Fable 222.10.2008, Mathias Oertel
Fable 2

Im Test:

Gut oder Böse? Strahlender Held oder gefürchteter Rächer? Die Entscheidung liegt bei euch. Wie schon vor gut vier Jahren, als Peter Molyneux zum ersten Mal mit Fable nach Albion einlud, um zu Aktion und Reaktion, zu Handlung und Konsequenz zu zwingen. Das Ergebnis war damals ambitioniert und in vielerlei Hinsicht gelungen, konnte aber nicht vollends euphorisieren. Kann Fable II die Erwartungen erfüllen?

Willkommen zurück

Machen wir uns nichts vor: Es hilft ungemein, wenn man den Vorgänger kennt und im besten Fall sogar durchgespielt hat. Denn der erneute Abstecher in die Fantasiewelt von Albion stellt immer wieder inhaltliche und spielmechanische Verbindungen zu den Fable-Geschehnissen her, die allerdings innerhalb des Universums 500 Jahre früher passiert sind.

Aber selbst wenn man vorher noch keinen Schritt durch die heldenhafte Vergangenheit getan hat, wird man in Albion nicht allein gelassen. Fable 2 (ab 20,23€ bei kaufen) nimmt euch in Person eines kleinen verwaisten Dreikäsehochs (Geschlecht ist wählbar) wortwörtlich

Herzlich Willkommen in Albion!
an die Hand und zeigt euch mit eurer großen Schwester Rose, wie man sich in der detaillierten und lebendigen Welt der Altstadt Bowerstones zurechtfindet.

Und so ganz nebenbei bekommt ihr eine Einführung in das eingängige Kampfsystem: Ein Knopf dient für Nahkampfattacken, einer für Fernkampf und später kommt noch ein weiterer für Magie hinzu - einfach, überschaubar, schnell zu erlernen.

Wertfreie Moral

Viel wichtiger jedoch, da sich dieses Thema bis zum Ende der Hauptstory und darüber hinaus zieht, ist das Vertrautmachen mit dem Moralsystem. Wobei "Moral" bereits zu wertend ist. Wichtig ist nur: Jede eurer Entscheidungen, auch die, die ihr bereits als Kind fällt, hat eine Konsequenz, deren Tragweite auf den ersten Blick nicht sehr groß scheint, die sich aber später als enorm wichtig herausstellen kann.

Nehmen wir z.B. eine Mission aus der Tutorial-Phase, in der ihr fünf Goldstücke zum Erwerb einer angeblich magischen Spieluhr bekommen müsst: Von einem Wachmann bekommt ihr den Auftrag, für ein Goldstück fünf Fahndungsplakate zu sammeln. Nachdem ihr alle gefunden habt, tritt eine zwielichtige Gestalt auf euch zu und bietet euch ebenfalls ein Goldstück. Als Gegenleistung müsst ihr einfach ihm statt dem Wachmann die Plakate geben.

Natürlich ist sofort klar: Die eine Entscheidung ist neutral betrachtet "gut", die andere "böse". Doch in Albion spielt das keine Rolle. Denn egal, wie ihr euch entscheidet, bekommt ihr von eurer Schwester Unterstützung und Verständnis.

Und eine "böse" Tat macht auch nur äußerlich "bösen" Menschen aus euch. Aber: Ihr werdet an irgendeinem Punkt in eurer Zukunft mit den Auswirkungen eurer Entscheidungen konfrontiert. Und wie ihr euch auch immer in Bowerstone und den umliegenden Gemeinden verhaltet und welche Entscheidungen ihr trefft: Sie kehren zu euch zurück, die Bevölkerung reagiert darauf und stellt euch und eure Fähigkeit, emotional mit diesen Entscheidungen umzugehen, auf eine teilweise sehr harte Probe.

Bleiben wir beim Beispiel der Fahndungsplakate, um die Auswirkungen zu zeigen. Gebt ihr sie dem Wachmann, werden die Verbrecher aus dem Verkehr gezogen und ihrer Strafe zugeführt. Und damit entwickelt sich die Bowerstone-Altstadt weitestgehend normal, was sich zeigt, wenn ihr als Heranwachsender wieder an den Ort eurer Kindheit zurückkehrt.

Habt ihr hingegen dem Handlanger des Gangsterbosses die Plakate übereignet, wird der Wachmann gefeuert und langsam aber sicher macht sich das Verbrechen in der nun schutzlosen Altstadt breit. Und das wiederum bedeutet zum Zeitpunkt

Ihr beginnt die Geschichte als Kind. Doch schon an diesem Punkt haben eure Entscheidungen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Spielwelt.
eurer Rückkehr Baracken und Ruinen, Gesetzlosigkeit und Trümmer. Später (keine Angst, es kommt kein Spoiler) gibt es sogar deutlich stärkere Auswirkungen.

Engel oder Teufel?

Ist das jetzt gut oder schlecht? Die Entscheidung liegt bei euch - und nur bei euch und euren eigenen ethischen Vorstellungen. Natürlich werdet ihr im Laufe der gut 25 bis 30 Stunden dauernden Hauptaufgabe der Jagd nach dem Mörder eurer Schwester immer wieder die Zivilbevölkerung mit Aktionen und Handlungen entweder begeistern oder enttäuschen.

Und nahezu alle Entscheidungen werden euch auf lange Sicht visuell verändern - euch und auch euren Hund, der als Schatz findende Spürnase, vierbeiniger Finishing Move, der auf den Boden geworfenen Gegnern den Garaus macht sowie bester Freund des Menschen in Personalunion nicht von eurer Seite weicht.

Ihr seid herzensgut, weigert euch, Bürger für Sklavenhändler zu fangen und befreit sie lieber? Dann stehen die Chancen gut, dass ihr bei konsequentem Handeln nach der "guten" Prämisse irgendwann mit einem Heiligenschein durch die Gegend lauft, eure Haut engelsgleich blass erscheint und mit feinen blauen Linie durchzogen wird. Der Hund bekommt im Gegenzug ein gülden glänzendes Fell sowie ein freundliches Gesicht.

Stehlt ihr hingegen am laufenden Band, begeht Morde und Hausfriedensbruch, werdet ihr auf lange Sicht zu einem Belzebub'schen Ebenbild: Es wachsen euch Hörner, eure Gesichtszüge werden hart und euer Vierbeiner verkommt zu einer kleinen Zerberus-Ausgabe. Doch bis hierhin wäre Fable 2 nur eine durch den Hund erweiterte Neuauflage des Vorgängers.

      

Gesten, Dialoge und Konsequenz

Allerdings hat man sich unter der kreativen Leitung von Altmeister Peter Molyneux nicht nur auf Altbewährtes gestürzt, sondern einige neue Ideen einfließen lassen. Das alles jedoch nach der Prämisse "Qualität statt Quantität". Dementsprechend gibt es im Vergleich zum üblichen Action-Rollenspiel vergleichsweise wenige Missionen. Diese jedoch werden sehr stimmungsvoll transportiert. Überhaupt muss man sagen, dass Erzählstil und -Tempo, natürlich von euch und euren Entscheidungen beeinflusst, angenehm wechseln - ohne euch jedoch irgendwann unter Druck zu setzen.

Von Momenten, in denen ihr anderen aus der Patsche helfen müsst, bis zu Situationen, in denen ihr um das knallharte Überleben und das Bewahren eures guten (oder schlechten) Gewissens kämpft, werdet ihr durch ein ganzes Meer an Emotionen gezogen. Und immer kommt man an den Punkt, an dem man Entscheidungen nicht nur zu treffen, sondern auch zu verantworten hat. Teilweise haben mich diese sogar stärker angesprochen und beeinflusst, als es die Meisterwerke von Bioware geschafft haben.

In einem Punkt kann Lionhead allerdings bei den kanadischen Rollenspiel-Experten lernen: Einem vernünftigen Dialogsystem. Das bereits aus dem Vorgänger bekannte und auch hier eingesetzte Gestensystem erfüllt zwar seinen Zweck und es ist damit in vielerlei Hinsicht auch differenzierter möglich, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen als in Bioware-Epen. Doch auch die weit reichende Auswahl an Ausdrucksformen kann nicht verhindern, dass ich irgendwann an den Punkt kam, wo ich mir wünschte, dass der namen- und stimmlose Held mir auch die eine oder andere Textmöglichkeit zur Auswahl

Die Kommunikation mit anderen Bewohnern Albions verläuft über ein Gestensystem - Dialogauswahl gibt es keine.
geben würde. Denn nur über Rülpsen, Tanzen, anzügliche Bemerkungen oder wenig subtile Bedrohungen mit den jederzeit auf die Figur reagierenden Stadtbewohnern zu agieren, verliert auf Dauer seinen Reiz. Hier setzt irgendwann der Oblivion'sche Überzeugungszyklus ein: Man schaut, welche Vorlieben oder Abneigungen die jeweilige Figur hat, bedient ganz gezielt mit ein, zwei Gestenformen eben diese Präferenzen und schwupps: Hat man beinahe schon einen Freund fürs Leben.

Eventuell wäre dies sogar noch ein glaubwürdigeres Mittel, wenn mein Gegenüber oder die Menschenmasse auch in Form von Gesten reagieren würde. Doch da die NPCs meist mit passenden und wie fast alle Texte supersauber gesprochenen Dialogen vertont wurden und ausgerechnet der Held stumm bleibt, entsteht hier ein kleiner Bruch.

Zeitvertreib

Ihr habt keine Lust, der Hauptquest zu folgen? Überhaupt kein Problem. Albion bietet euch zahlreiche Möglichkeit, Zeit totzuschlagen. Ihr könnt verschiedene Jobs (z.B. Holzhacker, Schmied oder Wirt) annehmen und dort mit einem kleinen, unkomplizierten Reaktionsspielchen Geld verdienen. Dieses wiederum dürft ihr nicht nur für Ausrüstung, persönliche Verschönerungen wie Tätowierungen oder eine neue Frisur ausgeben, sondern auch Gewinn bringend in Immobilien anlegen. Denn nahezu jedes Gebäude in Albion lässt sich nicht nur von euch betreten (Vorsicht vor Hausfriedensbruch), sondern auch kaufen. Und ab hier sind wieder Entscheidungen gefordert.

Vermietet ihr das Gebäude oder schmeißt ihr die Bewohner raus, um selber einzuziehen - oder auch nicht? Erhöht ihr die Miete? Senkt ihr sie? Versucht ihr, den gegenwärtigen Besitzer zu töten, um so günstig an sein Eigentum zu kommen? Auch hier sind zahlreiche Gedankenspiele möglich - und dass, obwohl Immobilien & Co nicht einmal zum Kernspiel gehören, sondern nur eine von zahlreichen möglichen, aber nicht aufgezwungenen Aktivitäten und Geheimnissen außerhalb der Hauptgeschichte darstellen.

Wie viel Wert das Team auf die Verknüpfung auch der abwegig erscheinenden Mechanismen legt, zeigt dieses Beispiel: Dass ihr bei einem Ladenbesitzer, der euch Miete zahlt, einen besseren Preis bekommt, scheint logisch. Doch wo ihr eure Sachen kauft, hat einen direkten Einfluss auf die Konjunktur des jeweiligen Gebietes. So könnt ihr z.B. in einem abgehalfterten Städtchen alle Geschäfte und Stände zu einem Spottpreis bekommen. Nun nutzt ihr eure Berühmtheit als Held und kauft wie verrückt dort ein. Dadurch steigt der wirtschaftliche Wert der Region, die Geschäfte gehen besser und euer Anteil an den Einnahmen steigt. Natürlich ist Albion kein Beispiel für eine funktionierende Marktwirtschaft in jeglicher Form, doch auch hier wird deutlich, wie selbst eine kleine Entscheidung, irgendwo seine Heiltränke zu kaufen, im Nachhinein größere Auswirkungen zeigt.

Aber vollkommen gleichgültig, ob ihr euch herrlich beleidigende Gargoyles jagt, versucht, Silberschlüssel ausfindig zu machen, auf Schatzjagd geht, versucht, die Rätsel der neun Dämonentüren knackt, eine Familie gründet und euch um sie kümmert oder eine der unwichtigen Nebenmissionen annehmt: Alles wirkt sehr rund und hinterlässt den Eindruck, dass

Wer mag, kann sein ganzes Hab und Gut auch beim Glücksspiel in Gefahr bringen...
selbst Hol- und Bringdienste, die in vergleichbaren Titeln nur noch für ein müdes Lächeln sorgen, hier ein Puzzleteil für die Ausbildung der Psyche meines Alter Egos darstellen.

Falsche Entscheidungen

Angesichts der inhaltlichen Vielfalt, der sozialen und "moralischen" Verknüpfungen sowie dem Fokus auf "Entscheidungen" ist es bedauerlich, dass das Team in einigen Punkten eine wenn schon nicht "falsche", dann in jedem Fall einige unglückliche Entscheidung getroffen hat.

So sind z.B. die Menüstrukturen hinsichtlich des Inventars sehr unübersichtlich und erfordern unnötig kompliziertes Navigieren. Noch schlimmer ist allerdings die Karte der jeweiligen Gebiete Albions. Zwar sind alle wesentlichen Infos wie Questziel bzw. Ausgang zum Gebiet, in dem das Ziel anzutreffen ist, vorhanden, doch selbst auf großen Bildschirmen (>40 Zoll) wirkt der Kreisausschnitt des Gebietes verschwindend klein.

Viel schwerwiegender ist allerdings, dass angesichts des umfassenden Entscheidungs-/Konsequenz-Zusammenhanges verpasst wird, das Bild einer wahrhaft epischen Welt zu zeichnen.

Damit meine ich weniger die Entscheidung, Albion in zehn Gebiete aufzuteilen, die jeweils an der "Grenze" nachgeladen werden müssen - obwohl die Ladezeit nicht unerheblich ist und an den Nerven zehren kann. Dass ich aber kein Gefühl für die wahre Größe der Fantasy-Welt bekomme, da es keinerlei Übersichtskarte gibt, auf der ich mich zurechtfinden könnte oder die mir anzeigt, wie welche Gebiete zusammenhängen und wo ich hingehen müsste, stößt mir sauer auf. Denn so werde ich nicht nur immer wieder aus der hervorragenden Atmosphäre heraus gerissen, die in den einzelnen Abschnitten durch die Lebendigkeit von Charakteren, Flora und Fauna aufgebaut wird, sondern verliere auch komplett den Bezug zu der Welt.

In modernen Gebieten gesprochen, könnte die eine Mission in Sydney stattfinden, die andere in Berlin und eine dritte wiederum in Johannesburg. So beraubt sich Fable 2 leider etwas des Zaubers, der sich bereits mit dem ersten Einschalten einstellt.

    

Auch die Designentscheidung, das Springen meiner Figur nur an explizit dafür vorgesehenen Stellen möglich zu machen, kann ich nicht gutheißen. In Zeiten von offenen Welten und angesichts einer "Mach was du willst, aber lebe mit den Konsequenzen"-Attitüde wirkt es anachronistisch, wenn ich neben einem gerade mal kniehohen Zaun laufe, mein Ziel eigentlich direkt auf der anderen Seite liegt, ich aber einen ewig langen Umweg gehen muss, nur weil ich nicht aktiv springen kann - vom Klettern will ich gar nicht erst anfangen. Da sind selbst Titel mit automatisierten Sprüngen wie die letzten Zeldas oder auch Ubisofts Assassin's Creed noch fortschrittlicher.

Und letztlich ist die Welt in sich nicht so offen, wie sie beim allerersten Abschnitt noch suggeriert. Leider viel zu häufig kann man sich nur auf den vorgegebenen Pfaden bewegen und hat rechts und links nur ein paar Meter zur freien Erforschung, bevor einem ein natürliches Hindernis das Weitergehen unmöglich macht.

Und so lobenswert es auch ist, auf das Digikreuz kontext-sensitive Auswahlmöglichkeiten wie z.B. die Einnahme von Heiltränken oder ebenfalls Gesundheit spendendem Essen zu legen, so viele Probleme wirft es auch auf. So ist z.B. das Loben des Hundes über die gleiche Taste zu erreichen wie das Essen. Bewegt sich der Hund auch nur etwas aus dem

Mal idyllisch, mal düster bedrohlich: Die Welt von Albion hat zahlreiche visuelle Highlights, aber im Gegenzug auch teils herbe Ladezeiten zu bieten.
Bereich, in dem die Hundebefehle aktiv sind, passiert es schnell, dass man trotzdem drückt und unversehens Nahrung zu sich nimmt. Hat man an diesem Punkt stark proteinhaltige Lebensmittel bei sich und kein gesundes Obst, gibt es Taillenzuwachs, der so schnell nicht wieder verschwindet - in Albion gibt es kein Aerobic.

Obendrauf hat man glatt vergessen, dem User die Möglichkeit zu geben, das Digikreuz mit eigenen Befehlen zu versehen - und das, obwohl man sich doch auf die Fahne geschrieben hat, dem Spieler die Entscheidungen zu überlassen...

Kämpfe und lerne

Schon in Teil 1 waren das Kampfsystem sowie die Charakter-Entwicklung sehr eingängig und boten Anfängern schnell Erfolgserlebnisse. Das hat sich auch beim erneuten Albion-Abstecher nicht geändert. Der Prämisse "Learning by doing" folgend, hinterlässt jeder erledigte Gegner sowohl allgemeine Erfahrungskugeln als auch spezielle, die sich danach richten, auf welchem Wege ihr ihm den Garaus gemacht habt.

Wurden z.B. Nahkampf-Angriffe verwendet, werden dementsprechend blaue Kugeln ausgeschüttet. Analog dazu gibt es bei Fernkampf gelbe Kugeln sowie bei Magieeinsatz rote. Wenn nun genug Kugeln angesammelt wurden, die man im übrigen auch durch bestimmte Tränke erhalten kann, könnt ihr die den jeweiligen Bereichen zugeordneten Eigenschaften und Fähigkeiten in jeweils fünf Stufen aufrüsten.

Das Kampfsystem richtet sich mit seiner Tendenz zum Buttonmashen zwar in erster Linie an Ungeduldige und Neueinsteiger, hat jedoch auch einige Finessen zu bieten, die in späteren Auseinandersetzungen durchaus den Unterschied machen können.

Nahkämpfer z.B. können durch Halten des X-Knopfes den Schlag aufladen und (je nach Ausbildungsgrad) so auch heftige Kombos vom Stapel lassen. Im Gegensatz dazu führt ein längeres Drücken der Fernkampf-Taste Y dazu, dass ein Zoom aktiviert wird, um den deutlich steigenden Schaden zu verdeutlichen. In einer weiteren Aufrüststufe ist es sogar möglich, gezielt einzelne Körperpartien anzuvisieren und so schnell dafür zu sorgen, dass die auf euch zu stürmenden Gegner nicht einmal ansatzweise in eure Nähe kommen.

Das Magiesystem wiederum baut ebenfalls auf die Langdrückmethode. Zauber können (entsprechendes Wissen vorausgesetzt) auf bis zu fünf Stufen aufgeladen werden, was allerdings etwas Zeit in Anspruch nimmt. Zusätzlich könnt ihr entscheiden, ob ihr den magischen Angriff gezielt gegen einen Feind richtet oder einen Bereichsschaden bevorzugt.

Mit all diesen Elementen gewinnen die Kämpfe sogar ein taktisches Element, wobei man auch mit Spezialisierungen auf zwei oder gar nur eine Disziplin gute Überlebenschancen hat. Doch mit einem ausgewogenen Arsenal habt ihr natürlich mehr Möglichkeiten. Mit einem oder zwei gezielten Fernangriffen macht man die Feinde aufmerksam, während man sie bereits etwas dezimiert. Dann habt ihr die Wahl (und ggf. die Zeit), um entweder mehrere schwache oder eine starke Magie abzufeuern, bevor die Gegner bei euch angekommen sind. Und dann macht ihr entweder mit Zaubern weiter, wechselt in den Nahkampf oder ihr entscheidet euch für eine ganz andere Taktik.

Unstimmigkeiten

Auch hier liegt die Entscheidung -auch im Hinblick auf die gewünschte Weiterentwicklung eurer Figur- wieder ganz bei euch. Allerdings zeigt das Kampfsystem mit allen Vorzügen wie leichtem Erlernen und interessanten Variationsmöglichkeiten auch Schwächen.

Die Kämpfe gegen die Trolle gehören zu den Action-Höhepunkten und sind immer wieder ein Genuss!
Diese sind nicht nur bei der strunzdoofen und komplett auf Konfrontation eingestellten KI zu suchen. Die Kamera, die vor allem beim Wechsel vom Fern- in den Nahkampf immer wieder rumzickt und manuell nachgeregelt werden muss, hat ebenfalls ihren Anteil daran, dass die Kämpfe gelegentlich unnötig stressig werden.

Und obendrauf wirken einige der Zauber übermächtig. Vor allem bestimmte Magie-Kombinationen, in denen "Tote erwecken" enthalten ist, können extrem schnell einen Kampf beenden. Denn sobald die Hilfsgeister beschworen wurden, konzentriert sich die gesamte feindliche Kampfkraft auf diese. Ihr bleibt nahezu unbehelligt und könnt entweder aus dem Getümmel fliehen oder noch mächtigere Zauber wirken. Hier hätten verbesserte KI-Routinen Wunder gewirkt.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Kampfsystem sich trotz allem für ein Action-Rollenspiel erstaunlich variantenreich, taktisch sowie sehr aktiv präsentiert und damit weit weg vom üblichen Einerlei liegt. Zumal man als Sahnehäubchen immer wieder mit spektakulären Zeitlupen verwöhnt wird, wenn einer der Gegner das Zeitliche segnet. Da geht der Adrenalin-Spiegel doch gleich wieder nach oben&

Gemeinsam dem Adrenalin frönen ist in Albion auch möglich. Zum Testzeitpunkt konnte man zwar nur kooperativ vor einem Bildschirm als Held mit Helfer auf Missionsbewältigung und Monsterjagd gehen, doch es ist vorgesehen, dass mit dem offiziellen Start auch ein Patch angeboten wird, der es ermöglicht, kooperative Hilfe über Xbox Live anzunehmen. So kann man z.B. auch seine Neugier befriedigen, wie sich gewisse Gebiete unter dunkler Heldenführung präsentieren. Dass die Xbox Live-Anbindung generell schon funktioniert, konnten wir bereits feststellen. Es waren überall Kugeln zu sehen, die quasi das spirituelle Gegenstück anderer Helden in meiner persönlichen Welt darstellen und die neben umfangreichen Spielstatistiken der anderen Figur auch eine Möglichkeit zum Tausch von Gegenständen bieten. Bei der lokalen Jagd zu zweit fällt allerdings leicht negativ auf, dass beide Figuren nicht zu weit voneinander weg sein dürfen, da ansonsten die Kamera so bockig wird wie zu alten Gauntlet-Zeiten. Hier hätte man durchaus den Service eines Splitscreens anbieten können, falls die Figurendistanz zu groß wird.

    

Wunderschöne Fantasy-Welt

Im Gegensatz zu manchen der unglücklichen Spielmechanik-Entscheidungen, hat die Art-und-Design-Abteilung ganze Arbeit geleistet und ein kleines Prunkstück abgeliefert. Wobei es sich in dieser Hinsicht als hilfreich erweist, dass Albion keine durchgängige, offene Welt darstellt.

Denn so konnten sich die Landschaftsmaler voll und ganz auf die jeweiligen Gebiete konzentrieren und ihnen eine ganz spezielle Atmosphäre verpassen. Sei es nun die prunkvolle Architektur irgendwo zwischen Mittelalter und industrieller Revolution in Bowerstone oder die düster-depressiven Sumpfgebiete der Wrathmarsh, die wolkenverhangen mit dichtem Nebel für ein deutliches Absinken der Gemütslage sorgen. Wenn man nun noch "Madames Heim für kleine verlorene Seelen" entdeckt, das Haus betritt und ein gutes Dutzend leerer Kinderwiegen sieht, wird einem ganz anders...

Unterstützt von einem dynamischen Tag-/Nachtwechsel, der mit seinem gleißenden Schleier die idyllischsten Sonnenaufgänge seit langem zeigt, ist man bei jedem frischen Gebiet neugierig, was die Designer sich haben einfallen lassen - und man wird nicht enttäuscht. 

In einer Fantasy-Welt dürfen natürlich auch Untote nicht fehlen.
Allerdings fehlt gelegentlich das Lebendige. Davon ausgenommen sind definitiv die Städte, die vor Leben bersten und in denen die Bevölkerung auch auf den Zyklus der Tageszeiten reagiert.

In den übrigen Landstrichen kann man zwar abseits der Gegner auch Hasen, Hühner und kleine Ansammlungen von Raben beobachten. Doch im Vergleich zum Gewusel in der Stadt sind ausgerechnet diese Gebiete zu wenig mit Leben abseits des Heldendaseins gefüllt - was das Durchstreifen aber nicht unattraktiver macht.

Das magische Halsband?

Aber es ist nicht alles heile Welt: In manchen Arealen hat die Engine mit Pop-Ups und Fade-Ins zu kämpfen, die allerdings in gefühlten 50 bis 100 Meter Entfernung für Störungen sorgen. Kleine Clippings bei Kleidung usw. fallen dem aufmerksamen Betrachter ebenfalls von Zeit zu Zeit auf. Doch das hat die aufgebaute Stimmung bei weitem nicht so sehr gestört wie der Niederschlag, der in der magischen Welt von Albion auch mal wie Bindfäden in grundsolide verarbeitete Gebäude regnen kann. Das sich spontan ins Nichts auflösende Hundehalsband, das darunter kein Fell, sondern ein weiteres "Nichts" offenbart, ist ebenfalls nicht schön anzuschauen.

Auch die manchmal merkwürdige Ruheposition der Hauptfigur, in der sie mit leicht durchgebogenen Rücken gen Himmel schaut, ist ein Fauxpas, der so nicht die Qualitätssicherung hätte passieren dürfen.

Zumal sie im krassen Gegensatz zu den ansonsten sauberen und teils sogar extrem geschmeidigen Bewegungen aller Figuren steht. Vor allem die späteren Nahkampfkombos machen einiges her - ganz zu schweigen von den magischen Effekten, die in ihren ersten Stufen zwar wenig spektakulär sind, aber später für ein zauberhaftes Leuchten auf der Netzhaut sorgen.

Das Figurendesign im Allgemeinen und das der Feinde im Besonderen ist ebenfalls sehr fantasievoll und filigran ausgearbeitet. Vom kleinen Gnom bis zum Bildschirm füllenden Troll ziehen die Kreativköpfe alle Register und bringen die Archetypen mit wunderschöner Leichtigkeit überzeugend auf den Schirm. Allerdings kann dies nicht darüber hinweg

Strahlender Held oder verbitterter Rächer? Die Wahl liegt bei euch.
täuschen, dass die Grafiker ihre Konzentration auf einige wenige Gegnertypen gerichtet haben. Auf Dauer hat man sich am x-ten Wegelagerer, dem hundertsten Gnom und dem tausendsten Untoten satt gesehen - so eindrucksvoll und detailliert sie auch gestaltet sind. In dieser Hinsicht wird den Designern der an sich mehr als löbliche Ansatz "Qualität statt Quantität" zum Verhängnis.

Man spricht deutsch - und das sehr gut

Für mich als Anglophilen ist es bedauerlich, dass die hierzulande erhältliche Version von Fable 2 keine englische Sprachvariante erhält. Aber angesichts der Qualität der Lokalisation kann ich dies verschmerzen.

Teils ernst, teils humorvoll, dann wiederum herrlich süffisant wie die Bardengesänge oder getragen, kann man sowohl die Texte als auch die Sprecherauswahl sowie die Regie als vorbildlich bezeichnen - bis auf die bereits am Anfang angesprochenen Schwester Rose, die schnell als die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel ausgemacht werden kann.

Kleine Schönheitsfehler wie die sich schnell wiederholenden Kommentare bei den Nebenjobs kann ich an dieser Stelle zwar nicht ignorieren. Sie schaffen es aber auch nicht, mich von meiner Meinung abzubringen, dass Fable 2 ein absolutes Paradebeispiel für eine gelungene Lokalisation darstellt.

Das betrifft übrigens auch die sehr sauberen und stilsicheren Texte, die es z.B. bei jedem Buch, bei jeder Waffe und jedem Gegenstand zu lesen gibt - sehr schön! Und auch die kulturellen Anspielungen haben es gut verständlich in die deutsche Version geschafft. Da seien beispielhaft die beiden immer in Schwierigkeiten geratenden Abenteurer Sam & Max erwähnt oder auch der liebeskranke Wissenschaftler Victor, der mich beauftragt, die im ganzen Land verstreuten Überreste einer längst verstorbenen Lady zu finden, um sie wieder zum Leben zu erwecken. Frankenstein lässt grüßen...

  

Fazit

Fable II ist ein richtig gelungenes Action-Rollenspiel - durch und durch. Und ein äußerst stimmungsvoller Vertreter seiner Art. Dazu noch einer, der beiden Wortfragmenten der Genre-Bezeichnung ausreichend Rechnung trägt, ohne jemals ins Banale abzugleiten. Dementsprechend freue ich mich über die leicht zu erlernende, aber dennoch mit einigen Finessen ausgestattete Kampfmechanik und genieße jede Entscheidung, die ich mit meiner Figur größtenteils bewusst, aber teilweise auch unbewusst treffen kann, darf oder muss. Natürlich gab es das in Grundzügen auch im Vorgänger, doch der 500 Jahre nach den schicksalhaften Xbox-Ereignissen spielende zweite Teil zeigt sich als konsequente Weiterentwicklung, die mich nach wenigen Minuten gepackt hat - und in die ich auch nach den gut 25 bis 30 Stunden bis zur Hauptquest-Lösung immer wieder gerne abtauche. Und dass, obwohl die Welt zwar idyllisch und stimmungsvoll ist, aber mit ihrer fragmenthaften Aufteilung und langen Ladezeiten kein Gefühl für ihre wahre Größe offenbart. Obwohl ich mich immer wieder dabei ertappe, wie ich die Entwickler ob ihrer fragwürdigen Menüs sowie anderen kleinen Unstimmigkeiten hinsichtlich der Benutzerführung verfluche. Denn im Gegenzug genieße ich es, dass man mir genreuntypisch keine unüberschaubare Gegenstandsflut oder einen Missionswust entgegen schickt und nur in Ausnahmefällen horrende Gegnerwellen auf den Hals hetzt. Es herrscht Qualität über Quantität. Dennoch ist Fable II nicht das perfekte Action-Rollenspiel. Und es hat zweifelsohne einige Macken. Doch selten habe ich mich in den letzten Monaten so lange und so gut unterhalten gefühlt wie in der gleichermaßen zauberhaften wie bedrohlichen Welt Albions. 


 

Diese Sonnenuntergänge können sich sehen lassen. Und die lästernden Gargoyles sind eine Klasse für sich. Dass der Genuss von Blaubeerkuchen meine Wampe wölbt, ist zudem eine delikate Konsequenz. Aber spätestens, als sich der erste Troll aus dem Boden wühlte und mich in einem einsamen Birkenwäldchen anbrüllte, war es um mich geschehen: Der Funke sprang über und das Spielefeuer loderte mit wenigen Pausen bis zum Abspann! Fable 2 ist ist ein überaus stimmungsvolles Abenteuer, das mich mit gekonnten Pinselstrichen zum Helden eines skurrilen Fantasygemäldes macht. Es kann ebenso fröhlich wie düster, ebenso episch wie witzig sein - Tolkien, Dickens und Burton geben sich hier die inspirierte Hand. Das Artdesign gehört mit seinen beschaulichen Städtchen, modischen Skurrilitäten und schaurigen Fleckchen zum Besten, was ich lange im Fantasybereich gesehen habe. Fable 2 ist auch ein weiterer Beweis dafür, dass Spiele wie ein gutes Buch sein können, das man aufschlägt, um von einer Geschichte weit weg getragen zu werden. Albion steckt voller kleiner Schicksale und Geheimnisse, ich liebe die Details in den Texten und die Konsequenzen nach guten oder bösen Taten. Schade nur, dass es keine Weltkarte gibt: Wie oft wollte ich mir ein großes Bild der Spielwelt machen, anstatt mich durch kleine Gebiete mit noch kleinerer Minikarte zu schlagen! Mir fehlte einfach der territoriale Zusammenhang, der auch aufgrund der vielen Ladepausen sowie künstlichen Levelgrenzen nicht entstehen konnte. Und Fable 2 hätte als Rollenspiel noch stärker faszinieren können, wenn Peter Molyneux ein vernünftiges Dialogsystem integriert hätte. Die interaktiven Spielereien sorgen für mechanisch konstruierte Beziehungen an der Grenze des Albernen. Nichts gegen die große Siegerpose oder das öffentliche Tanzen, nichts gegen gesellschaftlich abgesegnetes Furzen oder den erhobenen Mittelfinger, aber ich habe an vielen Stellen das einfache Gespräch vermisst, das dem kunterbunten Zirkus mit all seinen Minispielen mehr Tiefe und der Welt etwas mehr erzählerischen Halt gegeben hätte. Aber was soll's? Den Vorgänger habe ich nach ein paar Stunden links liegen lassen, während ich hier bis zum Finale durch das wunderschöne Albion mit all seinen Dämonentüren, Tauchplätzen und Schatzkisten gestiefelt bin. Wer im Herbst ein herrliches Abenteuer erleben will, sollte den Rucksack packen und Fable 2 spielen!

Pro

hoher Wiederspielwert
Hund ist ein interessantes Gimmick...
Handlungen/Aktionen mit teils weit reichenden Konsquenzen
beispielhafte deutsche Sprachausgabe...
einfache Steuerung
stimmungsvolle Kulisse
angenehm wechselhaftes Erzähltempo
umfangreiches Sozial-Gesten-System...
sparsam eingestreute Rätsel...
zahlreiche "Nebenjobs" möglich
idyllische Industrie-Fantasy-Welt im Dickens-Stil
Missionssytem setzt auf Qualität statt auf Quantität
weitreichende soziale und infrastrukturelle Verknüpfungen
belebte Städte
klasse Gegner-Design
Figur verändert sich visuell gemäß euren Entscheidungen
übersichtliche Entwicklung der Figur
kann auch nach Ende der Hauptquest fortgesetzt werden
Umgebung reagiert auf eure Handlungen
kooperatives Spiel möglich (offline und über XBL)

Kontra

<P>
herbe Ladezeiten beim Gebietswechsel
... das aber weitestgehend belanglos ist
sehr kleine, selten übersichtliche Karte-&nbsp;... bei der die Schwester Rose aus dem Rahmen fällt
gelegentliche Grafikfehler
kein Gefühl für die Gesamtgröße der Welt
kein aktives Springen oder Klettern-&nbsp;... das aber Abnutzungserscheinungen unterliegt-&nbsp;... von denen es gern mehr geben könnte
Welt insgesamt nicht so offen, wie es anfänglich suggeriert wird
Held bleibt als einzige Figur im Spiel stumm
keine freie Belegung des Digi-Kreuzes</P>

Wertung

360

Stimmungsvolle Kulissen, Handlung und Konsequenz, Qualität statt Quantität, actionreiche Kämpfe: Fable 2 macht dem Begriff Action-Rollenspiel alle Ehre.

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