Moto GP 0630.06.2006, Michael Krosta
Moto GP 06

Im Test:

Lange hat’s gedauert, aber jetzt dürfen Xbox 360-Rennfahrer endlich von den bequemen Sportsitzen aus PGR & Co auf  rasante Zweiräder umsatteln. Mit MotoGP 06 gibt die auf der Xbox zu Ruhm gelangte THQ-Serie ihr Next-Generation-Debüt und lässt Biker-Herzen höher schlagen. Können die hohen Erwartungen erfüllt werden?

Los geht’s!

Nach einigen extrem langen Ladezeiten, die selbst PGR 3 in den Schatten stellen, ist es endlich so weit: Ich habe mir in der Qualifikation einen guten Platz im vorderen Mittelfeld erkämpft und warte gespannt, dass die Ampel auf grün springt. Grün! Schon das richtige Timing beim Start bringt mich ein paar Plätze nach vorne und ich ziehe weiter am Gasgriff. Die sterile Umgebung mit ihren altmodischen Bitmap-Zuschauer-Pappaufstellern zischt an mir vorbei – das Geschwindigkeitsgefühl ist exzellent! Doch sowohl die kleine Karte am unteren Bildschirmrand als auch eine Symboleinblendung zeigen mir, dass mich in ein paar hundert Metern eine scharfe Rechtskurve erwartet. Anstatt mich zwischen Vorder- und Hinterradbremse zu entscheiden, ziehe ich gleich beide Trigger und bremse das Geschoss gerade noch rechtzeitig ab, bevor es in die Kurve geht. Doch was ist das?

Die Motorräder und Fahrer wurden mit viel Liebe zum Detail modelliert.
Ein Ruckeln? Kann nicht sein, ist doch Next-Gen und so viel besser sieht die Kulisse im Vergleich zum Xbox-Vorgänger an einem normalen TV auch wieder nicht aus… Doch ein paar Meter weiter stockt der Grafikengine-Motor erneut…und wieder…und wieder! Ich höre schon den Boxenfunk: "THQ, wir haben ein technisches Problem!". Es ist wirklich schade, dass es die Entwickler nicht geschafft haben, einen konstant flüssigen Rennablauf auf die Beine zu stellen. So wird das anfänglich hervorragende Geschwindigkeitsgefühl – vor allem in einer der Innenansichten – immer wieder merklich von Rucklern ausgebremst und auch das besonders ohne HD auffällig starke Kantenflimmern sowie vereinzelte Tearing-Streifen sprechen nicht gerade für die Technikabteilung. Dabei sehen die Kulissen trotz sterilem Umfeld wirklich gut aus und auch die herrlich detaillierten Motorräder mit überwiegend hervorragend animierten Fahrern können auf ganzer Linie überzeugen. Das gilt auch für die kernigen Motorensounds, die vor allem im Fahrerpulk für starken 5.1-Klang mit Racing-Atmosphäre sorgen. Allerdings hätte man sich bei der Abmischung mehr Mühe geben können: Fahrt ihr durch eine Unterführung, bleibt der Klang gleich anstatt mit Hall angereichert zu werden. Auch der technolastige Soundtrack ist eher Geschmackssache, kann aber während der Rennen auch ausgeschaltet werden.

Die WM-Saison ist eröffnet – gleich zwei Mal

Auch wenn sich dieser Tage alles um die Fußball-WM dreht, ist die restliche Welt des Sports nicht stehen geblieben. Egal ob Formel 1, WRC oder DTM: Abseits des grünen Rasens wird im Motorsport ebenfalls nach neuen Weltmeistern gesucht. So auch in der MotoGP-Serie, in der Stars wie Valentino Rossi auf ihren hoch gezüchteten Motorrädern um den Sieg fahren. Auf der Xbox 360 schlüpft ihr entweder selbst in die Haut der bekannten Fahrer und tretet wahlweise auf den Originalmaschinen und Strecken der Saison 2005 UND 2006 an, oder ihr startet mit eurem selbst kreierten Biker eine Karriere. Wie bereits vom Vorgänger bekannt, dürft ihr auch hier sowohl euren fahrbaren Untersatz als auch das Outfit eures Fahrers mit allerlei Optionen wie Lackierungen, Aufklebern, Logos etc. selbst gestalten und zur Schau stellen.

Die GP-Kurse fallen auch auf der Xbox 360 sehr steril und unscheinbar aus.
Neben der Weltmeisterschaft habt ihr selbstverständlich auch die Chance zu Zeit- und Einzelrennen, doch müssen hier viele Kurse erst freigeschaltet werden, so dass einiges an Arbeit auf euch wartet. Während der Saison dreht ihr vor dem Rennen wahlweise Proberunden oder startet die Qualifikation, um einen guten Startplatz im 16 Mann starken Fahrerfeld zu ergattern.

Packt die Schraubenzieher aus!

Zwar erlauben Motorräder nicht so viele Einstellungsmöglichkeiten wie Rennwagen, doch dürft ihr auch an den Zweirädern ein wenig herumschrauben, um die Fahreigenschaften zu verbessern: Getriebeübersetzung, Reifenmischung, Federhärte und Radstand lassen sich einstellen. Daneben sammelt ihr bei jedem Rennen Kreditpunkte, die ihr auf die vier Eigenschaften Kurvenlage, Bremsen, Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung verteilt. Das Schöne: Die Kreditpunkte werden nicht endgültig auf die jeweilige Eigenschaft festgelegt, so dass ihr sie vor jedem Start nach Belieben hin- und herschieben könnt. Verlangt eine Strecke mit vielen Geraden z.B. eine flotte Maschine, verlegt ihr den Schwerpunkt auf die Geschwindigkeit und vernachlässigt Kurvenlage und Bremsen. Nicht nur nach den Rennen erhaltet ihr neue Kreditpunkte: Wenn ihr wollt, könnt ihr euch auch an unterschiedlichen Herausforderungen versuchen, bei denen ihr z.B. unter Zeitdruck einen bestimmten Streckenabschnitt meistern oder nach einer Runde nicht länger als eine Sekunde hinter dem Konkurrenten über die Ziellinie preschen müsst. Die Herausforderungen werden in drei Schwierigkeitsgrade unterteilt und sind teilweise wirklich happig ausgefallen. Schade, dass bei den Belohnungen kein Unterschied gemacht wird: Egal, ob ihr eine einfache Ein-Stern-Herausforderung übersteht oder nach zig Versuchen eine Drei-Sterne-Herausforderung meistert, besteht der Preis immer nur aus einem einzigen Kreditpunkt.       

Miese Kollisionsabfrage

Die Steuerung erfordert in der Standardbelegung etwas Eingewöhnungszeit: Anstatt mit den Triggern Gas zu geben und zu bremsen, betätigt ihr in MotoGP mit ihnen die Vorder- und Hinterradbremsen eurer Maschine. Beschleunigt wird dagegen mit dem A-Knopf, während ihr mit dem Druck auf B einen Blick hinter euch werft und die Y-Taste zum Durchschalten der reichhaltigen Kameraperspektiven nutzt, die auch zwei Cockpit- bzw. Helmansichten beinhalten. Ich bin immer froh, wenn Rennspiele wie PGR3 oder eben auch MotoGP 06 originalgetreue Armaturen bieten. Was mich aber in diesem Zusammenhang auf die Palme bringt, sind starre Anzeigen! Was bringt mir eine Cockpit-Ansicht, wenn sich keine Tachonadeln oder Drehzahlmesser bewegen, sondern diese starr auf dem Nullpunkt fixiert sind? Was ist das für ein Gefühl, mit über 300 Sachen über den Asphalt zu brettern, wenn das Display am Motorrad 000 Km/H anzeigt? Genau dieses Dilemma erlebt ihr, wenn ihr euch auf die Cockpit-Perspektive in MotoGP 06 einlasst. Und ich finde es furchtbar! Dies gilt in gleichem Maße für die katastrophale Kollisionsabfrage, die nicht nur den hohen Simulationsanspruch der Serie in Frage stellt, sondern auch für einige Frustmomente sorgt: Es kann doch einfach nicht sein, dass ihr mit hoher Geschwindigkeit in einen

Und da fliegen sie: Ob die Rempel-KI da wieder ihre Finger mit im Spiel hatte?
Fahrerpulk rast und ihr der Einzige seid, der dabei zu Fall kommt – wenn überhaupt. Auf der anderen Seite zieht ihr auch immer den Kürzeren, wenn euch die KI-Fahrer ins Heck rauschen und langsam aber gezielt umdrehen, was gerade in Kurven häufig passiert. Was habe ich mich oft geärgert, wenn ich mich mühsam nach vorne gekämpft hatte und dann gnadenlos von hinten abgeschossen wurde, während der Übeltäter und weitere Verfolger unbekümmert an mir vorbei ziehen, während ich umgekippt auf der Straße liege. Ein weiterer Schwachpunkt nach Abflügen ins Kiesbett sind die Rücksetzpunkte: Anstatt euch nach einem Unfall einfach wieder auf den Asphalt zurück zu setzen, wird das Motorrad zwar automatisch wieder aufgerichtet, aber ihr dürft euch selbst aus dem Kiesbett zurück auf die Strecke begeben, was nicht nur unnötig viel Zeit kostet, sondern euch auch noch zusätzliche Strafsekunden beschert, die zu eurer Rundenzeit addiert werden. Dies ist übrigens auch nach jeder noch so kleinen Berührung der Reifen abseits des Straßenbelags der Fall, so dass ihr schon extrem sauber fahren müsst, um ordentliche Zeiten auf die Beine zu stellen. Allerdings hat das Strafsystem einen schönen Nebeneffekt: Ihr werdet praktisch dazu gezwungen, ordentlich und regelgerecht zu fahren, anstatt euch mit Abkürzungen nach vorne zu mogeln.

Werdet extrem!

Genau wie beim letzten Teil für die Xbox, haben die Entwickler auch auf der 360 den neuen Extreme-Modus eingebaut, bei dem ihr die MotoGP-Maschinen in der Garage lasst und euch stattdessen auf Straßenmaschinen schwingt, um nicht länger auf Grand Prix-Kursen, sondern normalen Straßen spannende Rennen auszutragen. So führt euch der Weg u.a. durch die idyllische Toskana, auf staubige Pisten in Katar oder die gute, deutsche Autobahn – eine willkommene Abwechslung zum bekannten GP-Allerlei. Allerdings finden sich auch hier im Vergleich zu Vorgänger kaum Neuerungen und die Kurse sind weitestgehend bekannt, auch wenn die Kulissen teilweise überarbeitet wurden: Sorgte die stark bewölkte Copacabana im Vorgänger noch für trübe Stimmung, erstrahlt die brasilianische Strecke jetzt in schönstem Sonnenschein und verführt förmlich zum PS-starken Sambatanz mit dem Motorrad. Im Extreme-Modus zählen nicht nur Punkte für die Meisterschaften der 600ccm-, 1000ccm-, und  richtig flotten 1200ccm-Maschinen, sondern auch Siegprämien, die in die Anschaffung neuer Motorräder und Tuningteile investiert werden. Zwar ist das Aufmotzen recht oberflächlich, aber dennoch ein netter Zusatz: In jeweils drei Stufen und Preisklassen führt ihr Motor-Tuning und PS-Steigerung durch, verbessert Traktion, Stabilität oder Bremsen und reduziert das Gewicht eurer Maschine. Das Fahrverhalten der Streetbikes unterscheidet sich merklich von den Motorrädern der MotoGP-Serie: So könnt ihr hier stilsicher durch Kurven driften, was auf GP-Maschinen schnell zum Sturz führt. Ihr stellt das Ansprechverhalten für Drifts nach euren Wünschen im Optionsmenü ein und aktiviert sie, indem ihr einfach zwei Mal die Gas-Tasten antippt. Im GP-Betrieb kann dies jedoch nervig sein: Gerade bei jemandem wie mir, der im Renngeschehen gerne mit dem Gas spielt, kommt es oft ungewollt zu Drift-Einlagen, die nicht selten in einem Unfall enden. Leider wird der Extreme-Modus erst nach dem Absolvieren einer kompletten MotoGP-Saison

Mit den aufmotzbaren Streetbikes könnt ihr lässig durch die Kurven driften.
freigeschaltet, was ich etwas schade finde. Ich hätte mich gerne sofort auf die grafisch deutlich ansprechenderen Kurse gestürzt, die von der Streckenführung zudem meist einfacher ausfallen als die Originalkurse der GP-Meisterschaft.

Weltmeisterlicher Multiplayermodus

Ein Höhepunkt ist ohne Zweifel der gelungene Multiplayermodus, in dem ihr mit bis zu 16 Teilnehmern sowohl über System Link als mit Xbox Live neben Zeit- und Einzelrennen ganze Meisterschaften absolvieren könnt, während der Jagd-Modus für spaßige Abwechslung sorgen. Dabei gilt es, nicht als Erster die Ziellinie zu überqueren, sondern die meisten Sektoren mit einer Bestzeit zu erobern. Schade nur, dass es hier im Gegensatz zu PGR3 nicht die Möglichkeit gibt, die Teilnehmer in zwei Teams aufzuteilen. Dafür gibt es die Möglichkeit, sich auch in Ranglisten-Spielen in der Weltrangliste nach oben zu arbeiten und die Partien hinsichtlich der Spieler-Ränge einzugrenzen, so dass sowohl Profis als auch Anfänger auf Wunsch unter sich bleiben können. Zwar kam es während unserer Testläufe beim Onlinespiel zu vereinzelten Lags, doch liefen die meisten Partien auch mit mehr als zehn Mitspielern überwiegend störungsfrei ab. Wer dagegen lieber offline seine Runden gegen Freunde dreht, kann mit bis zu vier Mitspielern im Splitscreen an den Start gehen.     

Fazit

Ohne Zweifel ist MotoGP auch auf der Xbox 360 ein gutes Motorrad-Rennspiel: Der Umfang ist mit der Saison 2005 und 2006 sowie dem Extreme-Modus und all den Herausforderungen gewaltig, der Onlinemodus eine Wucht und das Fahrverhalten fordernd, aber nicht zu anspruchsvoll. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass man bei THQ einfach den Vorgänger von der Xbox genommen, mit neuen Saison-Daten gefüttert und die Auflösung für HD nur lieblos durch einen Konverter erhöht hat, ohne sich um eine Generalüberholung zu kümmern, die für Microsofts Next Generation-Konsole angemessen gewesen wäre. Warum zieren bis auf vereinzelte Polygonfiguren immer noch leblose Pappaufsteller den Streckenrand? Warum wurde der Extreme-Modus nicht um weitere Strecken bereichert und die bereits beim Vorgänger bemängelte Soundabmischung verbessert? Warum hat die KI immer noch ihre Abschuss-Mentalität und verärgert den Spieler durch die fragwürdige Kollisionsabfrage? Dies alles sind Punkte, die hätten verbessert werden können – verbessert werden müssen! Was mich zusätzlich enttäuscht hat, ist die technische Umsetzung der Motorrad-Raserei: Obwohl sie auf einem normalen TV kaum besser aussieht als das Xbox-Vorbild, wird das eigentlich rasante Renngeschehen immer wieder von holprigen Ruckeleinlagen gestört, die meiner Meinung nach genau so wenig enthalten sein dürften wie das starke Kantenflimmern, das sich in meine Rennfahreraugen brennt und an PS2-Zeiten erinnert. Doch vor allem online ist MotoGP 06 trotz der genannten Mängel eine Spielspaßgranate, die echte Rennatmosphäre entzündet und kaum Wünsche offen lässt.

Pro

offizielle MotoGP-Lizenz 2005 & 2006
detailliert modellierte Maschinen und Fahrer
Extreme-Modus mit Straßenkursen
gutes Geschwindigkeitsgefühl
viele Perspektiven
Tuning-Aspekte um Extreme-Modus
viele individuelle Gestaltungsmöglichkeiten (Logo etc.)
großer Umfang
gelungener Multiplayer-Modus
knackige Motorenklänge
verschiedene Wetterverhältnisse

Kontra

lange Ladezeiten
ständige Ruckelanfälle
Tearing
z.T. katastrophale Kollisionsabfrage
schlechte Soundabmischung
unfaire KI-Abschüsse
miese Rücksetzpunkte nach Unfall
kaum Neuerungen gegenüber Vorgänger
Extreme-Modus erst nach GP-Saison spielbar
Soundtrack Geschmackssache
starre Instrumente in Cockpit-Ansicht
Drift-Aktivierung etwas nervig
starkes Kantenflimmern (vor allem ohne HD)

Wertung

360

Biker sind hier gut aufgehoben: Original-Lizenzen, viele Klassen und spannende Onlinerennen sind garantiert.

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