Eternal Sonata20.02.2009, Jens Bischoff
Eternal Sonata

Im Test:

In Tri-Crescendos ungewöhnlichem Rollenspiel Eternal Sonata (ab 26,90€ bei kaufen) alias Trusty Bell begebt ihr euch mit dem im Sterben liegenden Klavierkomponisten Frédéric Chopin auf eine musikalisch-poetische Reise zwischen Traum und Wirklichkeit. Dabei lassen die Entwickler dessen Lebenswerk in fantasievoll verwobenen Abenteuern nochmals Revue passieren. Seit Kurzem in leicht erweiterter Form auch auf der PS3!

Traum oder Wirklichkeit?

Es ist die Nacht des 16. Oktober 1849, in der der im Sterben liegende Frédéric Chopin seinen letzten Traum träumt. Dieser handelt von einer farbenfrohen Märchenwelt, in der unheilbar Kranke die Gabe haben, Magie zu wirken - ein Schicksal, das Chopin mit einem Mädchen namens Polka teilt, das er in seinem Traum trifft.

Während Chopins Körper im Sterben liegt, erlebt sein Geist in einer Traumwelt sein letztes Abenteuer.
Doch ist das Ganze wirklich nur ein Traum? Die Welt wirkt so real, die Figuren, auf die er in Polkas Begleitung trifft, so glaubwürdig und deren Absichten so menschlich. Chopin kann nicht anders als sich verwirrt und betroffen zugleich auf die ihm hier bevor stehenden Ereignisse einzulassen und es beginnt eine Reise durch diese ihm immer vertrauter erscheinende Welt, in der die Personen an seiner Seite für die Erfüllung ihrer ganz eigenen Träume kämpfen.

Polka will in der Zeit, die ihr noch bleibt, anderen etwas Gutes tun und entschließt sich den regierenden Grafen von seiner dubiosen Steuerpolitik abzubringen, aufgrund der sich das Volk fast nur noch synthetisches Wunderpulver mit verheerenden Nebenwirkungen leisten kann. Das ist auch das Anliegen des Gaunerduos Allegretto und Beat, die in bester Robin Hood-Manier die Reichen beklauen, um den Armen zu geben. In ihrer Naivität ahnt die stetig anwachsende Gruppe allerdings noch nicht, welche Absichten der Graf tatsächlich verfolgt und was es mit dem Wunderpulver alles auf sich hat. Jedenfalls bereist ihr während eurer Recherchen einzigartige Orte, trefft auf unterschiedliche Interessensgruppen und macht unglaubliche Entdeckungen.

Wunsch nach Freiheit

Die mitunter durchaus spannend inszenierte, aber von Pathos und Klischees durchsetzte, generell recht vorhersehbare und nicht unbedingt originelle Handlung, verläuft dabei strikt linear und lässt euch kaum Freiheiten. Die Reihenfolge der Schauplätze, die ihr bereist, ist fest vorgeschrieben. Selbst an Orte, die ihr bereits besucht habt, könnt ihr nicht so ohne weiteres zurückkehren, um eventuell verpasste oder erst später mögliche Ereignisse auszulösen. Zwar entdeckt ihr später im Spiel einen praktischen Teleporter, doch auch der erlaubt euch erst beim zweiten Durchspielen uneingeschränkte Reisefreiheit. Das steigert zwar den Wiederspielwert, wirkt jedoch wie eine künstliche Barriere, die sich nur für diejenigen öffnet, die bereit sind, ein und dasselbe Abenteuer mehrmals zu bestreiten, um in den Genuss aller Extras und Facetten zu kommen.

Persönlich halte ich zwar bei einem Rollenspiel nicht allzu viel von diesem Konzept, aber da die Spielzeit mit ca. 25 Stunden für dieses Genre nicht gerade üppig bemessen ist, wird der ein oder andere vielleicht ein Auge zudrücken. Wundert euch aber nicht, wenn ihr nach dem ersten Durchspielen auf der 360 trotz Entdeckung aller bis dahin möglichen Geheimnisse lediglich einen Bruchteil der möglichen Gamerscore gut geschrieben bekommt, PS3-Trophäen gibt es keine.

Märchenhaft: Die Schauplätze von Chopins Traumreise wurden bezaubernd und detailverliebt umgesetzt.
Wie auch immer, die auf der Sony-Konsole um ein paar Szenen erweiterte Story ist natürlich auch schon beim ersten Mal abgeschlossen. Wer aber alle Gegner, Orte, Items und Erfolge ergattern will, muss wohl oder übel zwei Mal ran - ohne dass der zweite Durchgang abgesehen vom höheren Schwierigkeitsgrad irgendwelche entscheidenden Änderungen im Spielverlauf parat hält...

Konservative Schönheit

Doch zurück zum Spiel, das ein- oder zweimal durchlaufen, durchaus zu Gefallen weiß. Allein die liebevolle Präsentation mit ihren charmanten Cel-Shading-Charakteren und malerischen Kulissen verdient Lob. Auch wenn Level- und Quest-Design etwas altbacken wirken und sich die vergleichsweise unspektakulären Gegner in nur leicht veränderter Form später unnötig oft wiederholen. Dennoch ist es sehr motivierend die vergleichsweise kompakten Schauplätze nach versteckten Schätzen, Charakteren und Ereignissen abzuklappern, was aufgrund der fehlenden Kartenfunktion oftmals gar nicht so einfach ist. Manchmal kann das Fehlen dieser Funktion aber auch ziemlich nerven. Spätestens wenn sich die Levelarchitektur als Teil eines Rätsels verändern lässt, sich die Hatz über mehrere Ebenen erstreckt oder Teleporter zum Einsatz kommen, werdet ihr wissen, was ich meine...             

Zumindest werdet ihr beim Erforschen und Rätselraten nicht von lästigen Zufallskämpfen geplagt. Alle Gegner bewegen sich sichtbar durch die ansehnliche Spielwelt und verschwinden nach einem Sieg dauerhaft von der Bildfläche, so lange ihr den Ort nicht wechselt. Aber auch sonst könnt ihr den meisten Angreifern in der Regel problemlos aus dem Weg gehen oder versuchen, sie von hinten zu attackieren, um euch einen Vorteil im darauf folgenden Scharmützel zu verschaffen. Die Kämpfe, die sogar von bis zu drei Spielern kooperativ bestritten werden können, werden dabei in ortspezifischen Arenen ausgetragen und verlaufen grundsätzlich rundenbasiert. Allerdings verstreicht die Zeit während eurer Aktionen in Echtzeit, was eine interessante Mischung ergibt, die anfangs etwas an Valkyrie Profile 2 erinnert.

Die Kämpfe finden Zug um Zug in Echtzeit statt - zeitverzögernde Hilfen erleichtern dabei den Einstieg.
D. h. so lange ihr still steht, passiert überhaupt nichts. Sobald ihr euch allerdings bewegt, beginnt ein Timer abzulaufen, der eure verbleibende Aktionszeit symbolisiert. Zu Beginn hält dieser erneut an, wenn ihr eure Bewegungen oder Angriffe aussetzt. Später lässt er sich einmal gestartet, nicht wieder stoppen.

Dynamische Geplänkel

Das Kampfsystem passt sich eurem Spielfortschritt nämlich durch das Erreichen bestimmter Gruppenlevel an, wodurch es stets eine angemessene Herausforderung darstellt. Neben dem variablen Aktionstimer existieren aber noch andere Dinge, die sich schrittweise ändern. So gibt es zu Beginn auch einen Taktiktimer, der euch vor Kampfstart eure Aktionen planen lässt, auch wenn die Zugfolgenanzeige immer nur den direkt nächsten Akteur auflistet. Im weiteren Spielverlauf wird auch diese Zeit immer knapper, bis sie letztendlich ganz weg fällt. Im Gegenzug könnt ihr aber immer mehr Gegenstände einsetzten, die ihr euren maximal drei von zehn (360) bzw. zwölf (PS3) am Kampf teilnehmenden Partymitgliedern zuvor zugeteilt habt. Zudem dürft ihr später Kombo-Echos für verstärkte Spezialangriffe sammeln, diese durch Harmonieketten miteinander verbinden und Gegenangriffe mit geschicktem Timing nicht nur blocken, sondern auch kontern. Dadurch gestalten sich die Auseinandersetzungen ungemein dynamisch und actionreich, ohne zu stupidem Tastengehämmer zu verkommen.

Eine weitere Besonderheit der Kämpfe ist die Einbindung von Licht und Schatten. So können eure Charaktere je nachdem, ob sie auf beleuchtetem oder dunklem Terrain agieren, unterschiedliche Spezialaktionen ausführen. Bei euren Gegnern verhält es sich ähnlich, wobei sich diese je nach Lichteinfall auch noch verwandeln können. Ist ein Schattenmonster in der Dunkelheit zu stark, könnt ihr es z. B. zu einer Lichtquelle locken, wo es sich deutlich schneller besiegen lässt und umgekehrt. Dabei werfen selbst die Kampfakteure je nach Lichteinfall Schatten, die Einfluss auf das Kampfgeschehen haben können. Es gibt sogar Objekte und Angriffe, die die Lichtverhältnisse vorübergehend verändern können. Zusammen mit den individuell zuteilbaren Spezialaktionen ergeben sich so zahlreiche Möglichkeiten, um mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen zu experimentieren. Schade nur, dass die verschiedenen Kampfansichten nicht immer optimale Übersicht gewähren.

Blumen am Wegrand

Weiter aufgelockert werden die Kämpfe durch die Möglichkeit, Fotos von euren Widersachern zu schießen, die ihr später gewinnbringend verhökern könnt. Des Weiteren könnt ihr an manchen Orten Partituren finden, um mit musikalisch begabten NPCs kleine Sessions zu veranstalten. Je nachdem wie harmonisch die jeweiligen Noten zusammen passen, erzielt ihr ein anderes Ergebnis, das euch wiederum seltene Gegenstände bescheren kann. Da die Musikgeschmäcker der einzelnen Charaktere sehr verschiedenen sind und ihr keine eigenen Partituren komponieren könnt, läuft dieses Feature aber meist auf zeitintensives Trial&Error hinaus, was angesichts der musikalischen Spielthematik ziemlich schade ist. 

Erleuchtet: In der Nähe von Lichtquellen könnt ihr andere Aktionen ausführen als in schattigen Bereichen.
Es gibt aber auch noch andere musikalische Einflechtungen. Selbst Chopins Werke sind mehr oder weniger direkt mit dem Spiel verbunden und geben nicht nur den einzelnen Kapiteln ihre Namen und Stimmungen, sondern weisen auch Parallelen zu bestimmten Ereignissen im Spiel auf, wobei der eigentliche, auf der PS3 drei zusätzliche Stücke bietende Soundtrack nicht aus der Feder Chopins stammt.

Des Weiteren wird euch in jedem Kapitel ein biografischer Rückblick auf Chopins Leben gewährt. An sich eine interessante Sache, aber da die Entwickler diese nicht direkt ins Spiel eingeflochten, sondern zu realen Fotos begleitet von entsprechenden Textpassagen gegriffen haben, wirken diese, sich zudem inhaltlich teils wiederholenden, Passagen nicht sehr harmonisch und reißen einen quasi immer wieder aus dem eigentlichen Spielgeschehen heraus. Als freispielbares Bonusmaterial wären diese Einblendungen meiner Meinung nach deutlich besser aufgehoben gewesen, aber letztendlich ist das natürlich Geschmackssache. Euer persönlicher Geschmack ist auch bei der Synchronisation des Spiels gefragt. Neben der englischen Tonspur könnt ihr nämlich auch dem japanischen Originalton lauschen. Eine deutsche Sprachausgabe gibt es allerdings nicht. Die Texte wurden hingegen kompetent eingedeutscht. Die PS3-Fassung bietet neben erweiterten Story-Sequenzen und Soundtrack übrigens auch zwei zusätzliche Dungeons, wovon einer allerdings erst im zweiten Durchgang erreichbar ist, ein paar alternative Outfits sowie zwei weitere spielbare Charaktere, die aber erst gegen Ende des Spiels in Erscheinung treten und in passiver Form auch schon auf der 360 anzutreffen waren. Zudem wurden einige Item-Fundorte geändert und der Schwierigkeitsgrad angehoben. Letzterer allerdings vorwiegend dadurch, dass man weniger Erfahrungspunkte für besiegte Gegner bekommt, wodurch man künstlich schwach gehalten wird. Abstriche gibt es auch bei den Lade- und Speicherzeiten, die nun wesentlich länger ausfallen. Insgesamt stellt die PS3-Version zwar das umfangreichste Spielerlebnis dar, preisbewusste Spieler werden mit dem mittlerweile wesentlich günstigeren Original aber genauso viel Spaß haben, sofern sie beide Konsolen ihr eigen nennen.    

Fazit

Eternal Sonata ist ein ungemein bezauberndes Rollenspielerlebnis um und mit Frédéric Chopin, das selbst Musikmuffel zu unterhalten weiß. Die strikt lineare Handlung präsentiert sich zwar teils ziemlich pathetisch und klischeehaft, während Quest- und Leveldesign oft etwas altbacken wirken, aber das spielerische Grundgerüst weiß trotz seiner sehr traditioneller Werte zu gefallen und hält sogar einige originelle Ideen bereit. Vor allem das flotte, sich mit dem Spielfortschritt entwickelnde sowie weitreichende Licht- und Schattenelemente berücksichtigende Kampfsystem sorgt trotz gelegentlicher Unübersichtlichkeit für Laune. Wer will, kann sein Geschick sogar als Musiker oder Fotograf unter Beweis stellen. Und auch die liebevoll entworfenen Figuren und geradezu malerischen Kulissen sorgen für Stimmung. Schade nur, dass die meisten Gegner vergleichsweise unspektakulär wirken und sich später immer wieder in nur leicht abgeänderter Form wiederholen. Auch die Länge des Abenteuers ist mit ca. 25 Stunden für ein Rollenspiel nicht allzu umfangreich, obwohl einige zusätzliche Extras durchaus Anreiz zu einem zweiten Durchgang geben. PS3-Spieler dürfen sich nach langer Wartezeit sogar noch über weitere Boni (hier ein paar Einblicke) freuen, müssen dafür aber unangemessen tief in die Tasche greifen. Für Kenner des Xbox-Originals lohnt eine Neuanschaffung jedenfalls kaum. Wer nur eine PS3 besitzt, bekommt aber eine gelungene, wenn auch teils künstlich in die Länge gezogene Umsetzung serviert, welche die nach wie vor anhaltende Rollenspielflaute auf Sonys Flagschiff eine Weile auf charmante Weise vergessen lässt.

Pro

malerische Kulissen
wundervolle Musik
actionreiches Kampfsystem
keine lästigen Zufallskämpfe
originelle Licht-/Schatten-Elemente
charmante Cel-Shading-Charaktere

Kontra

nicht allzu umfangreich
sehr linearer Spielverlauf
exzessives Gegner-Recycling
recht altbackenes Quest
& Leveldesign

Wertung

360

Traditionelles Japan-RPG mit flotten Kämpfen und bezaubernder Kulisse.

PlayStation3

Die PS3-Umsetzung ließ lange auf sich warten und wirkt überteuert, wurde dafür aber dezent erweitert.

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