Bullet Witch20.03.2007, Jens Bischoff
Bullet Witch

Im Test:

Dank Atari dürft ihr seit kurzem auch hierzulande mit Cavias Bullet Witch (ab 42,13€ bei kaufen) auf Dämonenjagd gehen - zumindest, wenn ihr volljährig seid. Auf den ersten Blick macht das magisch angehauchte Endzeitszenario einen recht verführerischen Eindruck: Eine eiskalte Heldin, dicke Wummen, fette Zauber und imposante Gegner. Klingt nach jeder Menge Spaß - oder doch nicht?

Weltenrettung in sechs Akten

Im Jahr 2013 steht die Menschheit kurz vor ihrer Auslöschung: Eine Armee von Dämonen fällt über die Erde her und überall herrschen Naturkatastrophen, Hungersnöte und Seuchen. Die wenigen Überlebenden kämpfen auf verlorenem Posten, das Ende scheint nur noch eine Frage der Zeit.

Coole Hexe: Alicia macht trotz belangloser Storysequenzen nicht nur optisch eine gute Figur.
Doch dann erscheint aus dem Nichts eine Hexe namens Alicia, die den Invasoren aus der Unterwelt die Stirn bietet und für einen Hoffnungsschimmer sorgt. Anfangs verfügt Alicia zwar nur über ein besenähnliches Maschinengewehr und ein paar grundlegende Zaubersprüche, aber von Einsatz zu Einsatz wird ihre Zauberkraft immer verheerender und ihr Waffenarsenal immer tödlicher.

Schade nur, dass die Dämonen nach gerade einmal sechs Einsätzen bereits vernichtend geschlagen sind, ohne dass Alicias Fähigkeiten auch nur annähernd ihren Zenit erreicht haben. Zwar könnt ihr in bis zu fünf Schwierigkeitsgraden immer wieder auf Dämonenjagd gehen, um eure Waffen und Fertigkeiten weiter aufzustufen oder einzelne Levels gezielt wiederholen, um ein besseres Ergebnis für die Online-Ranglisten zu erreichen, aber immer wieder dieselben linearen Areale zu durchstreifen, um immer wieder die gleichen Gegner zu plätten, ist nicht sonderlich prickelnd. Schließlich gibt es nicht einmal einen Mehrspielermodus, für den wiederholtes Aufpowern lohnen würde...

Wo gibt's denn so was?

Okay, letztendlich wird man mit freispielbaren Erfolgen belohnt, aber den einen Punkt, den man für das Meistern des höchsten Schwierigkeitsgrades bekommt, ist nicht mehr als ein schlechter Witz. Zukünftig soll es neben rein kosmetischen Extras wie alternativen Outfits zwar auch herunterladbare Bonusmissionen geben, aber ob das reicht, um die mickrige Spielzeit wett zu machen, ist eher fraglich. Allerdings ist der geringe Umfang nicht das einzige Übel. Die KI der Feinde und der gelegentlichen Verbündeten ist teils ebenfalls unter aller Kanone: Figuren bleiben an Schutthäufen hängen, versinken im Boden, beginnen in der Luft zu schweben oder feuern stoisch auf massive Mauern sowie Felsvorsprünge. Na ja, manchmal haben sie Glück und landen trotzdem Treffer, denn die Kollisionsabfrage ist alles andere als genau.

Ärgerlich ist das Ganze vor allem, wenn ihr durch einen Spalt im Gemäuer einen Dämon aufs Korn nehmt, aber aus unerklärlichen Gründen nicht trefft, während euch ein gegnerischer Scharfschütze oder Panzer durch meterdickes Gestein hindurch einen tödlichen Treffer verpasst. Überhaupt sind tödliche Gegentreffer recht häufig. Unfair platzierte Dämonen-Sniper oder umherfliegende Trümmer sorgen oftmals schneller für ein Ableben als ihr die Gefahr überhaupt erkennt.

Invasion der Doofen: Neunzig Prozent eurer Gegner sind strunzdumme Dämonensöldner.
 Ansonsten sind die Gegner jedoch nur Kanonenfutter, das höchstens in Massen oder durch plötzliches Herbeiwarpen in euren Rücken gefährlich wird. Selbst die haushohen und Unmengen an Blei schluckenden Gigas werden nie wirklich gefährlich, so lange ihr sie auf Distanz haltet. Imposant anzusehen sind sie aber trotzdem - vor allem wenn sie in einer meterhohen Blutfontäne rücklings umkippen und alles unter sich begraben.

Noch spektakulärer sind die seltenen, aber beeindruckend inszenierten Bossfights, bei denen auch Schwachpunktsuche und Stellungsspiel gefragt ist. Schade, dass die Gegnervielfalt insgesamt eher mau ist und man die meiste Zeit nur schnöde Dämonensöldner vor die Flinte bekommt. Neben dem Standard-MG dürft ihr Alicia im weiteren Spielverlauf auch mit einer Schrotflinte, einer Scharfschützenkanone und einer Gatling-Gun ausrüsten, denen ihr mit verdienten Fertigkeitspunkten diverse Upgrades spendiert. Auch Gesundheit, Mana und Zaubersprüche lassen sich schrittweise verbessern. Wofür ihr euch zuerst entscheidet, bleibt euch überlassen. Das Angebot an Zaubern ist zwar nicht allzu üppig, aber recht facettenreich. So könnt ihr zum Beispiel schützende Mauern beschwören, mittels Telekinese lose Objekte durch die Gegend schubsen, Feinden mit einem Schwarm angriffslustiger Krähen ablenken, verletzte Zivilisten und Soldaten heilen oder verheerende Angriffszauber wie Blitzschlag, Tornado und Meteoritenschauer vom Stapel lassen.          

Zirkusreif

Mit eurem MP-Vorrat solltet ihr allerdings klug haushalten, da sich euer Mana nur mit dem Erschießen von Gegner wieder auffüllt. Das ist prinzipiell keine schlechte Idee, da man dadurch die konventionellen Waffen nicht vernachlässigt. Wer allerdings in einem ungünstigen Moment keine Magiereserven mehr hat, um beispielsweise einen kugelresistenten Panzer aus dem Weg zu räumen, wird dieses System schnell verfluchen, wenn er merkt,

Zerstörung pur: Die aufwändigen Zauber- und Physikeffekte machen grafisch einiges her.
dass keine für die MP-Wiedergewinnung nötigen Söldner mehr da sind. Aber egal, notfalls müsst ihr halt die Flucht nach vorn antreten, was dank effektiver Ausweich-Flickflacks kein allzu großes Problem darstellt, sofern ihr nicht von unsichtbaren Barrieren aufgehalten werdet oder genau im Schussfeld eines gegnerischen Scharfschützen landet, der sich von eurer Akrobatikeinlage überhaupt nicht beeindrucken lässt. Ansonsten könnt ihr mit dieser Zirkusnummer aber teils ganze Levelabschnitte passieren ohne getroffen zu werden, was sicher auch nicht im Sinne des Erfinders war.

Sobald ihr einen Checkpoint erreicht habt, bleiben eure bis dahin erreichten Fortschritte erhalten, warum diese trotz Auto-Save nicht gleich auch auf Platte bzw. Memory-Unit gebannt werden, wissen aber wohl nur die Entwickler. Während der Testphase ist das Spiel nämlich zweimal komplett eingefroren und statt vom letzten Checkpoint aus wieder einzusteigen, musste ich die jeweilige Mission nochmals ganz von vorn beginnen. Wenn man nach Erreichen eines Checkpoints hingegen das Spiel verlässt, wird alles brav gespeichert. Um vor Spielstandsverlusten gefeit zu sein, muss man das Spiel also immer wieder beenden und neu laden - ein vernünftiges Speichersystem sieht definitiv anders aus. Ein weiteres Manko ist das Wirken von Zaubersprüchen, das in Echtzeit über eine Reihe von Auswahlscheiben abläuft, die nahezu den kompletten Bildschirm bedecken. Gerade anfangs ist diese Prozedur nervtötend und vor allem riskant,

Geht's irgendwo nicht weiter, muss meist zuerst ein solches Flughirn gefunden und eliminiert werden.
 da ihr beim Blättern durch die Zauberscheiben völlig wehrlos seid und nur hoffen könnt, dass sich das Ziel eures Zaubers beim Aktivieren überhaupt noch an derselben Stelle befindet.

Viel Platz für Verbesserungen

Mit der Zeit wisst ihr zwar blind, wo und auf welcher Seite sich alle neun Zauber befinden, aber mit einer simplen Pausefunktion während der Spruchauswahl hätte man dieses Manko erst gar nicht entstehen lassen. Ähnliches gilt für die Orientierung in den teils recht weitläufigen Spielabschnitten, welche besonders zu Beginn nicht immer leicht fällt. Eine Kartenfunktion gibt es nämlich genau so wenig wie ein Radar oder einen Kompass. Selbst Wegweiser zu bestimmten Schlüsselstellen werden meist nur dann eingeblendet, wenn es ohnehin klar ist, wo es lang geht. Die frei bewegliche Kamera macht hingegen nur in engen Räumen hin und wieder Zicken, die meiste Zeit seid ihr aber glücklicherweise im Freien unterwegs. Grafisch wirkt Bullet Witch abgesehen von netten Exlosionen, Zauber- und Physikeffekten recht mittelmäßig. Die Animationen sind nicht besonders flüssig, die Umgebungen wirken oft sehr steril und die flimmernde Darstellung der Schatten gehört mit zum Übelsten, was ich je gesehen habe. Des Weiteren trüben teils massive Pop-Ups und Clipping-Fehler sowie gelegentliche Slowdowns das optische Erscheinungsbild. Wer kein 16:9-TV oder -Monitor besitzt, muss zudem mit dicken Letterbox-Balken leben.

Auch die Soundkulisse ist eher spärlich. Musik gibt es fast gar keine und die englische Sprachausgabe ist meist genauso mies wie die trashigen Storysequenzen. Auch der eigentliche Spielverlauf fällt ziemlich monoton aus. Es gibt keine aufsammelbaren Items, keine Interaktionsmöglichkeiten mit der Spielwelt und auch das Bewegen von Gegenständen via Telekinese beschränkt sich auf bestimmte Objekte.

Harmloser Riese: Die Gigas sind beeindruckende und zähe, aber nicht wirklich gefährliche Gegner.
 Die Wege sind ebenfalls meist strikt vorgegeben. Weicht ihr zu weit vom Weg ab, trefft ihr meist auf rote Energiebarrieren. Manchmal sind die Barrieren auch andersfarbig. Dann müsst ihr irgendwo ein überdimensionales Flughirn wegpusten und es geht weiter. Wo es jeweils weiter geht, ist trotzdem nicht immer ersichtlich, so dass ihr beim ersten Durchgang viel planloses Umherirren in Kauf nehmen müsst, was sich in den großen Arealen mangels Sprintfunktion ganz schön ziehen kann.

Die Steuerung klappt hingegen recht gut. Lediglich das Fadenkreuz reagiert in der heran gezoomten Zielansicht etwas zu sensibel, was sich auch mit dem Herabsetzen des Kameradrehmoments nicht wirklich in den Griff kriegen lässt. Ansonsten habt ihr Alicia aber gut unter Kontrolle, geht auf Knopfdruck in die Hocke, führt elegante Ausweichmanöver aus, wechselt fliegend zwischen den mitgeführten Schießeisen oder zieht Gegnern aus nächster Nähe mit dem Gewehrkolben eins über. Wer auf schnörkellose Balleraction gewürzt mit übersinnlichen Fähigkeiten steht, kommt trotz aller Kritikpunkte durchaus auf seine Kosten. Wäre Bullet Witch zum Budgetpreis erschienen, könnte man sogar eine bedingte Empfehlung aussprechen. Für ein Vollpreisspiel ist die Dämonenhatz aber viel zu kurz und unausgereift, so dass sich selbst ausgehungerte Genrefans anderweitig umschauen sollten.        

Fazit

Eigentlich steckt in Bullet Witch eine Menge Potential. Die Heldin ist cool, die aufstufbaren Waffen und Zauber machen einiges her, manche Gegner sind geradezu gigantisch und die Spielumgebungen zerbröseln in aufwändig inszenierten Effektgewittern. Doch zu viele Dinge stoßen negativ auf. Zum einen sind sowohl Gegner als auch Verbündete dumm wie Brot, die Gegnervielfalt ist insgesamt äußerst bescheiden und der Umfang geradezu mickrig - nach sechs Abschnitten ist bereits Schluss... Zum andern wird man durch tödliche Trümmerflüge und unfair platzierte Scharfschützen immer wieder aus dem Spielfluss gerissen, während man über die ungenaue Kollisionsabfrage nur den Kopf schütteln kann. Hinzu kommen unnötige Orientierungsprobleme, grottige Story-Sequenzen und grafische Unzulänglichkeiten wie massive Pop-Ups, Clipping-Fehler und die wohl übelste Schattendarstellung der Spielgeschichte. Und warum gibt es eine Auto-Save-Funktion, wenn der Spielstand an Checkpoints nur durch Beenden des Spiels gespeichert wird? Auch die Sicht versperrende Echtzeitauswahl der Zaubersprüche hätte wesentlich eleganter gelöst werden können. Trotzdem macht die unkomplizierte Dämonenhatz zwischendurch durchaus Laune. Aber angesichts des hohen Preises sollten selbst genügsame Actionfans maximal mit einem Ausleihen liebäugeln oder lieber gleich zu umfangreicheren und ausgereifteren Konkurrenztiteln greifen.

Pro

einfache Handhabung
nette Magie- & Physik-Effekte
aufstufbare Waffen & Fertigkeiten
imposante Boss- & Zwischengegner

Kontra

miese KI
geringer Umfang
laue Story & Dialoge
eintöniger Spielverlauf
ungenaue Kollisionsabfrage
Pop-Ups, Clippings & Flimmerschatten

Wertung

360

Magisch angehauchte, aber extrem kurze und durchwachsene Ballerorgie.

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