Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt30.05.2007, Paul Kautz
Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt

Im Test:

An dieser Stelle sparen wir uns eine Beschreibung des Inhalts der erfolgreichsten Piratenaction seit Störtebekers Kopflosmarsch: Wer die »Fluch der Karibik«-Serie (oder »Pirates of the Caribbean«, wie sie aus mysteriösen Gründen mittlerweile auch hierzulande heißt) nicht kennt, dürfte wasser- und spaßscheu sein. Leider schleppten die Filme bislang immer den Fluch der mäßigen bis furchtbaren Versoftung mit sich herum. Und obwohl dieses Mal alle Segel auf Erfolg standen, leidet die 360-Fassung am Skorbut der Ideenlosigkeit.

Du kämpfst wie eine Kuh!

Nanu, der erste Level beginnt mit Jack Sparrow im Gefängnis? Äh, sollte der gute Mann nicht im Magen einer gigantischen Krake sein? So endete doch der zweite Teil, oder? Bingo: Obgleich »Am Ende der Welt« auf der Packung steht, ist eines toten Mannes Truhe drin - jedenfalls in der ersten Spielhälfte. Die Story ist ein Mischmasch aus dem zweiten und dritten Teil, so dass ihr euch erst auf die Suche

Es spielt keine Rolle, ob ihr Jack, Will oder Elizabeth kontrolliert - sie steuern sich alle identisch.
nach Davy Jones' Herzbehälter begebt, bevor die neue Geschichte in Fahrt kommt. Was minimal übertrieben ist, denn so richtig viel Story gibt's nicht: Das Wenige wird in gut animierten Zwischensequenzen gezeigt, ohne Kenntnisse der Filme dürfte es kaum möglich sein, da irgendeine Art von Faden zu finden.

Aber wer braucht eine Geschichte, wenn er ein Schwert hat? Hier gibt es sogar drei, nämlich die von Jack Sparrow, Will Turner und Elizabeth Swann; kurzzeitig übernehmt ihr auch die Kontrolle über Bonusfiguren wie die Tölpelpiraten Pintel & Ragetti. Aber es macht nicht den geringsten Unterschied, welche Polygonfigur gerade in der Mitte des Bildschirms zappelt, alle steuern sich identisch, haben die gleichen Manöver, führen die Klinge auf die gleiche Weise. Hin und wieder könnt ihr zwischen mindestens zweien wechseln, was auch bitter nötig ist. Denn der computergesteuerte Partner verliert schneller Lebensenergie als die durchschnittliche Piratenbar die Rum-Vorräte, sobald Jack Sparrow in der Nähe ist - und allein kriegt er oder sie es nicht auf die Reihe, sich mal von einem Kampf zu verabschieden, um etwas Lebensenergie nachzutanken. Ich hasse solche Babysitter-Aufträge! Der Rest der Aufgabenstellungen ist weitaus weniger frustig, wenngleich ebenso wenig aufregend: Gefangene befreien, Steckbriefe von Wänden reißen, die Crew der Flying Dutchman besiegen, Davy Jones' Orgelnoten finden oder Giftpfeilfallen umgehen. Den größten Teil oder virtuellen Piratenkarriere werdet ihr jedoch damit verbringen, diverse Dinge in diverser Anzahl zu sammeln - teils für die Mission, teils für die Achievements.

Kling-Klang-Aargh

Der klassische Pirat ist ein Könner des Schwertkampfes: Während ihr also aus der Schulterperspektive durch Port Royal, Tortuga, Isla Cruces oder die knarrenden Planken der »Flying Dutchman« trabt, bekommt ihr es mit immergleichen Gegnern zu tun, die auf immergleiche Art sterben: Nach zwei bzw. drei Schwertstreichen drehen die Standardfeinde dem Protagonisten freundlicherweise den Rücken für den finalen Stoß zu. Warum? Zwar könnt ihr auch Schläge und Kicks verteilen bzw. Gegner packen und aus dieser Position heraus entweder

Wo ist noch Platz für Kerben? Standardmäßig fällt ihr immergleiche doofe Gegner.
verprügeln, in andere Widersacher oder z.B. über eine Brüstung schmeißen. Aber das macht man auch nur ein paar Mal, weil es schlicht länger dauert als das routinemäßige Kling-Klang-Aargh. Der einzige Sinn des Extra-Aufwandes, genau wie der des Aufsammelns von Münzbeutelchen, ist euren Piratenruf zu verbessern. Und der wiederum hat den einzigen Zweck, in der Online-Rangliste zu erscheinen. Minimal interessanter wird's mit Bossfights: Die Kamera schwenkt in eine Seitenperspektive, ihr seht dem einzigen Gegner ins Auge. Direkt draufloskloppen ist nicht erlaubt, stattdessen erwartet euch eine Mischung aus simplen Angriffen und Paraden: Attackiert der Gegner von oben, müsst ihr oben verteidigen, ebenso unten und mittig. Habt ihr einen Angriff erfolgreich abgewehrt, dürft ihr kontern - und das geht so lange hin und her, bis einer von beiden keine Energie mehr hat. Klingt nicht aufregend, ist es auch nicht, aber immerhin interessanter als die einfachen Scharmützel. Allerdings hat es Entwickler Eurocom damit etwas zu gut gemeint: Gelegentlich erwarten euch drei Bosskämpfe hintereinander!          

Zwischen all den Schwertschwingereien gibt es kaum interessante Abwechslung im völlig linearen Abenteuer: Jack/Will/Elizabeth kann alles, was durchschnittliche Actionhelden heutzutage eben so können - laufen, springen, hangeln, sprinten, balancieren, Hebel bedienen, Kisten verschieben, klettern. Mithilfe eures Schwertes könnt ihr an engen Stellen umständlich von  Wand zu Wand springen bzw. weite Abgründe überwinden, außerdem warten Extrawaffen auf ihren Einsatz, von der Pistole über die Kokosnuss bis zu kleinen, aber durchschlagskräftigen Granaten. Stehen explosive Fässer herum, könnt ihr sie in

Das Figurendesign ist das Highlight des Spiels - auch wenn die Animationen gelegentlich etwas übertrieben sind.
Richtung eurer Feinde kullern und im richtigen Moment darauf feuern. Resultat: Schnell einige Probleme weniger plus Extra-Piratenpunkte für kreatives Töten - leider gibt es diese Möglichkeit zu selten. Immerhin folgen die Protagonisten einem ungeschriebenen Action-Adventure-Gesetz, indem sie ausgewiesene Nichtschwimmer sind: Nicht mal in den kniehohen Gewässern rund um den Hafen von Port Royal darf ungefährdet geplantscht werden.

Play up, me hearties!

Eines muss man dem Spiel lassen: Die Grafik kleckert nicht! Die Figuren sehen ihren Film-Pendants verblüffend ähnlich, und sind sehr gut animiert - auch wenn es die Designer mit dem Torkeln von Jack vielleicht etwas zu gut gemeint haben. Auch die Levels, speziell die, in denen Tageslicht strahlt, sehen sehr gut aus - bis auf den Einstiegsabschnitt, der ausnehmend hässlich geraten ist; eine Beleidigung der Augen, die aber spätestens auf der Flying Dutchman oder Port Royal vergessen ist. Interessanterweise fließt im ganzen Spiel der schlitzigen Thematik zum Trotz kein Tropfen Blut, darüber hinaus ist die Kamera problematisch - sie lässt sich zwar manuell und flott nachkorrigieren, aber gerade in geschlossenen Räumen zoomt sie immer wieder derart nahe an den Protagonisten, dass auch Drehen nichts mehr hilft. Unschön auch, dass Gegner und Zivilisten aus dem Nichts im Bild materialisieren, auch die an sich sehr gelungenen Zwischensequenzen haben Makel: Offensichtlich wurden sie abgefilmt und mäßig recodiert, jedenfalls erscheinen

Die meisten Levels sind toll in Szene gesetzt, und vermitteln gutes karibisches Flair.
sie gerade auf HD-Geräten sehr krümelig. Spielt ihr auf Deutsch (sechs Sprachen sind wählbar), bekommt ihr an dieser Stelle auch des Öfteren Bild-Ton-Synchronisationsschwierigkeiten, die man eigentlich nur in alten Kung-Fu-Schinken vermutet. Schade außerdem, dass es in keiner Version Originalsprecher zu hören gibt - macht aber nix, die Ersatzstimmen sind nicht übel, und wie erwähnt gibt es nicht viel Story, die zu sprechen wäre. Dafür donnert der prächtige Soundtrack umso besser.

Das ziemlich leichte Einzelspielerabenteuer ist etwas nach sieben Stunden vorbei, danach wartet nur noch die Hatz nach vergessenen Achievements bzw. der zweigeteilte Mehrspielermodus: In Variante eins bekämpft ihr euch mit einem Freund im Stile der Bossfights - nicht umwerfend, aber aufgrund der Unberechenbarkeit immerhin interessanter als gegen die KI. Spielmodus zwei wirft euch kooperativ auf einem horizontal geteilten Bildschirm in ausgewählte Levels, in denen ihr entweder für einen Gesamthighscore oder jeder für sich kämpft.      

Fazit

Am Ende der Welt wartet nicht die schlechteste Filmumsetzung aller Zeiten, beim bösesten Willen nicht. Aber leider auch nicht mehr als bedeutungslos auf den Gewässern der Durchschnittlichkeit schaukelndes Lizenz-Treibgut: Schema-F-Buttonmasher-Spieldesign, ein unspektakuläres, um nicht zu sagen langweiliges und vor allem völlig schwungloses Kampfsystem, austauschbare Protagonisten, Story-Wirrwarr - das Game macht viel falsch, aber wenig richtig. Ich hatte viel Spaß mit dem Film, aber das lieblose »Dinge sammeln und etliche identische Gegner auf identische Weise erledigen« des Spiels weckte schon nach kurzer Zeit in mir den Wunsch nach der einen oder anderen Runde Entwickler-Kielholen.

Pro

toll designte Figuren
einfache Steuerung
prächtiger Soundtrack

Kontra

undynamisches Kampfsystem
langatmige Bossfights
oftmals unübersichtliche Kameraführung
nervige KI-Kumpanen
uninteressantes Missionsdesign

Wertung

360

Schön anzusehendes, aber spielerisch völlig belangloses Piraten-Abenteuer.

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