Project Sylpheed06.07.2007, Michael Krosta
Project Sylpheed

Im Test:

Square Enix dürften die meisten von euch mit bekannten Rollenspielserien wie Final Fantasy oder Kingdom Hearts in Verbindung bringen. Doch mit dem eindrucksvollen PSone-Titel "Einhänder" bewiesen die Japaner, dass man auch das Zeug zu bombastisch inszenierten Horizontal-Shootern im Pseudo-3D-Look hat. Project Sylpheed (ab 17,98€ bei kaufen) setzt euch ebenfalls hinter den Steuerknüppel eines bis an die Zähne bewaffneten Schiffs, mit dem ihr in den Weiten des Alls für Ordnung sorgt. Ist Squares Space Opera das neue Wing Commander?

Krieg der Welten

Sagt euch der Name Colony Wars noch was? Die dreiteilige Ballerei aus dem Hause Psygnosis war auf der guten, alten PSone die erste Wahl für kampflustige Weltraumtouristen, die im Krieg zwischen der Erdkonföderation "Navy" und der Liga der abtrünnigen Kolonialwelten mitmischen wollten. Die Hintergrundgeschichte von Project Sylpheed ist praktisch identisch, nur müsst ihr die "Navy" durch Terra-Streitkräfte ersetzen, während die Rebellen unter der Bezeichnung ADAN in die Schlachten im All ziehen, wobei jeder der vier Buchstaben für eines der abtrünnigen Systeme steht. Als aufstrebender Pilot namens Katana steigt ihr für die Terra-Truppen ins Cockpit eures Delta Sabers-Raumjägers, um die hinterhältigen Angriffe der Rebellion abzuwehren. Doch es ist nicht alles so, wie es anfänglich scheint und so stellt ihr euch irgendwann die Frage, ob ihr zusammen mit eurer Freundin Ellen wirklich auf der richtigen Seite steht. Warum hat sich euer Freund Margras Mason der ADAN-Allianz angeschlossen und tritt seinen ehemaligen Verbündeten jetzt als Kommandeur der feindlichen Elite-Einheit

Die Explosionen können sich sehen lassen.
Night Ravens entgegen? Fragen, die erst im Laufe der Geschichte geklärt werden, die sich über 16 Missionen streckt und zwischendurch in ansehnlichen, wenn auch etwas grob aufgelösten FMV-Sequenzen mit Manga-Touch erzählt wird. Sämtliche Dialoge laufen gut synchronisiert in englischer Sprache ab - deutsche Untertitel lassen sich optional aktivieren.

Die Freiheit ruft

War der inoffizielle PS2-Vorgänger "Silpheed" noch ein gradliniger Vertikal-Shooter im Stil von Ikaruga, wurde das Xbox 360-Projekt nicht nur auf HD getrimmt, sondern gleich in einem 3D-Weltraum realisiert, der an die Wing Commander-Serie oder die bereits genannten Colony Wars-Titel erinnert. Entsprechend bewegt ihr euch hier vollkommen frei durch die unendlichen Weiten des Alls und nehmt dabei entweder in einer der beiden Außenansichten oder in der Cockpitperspektive die gegnerischen Jäger, Transporter oder mächtigen Zerstörer ins Visier. Zunächst empfiehlt sich ein Besuch in der Pilotenschule, die euch mit den Funktionen eures Delta Sabres sowie dem HUD einführt, das mit Radar, Schild-, Panzerungs- und Waffenanzeigen etwas überladen wirkt. Eine nette Idee ist eine separate Anzeige, die euch mitteilt, wann sich das aktuelle Ziel in Reichweite der Primär- und Sekundärwaffe befindet, denn so verschwendet ihr nicht unnötig die limitierte Munition, die allerdings jederzeit an Versorgungsschiffen aufgefüllt werden kann. An der Nase eures Jägers wird eine Bordkanone montiert, die sich vor allem für Nahkämpfe eignet und mit dem rechten Bumper abgefeuert wird. Der linke Bumper lässt dagegen die Sekundärwaffen sprechen, die u.a. zielsuchende Raketen oder durchschlagende Plasma-Laser umfassen. Neue Angriffs- und Verteidigungstechnologien können ebenfalls entwickelt werden, wenn ihr das notwendige Geld investiert,

Achtung, Rakete im Anflug! Jetzt heißt es entweder schnell ausweichen oder ein Ablenkungssystem zünden...
das euch für Missionserfolge gutgeschrieben wird. Ingesamt dürft ihr neben der Bugwaffe bis zu drei weitere Systeme gleichzeitig an eurem Schiff befestigen, die sich aus dem Cockpit heraus jederzeit durchschalten lassen.

Flugtechniken

Das Handling eures Gleiters erfordert ein gewisses Feingefühl im linken Daumen: Bewegt ihr den Analogstick nur leicht nach links oder rechts, wird die Maschine gieren, also langsam die Flugrichtung auf horizontaler Ebene verändern. Drückt ihr ihn dagegen voll in die jeweilige Richtung, führt ihr eine Rolle aus. Wer nicht das dafür notwendige Gefühl besitzt, kann optional auf eine vereinfachte Steuerung zurückgreifen, bei der die Roll-Funktion deaktiviert wird. Mit dem rechten Trigger regelt ihr analog die Beschleunigung, während ihr mit dem linken Gegenstück den Schub reduziert. Außerdem zündet ihr auf Kosten der Schildenergie nach zweimaligem Drücken des R-Triggers den Nachbrenner oder sorgt mit der gleichen Aktion auf der Gegenseite für einen abrupten Schubstopp. Zählt ihr noch die Spezialmanöver mit der Y-Taste, Kombinationen mit der B-Taste sowie Funkbefehle an eure Kameraden über das Digitalkreuz hinzu, könnt ihr euch sicher sein, dass ihr alle Hände voll zu tun habt. Der rechte Analogstick dient übrigens nur einem Rundumblick und kann vernachlässigt werden.

     

Chaos im Weltraum

Die hart geführten Schlachten in den weiten des Alls lassen sich am besten mit folgendem Wort zusammenfassen: chaotisch! Ihr seid anfangs nicht nur mit der voll beladenen Steuerung und den zig Anzeigen des HUDs überfordert, sondern verliert bei all den umher fliegenden Jägern, die allesamt einen farbigen Abgas-Schweif hinter sich herziehen, schnell den Überblick.

Der farbige Schweif, den jedes einzelne Schiff hinter sich herzieht, sorgt im Kampfgeschehen zusammen mit umher zischenden Raketen für ein visuelles Chaos.
Zischen gleichzeitig auch noch Raketen über den Bildschirm oder erschüttern starke Explosionen die Kulissen, ist das Chaos perfekt. Ich habe mich teilweise bei diesem ganzen bunten Effekte-Overflow so gefühlt, als wäre ich mitten in Geometry Wars gelandet. Irgendwann geht die Übersicht komplett verloren: Auf dem kleinen Radar blinken überall rote Feindpunkte auf, Flügelmänner schieben sich einfach in eure Schusslinie und geben zackige Funksprüche von sich, die man in all der Hektik aufgrund des Audiofilters und dem Krach um euch herum weder verstehen noch in Ruhe nachlesen kann. Selbst Freund und Feind lassen sich irgendwann nicht mehr auseinanderhalten, so dass ihr euch nur noch an dem gelben Pfeil zu eurem nächsten Ziel orientiert und blind drauflos ballert. Es ist schön, wenn im Weltraum die Post abgeht und ihr das Gefühl von einem "Krieg der Sterne" bekommt, aber die Jungs von Square Enix haben es bei Sylpheed übertrieben! Vor allem die Beschützer-Missionen sind ein Graus, da ihr im vorherrschenden Gewusel die schutzbedürftigen Einheiten schnell aus den Augen verliert. Entsprechend oft werdet ihr versagen und müsst komplette Abschnitte in mehreren Neuversuchen angehen, was irgendwann im puren Frust endet! Neben dem hohen Schwierigkeitsgrad wird euch auch das Zeitlimit zu schaffen machen, das oft plötzlich eingeblendet wird und euch gewaltig unter Druck setzt, wenn ihr innerhalb von drei Minuten mindestens ebenso viele Zerstörer ausschalten müsst. Als ob ihr mit euren Feinden nicht schon genug zu tun habt, solltet ihr außerdem immer euer Trägerschiff, die Acropolis, im Auge behalten: Wird es zerstört, dürft ihr die Mission neu starten. Kann sich das verdammte Ding mit seinen schweren Waffensystemen denn nicht selbst verteidigen? Gewöhnungsbedürftig ist die Musik: Erwartet man nach Klassikern wie Star Wars
Müsst ihr als Katana tatsächlich euren guten Freund Margras abschießen? 
oder Wing Commander eher klassische Soundtracks mit pompöser Orchesteruntermalung, dröhnen euch in Sylpheed Elektroklänge mit dem typischen Japan-Touch entgegen, die für europäische Ohren nicht unbedingt zum Geschehen passen.

Keine Online-Dogfights

Die Kampagne wird euch schon alleine deshalb lange beschäftigen, weil ihr viele Missionen mehrfach in Angriff nehmen müsst. Außerdem ist eine gewisse Motivation vorhanden, die Aufträge erneut zu spielen, um im Bewertungsrang aufzusteigen und entsprechend mehr Credits für die Entwicklung neuer Waffensysteme zu bekommen. Schade ist jedoch, dass die Missionsstruktur kaum Abwechslung bietet und ihr nur im Weltraum unterwegs seid - Einsätze auf Planetenoberflächen gibt es nicht. Und wie sieht es mit einem Mehrspielermodus aus? Kann man sich auch online oder im LAN in spacige Dogfights stürzen? Nein. Punkt. Aus. Eigentlich ein Unding, da sich Sylpheed hervorragend für aufregende (Team-)Deathmatch-Partien im Weltraum geeignet hätte.     

Fazit

Eigentlich ist die Zeit mehr als reif für einen neuen Space-Shooter, der das Spielprinzip und die packende Atmosphäre von Vertretern wie Wing Commander oder Colony Wars in die nächste Generation führt. Leider hat Square Enix mit Project Sylpheed dieses Ziel verfehlt! Hier geht der an sich gute Ansatz schnell in einem chaotischen Gewusel aus vielen kleinen Jägern unter, die sich kaum einer Seite zuordnen lassen und euch mit ihren bunten Abgasschweifen so dermaßen verwirren, dass ihr vollkommen den Durchblick auf dem Schlachtfeld verliert. Wenn euch dann auch noch Funksprüche eurer Kameraden ins Ohr kratscheln, die nur von einem Standbild begleitet werden, seid ihr zusammen mit dem überladenen HUD sowie der gewöhnungsbedürftigen Steuerung total überfordert. Eure Flügelmänner helfen euch trotz Befehl nur selten effektiv aus der Patsche, sondern fliegen stattdessen lieber direkt in eure Schusslinie, um euch die Statistik zu versauen. Nein, so macht das keinen Spaß – genau wie auch die vielen Neuversuche für Frust sorgen, wenn ihr im Chaos euer Hauptziel aus den Augen verloren habt oder euer ach so hilfloses Trägerschiff mal wieder zu Klump geballert wurde. Ein ordentlicher Onlinemodus mit packenden Dogfights hätte sicher für eine bessere Wertung gesorgt. Gerade wenn sich ein Titel so dermaßen dafür anbietet, ist es für mich unverständlich, auf einen solchen Modus komplett zu verzichten. So bleibt Sylpheed eine durchschnittliche Arcade-Ballerei mit einem interessantem Sci-Fi-Szenario sowie einigen guten Ideen, die aber den Wunsch nach einer echten Space Opera mit einer packenden Hintergrundgeschichte, super inszenierten Raumschlachten und abwechslungsreichem Missionsdesign nicht erfüllen kann.   

Pro

Waffenentwicklung
gutes Tutorial
viele Waffensysteme
gelungene (englische) Synchro
durchweg flüssige Darstellung

Kontra

Übersicht geht schnell verloren
zu viele bunte Effekte
überladenes HUD
zu hektischer Spielablauf
unfaire Zeitlimits
frustrierender Schwierigkeitsgrad (auch durch Chaos auf dem Bildschirm)
kein Online-/Mehrspielermodus
eintöniges Missionsdesign

Wertung

360

Durchschnittlicher Weltraum-Shooter, bei dem das vorhandene Potenzial im Chaos auf dem Bildschirm versinkt!

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