hat mit der Devil May Cry-Serie (DMC) nicht nur den Inbegriff für stylische Action, sondern mit der Hauptfigur Dante einen der charismatischsten und provozierendsten Protagonisten der Videospielewelt geschaffen. Im Laufe der letzten drei Episoden hat sich Dante vom eiskalten Dämonenjäger zu einem Sprüche klopfenden, mit Schwert und Doppelpistole bewaffneten Rockstar entwickelt - kurzum: Der grauhaarige Klingenschwinger ist Kult!

Insofern ist es sehr erstaunlich, dass Capcom für DMC 4 mit Nero einen neuen Hauptcharakter einführt. Aber auch wenn Nero zunächst wie Dantes kleiner Bruder aussieht, bietet er spielerisch und vor allem charakterlich erfrischend ungewohnte

Auch wenn es mit Nero einen neuen Helden gibt: Kein Devil May Cry ohne Dante! (360)
Töne: Wo Dante immer wieder eine kesse Lippe riskiert und einen coolen, aber letztlich oberflächlichen Eindruck hinterlässt, bietet Nero mit seinen vielschichtigen Emotionen, seiner Zuneigung zu der hübschen Kyrie sowie seiner Selbstzerissenheit ruhige und sensible Töne. Damit wird ein für das Erzähltempo nicht nur dringend benötigter Kontrapunkt zur kaltschnäuzigen Überheblichkeit Dantes geschaffen, sondern die Geschichte mit einem überraschenden Tiefgang ausgestattet. Vor allem die Szenen mit Nero und Kyrie erinnern von der Intensität und Dramatik her an Tidus und Yuna in Final Fantasy X.

Packende Story

Überhaupt muss man festhalten, dass sich die Geschichte erstaunlich facettenreich präsentiert und einen mehr als soliden Stützpfeiler der Motivation bildet. Neben der Liebesgeschichte steht vor allem die ambivalente Frage nach Gut und Böse sowie den zahlreichen Grautönen dazwischen im Raum, die fast das gesamte Spiel unbeantwortet bleibt und damit nicht nur für die eine oder andere Überraschung, sondern vor allem auch spannende Momente sorgt.

Dass die Geschichte einen dermaßen packenden Eindruck hinterlässt und großen Anteil daran hatte, dass ich das Pad nicht weglegen konnte, bis die Schluss-Szene lief, liegt auch daran, dass die Engine für die Ausgabe der Zwischensequenzen genutzt wird. Und damit wird bereits deutlich, dass das Team es exzellent verstanden hat, die grafische Kraft der aktuellen Konsolengeneration auszunutzen. Das Figurendesign von Gegnern und Protagonisten ist ebenso fantasievoll wie detailreich und auch wenn die Mimik in der letzten Konsequenz nicht so fein arbeitet wie z.B. bei Mass Effect oder Uncharted, bleiben die virtuellen Darsteller jederzeit glaubwürdig. Kamera- und Schnittarbeit in der insgesamt gut einen Stunde verbindender Storyelemente sind ebenfalls auf allerhöchstem Niveau. Nicht zuletzt deshalb freue ich mich darüber, dass es möglich ist,

Die Dschungel-Idylle ist trügerisch: In jedem Abschnitt lauert atemlose Nonstop-Action. (360)
alle bereits freigeschalteten Zwischensequenzen noch einmal anzuschauen, wahlweise sogar am Stück, wobei nur die Ladezeiten zwischen den einzelnen Elementen etwas an Nerven nagen und die Illusion eines Devil May Cry 4 (ab 11,25€ bei kaufen)-Filmes zerstören.

Action-Extravaganza

Doch Story ist natürlich nicht alles, was DMC 4 zu bieten hat. Denn was wäre eine zünftige Dämonenjagd ohne die entsprechende Action? Auch hier zieht Nero alle Register und baut auf dem gleichen Prinzip auf, das Dante bereits in den Teilen vorher definiert hat und das er auch in seinem einige Missionen dauernden Gastauftritt wieder eindrucksvoll unter Beweis stellt: Schnell, unkompliziert und enorm eindrucksvoll.

Und spätestens hier wird deutlich, dass die spielerischen Unterschiede zwischen den beiden sehr ähnlich aussehenden Figuren größer sind als ursprünglich angenommen. Und es wird klar, dass Capcom die Chance nicht ungenutzt verstreichen ließ und wirklich eine neue Identifikations-Figur aufbaut, anstatt nur eine Dante-Kopie mit neuen Waffen auf Spieler und Monster loszulassen. 

          

Dass sich Neros Angriffe im Vergleich zu Dantes Attacken eher auf Wucht denn auf Geschwindigkeit konzentrieren und ihm mit seinem rechten Dämonenarm eine übernatürliche Greiffähigkeit zur Verfügung steht, die der Nonstop-Action eine neue Facette hinzufügt, kann allerdings nicht über einige Mankos hinweg täuschen. Denn im Kern hat sich bei der Action, so imposant sie auch inszeniert sein mag und so grandios die Monster in HD auch aussehen mögen, nicht viel geändert: Man bewegt sich mit seiner Figur (egal ob Nero oder Dante) durch lineare Levelstrukturen, wird immer wieder von Magie daran gehindert, seinen Weg weiterzugehen, muss dann einen wild gewordenen Haufen übel aussehender und brandgefährlicher Kreaturen daran hindern, einem das Lebenslicht auszublasen, dann wird schließlich der magische Türöffner aktiviert und es geht in den nächsten Abschnitt weiter.

Bei den Bossen ist die Fantasie mal wieder mit den Entwicklern durchgegangen. (360)
Alte Zöpfe kehren gut

Versteht mich nicht falsch: Dieses Prinzip hat seit Teil 1 wunderbar funktioniert und entfaltet auch hier immer noch seinen Reiz - auch wenn es für mich unter dem Strich letztlich nur Mittel zum Zweck war, um die nächste Zwischensequenz erleben zu können. Die Action ist nach wie vor aufwändig choreographiert, mit eindrucksvollen Klingen- und Projektilwaffen versehen und stylisch wie eh und je. Allerdings wird sie mit der frischen Hardware in dieser Form auch an ihre Grenze geführt. Nachdem der DMC-Kreis sich jetzt hinsichtlich der Geschichte zu schließen scheint und eine neue Figur mit kalkuliertem Risiko eingeführt wurde (wenn die Akzeptanz bei den Fans nicht so groß ist wie erwartet, kann ja Dante immer noch in die Bresche springen, clever Capcom, sehr clever), sollte man sich für eine mögliche Fortsetzung der Serie hinsichtlich der Mechaniken auf etwas neues konzentrieren. Schneidet für DMC 5 die alten Zöpfe ab, die in dieser Form kaum noch verbessert werden können. Bringt Dante, Nero oder wen auch immer auf einen neuen Weg, der ähnlich wie Resident Evil 4 von festen Levelstrukturen in eine offenere Welt führt - oder zumindest eine, in der ich als Spieler zumindest das Gefühl habe, eine größere Kontrolle über Figur und meinen Weg durch die Umwelt zu haben. Erste Andeutungen in dieser Richtung sind zwar schon spürbar, doch hier steckt das meiste Potenzial für die Zukunft.

Das bedeutet ja auch nicht zwangsläufig, dass man auf die imposanten Bosskämpfe in Zukunft verzichten muss. Vor allem, wenn sie so aufwändig inszeniert sowie spannend und gleichermaßen fordernd sind wie hier: Bildschirm füllende Kreaturen wie der zentaurische Feuergott oder die mit schnellen, überraschenden Flugattacken angreifende Pflanzen-/Drachen-/Schlangen-Schöpfung fordern Reaktion und Timing. Dabei lässt sich glücklicherweise feststellen, dass Capcom den teils frustrierenden Schwierigkeitsgrad des Vorgängers deutlich entschärft hat. Nicht so sehr, dass DMC 4 zu einem Kinderspiel wird. Das war es noch nie und wird es auch nie werden. Aber immerhin so weit, dass man nicht dazu genötigt wird, ins Pad zu beißen oder das Spielgerät an die nächste Wand zu schleudern. Fordernd, aber fair - genau so mag ich es...

Egal ob wie hier auf PS3 oder 360: DMC 4 sieht auf beiden Systemen klasse aus und überzeugt mit aufwändigen Texturen und explosiven Effekten ohne Slowdowns. (PS3)
Zu dem Fairnessfaktor gehört auch das gelungene Balancing bei der Aufrüstung der Waffen bzw. der Fähigkeiten. Denn wie gehabt bekommt ihr für das möglichst abwechslungsreiche Verketten von Angriffen mit verschiedenen Waffen usw. Stilpunkte. Diese werden am Abschluss eines Abschnittes zusammen mit einigen anderen Faktoren zu einer Gesamtnote verrechnet; darauf basierend wird dann eine bestimmte Anzahl an Aufrüstungspunkten freigeschaltet.

Aber keine Panik: Selbst wenn man immer nur mit B- oder C-Noten durch die Abschnitte kommt, lassen sich spätere Passagen bewältigen. Vielleicht nicht ganz so imposant oder prall gefüllt mit fetten Spezialattacken, die einem bei entsprechenden Stilpunkten zur Auswahl stehen, aber sie lassen sich schaffen.

Wegbereiter

Ein weiterer Grund, weswegen man für Teil 5 einen neuen Weg beschreiten sollte, ist der Fortschritt der Technik, der in krassem Gegensatz zu den fast schon anachronistisch scheinenden Mechaniken steht. Zwar ist man insgesamt auch hier noch nicht so weit und hält an festen Animationsbibliotheken fest, anstatt sich z.B. auf Skelettanimationen und physikalisch berechnete Auswirkungen von Waffen zu verlassen, doch was Design von Abschnitten und Gegnern betrifft, reizt Capcom die Hardware aus.

     

Das Ergebnis: Die Figuren sahen noch nie so schaurig schön, noch nie so verstörend anders und noch nie so detailverliebt aus wie hier. Wesen, die fast nur aus Klinge zu bestehen scheinen geben sich die Bildschirmklinke in die Hand mit mehrköpfigen Höllenhunden, die Feuer geifern und riesigen Gesichtern, die euch als Bodenfalle getarnt verschlucken und im hinterletzten Orkus wieder fallen lassen.

Und nicht zu vergessen die Frau, die das Unmögliche schafft. Die Frau, die es mit einem charmanten Lächeln, einer unglaublichen Akrobatik und aufreizend leichter Bekleidung schafft, Ivy, Taki und Sophitia wie Novizinnen aussehen zu lassen. Mit Gloria hat Capcom schon jetzt einen Anwärter für den Titel der "Sexiest Heldin in einem Videospiel... Ever" sicher! Und wenn ihre Reize so zielsicher wie hier von der Kamera eingefangen werden, ist mir das fehlende Skelettanimationssystem fast schon egal.

Der Schneebereich ist der am wenigsten eindrucksvollste Abschnitt der intensiven DMC 4-Actionorgie. (PS3)
Identisch auf 360 und PS3

Weniger egal sind mir allerdings die Kameraprobleme sowie die schwankende Qualität der Umgebungen. Im Wesentlichen halten sich die Schwierigkeiten mit dem optimalen Bildausschnitt in überschaubaren Grenzen. Doch gerade weil sowohl die manuelle Justierung der Kamera als auch die automatische Bildführung im Normalfall einen richtig guten Job abliefern, fallen die sporadisch auftauchenden Probleme umso stärker auf.

Ein ähnliches Phänomen zeigen die Levelstrukturen. Abgesehen von der größtenteils vorhandenen linearen Mentalität mit teils unsichtbaren Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, finden sich allerorten Hingucker: Von dicht begrüntem Dschungel über antike Tempelruinen mit aufwändiger Architektur, moderne Straßenzüge bis hin zu hunderte Meter langen pompösen Marmorbrücken, die einen an God of War erinnernden Ruckblick erlauben.

Und angesichts dieser Aussichten wirkt das Schneelevel, das ihr durchqueren müsst, einfach nur öde. Selbst den Capcom-internen Flocken-Vergleich mit Lost Planet verliert DMC 4 auf breiter Front.

Doch der Rest der Kulisse wirkt innerhalb der von den Spielmechaniken vorgegebenen Grenzen mehr als stimmig und bietet einiges für verwöhnte Augen. Und das Schönste: Die Fassungen für PS3 und 360 sind identisch. Nein, nicht nur inhaltlich. Sie sehen beide richtig gut aus, sie kommen beide ohne den Hauch von Slowdowns oder Rucklern aus und sie teilen sich den öden Winterabschnitt sowie nahezu einheitliche Ladezeiten. Der einzige nennenswerte Unterschied ist die Installationsroutine, die PS3-Dämonenjäger über sich ergehen lassen müssen und die die satte 35 Minuten (!) dauert.

Auch die Akustik, die vom bekannten Devil May Cry-Rocktechno bis zu getragenen symphonischen Kompositionen ein breites Spektrum an Melodien anbietet, bietet auf 360 und PS3 keine Unterschiede.

Gleiches gilt für die gelungene englische Sprachausgabe, die auf beiden Systemen sauber, aber nicht immer inhaltlich stimmig in Deutsch untertitelt wird.       

Als Sonderfunktion könnt ihr auf der PS3 die Kamera wahlweise über Sixaxis-Bewegung steuern, was sich in der Praxis allerdings als unnötig fitzelig und kaum inutuitiv herausgestellt hat. Da man aber auch hier sowieso die Gelegenheit hat, das Sixaxis-Bewegungssignal mit dem Stick zu überlagern, empfehlen wir, diese aufgezwungen wirkende Funktion wie in der Standard-Konfiguration deaktiviert zu lassen - das hat schon seinen Grund so...

Fazit

Capcom wollte mit dem vierten Teil der Serie das beste Devil May Cry aller Zeiten abliefern. Das ist dem Team auch gelungen - ohne allerdings neue Wege zu beschreiten. Böse Zungen könnten sogar behaupten, DMC 4 sei nichts anderes als DMC 1 oder 2 oder 3 in HD und dementsprechend nur angehübschte, aber antiquierte Action. Doch das wäre nur die halbe Wahrheit. Ja: Capcom wird mit Dante und Nero keinen Innovationspreis gewinnen. Doch da sowohl die grandios inszenierte Action als auch vor allem die spannende, dramatische und für die Serie überraschend emotionale Geschichte einige Saiten in mir zum Schwingen bringen, kann ich leichten Herzens über kleinere Mankos hinwegsehen. Angesichts fordernder, aber fairer Gefechte sind mir kleine Kameraprobleme egal - ebenso der Schneeabschnitt, der deutlich hinter der übrigen, teilweise an God of War erinnernden Pracht-Kulisse zurückbleibt. DMC 4 bietet hochstilisierte Nonstop-Action mit zwei angenehm unterschiedlichen Figuren, die in dieser linearen Form kaum noch zu toppen sein dürfte und bis zum Ende packt. Für eine mögliche Fortsetzung sollte man aber darüber nachdenken, einer anderen großen Capcom-Serie zu folgen und die Spielwelt zu öffnen. Nachdem man stylische Action in dieser Form vollkommen ausgelotet und bis an die Grenzen geführt hat, ist der Weg (nicht nur dank Nero als neuer Sympathieträger) frei für etwas ganz Neues...

Pro

zwei spielbare Charaktere
dramatische Story
imposante Bosskämpfe
fantasievolles Gegnerdesign
aufwändige Zwischensequenzen in Spielgrafik
Rätselelemente
durchdachte Waffenaufwertung

Kontra

linear
gelegentliche Kameraprobleme
deutsche Untertitel häufig ungenau übersetzt
Schneelevel wenig ansehnlich

Wertung

360

Die 360-Premiere von Nero und Dante kann sich sehen lassen: Intensive Action in cooler Kulisse. Die Serie erreicht ihren Höhepunkt!

PlayStation3

Das beste Devil May Cry, das es je gab: Fair, fordernd, sexy und unglaublich spannend erzählt!

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