Sonic the Hedgehog27.12.2006, Mathias Oertel
Sonic the Hedgehog

Im Test:

Ich bin blau, rasend schnell und trage einen ruhmreichen Namen. Ach ja, Geburtstag habe ich auch noch: Ich werde 15! Mein Name: Sonic. Sonic the Hedgehog (ab 19,89€ bei kaufen). Und mit meinem neuen Xbox 360-Abenteuer spiele ich denen in die Karten, die glauben, ich hätte niemals die Zweidimensionalität verlassen sollen...

Au Weia!

Es gibt Spiele, da weiß man von vornherein, dass man nur unter starkem Alkoholeinfluss Spaß mit dem Titel haben wird - wenn überhaupt, wie Spiele eines Wok WM-Kalibers eindrucksvoll beweisen! Dann gibt es Games, bei denen man vor Überraschung aus den Latschen kippt - so geschehen z.B. bei Ico oder seinerzeit bei Sonics erstem Abenteuer auf Dreamcast, das es tatsächlich geschafft hat, den bis dato zweidimensional agierenden Stachelträger akzeptabel in die dritte Dimension zu transportieren.

Und dann wiederum gibt es Spiele, bei denen man außer ein bisschen Spaß nicht viel erwartet. Man rechnet nicht mit Innovationen, denkt nicht an technische Highlights und freut sich unter dem Strich auf ein grundsolides Spielerlebnis. Doch wenn selbst diese bereits herunter geschraubte Erwartungshaltung einen Dämpfer bekommt, weil wesentliche Grundlagen nicht gegeben sind, fragt man sich, was die Qualitätssicherung bei einem Titel dieses Kalibers zu tun hatte? Und leider Gottes ist Sonic The Hedgehog genau so ein Fall: Was der glorreiche Next-Generation-Einstand des mittlerweile 15 Lenze zählenden blauen Rennigels hätte sein sollen, scheint an eigenen Ansprüchen und elementaren Fehlern zum Scheitern verurteilt.

Der Next-Gen-Igel lässt nicht nur optisch, sondern vor allem spielerisch zu wünschen übrig...
Aller Anfang ist schwer

Nachdem man den qualitativ auf Square-Niveau befindlichen, inhaltlich jedoch fragwürdigen Renderfilm (Sonic und Robotnik in einer von Menschen bevölkerten Welt, die an Final Fantasy XII erinnert) zum Einstieg genossen hat, gehts mit Spiel und Problemen los.

Die Stadt, die als Knotenpunkt und Sprungbrett für nahezu alle Missionen dient, suggeriert mit ihrer ansprechbaren Bevölkerung so etwas wie eine offene Welt. Das ist gut. Sinnvolle oder gar inhaltlich geistreiche Konversationen können nur mit den wenigsten geführt werden. Das ist schlecht. Nachdem man einen Dialog initiiert hat, wird vor allem bei Missions-Auslösern eine Cut-Scene eingeladen. Das ist gut und weckt den Eindruck, dass jetzt etwas Aufwändiges oder sogar Wichtiges passiert. Die Ladezeiten hingegen, die vor (und nach!) dem Mini-Gespräch eure Geduld strapazieren dauern meist länger als die ohnehin kaum gehaltvollen Aufgabenbeschreibungen. Das ist schlecht.

Diese Ambivalenz zieht sich durch das ganze Spiel: Für jede halbwegs gute Idee und jeden kleinen Moment, in dem sich Spaß einstellt, findet sich mindestens einer, der einem in der Anfangsphase das Weiterspielen verleidet und die Motivation in den Keller zieht. Die Geschwindigkeit, mit der Sonic durch die dreidimensionalen, aber dennoch nur selten zum Stöbern einladenden und linearen Abschnitte rauscht, ist teilweise atemberaubend. Die Luft bleibt einem allerdings auch weg, wenn man sieht, dass die Kulisse weit davon entfernt ist, auch nur einen Hauch von Next-Gen zu verströmen. Okay: Die Texturen sind deutlich höher aufgelöst als z.B. zu Dreamcast-Zeiten. Doch zeigt sich der Igel auf aktuellem 360-Niveau? Weit gefehlt. Ich gehe sogar so weit, dass Sonic selbst zum Start der Microsoft-Konsole vor einem Jahr Schwierigkeiten gehabt hätte, Anschluss ans grafische Mittelfeld zu finden. Titel wie Kameo sind vielleicht nicht so schnell, aber deutlich schöner anzusehen. Wassereffekte sind nahezu nonexistent, der Walritt von Sonic -ursprünglich meines Erachtens als Höhepunkt des Einstiegs-/Tutorial-Levels vorgesehen- mutiert durch Clipping-Fehler und absolut indiskutable Animationen zur Lachnummer. Und zu alledem wurde sogar noch das Optionsmenü auf ein Minimum an Soundeinstellungen reduziert, so dass mir die invertierte Horizontalsteuerung der Kamera spätestens nach fünf Minuten dermaßen auf den Keks geht, dass ich das Pad am liebsten in die Ecke werfen und mich Sonic auf dem DS zuwenden möchte - 2D-Zeiten voller Glanz und Glorie statt Möchtegern-Next-Gen, unfairem Trial-and-Error und technischen Unzulänglichkeiten. Oder um einen Kollegen und bekennenden Sonic-Fan zu zitieren, der nach gut zwanzigminütigem Probespiel wutentbrannt an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte: "Was ist denn das für ein Rotz?" 

Die seltenen Renderseuenzen sind qualitativ hochwertig!
Alles wird... anders...

Hätte er mal weiter gespielt. Denn auch wenn sich nach den ersten 20 bis 30 Minuten ein solcher Eindruck einstellt (war auch bei mir der Fall), wird der 360-Igel-Ausflug besser und nimmt spielerisch Fahrt auf.

Man gewöhnt sich an die invertierte Kamerasteuerung, die Trial-and-Error-Sequenzen nehmen ab und spätestens wenn Igel Silver in einem typischen Bosskampf (Strategie herausfinden und ausnutzen) besiegt wurde und von jetzt an sein Abenteuer ebenfalls zur Verfügung steht, kommt auch eine neue Komponente ins Spiel. Denn sowohl Silver als auch der bereits aus einem eigenen Titel bekannte und später dazu stoßende Shadow spielen sich mit ihren spezifischen Fähigkeiten anders als der hüpflastige Sonic. Allerdings schafft es auch das Igel-Triumvirat in seiner Gesamtheit nicht, langfristig Motivation aufzubauen.

Dazu bleiben die sporadischen Rätsel zu spröde, die Hüpfsequenzen zu unausgewogen und die Action erscheint insgesamt wie ein zusammen gewürfelter Schnellschuss. Es gibt Momente, in denen Sonic tatsächlich Spaß machen kann. Doch diese sind so dünn gesät, dass die spielerischen Mängel um so deutlicher wahr genommen werden.

Selbst die gut gemeinten Gastauftritte von Tails oder Knuckles wecken eher nostalgisches Flair und erinnern an die gute alte Zeit, als Sonic noch Sonic war und man sich blind auf seine Qualität verlassen konnte als dass sie spielerische Glanzpunkte setzen können.  

Fazit

Das Spiel zum 15. Geburtstag des Kult-Igels könnt ihr getrost links liegen lassen. Es sei denn, ihr seid Hardcore-Sonicer und müsst alles, was den Hedgehog-Schriftzug trägt, im Schrank haben - aber auch nur da! Ladezeiten aus der Hölle, grafische und spielerische Unzulänglichkeiten, Kameraprobleme: Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Was das erste richtige Action-Adventure der nächsten Generation hätte sein können, entpuppt sich leider als unausgereiftes Konzept, das weder Next-Gen-Kulissen bietet noch spielerisch mit den Old-School-Sonics mithalten kann und selbst hinter den Dreamcast-Abenteuern des Igels zurückstecken muss. Schade, schade, schade: Diese Schmach hat der blaue Renner nicht verdient...

Pro

tolle Rendersequenzen
passable Geschwindigkeit
drei spielbare Figuren

Kontra

schwache Kulisse
englische Sprachausgabe aus der Hölle
uninspirierte Spielmechanik
herbe Kameraprobleme
Ladezeiten
vollkommen unpassendes Szenario

Wertung

360

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