Assassin's Creed14.11.2007, Mathias Oertel
Assassin's Creed

Im Test:

Seit dem ersten Trailer steht Assassin´s Creed bei uns in der Redaktion hoch im Kurs. Mit einer interessant klingenden Mischung aus Stealth-Action und akrobatischen Einlagen schienen unsere Favoriten Splinter Cell und Prince of Persia in einem Spiel vereint zu werden. Dazu sollte auch noch eine noch nie da gewesene Interaktion mit NPCs möglich sein. Die Zeit der grauen Theorie ist passé. Wie sieht es in der mittelalterlichen Praxis aus?

Altawer?

Lasst uns mit zwei Fragen beginnen: Wer von euch kann mir die Produzentin von Assassin´s Creed (AC) nennen? Und wer kennt den Namen des Meuchelmörders, den ihr durch den Nahen Osten zur Zeit der Kreuzzüge navigiert?

Die Antwort auf die erste Frage dürfte den meisten leicht fallen, die sich seit der Ankündigung mit AC beschäftigen: Jade. Jade Raymond um genau zu sein. Das ist auch keine große Kunst. Denn die nicht nur kompetente, sondern auch gut

Altair: Der Mann, der nicht erkannt werden will...
aussehende Produzentin, stand vor allem in den letzten Monaten mehr im Mittelpunkt als das Spiel an sich. Immerhin wollte sie mit dem geschichtlichen Ausflug in die Zeit des dritten Kreuzzugs das Action-Abenteuer neu definieren. Eine Aufgabe, an der schon viele Produzenten gescheitert sind.

Frage zwei hingegen dürfte vielen die Denkfalten auf die Stirn zaubern. Na? Irgendjemand? Kommt schon, wie heißt der Hauptdarsteller? Ein Tipp: Sein Name beginnt mit Alta. Bevor hier irgendjemand mit Altafalta oder Altavista kommt, lösen wir es lieber auf: Er heißt Altair.

Ist das letztlich wichtig? Nein. Dennoch ist diese Diskrepanz zwischen Bekanntheitsgrad von Spielhauptdarsteller und Spielproduzentin irgendwie bezeichnend. Dabei muss sich AC wahrlich nicht hinter den anderen Produkten aus dem Hause Ubi Montreal verstecken. Zur Erinnerung: Auch die Splinter Cell- und Prince of Persia-Franchises kommen aus der Großstadt in der kanadischen Provinz Québec.

Und tatsächlich hat der Assassine viel mit Sam Fisher und dem persischen Thronfolger gemeinsam. Doch dazu kommen wir gleich. Denn ein Streit- und Diskussionspunkt, der uns seit Wochen und Monaten in der Redaktion beschäftigt, muss aus dem Weg geräumt werden - ohne allerdings viel spoilern zu wollen: Was hat es mit diesen merkwürdigen Bildinterferenzen und den DNS-Strängen auf sich, die sich durch die letzten Trailer zogen und die für allerlei Rätselraten gesorgt haben?

Fragen und Antworten

Die Lösung dürfte bei vielen, die einen klassischen Hintergrund erwartet haben, für kaltes Grauen sorgen: Denn die Annahme, dass auch Erinnerungen von Vorfahren über das genetische Material weiter gegeben und mit Hilfe moderner Technik nacherlebt werden können, erinnert nicht nur an die Theorien des Schweizer Psychologen Carl Gustav Jung (1875 - 1961), dessen Animus-These auch in AC in einer abgewandelten Form auftaucht: Ihr spielt quasi in der Erinnerung eurer Vorfahren, während ihr auf dem "Animus" liegt, einem Gerät, das die Erforschung der in der DNS gelagerten Erinnerungen erlaubt. Das gesamte Grundgerüst der auf zwei Ebenen ablaufenden Geschichte könnte das Ergebnis von "Dan Brown nimmt sich der Matrix an" sein.

Auch ich war anfangs skeptisch, ob diese Mischung aus Moderne und dem Jahr 1191, in dem ihr den Großteil der insgesamt gut 15 bis 20 Stunden akrobatischer Meuchelmörderei verbringt, aufgeht.

Doch hier muss man dem Team das erste Lob zollen: Die Geschichte ist filmreif, in sich schlüssig und wartet in den jeweiligen Erzählebenen "Vergangenheit" und "Gegenwart" mit einigen interessanten Überraschungen und Verknüpfungen samt Cliffhanger-Ende auf, das keinen Zweifel über mögliche Fortsetzungen lässt.

Auf der Flucht: Altair verlässt sich nicht wie sein moderner Kollege Sam Fisher auf Schatten, sondern auf akrobatische Dachausflüge...
Was allerdings viel schwerer wiegt: AC schafft es, mich trotz des Wissens, dass ich eigentlich nur Erinnerungen nachspiele, glaubhaft in die Zeit der Kreuzzüge zu ziehen.

Alles ist erlaubt

Großen Anteil daran hat der Mix aus Spielmechaniken und viel mehr noch die imposante Kulisse. Denn spätestens wenn ich nach einem Attentat auf der Flucht vor meinen Verfolgern über die Dächer von Akkon, Jerusalem oder Damaskus fliehe oder vergeblich versuche, in der Bevölkerung oder im Kampf mein Heil zu suchen, geht der Adrenalinspiegel steil nach oben. Und es ist mir absolut egal, ob ich irgendwo in meinem Hinterkopf weiß, dass ich eigentlich gar nicht in der Vergangenheit bin. Auch die durch moderne Technik unterstützte Zielerfassung, die mich bei einem Titel wie der Thief-Serie normalerweise in ein tiefes Atmosphäre-Tal stürzen würde, stört mich hier überhaupt nicht mehr. Die Illusion ist nahezu perfekt und die Ebenenverwirrung Realität/Alternative Realität/Vergangenheit/Erinnerte Vergangenheit unterstützt entgegen aller Erwartung die Atmosphäre.

Der große Reiz der Aufträge, die ihr erfüllen müsst, liegt in der grundsätzlichen Freiheit, die euch AC anbietet: Auf dem Weg zu eurem Ziel gibt es zwar ein paar Vorgaben, die erfüllt sein müssen, doch die Entscheidungen liegen letztlich bei euch.

Zu den Vorgaben gehört z.B. ein Besuch im lokalen "Ortsbüro" des Assassinen-Ordens. Dort müsst ihr mit dem Vertrauten über das mutmaßliche Opfer sprechen und ihr erhaltet Hinweise, wo ihr Informationen bekommt, die euch das Attentat erleichtern und die gesamte Aktion rechtfertigen.

                  

Diese Informationen wiederum könnt ihr bei bestimmten Bewohnern im jeweiligen Bezirk bekommen, sei es nun durch einfaches Belauschen eines Gespräches, einen Taschendiebstahl oder durch pure Gewalt, indem ihr den Informanten in einen unbeobachteten Gasse mit einem Faustkampf mürbe prügelt.

Schade ist allerdings, dass ihr hier nicht die Wahl habt, sondern ihr vom Programm vorgeschrieben bekommt, was ihr machen müsst. Es ist nicht möglich, jemanden zu bestehlen, den ihr belauschen müsst oder jemanden zu belauschen, den ihr durch Schläge überzeugen müsst. Hier wäre gemäß dem Credo "Alles ist erlaubt" mehr Freiraum möglich gewesen, der leider ungenutzt blieb.

Hoch hinaus

Um zu den Schlüsselinformanten zu gelangen, könnt ihr natürlich den gesamten Bezirk absuchen und hoffen, dass ihr sie per Zufall findet. Einfacher geht es jedoch, wenn ihr den vertikalen Weg beschreitet und durch einen fliegenden Adler markierte Türme empor klettert. Oben angekommen erwartet euch nicht nur ein Atem beraubender Panoramablick oder ein überaus ansprechend inszenierter Sprung in einen Heuhaufen, der euch in Verfolgungssituationen durchaus das Leben retten kann. Viel wichtiger ist jedoch, dass dadurch wichtige Positionen auf der Karte markiert werden. Dazu gehören nicht nur andere

Die Zwischensequenzen sind extrem interaktiv und von euch steuerbar. 
Türme, die erklommen werden können, sondern auch die Standorte von Informanten sowie Bürgern, die ihr vor den Schikanen der Besatzungsmacht retten könnt.

Hier kommt allerdings wieder die Freiheit ins Spiel: Um Zugang zum Opfer zu bekommen, müsst ihr nicht penibel alle Infos sammeln. Meist könnt ihr nach der Hälfte aller erhältlichen Hinweise zu eurem Büro zurückkehren. Allerdings empfehlen wir, alles zu sammeln, was möglich ist. Denn so erschließt sich nicht nur die komplette Geschichte, sondern ihr bekommt auch lebenswichtige Tipps, die ihr unter anderen Umständen evtl. nicht bekommen würdet. So z.B., dass euer Opfer sich von Bogenschützen bewachen lässt. Also wäre es ratsam, aber im Sinne des Freiheits-Credos nicht Pflicht, evtl. erst einmal die Dächer zu "reinigen", bevor ihr euch zum Opfer begebt. Oder ihr versucht, einen Weg zu finden, der euch außerhalb der Reichweite der Pfeile hält.

Da euer Auftrag aber nicht endet, wenn ihr das Attentat vollzogen habt, sondern auch noch den daraufhin natürlich in höchster Alarmbereitschaft versetzten Soldaten entkommen und wieder zurück ins Büro eurer Bruderschaft müsst, solltet ihr auch schon im Vorfeld Überlegungen bezüglich eurer Flucht anstellen.

Massenhilfe

Nun kommen die Bürgerhilfsaktionen ins Spiel. Je nach Typ des befreiten Bürgers werden entweder Partisanen oder Gelehrte auf der Karte freigeschaltet. Während Erstere versuchen, eure Verfolger aufzuhalten, bieten euch Gelehrte die Möglichkeit, sich als Teil ihrer Prozession unter sie zu mischen, womit ihr euch zwar langsam, aber dafür unentdeckt durch die verwinkelten Gassen bewegt.

Andere Möglichkeiten, den Verfolgungs- oder Alarmstatus (so etwa, wenn ihr jemanden umbringt und die Leiche entdeckt wird oder ihr direkt dabei beobachtet werdet) in "Unauffällig" zu verändern liegen in der Flucht in Heuhaufen, auf den Dächern postierten Verstecken oder auf Bänken zwischen den Anwohnern.

Für die meisten Aktionen ist es allerdings zwingend notwendig, die Sichtlinie der Verfolger aufzulösen. Wenn ihr es nicht

Altair will hoch hinaus. Dramaturgisch gelingt es ihm. Spielerisch bleibt er sehr konventionell...
schafft, diese Sichtlinie zu brechen, solltet ihr euch nicht wundern, wenn euch die KI bis auf die Dächer verfolgt oder die panischen Bürger angesichts auf sie zu stürmender Soldaten die Bank verlassen, auf der ihr eigentlich Zuflucht finden wolltet.

Überhaupt muss man sagen, dass es AC trotz kleinerer Detailschwächen durchaus gelungen ist, ein glaubhaftes Verhalten innerhalb der Bevölkerung zu schaffen, dass mit Hilfe einer meist gelungenen KI immer wieder für neue Herausforderungen sorgt.

Wenn ihr schnell und vergleichsweise unkontrolliert durch die Masse hetzt oder die euch aus dem Nichts angreifenden Betrunkenen oder Verrückten sowie die beständig nervenden Bettelweiber wütend beiseite schupst, fliegt eure Tarnung auf und die Wachen werden eher früher als später auf euch aufmerksam.

Wenn ihr hingegen Geduld zeigt und die Bettlerinnen z.B. sanft aber bestimmt zur Seite schiebt, ohne Gewalt anzuwenden, geben sie bald ihr Vorhaben auf und lassen euch passieren, so dass ihr euer Ziel weitaus gefahrloser erreichen könnt.

Es ist nicht alles Platin

Bis hierhin wäre in der Theorie sogar Platin im Bereich des Möglichen gewesen. Doch je länger wir spielten, um so mehr Sachen traten auf, die einzeln nicht einmal schwer wiegen würden, in der Masse aber kontinuierlich Prozentpunkt um Prozentpunkt abknabbern.

         

Nehmen wir z.B. das Missionsdesign: Mit Ausnahme einiger spezieller "Sondertötungs-" und Flaggenfinde-Aufgaben, die euch von Informanten eurer Bruderschaft gegeben werden, hat man die grundsätzlichen Typen schnell kennen gelernt. Und das bedeutet, dass eigentlich jeder der insgesamt neun Assassinierungs-Aufträge und damit auch die neun Stadtbezirke nach Schema F beackert werden: Hin, ins Büro, Auftrag holen, Türme erklimmen, Summe X der erforderlichen Infos sammeln (die auch von Bezirk zu Bezirk nicht mehr variieren), Mission abschließen und ggf. Bürger zur Fluchthilfe befreien. Unter dem Strich hätte das Erlebnis mit letztlich überraschenderen Missionsstrukturen ungleich intensiver ausfallen können.

Euer nächstes Opfer wartet schon
Auch das Kämpfen und Klettern verliert mit zunehmender Spieldauer sowohl an Reiz als auch an Anforderung. Wenn man das erste Mal mit Altair einen Turm erklimmt und die Aussicht genießt, möchte man nur noch eines: Immer höher, immer weiter, immer wieder. Doch da einem das Klettern sehr leicht gemacht wird, fehlt hier auf Dauer das Spannungsmoment. Solange Altair sich irgendwo festhalten kann, macht er das auch. Hätte man nicht wie bei Tomb Raider Momente einflechten können, in denen er kurz vor dem Absturz ist und man nur durch bestimmte Tastenkombos wieder festen Griff hat?

Da zudem wie bei Zelda ein automatisches Springen eingeführt wird, das nur dann gefährlich enden kann, wenn man sich in der Breite des zu überwindenden Abgrunds verschätzt, sehen sowohl Verfolgungsjagden als auch das Herumstöbern in der Stadt spektakulär aus, lassen sich aber sozusagen mit Links erledigen. Wenn nicht die Kamera in seltenen Momenten einen kleinen Strich durch die Rechnung macht und Altair statt der Leiter formschön direkt daneben versucht, die Mauer hochzurennen - natürlich vergeblich.

Beim Kämpfen zeigt sich ein ähnliches Phänomen: Bei den ersten Gefechten, die mit hervorragendem Motion Capturing und beeindruckenden Choreografien begeistern, steht einem der Mund sperrangelweit offen. Bei genauem Hinsehen zeigt Altair selbst bei allen Bewegungen eine ausgefeilte Mimik - klasse.

Da die Kämpfe aber ebenfalls sehr einfach zu bedienen sind und die einfach zu erreichende und nicht unbedingt großartiges Timing erfordernde Konterattacke sehr schnell euer bester Freund wird, fehlt auch hier auf lange Sicht die Spannung - es sei denn, ihr müsst gegen ein gutes Dutzend Gegner antreten, die an eurer Gesundheit knabbern. Trotzdem jagt bei erfolgreichen Kontern und gelungenen Attacken ein Adrenalinstoß nach dem anderen durch den Körper, wenn euer Gegner in dramatischen Kameraeinstellungen das Zeitliche segnet.

Versteht mich nicht falsch: Ich jammere hier auf hohem Niveau - weil man aus Assassin´s Creed trotz sauber präsentierter und ebenso gut umgesetzter Grundmechaniken noch mehr hätte herausholen können, um das Spiel auch über längere Zeit ähnlich intensiv zu gestalten wie die Dramaturgie der Zwischensequenzen. Besonders die Szenen mit euren Opfern direkt vor und nach den Attentaten wissen mit ihrer Inszenierung und Charakterzeichnung zu begeistern, stellen immer wieder die Frage nach Recht und Unrecht eurer Arbeit und schaffen es, den Spieler stets aufs Neue zu verwirren.      

Architektur, Animationen und Artdesign sind beispielhaft.
Logikschwächen

Natürlich macht es auch immer wieder Spaß, einen Soldaten nach dem anderen in einem Säbelballett zu besiegen, zumal die Kämpfe nur ein Mosaikstein in dem von der Geschichte angetriebenen Assassin´s Creed-Puzzle darstellen. Doch um das angestrebte Ziel zu erreichen und das Genre neu zu definieren, hätte man hinsichtlich der Spielmechaniken wenigstens eine Evolution schaffen müssen, wenn nicht gar eine Revolution. Hier bleibt man aber im Gegensatz zur erzählerischen Ebene, die mit zum Besten gehört, was ich in den letzten Monaten erleben durfte, erstaunlich konservativ. 

Aber: So überzeugend die Erinnerungs-Zeitreise auch inszeniert wurde und man auch zahlreiche innerhalb der Spielwelt glaubhafte logische Zusammenhänge anbietet, beißt sich die Logik in seltenen Momenten auch in den Hintern - dann allerdings auch hinsichtlich der Spielatmosphäre umso heftiger.

So z.B. als ich mit Altair einen Taschendiebstahl zwecks Info-Beschaffung durchführen muss. Ich scheitere und mein Opfer rennt nicht nur weg, sondern alarmiert auch die Wachen - das ist gut. Sehr gut sogar. Doch nachdem ich die Wachen erledigt habe, wird die "Erinnerung" re-initalisiert. An sich auch eine gute Idee, da sie logisch in das Spieluniversum integriert wird. Doch jetzt folgt die böse Überraschung: Mein Opfer ploppt an seiner Position auf (nebst seinem Templer-Kollegen). Ich initiiere den Taschendiebstahl erneut. Doch just in dem Moment, in dem mein Opfer sich zu bewegen beginnt, sieht es die noch vor Ort liegenden Leichen, haut ab und alarmiert die Wachen. Ganz abgesehen von dem Templer, der mich urplötzlich (und natürlich vollkommen berechtigt) mit den Leichen in Verbindung bringt und attackiert.

Wenn man schon die Erinnerung auf Anfang setzt und man sowieso das Prince of Persia-Team im Hause hat, wieso nutzt man nicht gleich die "Rückspul"-Technik und verwendet diese, um wirklich eine "reine" Erinnerung zu haben?

Doch solche Schwächen halten sich in Grenzen und werden durch die gesamte Inszenierung sowie die zweite aktiv spielbare Ebene in der Gegenwart, zu der wir hier nichts weiter sagen möchten, wett gemacht.

           

Shadow of the Assassin     

Um die gesamten Tötungsaufträge wurden noch weitere Elemente verbaut, die in mir weder positive noch negative Auswirkungen hinterließen: Zum einen, dass in allen Städten und Gebieten Fahnen versteckt wurden, die ihr einsammeln könnt. Was soll ich dazu sagen? Ja, ist nett. Aber macht mich nicht wirklich an. Und scheint irgendwie anachronistisch. Doch seis drum.

Auch die Ausflüge zu Pferde, die euch in der Anfangsphase verbindend durch das Königreich führen, haben mich kalt gelassen.

Die Sequenzen hoch zu Ross sehen ähnlich gut aus wie der Rest von Assassin´s Creed, wirken aber aufgesetzt...
Als mir später die Möglichkeit angeboten wird, an Schlüsselstellen direkt zur jeweiligen Stadt teleportiert zu werden, anstatt mich hoch zu Ross dorthin zu quälen, habe ich sie dankend angenommen.

Versteht mich nicht falsch: Auch hier gibt es einiges zu entdecken, man kann vom Pferd absteigen, sich umschauen und dann den Ritt weiter machen und nicht zuletzt kann man auch vom Sattel aus kämpfen.

Und die Bewegungen des Pferdes sind mit Ausnahme der Sprünge so ausgefeilt wie bei Shadow of the Colossus. Doch hier wie da wurde ich mit den Reitsequenzen nicht wirklich warm. Was allerdings auch an mir liegen kann. Oder vielleicht auch daran, dass diese Abschnitte in AC etwas aufgesetzt wirken...

Edle Kulisse

Ganz im Gegensatz zur Kulisse im Allgemeinen, deren Art-Design auf ganzer Linie überzeugt. Architektur, Straßenlayout, das Erscheinungsbild der Bevölkerung, das Design der Soldaten: Alles wirkt wie aus einem Guss, zeigt, wie hervorragend das Team die Historie recherchiert hat und zeichnet ein authentisches Bild der drei führenden Zentren im heiligen Land zur Zeit der Kreuzzügler. Allerdings auch eines, das die hohe Weitsicht auf Kosten  reduzierter Texturqualität in der Entfernung propagiert.

Egal, ob man durch die Gassen schlendert oder sich auf den Dächern zu einer Rundreise aufmacht: Man findet immer wieder kleine Details, an denen man sich ergötzen kann. Seien es nun die Ruinen in Akkon, die kleinen Animationen am Rande oder die Marktschreier, die eine Menschentraube um sich versammeln: Alles passt zusammen. Auch die geschmeidigen Bewegungen Altairs, wenn er sich durch die Bevölkerung schlängelt, dabei den Oberkörper leicht zur Seite dreht oder vorsichtig, aber bestimmt einen Zivilisten aus dem Weg schiebt, sind immer wieder einen Blick wert.

Und dann finden sich doch Kleinigkeiten, die etwas vom ursprünglichen Glanz nehmen. Hier zum Beispiel: Während in den Außengebieten wunderschöne Lichtspielereien abgefackelt und überzeugende Schatten gezeichnet werden, wird in Gebäuden überhaupt kein Schatten geworfen - selbst wenn man direkt vor einer Fackel steht. Oder aber die mit enorm viel Kleiderstärke versehenen Kostüme der Bevölkerung, die zwar von Stadt zu Stadt unterschiedlich sind, aber dennoch eines gemeinsam haben: Physikalisch inkorrekte Bewegungen, die schon zu PS2-Zeiten durchgefallen wären. Sicherlich ist es problematisch, bei Dutzenden gleichzeitig auf dem Bildschirm angezeigten NPCs auch noch die Kleidung akkurat zu

Nach dem Aufstieg und dem Panoramablick folgt der freie Fall...
berechnen. Doch wenn Altair, bei dem die Klamottenphysik einigermaßen funktioniert, zwischen den Gelehrten geht, bei denen die Kleidung nur durch steife Animationsphasen etwas Bewegung zeigt, passt das Bild nicht ganz zusammen.

Und spätestens wenn man eine der Bettlerinnen weg schuppst und diese dann wie mit einem Reifrock bekleidet auf dem Boden liegend ihre weiße Unterwäsche preis gibt, fängt man zu grübeln an.

Doch wie auch schon beim inhaltlichen Rest von Assassin´s Creed wird man durch das Zusammenspiel von Story-Elementen, der insgesamt überzeugenden Kulisse und der angebotenen Freiheit immer wieder in die futuristisch-historische Welt von Altair und seinem Nachfahren gesogen und will wissen, wie es weitergeht.     

Großen Anteil an dieser fast kinoreifen Atmosphäre haben auch die interaktiven Cut-Scenes, die in Spielgrafik abgespult werden und bei denen nicht nur die deutsche Lokalisierung gelungen ist. In nahezu 95 Prozent der Fälle könnt ihr eure Figur entweder weiter bewegen, während die Szene abläuft, die Kameraposition weiterschalten oder manuell einstellen oder besondere Einstellungen wie Close-Ups initiieren.

Anmerkung: Zum Test stand uns nur die 360-Version zur Verfügung. Sobald uns die PS3-Fassung erreicht, werden wir den Bericht ggf. um Unterschiede ergänzen.           

Flimmer-Assassine?

Mittlerweile ist auch die PS3-Version bei uns eingetroffen und wir konnten endlich den grafischen Vergleich in Angriff nehmen. Inhaltlich und hinsichtlich der Steuerung lassen sich keine Unterschiede feststellen. Daher hat das Abenteuer von Altair gute Chancen, sich auch auf der Sony-Konsole den Gold-Award zu sichern.

Auch auf der PlayStation 3 sind die Kämpfe dramatisch choerografiert.
Doch wie sieht es mit der grafischen Umsetzung aus? Hier gibt es generell sowohl die gleichen Glanzlichter als auch die gleichen Probleme wie auf der Xbox 360. Angefangen vom ausgefeilten Art-Design, der feinen Architektur und der herrlichen Sichtweite über die größtenteils geschmeidigen Animationen Altairs bis hin zu den Klon-Zivilisten und den steifen Klamotten bietet auch die PS3 das gesamte Spektrum, das wir auf der 360 gelobt und kritisiert haben.

Und es gibt sogar ein paar Punkte, in denen die Sony-Konsole einen besseren Eindruck bei uns hinterlassen konnte. Die intensiveren Lichteffekte z.B. machen einiges her und auch die im Detail realistischeren Metall-Texturen können sich auf der PS3 sehen lassen.

Doch diese zwei eher kleineren Verbesserungen schaffen es nicht, die Mankos hinsichtlich der Kulisse in den Hintergrund zu spülen. Dass AC mit Cell-Unterstützung nur maximal eine Auflösung von 720p hergibt und dazu noch ab und an mit Kantenflimmern zu kämpfen hat, ist dabei sogar noch unwesentlich und hätte keine Einwirkung auf die Endnote gehabt - zumal es auch keine nennenswerten Unterschiede gibt, was die Ladezeiten betrifft.

Was allerdings immer wieder negativ auffällt, sind vor allem zwei Faktoren: Auf der einen Seite haben wir Einbrüche in der Bildrate, die vor allem bei den Reitsequenzen als auch bei schnellen Kameraschwenks in stark bevölkerten Stadtgebieten auffallen. Das alleine würde mir aber immer noch nicht reichen, den Assassinen unter die Goldgrenze zu ziehen, da sich

Vor allem bei solchen Panaroma-Aussichten werden Stärken und vor allem die Schwächen (Tearing, Bildrate) der PS3-Version offenbart.
diese Slowdowns und Ruckler in unseren Testspielen nur in den seltensten Fällen negativ auf das Spielerlebnis ausgewirkt haben. Störend sind sie aber in jedem Fall.

Doch zusätzlich zu den immer wiederkehrenden Rucklern und Slowdowns geben sich immer wieder böse Tearings ein Stelldichein. Manchmal zusammen mit den Rucklern, manchmal solo und dann vornehmlich in den Zwischensequenzen sowie in den eindrucksvollen Panorama-Schwenks. Und schwupps werde ich immer wieder in den kinoreifen Einspielungen gestört. Das Ergebnis: Mir reißt der grafische Geduldsfaden. Und ab diesem Moment fallen mir auch die Pop-Ups und hereinfadenden Baumtexturen in den Reitsequenzen noch stärker auf - ebenso die flackernden Schatten, die ihre unsauberen Kanten jedoch mit der Xbox 360-Version teilen.

Und so kommt, was ich weder gehofft oder befürchtet habe: Über jeden einzelnen Unterschied kann ich für sich hinwegsehen, doch in der Summe reißen mich die kleinen oder größeren Fehler immer wieder unnötig aus dem Geschehen. Und da die Atmosphäre einen der Hauptgründe für den Gold-Award darstellte, mir es die PS3-Version aber sehr schwer macht, in eben diese einzutauchen, reicht es nicht mehr ganz für die allerletzte Weihe.  

Fazit

Jetzt ist er da. Altair. Der Assassine. Haben sich das Warten und die Geheimniskrämerei gelohnt? Durchaus: Die Kulisse ist mit kleinen Ausnahmen Atem beraubend. Die Geschichte weiß durch ihre philosophischen Ansätze, die zwei behutsam zusammengefügten Ebenen sowie das Spiel mit mir als Spieler und Spielfigur in Personalunion zu gefallen. Die Freiheit, die mich gemäß dem Assassinen-Credo "Alles ist erlaubt" durch die drei beeindruckenden Kreuzfahrer-Zentren lotst, gibt mir die Möglichkeit, die Aufträge so anzugehen, wie ich es mag - mal schleichend, mal im Frontalangriff, mal irgendwo dazwischen. Doch so überzeugend die Kulisse auch ist: Ähnlich wie Naruto - Rise of the Ninja aus gleichem Hause (Zufall?) sind es Kleinigkeiten, die das enorme Potenzial aufhalten, das in Assassins Creed schlummert, das aber in manchen Punkten leider nur angekratzt wurde. Das Konzept der Masse ist grundsätzlich überzeugend dargestellt, behindert aber eher, als dass man es zu seinen Zwecken nutzen kann. Missionsverlauf, Kämpfe und die Erforschung der Stadtteile sind immer wieder beeindruckend, verlaufen aber nach anfänglicher Begeisterung immer nach Schema F. Vor dem Hintergrund der Geschichte, die mich nach anfänglicher Skepsis immer mehr in den Bann zog, war mir dies aber spätestens nach der Hälfte des Spieles egal. Und dann wollte ich nur noch wissen, wie es mit Altair und seinem Nachfahren weiter geht. Dass Assassins Creed in einem bösen Cliffhanger endet, der all zu deutlich macht, dass eine Fortsetzung so zwangsläufig wie das Amen in der Kirche ist, ist bedauerlich. Hat Ubisoft sein Ziel erreicht und das Genre "neu definiert"? Nein. Es sind bisher nur Ansätze wie das lebendige Bad in der Menge zu erkennen. Dennoch ist das Meuchelmörder-Abenteuer dramaturgisch und hinsichtlich des Artdesigns ein kleines Kunstwerk, fast schon eine filmreife Philosophie-Stunde. Es ist letztlich aufgrund seiner zielsicheren Dramaturgie ein gelungener Einstieg für eine neue Franchise. Ubisoft sollte aber für zukünftige Teile mehr spielerische Risiken eingehen und sich nicht nur auf Inszenierung oder den Charme der Produzentin verlassen.
PS3-Update: Wer die Qual der Systemwahl hat, sollte trotz Inhaltsgleichheit und weiterhin guter Steuerung zur 360-Version greifen, die insgesamt den runderen Eindruck hinsichtlich der Kulisse hinterlässt. Dabei ist es nicht einmal das sporadische Kantenflimmern, das uns zu diesem Ratschlag nötigt. Immer wieder auftauchende Probleme mit der Bildrate machen zusammen mit teils hartem Tearing selbst in den Zwischensequenzen die Probleme der PS3-Version deutlich und nagen gehörig an der B-Note. Im Gegenzug bekommen Sony-Zocker etwas schönere Lichteffekte und die besseren Metalltexturen. Doch das reicht nicht, um auch auf der PS3 für Gold in Frage zu kommen. Aber selbst ohne diese letzte Weihe bietet Assassin´s Creed richtig coole Unterhaltung!    

Pro

glaubhaft belebte Städte
interessante Story
hervorragende Kampfanimationen
größtenteils überzeugendes Verhalten der Bevölkerung
viel Freiheit
imposante Kulisse
gutes Drehbuch
überraschende Story auf zwei Ebenen
enorme Atmosphäre
stark interaktive Cut-Scenes
beeindruckende Dramaturgie

Kontra

herausforderungsarmes Klettern
Kämpfe mit Konter etwas zu leicht
KI-Schwächen
seltene Logik-Macken
gleichförmiger Missionsablauf
kaum Interaktion mit der Bevölkerung als „Masse“
teils übles Tearing (PS3)
immer wieder Bildratenprobleme (PS3)

Wertung

360

Beeindruckende Kulissen und eine packende Inszenierung gepaart mit solider Spielmechanik

PlayStation3

Inhaltsgleich zur 360-Variante sorgt die Summe der grafischen Unzulänglichkeiten für deutliche Abzüge in der B-Note

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