Dark Messiah of Might & Magic: Elements15.02.2008, Benjamin Schmädig
Dark Messiah of Might & Magic: Elements

Im Test:

Kein Wunder, dass Ken Levine und Irrational Games so lange an BioShock feilen mussten: In der Tradition von Ultima Underworld und System Shock wollten die Jungs ein Rollenspiel für die Ego-Perspektive kreieren - doch das verfehlte den Nerv der Zeit um einige Jahre. Also schraubten sie so lange an dem Konzept, bis sich BioShock wie ein flotter Ego-Shooter anfühlte. Was das mit Dark Messiah zu tun hat? Der Entwicklungsprozess ist der gleiche. Nur dass es erst mit einiger Verspätung auf Xbox 360 erscheint...

"Was tust du?"

Der größte Unterschied zwischen BioShock und Dark Messiah (DM) ist das bekannte Ausnutzen der Umgebung, mit dem sie ihre Spieler vor Rätsel stellten. Rätsel der Art: "Fünf Gegner kommen auf dich zu. Links brennt ein Lagerfeuer, rechts stehen wurfbereite Fässer, dahinter hängt eine massive Kiste an einem Seil von der Decke, an der linken Wand blitzen hungrige Metallhaken gierig ins Leere und die Dielen im Boden sehen nicht so aus,

Morsche Balken kommen euch zu Gute: Zerbrecht ihr sie, fällt das Gerüst darüber entzwei...
als könnten sie einen auf sie geworfenen Bösewicht halten. Was tust du?"

Brachiales Mittelalter

Tatsächlich spielt sich DM trotz namentlicher Erwähnung der Might and Magic-Fantasywelt wie ein waschechter Ego-Shooter. Allerdings wird der Kampf gegen Krieger, Untote oder Monster mit erfrischend gezügeltem Tempo geführt. Schmeißt Sareth, jugendlicher Magier und Held, z.B. Gegenstände gen Feind, führt er eine deutlich erkennbare Wurfbewegung aus. Auch nimmt er sich die Zeit, bei gedrückter Angriffstaste eine besonders starke Attacke auszuführen. Und wer mit Sonics Sauseschritt durch's Mittelalter stürmt, segnet ohnehin schnell das Zeitliche. Im besten Fall verpassen Quake-Verwöhnte viele Möglichkeiten, die Umgebung in ihr handgreifliches Tun einzubeziehen. Schließlich lässt sich ein Widersacher nur dann ins Feuer stoßen (der mächtige Fußtritt macht unglaublich viel Laune!), wenn ihn Sareth im richtigen Winkel anvisiert. Wirft man hingegen einen noch lebenden Gegner zu Boden, darf ihm der martialisch veranlagte Zauberlehrling nach einer kraftvollen Ausholbewegung das Messer zur abschließenden Akkupunktur in die Brust rammen. Und nicht umsonst können Zauberer ihr Ziel kurzzeitig betäuben - nur das verschafft ihnen genug Abstand und eben Ruhe, um die Elemente für einen mächtigen Finisher zu beschwören.

Apropos Elemente: Das Spiel, auf Xbox 360 mit dem Untertitel Elements versehen, gleicht seinem PC-Vorbild wie ein Ei dem anderen. Ubisoft Annecy kommt bei der Umsetzung zwar Rollenspiel-Neulingen entgegen, bleibt in allen wesentlichen Punkten aber dem Original der Arkane Studios treu. Die packende Geschichte, die unheimlichen

Leanna kümmert sich um Verwundete, bevor sie mit euch eine mysteriöse Insel erkundet.
Albträume, das düstere Mittelalter, das intelligente Spiel mit "Gut" und "Böse" - Ubisoft tat gut daran, Arkanes Vorlage nicht zu verfremden! Allerdings hätte man die Inszenierung des interaktiven Teils dynamischer gestalten können. So imposant das Orchester in filmischen Einspielungen nämlich den Ton angibt, so sehr fehlt die Musik, wenn die eigentliche Welt ohne Soundtrack auskommt. Dafür erschaffen die Bilder eindrucksvolle Kulissen mit massiven Steinwällen zwischen hohen Felsen und Mauern, die finstere Schatten werfen.

Ubisofts Charakterschwäche

In diesen Schatten fühlen sich besonders Assassine wohl, die im Dunkel der Nacht schleichen, um mit einem gezielten Stich Wachen auszuschalten. Anders als am PC wird die Entscheidung für eine der vier Klassen jedoch nicht mehr im Verlauf der charakterlichen Entwicklung getroffen: Konsolen-Helden wählen gleich zu Beginn, ob sie ihrem Schicksal als Magier, Attentäter, Bogenschütze oder Krieger entgegentreten. Gut so, das macht den Einstieg übersichtlicher? Falsch! Denn mit dem frühen Festlegen entfällt jedwede Freiheit. Der vorgezeichnete Berufsweg bestimmt nämlich nicht nur die Verteilung von Fähigkeiten - ein Krieger darf herum liegende Pfeile nicht einmal anfassen, geschweige denn aufnehmen oder gar verwenden. Attentäter bleiben vornehmlich auf ihre zwei Messer und Magier auf ihre Magiekunst beschränkt. Schlimmer noch: Neu erworbene Fertigkeiten (mächtige Hiebe, Unsichtbarkeit im Schatten usw.) werden automatisch hinzugefügt. Man hat zu keinem Zeitpunkt die Wahl zwischen wenigstens zwei Möglichkeiten. Willst du dich leise anschleichen oder lernst du lieber einen tödlichen Schlag? Ach, was soll's, erst mal das Schleichen, beim nächsten Stufenaufstieg dann der Schlag, basta. Ubisoft, ein wenig Eigeninitiative darf man selbst dem angeblich einfach gestrickten Konsolenzocker zugestehen!   

Sinnvoll ist hingegen die neue Einführung, in der angehende Zauberer die Kontrolle über ihr Alter Ego erlernen. So erfährt der Aspirant, dass seine Sicht auf einen Gegner fixiert bleibt, so lange er nah genug an ihn herantritt. Das ist gerade wegen der zuvor erwähnten Ausrichtung des Blickwinkels nützlich, denn nur wenn der Feind  zwischen Spieler und Feuer steht, schiebt ihn ein Fußtritt in die Flammen. Schade nur, dass man die Belegung des Gamepads nicht an lieb gewonnene Präferenzen anpassen darf. Einige Tasten sind so ungewöhnlich belegt,

Zaubersprüche kommen in einem Might and Magic-Ableger selbstverständlich nie zu kurz.
dass sich mancher Shooter-gestählte Abenteurer mitunter verdrückt. Wer nicht gerade als beinharter Krieger den Nahkampf sucht, könnte zudem das Eruieren der Lage vor Betreten eines Raumes vermissen: Das Um-die-Ecke-Lehnen brachte zwar kaum Vorteile, war der Atmosphäre allerdings äußerst zuträglich. Dafür werden getragene Gegenstände jetzt lichtdurchlässig, sobald man sie in der Hand hält. So erkennt man besser als am PC, wo genau das zur Waffe umfunktionierte Mobiliar nach Abschuss hinfliegt. Mitgedacht haben die Entwickler zudem beim Zugriff auf Waffen, Zaubersprüche und Heiltränke: Wofür Mausabenteurer noch durch sämtliche getragene Gegenstände blättern mussten, reicht jetzt ein Klick in den Rucksack oder das Definieren des Digipads. Blöd nur, dass nicht erkennbar ist, welche der zahlreichen Spruchrollen (Eis-, Schrumpf-, Feuerzauber usw.) auf welcher Taste liegt; Waffen gleichen Typs kann man ähnlich schlecht auseinander halten. Gedächtnistraining ahoi - aber doch nicht in einem Ego-Shooter!

Der Online-Blitz

Und die Vereinfachung geht in den Mehrspieler-Gefechten weiter. Schließlich fällt auch hier die Battlefield-ähnliche Erweiterung der Fähigkeiten im Verlauf einer Partie flach. Gut so, denn damit wird zwar eine taktische Komponente gestrichen, der unkomplizierten Action kommt es aber entgegen. Mager ist hingegen die Kürzung der möglichen 24 Teilnehmer: Gerade mal zehn Recken dürfen sich über Xbox Live noch ins Getümmel stürzen. Da helfen auch neue Spielvarianten nicht, wenn sie so nichtig sind wie Training oder Blitz. Letzteres ist schlicht und ergreifend Dark Messiahs Counter-Strike-Auslegung, will heißen: Wer stirbt, weilt bis zum Abschluss der Runde im Reich der Toten. Training bedeutet wiederum nichts anderes, als dass auf

So beginnt euer Abenteuer auf 360. Die Landschaften wirken zwar technisch überholt, sind aber schön gezeichnet.
gerade mal einer für diesen Modus vorgesehenen Karte mit weniger Fähigkeiten als sonst um drei Checkpunkte gekämpft wird - langweilig. Ach ja: Konsoleros dürfen sich an drei zusätzlichen Schauplätzen austoben. Macht insgesamt acht Szenarien, na immerhin.

Abschließend noch zwei Worte an Techniker, Englischfetischisten sowie Schnittberichte.com-Leser. DM zeichnet auch in der Konsolenfassung das Bild einer fantastischen Mittelalterwelt. Es macht aber auch die Zeit spürbar, die seit Half-Life 2 vergangen ist. Denn Elements sieht heuer noch so aus wie Valves Meisterwerk vor vier Jahren. Tatsächlich zeigt selbst das anderthalb Jahre alte PC-Vorbild schärfere Oberflächen, stellt griffigere Mauern in die Kulissen - leidet inzwischen allerdings unter ähnlich steifen Bewegungen sämtlicher Figuren. Kleiner Ausgleich: Licht und Schatten gehen heuer weicher ineinander über und die 360-Helden sehen einige zusätzliche Verzerrungseffekte. Der deutschen Version fehlt allerdings jedwede Körperflüssigkeit und getötete Feinde verschwinden schon im Moment ihres Ablebens. Seltsam übrigens, dass selbiges mitunter erst Sekunden nach ihrem tatsächlichen Tod eintritt... Und falls ihr gerne dem englischen Originalton lauscht: Der wurde nicht auf die DVD gepresst. Zum Glück hat Ubisoft sämtlichen Akteuren allerdings hervorragende deutsche Stimmen verpasst!   

Fazit

Dark Messiah zehrt in seiner fast unveränderten Form vom Einfallsreichtum, mit dem die Arkane Studios anno 2006 aus ihrem ursprünglichen Rollenspielableger einen ungewöhnlichen Ego-Shooter schnitzten. Weil die 360-Umsetzung dem Ursprungsmaterial gleicht, gibt es natürlich auch hier mitunter schwammig formulierte Missionsbeschreibungen sowie zahlreiche aus dem Nichts auftauchende Gegner. Besonders Letzteres nimmt streckenweise geradezu absurde Formen an. Im Gegenzug spielen sich die vier Klassen dafür sehr unterschiedlich. Leider meint Ubisoft Annecy aber, dass Konsoleros nicht mit einer freien Charakterentwicklung belästigt werden dürfen und gibt selbige deshalb strikt vor. Hinzu kommen kleine Ärgernisse wie die nicht ganz so flotte Schnellauswahl, eine vorgefertigte Tastenbelegung sowie einige, obwohl längst tote, nicht sterben wollende Gegner. Auch die Kulisse wirkt zwar stimmig, sieht gegen Epics Unreal-Pendant allerdings kein Land. Kurz gesagt: Der dunkle Messias wütet mindestens ein Jahr zu spät auf Microsofts Konsole und leidet vor allem unter dem Vereinfachungswahn seiner Entwickler. Weil der rote Faden aber in ein wunderbar finsteres Fantasyepos führt und die physikalisch "korrekte" Feindzerlegung ausgesprochen intensive Nahkämpfe erlaubt, ist es spielerisch sowie erzählerisch dem schnöden Einheitsbrei aus Urzeit- und Weltallwesen um Längen voraus!

Pro

hervorragende, spannende Handlung
atmosphärisch dichte...
umfangreiche Einbindung der Umgebung in Kämpfe
starker orchestraler Soundtrack...
gute deutsche Sprachausgabe
schneller Zugriff auf wählbare Zauber, Waffen etc.
automatisches Fixieren des Gegners
Pfeil gibt Richtung vor
Kisten beim Aufheben jetzt fast durchsichtig

Kontra

Steuerung nicht anpassbar
... aber altbackene Kulissen
steife Animationen
... aber im Spiel kaum Musik
Gegner sterben mitunter erst Sekunden nach eigentlichem Tod
Gegenstände in Schnellauswahl oft nicht erkennbar
keine englischen Originalstimmen wählbar
Gegner werden oft aus dem Nichts nachgeschoben
kein automatisches Speichern
Um-Die-Ecke-Schauen ist weggefallen

Wertung

360

Trotz unnötig verkürztem Rollenspielanteil ein ungewöhnlich stimmungsvolles Abenteuer

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