Medal of Honor: Airborne13.09.2007, Paul Kautz
Medal of Honor: Airborne

Im Test:

Denkt man an Ego-Shooter, dann gewinnt man schnell die Erkenntnis, dass das mögliche Feindbild ein recht eingeschränktes ist: Gelegentliche (die Regel bestätigende) Ausnahmen außer Acht lassend geht es mit der Mündung voran eigentlich immer gegen Aliens, Söldner oder fiese Nazi-Schergen. Besonders letztere wurden in mittlerweile dermaßen vielen Games über den Jordan geschickt, dass Hitlers Klonfabriken kaum noch mit der Produktion hinterherkommen. Und obwohl man den Entwicklern vor Airborne zugute halten muss, dass sie ein paar neue Ansätze versuchen, bleibt auch ihr Spiel »nur« ein weiterer WW2-Shooter...

Medal of Wiederholungstäter

Gehen wir mal die Checkliste für einen Wald-und-Wiesen-WW2-Shooter durch: Die obligatorischen Schlachtfelder? Check: Von Sizilien geht's über Italien, Frankreich und Belgien nach Deutschland, die Missionen tragen ruhmvolle Namen wie »Husky«, »Avalanche« oder »Market Garden« - kennt man. Die obligatorischen Waffen? Check: Die Liste umfasst MP40, Thompson MG, Springfield Scharfschützengewehr oder Panzerschreck - schon mal gesehen. Das obligatorische Missionsdesign?

Die KI stellt keine Einsteins aufs Schlachtfeld: Weder Freund noch Feind sind besondere Leuchten.
Check: Flak-Stellungen sprengen, deutsche Offiziere ausschalten, Sniper-Nester ausheben, Kommunikation des Feindes stören, Treibstofflager in schwelende Reste verwandeln oder einen rabiaten Panzer zerlegen - been there, done that. Kurze Spielzeit? Check: Sechs bis acht Stunden, je nach Können und Wahl der drei Schwierigkeitsgrade - normal. Trantüten-KI? Check: Hier der Kamerad, der mit stationären MG eine stabile Wand zu perforieren versucht, da der Feind, der einer korinthischen Säule wieder und wieder seinen MG-Kolben in den Hals zu rammen versucht, dort die Kollegen, die sich von einer Wand nicht davon abhalten lassen, weiter geradeaus zu rennen. Die Story? Ganz ehrlich: egal.

Guuuuut, die Pflicht hätten wir also erledigt, aber was leistet Airborne in der Kür? Die wichtigste Änderung zum üblichen Nazi-Geschnetzel: Man beginnt die Mission nicht auf dem Boden, sondern in der Luft, an Bord eines Flugzeugs, mit einem umgeschnallten Fallschirm auf dem Rücken. Klingt unspektakulär, hat aber wichtige Auswirkungen auf das Spiel: Denn ihr könnt euch frei aussuchen, wo ihr in dem Level landet. Damit legt ihr nicht nur fest, welche Missionsziele ihr zuerst erledigt, ihr beeinflusst auch direkt das Gegnerverhalten und den damit verbundenen Schwierigkeitsgrad. Denn auf jeder Karte gibt es einige von grünem Rauch umwaberte Zonen, in denen ihr gefahrlos landen könnt, kein Gegner weit und breit. Oder ihr macht euch das Leben etwas

Ihr könnt eure Waffen durch stetigen Gebrauch nach und nach verbessern - ein motivierender Kniff.
schwerer und landet direkt in der Nähe eines Wehrmachts-Trupps - keine sooo gute Idee. Zwischen diesen beiden Extremen liegen viele Möglichkeiten, die gerade mit dem nicht-linearen Missionsdesign, das dem Ansatz von MoH: European Assault folgt, eine gewisse Freiheit vorgaukeln. Schließlich könnt ihr euch selbst aussuchen, in welcher Reihenfolge ihr die Aufträge erledigt. Aber, und hier kommt das »Vorgaukeln« ins Spiel: Alle -müssen- erfüllt werden, damit's weitergeht - die Freiheit ist also keine. Nichtsdestotrotz gehören die gefürchteten Levelschläuche früherer Einsätze der Vergangenheit an: In Airborne führen tatsächlich viele Wege zum Ziel; wenn's irgendwo mal zu heiß hergeht, gibt es immer mindestens eine weitere Möglichkeit, an diese Stelle zu gelangen oder den Feind zu flankieren. Dieser taktische Ansatz tut dem Spielprinzip sehr gut, verlangt er doch ein etwas vorsichtigeres Vorgehen - was ohnehin das Credo von Boyd Travers, so der Name eures Protagonisten, sein sollte, denn die Feinde schießen schnell. Vielleicht sogar etwas zu schnell, um sonstige KI-Mängel auszugleichen. Nichtsdesotrotz finden sich Rambos sehr flott und sehr oft auf dem Boden wieder, die dreckigen, leblosen Finger von Travers vor Augen, bevor das Bild schwarz wird.             

Der Fluch der Checkpunkte

Airborne ist kurz, aber intensiv. Oder vielmehr schwer, was vor allem an dem Speichersystem liegt: Quicksave gibt's nicht, dafür aber Checkpunkte, auf die ihr selbst Einfluss habt. Denn mit jedem erledigten Auftrag wird ein Checkpunkt angelegt und damit auch der Spielstand gesichert. Geht ihr drauf, geht's an dieser Stelle weiter - so weit kein Problem. Ärgerlich wird's wenn man sich eine

So nah sollte man den Gegner besser nicht allzu oft kommen lassen - der gut gezielte Gewehrkolben sorgt schnell für einen erzwungenen Neustart.

Viertelstunde lang durch zwei Dutzend Klon-Nazis ballert, immer wieder eine ruhige Ecke zum Ausruhen (sprich: Regenerieren) oder ein herrenloses Heilpäckchen sucht, mit dem letzten Krümel Lebensenergie gerade dabei ist, die verfluchte Sprengladung am Flak anzubringen - und von hinten einen Streifschuss an die Ferse bekommt. Zack, verschmutzte Fingernägel ins Bild, alles nochmal von vorn. Uncool. Das streckt die an sich eher kompakten sechs Levels auf eine durchschnittliche Spieldauer von etwa einer Stunde.

Die wichtigste Neuerung nach der Fallschirmerei betrifft die Waffen: Nicht die Auswahl, die ist bekannt - dafür aber die Art und Weise, wie das Programm mit ihnen umgeht. Denn je öfter ihr eine Wumme einsetzt, desto besser werdet ihr im Umgang mit ihr, was das Programm mit Upgrades quittiert. Mit denen wird der Rückstoß reduziert, es gibt eine höhere Durchschlagskraft oder ein vergrößertes Magazin. Gerade Letzteres ist ein Segen, denn Munition ist rar: Erledigte Gegner lassen nur selten welche fallen, ein sparsamer Einsatz der Munition ist daher oberste Fallschirmjägerpflicht, will man über kurz oder lang nicht mit dem Rucksack auf den Feind einschlagen. Im Mehrspielermodus ist das Leben etwas einfacher, auch hat der Absprung hier mehr Teamnutzen, aber sonst beschränkt er sich auf das absolut notwendige Minimum: Wenige Spielmodi, sechs  Karten, bis zu zwölf Spieler (auf PS3 nur acht) und kein LAN-Modus - am PC ist nur online ballern erlaubt.

Ihr beginnt eure Missionen immer am Fallschirm baumelnd - die mit grünem Rauch versehenen Zonen sollten vorzugsweise zuerst angesteuert werden, bieten sie doch einen feindfreien Moment zum Verschnaufen.

Auch technisch gibt es keine Überraschungen: Das Spiel sieht gut aus, keine Frage, aber nicht überragend. Realistisch zerstörte Schlachtfelder, gut designte Figuren, prima durchskriptete Levels und ordentlich Krachbumm kennt man bereits zur Genüge, auch wenn die Unschärfen bei schnellen Bewegungen oder die wabernden Polygonflammen neu sind. PC- und 360-Version unterscheiden sich hauptsächlich durch die schärferen Texturen am PC, sonst sind sie identisch. Das gilt auch für die PS3-Fassung, allerdings mit zwei Ausnahmen: Erstens müsst ihr auch hier mit der mittlerweile gewohnten Treppchenbildung leben. Zweitens gerät die Fassung im Gegensatz zur 360-Version immer wieder mal leicht in Stocken. Im Gegensatz zu früheren Vertretern der Serie sind auch die Hardwareanforderungen am PC recht moderat, ganz besonders die Ladezeiten sind auch mit nur einem Gigabyte RAM überraschend flott. PS3-Helden müssen zumindest beim ersten Spielen mit etwa fünf Minuten Wartezeit leben, während das Spiel knapp zwei Gigabyte Daten auf die Festplatte installiert. Außerdem wird natürlich Sixaxis unterstützt, allerdings zur Abwechslung mal durchaus brauchbar: Am Fallschirm schwebend könnt ihr das Gamepad kurbelnd in Richtung Ziel schweben, außerdem dürft ihr euch beim Zielen über Kimme und Korn mit schnellen Bewegungen nach links und rechts lehnen - na also, geht doch! Allen Versionen haben gemeinsam, dass mal wieder keinerlei Interaktion mit der Umgebung möglich ist. Und schade auch, dass der Musikabteilung von EA erneut nichts außer »Mehr Trompetensoli!« eingefallen ist - immerhin ist die Effektkulisse brachial gut wie gewohnt.

Fazit

Ich sehe den Start der Airborne-Entwicklung direkt vor mir: »Hey, lass uns die Missionen mit einem Fallschirmsprung beginnen, dann können die Spieler ihren Startpunkt selbst bestimmen, das kommt mit Sicherheit super an!« sprach ein Designer. »Großartige Idee, lass uns das machen!« stimmte ein anderer zu. »Und weiter?« fragte ein Kollege, neu im Team. »Nun... äääh...« - und genau so fühlt sich das Game an: Die Sprungidee ist frisch und toll, aber der Rest folgt dem Handbuch für WW2-Shooter wortgenau. Das ist natürlich per se nicht schlecht, aber: Schon wieder die Thompson, die genau so rattert wie in den letzten 20 Spielen. Schon wieder eine Farbpalette, die sich hauptsächlich auf Grau und Braun beschränkt. Schon wieder die hohlen Gegner, die hauptsächlich in der Masse gefährlich werden. Schon wieder die teils wundervoll gestalteten Levels, in denen ich nicht mal einen Backstein bewegen kann. Schon wieder die kurze Spielzeit, die mir zwischen Startbildschirm und Abspann gerade Mal Zeit für eine krosse Pizza lässt. Okay, die zweite Spielhälfte zieht in Sachen Inszenierung und Dramatik erheblich an - das Problem ist nur, dass davor die reichlich durchschnittliche erste Hälfte liegt. Airborne macht grundsätzlich nichts falsch, es liefert solide Shooter-Unterhaltung, die gerade im Vergleich zu Ausschuss wie Hour of Victory zeigt, wie viel Spaß das Genre immer noch liefern kann. Aber mehr auch nicht - ich würde mein Geld lieber für Call of Duty 4 sparen, das endlich neue Wege zu gehen verspricht.

Pro

+ sehr gute Inszenierung
nicht-lineares Leveldesign
dramatische Musik
bombastische Soundeffekte
dichte Atmosphäre
gute Sprachausgabe
herausfordernder Schwierigkeitsgrad

Kontra

bis aufs Fallschirmspringen ausgelutschtes Spielkonzept
nervendes Speichersystem
keine Bewegung beim präzisen Zielen möglich
mäßige KI
unspektakulärer Mehrspielermodus
kein LAN-Modus (PC)

Wertung

360

Solider Shooter mit ein paar schönen Ideen, der sich aber auf allzu bewährte Zutaten verlässt.

PC

PlayStation3

Etwas ruckeliger als die anderen Fassungen, ansonsten springen PS3-Helden genauso gut wie ihre Kollegen.

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