Kane & Lynch: Dead Men27.11.2007, Michael Krosta
Kane & Lynch: Dead Men

Im Test:

Wenn die eigene Frau und Tochter von ehemaligen Söldner-Kollegen festgehalten werden, euch ein psychopathischer Wachhund auf Schritt und Tritt folgt und eure Familie nur dann leben kann, wenn ihr selbst sterbt, kann das nur eines bedeuten: Ihr steckt bis zum Hals im Schlamassel! Bereits mit der Hitman-Serie haben die Dänen von IO Interactive Erfolge gefeiert. Kann auch das Himmelfahrtskommando des Duos Kane & Lynch überzeugen oder erwartet euch hier nur ein Action-Einheitsbrei?

Umgeben vom Tod

Leichen pflastern ihren Weg. Wo auch immer diese beiden Irren mit ihren schießwütigen Kumpels auftauchen, pfeifen kurze Zeit später Kugeln durch die Luft, werden Körper zerfetzt und gehen Polizeiwagen oder Gebäude nach heftigen Explosionen in Flammen auf. Ruhige Momente werdet ihr in Kane & Lynch kaum finden. Und wenn ihr mal nicht unter Dauerbeschuss steht

Zwei Helden wider Willen: Nur wenn Ex-Söldner Kane und Psychopath Lynch Erfolg haben, hat Kanes Familie eine Chance zu überleben. 
, dann könnt ihr sicher sein, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Patronen wieder von allen Seiten auf euch einhämmern. Die Action steht hier eindeutig ganz oben auf dem Programm, gepaart mit einer kleinen Portion Taktik. Aber immer der Reihe nach...

Eingeholt von der Vergangenheit

Wer ist eigentlich dieser Kane? Und in welcher Verbindung steht Lynch zu ihm? Um es kurz zu machen: Er ist ein Söldner. Oder besser gesagt: Er war einer. Im Auftrag der Organisation "The7" hat er viele Aufträge erfüllt und schreckliche Dinge getan, bis eines Tages etwas schief ging. Jetzt sitzt er im Gefängnisbus und tritt seine letzte Reise an, um die Vollstreckung des Todesurteils über sich ergehen zu lassen. Ein emotionaler Abschiedsbrief an seine Tochter Jenny, die er nie persönlich kennenlernen konnte, zeigt einen gebrochenen Mann, der viel bereut, aber innerlich mit seinem Leben abgeschlossen hat. Er ist bereit, zu sterben. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Der Bus wird von einem schwer bewaffneten Kommando überfallen, das zu The7 gehört, deren Anführer eigentlich längst tot sein sollten. Kurz bevor die Truppe losschlägt, meint Kanes seltsamer Sitznachbar Lynch noch, dass er seinen Kopf einziehen soll. Was hat das alles zu bedeuten? Und warum wusste dieser komische Kautz schon vorher, dass etwas passieren wird? Dann geht alles

Bereits in der ersten Mission müsst ihr euch während eurer Flucht in einem Cafe verschanzen.
ganz schnell. Mit einer Adrenalinspritze hilft euch Lynch auf die Beine, so dass ihr euch benommen, aber erfolgreich in eine Gasse retten könnt.

Packender Einstieg

Der Einstieg in die Kampagne weckt Erinnerungen an die Anfangssequenz von Ubisofts Cell-Shading-Shooter XIII. Nach dem heftigen Crash nehmt ihr eure Umgebung zunächst nur verschwommen wahr und torkelt eher unbeholfen euren bewaffneten Befreiern und Lynch hinterher, während die Unfallstelle schnell von Cops umstellt ist. Doch sobald ihr selbst die erste Knarre in der Hand haltet, seid ihr bereit, euch mit bleihaltigen Argumenten zur Wehr zu setzen. Die ersten Feuergefechte sind bereits sehr intensiv und geben euch einen Vorgeschmack auf das, was euch noch erwartet. Im Prinzip sind die ersten beiden Kapitel ein Tutorial unter realen Gefechtsbedingungen. Neben grundlegenden Funktionen lernt ihr hier auch, wie das Deckungssystem funktioniert und wie ihr Lynch Befehle geben könnt. Später habt ihr sogar ein ganzes Squad unter eurem Kommando. Aus der Deckung heraus ist es möglich, entweder blind zu feuern oder die Gegner gezielt ins Fadenkreuz zu nehmen. Leider fällt die Handhabung etwas fummelig aus: Kane geht lediglich an Ecken in die entsprechende Deckungsposition. Wollt ihr z.B. an einer Wand schon vorher Schutz suchen und euch dann langsam wie bei R6: Vegas oder GRAW 2 an eine Ecke vorpirschen, ist das hier in dieser Form nicht möglich. Zumindest könnt ihr euch geduckt bewegen, wenn ihr den linken Bumper gedrückt haltet. Im Gegensatz zu den genannten Ubisoft-Titeln dürft ihr bei Kane & Lynch jedem Teammitglied separate Befehle erteilen. Wer jetzt Panik bekommt, dass der Titel damit zu einem reinen Taktik-Shooter mutiert, kann aufatmen: Zum einen seid ihr nicht das komplette Spiel als Team unterwegs und zum anderen ist das Befehlssystem sehr rudimentär. Ihr könnt eure Mitstreiter auf ein markiertes Ziel ansetzen, sie bei euch sammeln oder zu einem bestimmten Punkt schicken. Kommt euch bekannt vor? Kein Wunder, denn IO hat in Sachen "Teamtaktik" fleißig bei den eigenen Spielen geklaut. Es müsste reichen, wenn ich sage, dass eines der insgesamt 16 Kapitel passenderweise "Freedom Fighters" heißt. 

 

      

Kurz, aber heftig

16 Kapitel? Wow, das hört sich ja mal nach einer umfangreichen Kampagne an. Doch der Eindruck täuscht, denn schon nach etwa sieben Stunden flimmert der Abspann über euren Bildschirm. Hinzu kommt, dass manche Spieler das letzte Kapitel gar nicht erst zu Gesicht bekommen werden, da ihr vorher vor eine schwerwiegende Wahl gestellt werdet, nach der euch der letzte Abschnitt unter Umständen vorenthalten wird. Doch egal, für welchen Weg ihr euch auch entscheidet, fällt das Endergebnis in beiden Fällen ernüchternd aus. Ich will an dieser Stelle nichts spoilern, aber beide Endsequenzen sind ziemlich enttäuschend. Doch was erwartet euch alles auf dem Weg bis zum großen Finale? Action, Action und noch mal Action! Gerade am Anfang geben die Entwickler richtig Gas: Nach eurer spektakulären Flucht steht zunächst ein Banküberfall auf

In den 16 Kapiteln geht es sehr actionreich zur Sache! Leider ist die Kampagne ziemlich kurz ausgefallen.
dem Programm, bei dem ihr u.a. einen Tresorknacker beschützen müsst und erstmals Zeuge werdet, wie Lynch austickt, wenn er nicht regelmäßig seine Pillen nimmt. Anschließend erwartet euch eine coole Railshooter-Sequenz, bei der ihr aus dem Heck eines Lieferwagens auf die Polizeiwagen ballert, die euch mit heulenden Sirenen verfolgen. Besonders cool ist der darauf folgende Besuch eines Nachtclubs in Tokio: Zu hämmernden Techno-Beats bewegt ihr euch im Stroboskop-Lichteffektgewitter unauffällig durch die wild tanzende Meute und vorbei an grimmigen Aufpassern, die mit ihren Taschenlampen Ausschau nach verdächtigen Personen halten. Jetzt bloß nicht auffallen& Doch damit ist es spätestens dann vorbei, wenn ihr euch zusammen mit Lynch und der ausgeknockten Club-Besitzern auf dessen Schultern zum Dach wollt. Fällt der erste Schuss, bricht Panik aus und die Besucher laufen wie aufgescheuchte Hühner wild umher, während ihr euch mit den bewaffneten Wachen auseinandersetzen und gleichzeitig darauf achten müsst, dass eurer Geisel auf dem Weg zum Dach nichts passiert. Leider verschießt IO bereits am Anfang seine ganze Munition. Wo euch das abwechslungsreiche Missionsdesign in den ersten Stunden noch ein Lächeln ins Gesicht zaubert, erwartet euch im Mittelteil langweiliger Einheitsbrei, bei dem ihr immer wieder auf alles schießen müsst, was sich bewegt. Erst gegen Ende wird es wieder interessanter, wenn ihr euch unauffällig an eine Hazienda anschleichen müsst, ohne bei den Wachposten Alarm auszulösen. Daneben braust ihr in einer weiteren Railshooter-Sequenz mit einem Jeep durch den Dschungel, weicht Bazooka-Geschossen aus und vereitelt die Flucht der bösen Buben, indem ihr die Triebwerke ihres startenden Jets zerfetzt. In solchen Momenten wird man nach den stupiden Missionen des Mittelteils endlich wieder gepackt...

Dumm, aber gefährlich

Das größte Problem von Kane & Lynch ist die schwache KI. Egal, ob ihr eure Kameraden oder die Feinde in den Auseinandersetzungen betrachtet, verhalten sich die Figuren strohdumm. Oft genug passiert es, dass Feinde einfach an euch vorbeirennen und euch gar nicht wahrnehmen. Ein anderes Mal steht eine ganze Gruppe in der Gegend herum. Ich schieße einen ab und der Rest bleibt einfach starr stehen. Zwar suchen die Gegner auch immer wieder Schutz, doch positionieren sie sich dabei meist so ungünstig, dass es kein Problem ist, sie auch dort zu erwischen. Doch wie so oft gleichen Entwickler die fehlende Intelligenz ihrer KI durch Masse aus. So auch hier: Ihr seid die meiste Zeit umzingelt von Gegnern, die aus allen Rohren feuern. Habt ihr sie erledigt, rückt auch schon die nächste Welle nach. Manchmal treiben es die Entwickler zu weit - so z.B. vor der Erstürmung des El Capitol in Havanna. Von allen Seiten strömen Feinde heran, besetzen MG-Geschütze am Boden und auf Anhöhen in den zerbombten Ruinen. Das alles wäre vermutlich eine lösbare Aufgabe, wenn die KI eurer Mitstreiter wenigstens halbwegs clever wäre. Das ist leider nicht der Fall. So bleibt eure Unterstützung lieber ungeschützt in der Gegend stehen, anstatt selbstständig Deckung zu suchen. Und warum ballern sie weiter mit ihrem

Die Cops zögern nicht lange und setzen Tränengas ein. Werft die Granate besser schnell zurück, bevor eure Sicht beeinträchtigt wird.
schwachen Maschinengewehr, wenn sie direkt neben einem deutlich stärkeren Geschütz stehen? In solchen Momenten muss ich mir immer wieder an den Kopf fassen, wenn sich mein Team lieber abknallen lässt anstatt mit etwas Köpfchen zu reagieren. Die Folge: Ihr dürft im Kugelhagel Babysitter spielen und zu ihnen hinrennen, um ihnen mit einer Adrenalinspritze wieder auf die Beine zu helfen. Sie selbst würde nicht auf die Idee kommen, sich gegenseitig zu helfen und ihr könnt auch keine entsprechenden Anweisungen geben. Dummerweise werdet ihr bei diesen Rettungsaktionen meist selbst so schwer verletzt, dass ihr Hilfe braucht. Wenigstens ist in diesem Fall schnell einer eurer Kameraden zur Stelle, doch dürft ihr nicht zu oft deren Hilfe innerhalb kurzer Zeit beanspruchen, weil ihr sonst aufgrund einer Adrenalin-Überdosis draufgeht. Schön ist, dass euch eure Jungs bei Munitionsmangel oft mit neuen Patronen versorgen und Kane die Magazine in Feuerpausen automatisch nachlädt. Gehen euch die Kugeln aus, habt ihr alternativ die Wahl, euren Vorrat bei getöteten Feinden aufzustocken oder sogar deren Waffen zu übernehmen. Neben Pistolen gehören auch MGs, Snipergewehre, Shotguns und sogar Raketenwerfer zum ansehnlichen Arsenal, wobei ihr maximal zwei Waffen gleichzeitig mit euch tragen dürft. Manchmal steht euch sogar eine kleine Armee von über zehn Soldaten zur Seite. Doch gerade die besagte El Capitol-Szene zeigt, wie überflüssig diese Unterstützung eigentlich ist. Es dauerte bei den unzähligen Neuversuchen oft keine zehn Sekunden, bis die gesamte Truppe ausgelöscht war. 

    

Zielprobleme

Aber das sind nicht die einzigen Probleme, mit denen das Duo zu kämpfen hat: Auch die Kollisionsabfrage gibt an einigen Stellen Rätsel auf. Warum treffe ich z.B. manche Feinde nicht, obwohl sich ihr Kopf genau in meinem Fadenkreuz befindet? Eine ganz üble Stelle ist folgende: Ihr befindet euch mit eurer Tochter in einer kleinen Grube und müsst sie vor heran nahenden Gegnern beschützen. Normalerweise würde man über die Planke nach oben rennen und sich anschließend die Kerle vornehmen. Beim ersten Mal hat es nicht funktioniert. Jenny stirbt. Neuer Versuch! Auch beim zweiten Mal komme ich nicht über die Planke aus der verdammten Grube heraus. Jenny stirbt. Neuer Versuch! Beim dritten Mal nehme ich mir vor, einfach in der Grube zu bleiben und die Gegner von dort aus zu erledigen. Es sind zu viele. Jenny stirbt. Neuer Versuch! Ich renne noch mal zur Planke. Und was passiert? Ich komme problemlos nach oben und mache die Mistkerle fertig. Wie kann so was sein? Der nächste Schlag ins Gesicht folgt beim anschließenden Kampf gegen einen Zwischengegner: einen riesigen Kipplaster, der auf mich und Jenny zurast. Das Programm hat mich mittlerweile wieder zurück in die Grube versetzt. Eigentlich super, denn so können die Schurken über mich drüber fahren, ohne dass mir oder Jenny was passiert. Normalerweise ahmt die KI meine Aktionen nach. Ducke ich mich, duckt sie sich auch. Bei einem ersten Test funktioniert es! Ich ducke mich - Jenny geht ebenfalls in Deckung. Super! Der Laster kommt angerast und ich ziehe meinen Kopf ein. Und was macht der Dussel neben mir? Schaut aus der Grube und wird überfahren. Jenny stirbt. Neuer Versuch! Das gleiche Spiel: Ich ziehe den Kopf ein. Jenny steht pünktlich zum heran rasenden Laster auf und wird überfahren. Sie stirbt. Neuer Versuch! Der Laster kommt wieder auf uns zu und ich befürchte schon das Schlimmste. Aber nein, dieses Mal bleibt sie unten und ich bekomme endlich die Chance, den Fahrer zu erledigen. Eine solche Willkür bei der Spielmechanik - und das zwei

Nichts für Weicheier: Kane und Lynch fackeln nicht lange und gehen hart gegen ihre Widersacher vor.
Mal so kurz hintereinander - lässt Worte über meine Lippen kommen, die auch im Spiel übermäßig häufig benutzt werden. Ich hab das Gefühl, dass jeder Satz in den Dialogen mindestens einmal das Wort Scheiße, Arschlöcher oder Wichser enthält. Man kann es auch übertreiben...

Gute Synchro, schlechte Abmischung

Zumindest aber geht die deutsche Synchro voll in Ordnung. Vor allem die beiden Haupt-Akteure haben markante Stimmen, die gut zu ihnen passen. Schade ist nur, dass das Tonstudio anscheinend die Abmischung vollkommen vergeigt hat. Manche Dialogzeilen sind viel zu leise und lassen sich kaum verstehen. Im Spielgeschehen mag es nachvollziehbar sein, wenn der Gesprächspartner weiter weg steht. Aber wenn in Zwischensequenzen komplette Sätze in Umgebungsgeräuschen untergehen, wurde hier ganz offensichtlich geschlampt. Auch in Sachen Soundeffekte hat man sich scheinbar keine großen Gedanken gemacht. Zwar klingen die Schussgeräusche ganz nett, aber es fehlt ihnen der gewisse Kick. Das gilt auch für Szenen, in denen sich z.B. geprügelt wird oder Kane z.B. einen Tritt in die Kniekehlen bekommt. Es fehlt einfach der Wumms! Hinzu kommen auch Zwischensequenzen, in denen Türen gänzlich ohne Ton zugeschlagen werden. Ein anderes Mal steht ihr direkt neben dem Highway und Autos rasen geräuschlos an euch vorbei. So etwas muss doch auffallen& Nervig ist außerdem, dass angeschossene Feinde immer die gleichen Sätze mit der gleichen Stimme stammeln. Aber das passt vermutlich zu der Tatsache, dass ihr es über weite Strecken mit Widersachern zu tun habt, die anscheinend aus dem Klonlabor geflüchtet sind. Egal, ob Cops, Tänzer in der Disco oder The7-Schergen in Havanna: Die Gesichter und Frisuren eurer Gegner sind sich oft sehr ähnlich, was bei einem solch hohen Feinaufkommen aber auch keine Überraschung darstellt. Trotzdem hätten hier etwas mehr Variationen sicher nicht geschadet. Das Beste am Audiobereich ist die Musik:

Ihr seid nicht nur als Duo unterwegs. Manchmal steht euch ein ganzes Team an Kämpfern zur Seite. Freedom Fighters lässt grüßen!
Komponist Jesper Kyd, der auch schon Hitman vertont hat, sorgt auch hier mit seinen interaktiven elektronischen Klängen für die passende Atmosphäre.

Durchschnittliche Technik

Technisch bewegt sich Kane & Lynch nur auf einem durchschnittlichen Niveau. Wer bereits Gears of War oder das neue Uncharted: Drakes Schicksal mit seinen prächtigen Kulissen in Aktion gesehen hat, wird den matten Locations hier nicht viel abgewinnen können. Verglichen mit der starken Konkurrenz vom Schlag eines Call of Duty 4 oder Bioshock sieht Kane & Lynch sehr unspektakulär aus - selbst das alte GRAW hat optisch mehr zu bieten. Da hilft es auch nicht viel, dass ihr die Umgebung teilweise zerlegen könnt - in dieser Beziehung macht Stranglehold eine deutlich bessere Figur. Dazu gesellt sich eine ganze Reihe an Clippingfehlern, bei denen getötete Gegner und Waffen in der Luft hängen oder bei Nahkämpfen Köpfe in Wänden verschwinden. In Außenarealen erwarten euch außerdem immer wieder Pop-Ups am Horizont, wo die Vegetation ähnlich Oblivion nach und nach aufploppt. Doch auch die Engine hat mit Problemen zu kämpfen und geht bei zu starkem Feindaufkommen schon mal in die Knie. Während sich PC- und Xbox 360-Besitzer auf Anti-Aliasing freuen dürfen, fällt die PS3-Version grafisch mit ihrer starken Kantenbildung merklich ab. Den Grainfilter, der ähnlich Biowares Rollenspiel-Hit Mass Effect oder der Silent Hill-Serie mit einem körnigen Bild für Filmflair sorgen soll, lässt sich nur am PC leicht verringern - ganz abschalten könnt ihr ihn nirgends. Die Intensität dieses Effekts schwankt aber auch während des Spiels sehr stark. Manchmal fällt euch die körnige Darstellung kaum auf, während sie vor allem in dunklen Szenen sogar störend wirkt. 

    

Eine zerbrechliche Allianz

Ein Höhepunkt von Kane & Lynch stellt der Mehrspielermodus dar, der auf den Namen "Fragile Alliance" hört und praktisch ein eigenständiges Spiel darstellt, das nichts mit der Kampagne zu tun hat. Anstatt sich wie ursprünglich geplant auf Standard-Modi wie Deathmatch oder Capture the Flag zu verlassen, haben die Entwickler ein bislang einzigartiges und innovatives Konzept ausgearbeitet, das manche Freundschaften auf eine harte Probe stellen dürfte. Es fängt alles ganz harmlos an: Mit bis zu acht Leuten stürmt ihr ein Gebäude und sackt dabei alles ein, was halbwegs wertvoll erscheint - in der Regel Bargeld. Wie viel ihr bereits erbeutet habt, wird jederzeit für die anderen sichtbar über eurem Kopf angezeigt. Gekämpft wird gemeinsam gegen die KI - ähnlich der Terroristenjagd in Rainbow Six: Vegas. Leider hapert es in Fragile Alliance an den gleichen Problemen, die ihr auch in der Kampagne findet: Die KI ist dumm wie eine Scheibe Brot, gleicht ihren Intelligenzmangel aber durch Masse aus. Außerdem macht euch das zickige Deckungssystem auch hier zu schaffen. Werdet ihr von der KI getroffen, bedeutet das nicht euren Tod. Stattdessen wechselt ihr die Seiten und versucht,

Alles Gute kommt von oben: An manchen Stellen könnt ihr euch abseilen und die Gegner überraschen.
zusammen mit der KI den Überfall eurer ehemaligen Mitstreiter zu vereiteln. Für gefundenes Geld sackt ihr zudem einen Finderlohn ein und habt dadurch die Möglichkeit, die Runde sogar noch zu gewinnen. Jetzt wird es langsam interessant...

Verräter!

Als Bankräuber ist euer Ziel einfach: Sammelt so viel Kohle wie möglich und begebt euch dann anschließend zum Fluchtwagen bevor die Zeit abläuft. Die Beute wird dann anschließend zwischen allen Überlebenden geteilt, die es geschafft haben. Jeder bekommt dabei den gleichen Anteil - egal, ob er in der Runde viel oder wenig eingesammelt hat. Klingt fair! Wirklich? Nein, das tut es nicht! Warum soll ich meine hart erkämpfte Beute mit diesen Nichtsnutzen teilen, die gerade mal ein Fünftel meiner Summe abgesahnt haben? Genau diese Momente sind es, in denen ihr von der Gier übermannt werdet und es vorzieht, zum Verräter zu werden und euch alleine abzusetzen. Die gleichen Gedanken werden aber auch Spielern durch den Kopf schießen, die absolut nichts auf die Reihe kriegen. Man hat doch eh nichts zu verlieren und da wäre es doch einfach, dem Führenden in den Rücken zu fallen und die ganze Beute auf einen Schlag selbst einzusacken. Doch dieser Schritt will immer wohl überlegt sein! Sobald ihr euch als Verräter entpuppt, wird euer Headtag selbst durch Wände hindurch für alle sichtbar - es sei denn, ihr kriecht unauffällig auf dem Boden entlang. Und sie werden euch alle jagen: Die KI, eure ehemaligen Kameraden und nicht zu vergessen: das Opfer eures Verrats, der nach der hinterhältigen Attacke jetzt auf der Seite der Cops kämpft und sich durch euren Tod einen lukrativen Rache-Bonus verdienen will. Das Verräter-Dasein

"Hände hoch, das ist ein Banküberfall!" Dumm nur, wenn sich die eigenen Mitstreiter irgendwann als Verräter entpuppen...
hat zudem modische Konsequenzen, denn in der nächsten Runde müsst ihr ein schwarzes T-Shirt tragen und werdet etwas abseits zu euren Kameraden aufgestellt. So weiß schon zu Beginn jeder, dass man euch besser im Auge behalten sollte...

"Schutzgeld"

Geld macht nicht nur glücklich und ermöglicht euch den Kauf neuer Waffenpakete. Nein, bei den Überfällen fungiert es gleichzeitig auch als Schutzschild und ihr verliert bei jedem Treffer ein paar der wertvollen Scheinchen. Ihr dürft das Geld allerdings auch freiwillig fallen lassen. Warum? Na, denkt doch mal nach! Seid ihr zu reich unterwegs, macht es euch zum idealen Ziel für Neider, die euch in den Rücken fallen könnten. Dann doch lieber mit weniger Geld im Gepäck, aber dafür halbwegs sicher unterwegs&Je höher ihr in der TrueSkill-Rangliste aufsteigt, desto cooler werden die Charaktere, die ihr auswählen dürft. Die beiden Führenden der Weltrangliste haben übrigens das ganz große Los gezogen und spielen exklusiv als Kane und Lynch. Solltet ihr also in den Multiplayer-Matches auf die Kampagnen-Antihelden treffen, dann wisst ihr, dass ihr es gerade mit den Besten zu tun habt& Neben Fragile Alliance, das sowohl online als auch im LAN spielbar ist, bekommt ihr auch einen Koop-Modus, bei dem ihr die komplette Kampagne zu zweit durchspielen könnt. Leider ist die Koop-Ballerei nur offline und im Splitscreen möglich. Da es dabei sehr unübersichtlich zugeht und ihr durch die verkleinerten Bildausschnitte längst nicht so viel im Blick habt wie im Vollbild, hält sich der Spielspaß hier eher in Grenzen. Wäre es denn so schwierig gewesen, den Koop-Modus auch online oder wenigstens mit LAN-Unterstützung anzubieten?   

Fazit

Kane & Lynch hätte das Zeug zum Hit gehabt! Gerade in den ersten Stunden protzt die Kampagne mit vielen coolen Ideen – angefangen beim packenden Einstieg über die Highway-Verfolgungsjagd bis hin zum atmosphärischen Discobesuch in Tokio. Doch dann driften die Missionen immer mehr in einen belanglosen Einheits-Actionbrei ab. Warum konnte es nicht so abwechslungsreich weiter gehen? Warum bekomme ich erst kurz vor dem Finale eine Entscheidungsmöglichkeit in der ansonsten sehr linearen und kurzen Kampagne? Doch damit kann ich zur Not noch leben - genau wie mit der durchschnittlichen Grafik, die verglichen mit anderen Titeln wie Uncharted oder der GRAW-Serie unspektakulär wirkt. Aber die häufigen Clippingfehler hätten genau so wenig sein müssen wie die Gegner aus der Klonfabrik. Das Schlimmste ist und bleibt aber diese KI, die sich so unglaublich dumm anstellt, dass es schon weh tut. So etwas geht heutzutage gar nicht mehr! Man hätte sich vielleicht etwas mehr an Rainbow Six: Vegas orientieren und weniger, aber dafür intelligentere Gegner auf euch hetzen sollen. Eure Jungs sind nur dann wirklich nützlich, wenn sie euch mittels Adrenalinspritzen wieder auf die Beine bringen - allerdings haben sie auch kein Problem damit, euch mit einer Überdosis umzubringen. Für Ärger sorgt an manchen Stellen die Kollisionsabfrage, wenn Schüsse nicht ins Ziel gehen oder ihr erst nach mehreren Versuchen aus einer Grube steigen könnt. Hat den Entwicklern vielleicht nur die nötige Zeit für Optimierungen gefehlt, weil der Titel noch unbedingt vor Weihnachten fertig werden musste? Man könnte es fast meinen - auch wenn man sich die schlechte Soundabmischung mit starken Lautstärkeschwankungen und fehlenden Details anhört. Während die Kampagne aufgrund der vielen Mankos ein eher zweischneidiges Schwert ist, landet IO mit dem Mehrspielermodus Fragile Alliance einen Volltreffer – auch wenn er teilweise unter den gleichen (KI-)Problemen leidet. Doch zusammen mit Freunden loszuziehen, bei einem vorzeitigen Tod die Seiten zu wechseln und die Jagd auf einen Verräter zu eröffnen oder selbst vom Neid gepackt zu werden, ist äußerst reizvoll. Deshalb kann man den Entwicklern nur zu diesem innovativen Konzept gratulieren. Trotzdem bleibt das Gefühl zurück, dass viel mehr Potenzial da war. Unterm Strich bekommt ihr nur ein gutes, aber nicht überragendes und für Solospieler sehr kurzes Actionspiel.

Pro

zwei interessante Hauptcharaktere
viel Action
coole Railgun-Sequenzen
packender Einstieg
guter Soundtrack
viele Waffen
gute deutsche Synchro
innovativer Mehrspielermodus (Fragile Alliance)
simple taktische Anweisungen
Team kann aufgeteilt werden
gut erzählte Geschichte
z.T. packende Feuergefechte
regeneratives Healthsystem
zuverlässige KI-Hilfe mit Adrenalinspritzen

Kontra

kurze Kampagne
strohdumme Kameraden
und Gegner-KI mit vielen Aussetzern
viele Clippingfehler
vereinzelte Slowdowns
Probleme mit der Kollisionsabfrage
einige unfaire, frustrierende Stellen
schlechte Tonabmischung
Koop-Modus nur offline spielbar
eintöniger Mittelteil
insgesamt sehr linear
Gegner aus der Klonfabrik

Wertung

360

Verschenktes Potenzial: Miese KI und Technikschwächen machen einen Award für Kane & Lynch unerreichbar!

PlayStation3

Stärkeres Kantenflimmern, ansonsten identisch zum PC- und 360-Duo mit allen Stärken und Schwächen.

PC

Verschenktes Potenzial: Miese KI und Technikschwächen machen einen Award für Kane & Lynch unerreichbar!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.