Metal Gear Online21.10.2015, Michael Krosta

Im Test: Solid versus Liquid

Gut einen Monat nach dem Start von Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain hat Konami den kompetitiven Online-Modus nachgereicht – zumindest auf den Konsolen, denn auf dem PC wird man sich noch bis Anfang 2016 gedulden müssen. Ist Metal Gear Online (ab 157,90€ bei kaufen) eine sinnvolle Ergänzung des Hauptspiels und gelungene Alternative zu den üblichen Mehrspieler-Shootern?

Wenig Inhalt

Wer sich bereits bei Titeln wie Battlefield 4 oder Call of Duty über zu wenig Basis-Inhalt für die Multiplayer-Partien beschwert, wird angesichts der mageren Auswahl in Metal Gear Online vermutlich die Nase rümpfen: Die bis zu 16 Spieler, die in Team Solid und Team Liquid aufgeteilt werden, dürfen sich lediglich in drei Spielmodi auf einer Hand voll Karten austoben. Dabei haben sie immerhin die Wahl zwischen einer automatischen Vermittlung für den präferierten Spieltyp, dem manuellen Durchforsten nach Lobbys oder dem Anlegen von privaten Partien, die man nicht nur durch ein Passwort schützen, sondern um eine Playlist von bis zu fünf Partien mit wechselnden Karten und Modi ergänzen kann.

Drei Klassen gibt es: Scout, Enforcer und Infiltrator. Während sich der Scout als Allrounder vornehmlich an Anfänger richten soll, die auch gerne aus sicherer Entfernung mit dem Scharfschützengewehr anlegen, stürzt man sich als gut gepanzerter Enforcer mitten ins Kampfgetümmel und teilt mit schwerer Bewaffnung ordentlich aus, ist dafür aber auch nicht gerade flink auf den Beinen. Anders die Infiltratoren, die flott unterwegs sind, sich gut tarnen können und ihre Stärken in Nahkämpfen (CQC) ausspielen, dafür jedoch nicht viel einstecken können.

Eingeschränkte Freiheit

Bei Comm Control gilt es, Punkte einzunehmen und zu halten.
Wer glaubt, nach dem Start mit den Klassen etwas herumexperimentieren zu können, erlebt eine böse Überraschung, denn mit der Figur, die man im Intro zu The Phantom Pain im Editor erstellt hat, muss man sich zunächst auf eine Klasse festlegen. Erst mit dem Erreichen von Stufe sechs darf man weitere Figuren anlegen, die man auch anderen Klassen zuordnen kann. Eine sehr fragwürdige Entscheidung. Ich hätte zumindest eine Option begrüßt, alle drei Klassen zunächst im Übungsareal kurz antesten zu können, bevor man sich festlegen muss. Gleichzeitig hätte ich mir auch mehr Optionen für das Training erhofft: Wenn man schon keine KI-Bots anbietet, wären zumindest bewegliche Zielscheiben als Ergänzung zu den Pappaufstellern sinnvoll gewesen.

Das gewisse Etwas

Auf dem Papier klingen die drei Modi recht gewöhnlich: Bounty Hunter präsentiert sich als Team Deathmatch, Comm Control ist das Äquivalent zu Domination, während Cloak and Dagger ein klassisches Katz- und Mausspiel zwischen Angreifern und Verteidigern darstellt. Aber Kojima & Co haben es geschafft, die bewährten Formeln durch interessante Extras aufzuwerten. In Bounty Hunter steigt z.B. bei erfolgreichen Schützen das Kopfgeld. Schaltet man diese wertvollen Ziele aus, werden dem eigenen Team entsprechend mehr Tickets zugeschrieben, die ganz im Stil von Battlefield kontinuierlich abnehmen. Allerdings sollte man nicht nur ballern: Wer seine Widersacher per Nahkampf oder Betäubungspistole ausschaltet und anschließend per Fulton extrahiert, streicht die Bonustickets ein und verringert sein Kopfgeld. Umgekehrt ist es auch möglich, die Ballons noch rechtzeitig abzuschießen, bevor dem gegnerischen Team die Punkte gutgeschrieben werden. Auch wenn viele Partien leider zu sehr zum klassischen Baller-Deathmatch tendieren, sind es gerade diese frischen Besonderheiten, mit denen sich Metal Gear Online neben den coolen Gadgets vom Karton bis zu Markierungsgranaten von anderen Shootern absetzen kann.

Die Extraktion von Kameraden lässt sich noch vereiteln, wenn man rechtzeitig die Ballons abschießt.
Dank ihnen bekommt auch Comm Control einen zusätzlichen Anreiz, doch spielt sich dieser Modus von allen drei am gewöhnlichsten. Mein Favorit ist dagegen ganz klar Cloak and Dagger, bei dem man als Infiltrationsteam ohne tödliche Waffen - dafür aber mit einer exzellenten Tarnvorrichtung - zwei Datendisks stehlen muss, die von einem bis an die Zähne bewaffneten Team verteidigt werden müssen. Für den besonderen Kick sorgt hier nicht nur die Tatsache, dass die Tarnung aller Infiltratoren ausfällt, sobald nur einer von ihnen durch Kugeln getroffen wird. Denn außerdem gibt es in diesem Modus auch keine Respawns, was die Spannung noch weiter erhöht. Und so erinnert dieses aufregend Katz- und Mausspiel an die an die ersten Mehrspieler-Versuche in Splinter Cell. Allerdings hätte ich mir noch eine stärkere Einbindung der Zusammenarbeit zwischen den Schleichern gewünscht, etwa durch eine zusätzliche Mechanik für eine Räuberleiter. Trotzdem ist der Modus auch in dieser Form klasse, weil er den Schleichansatz am besten einfängt. Nicht nur hier, auch in den beiden anderen Modi besteht jede Partie übrigens aus zwei Runden inklusive Seitenwechsel. Gewinnt jedes Team eine Runde, entscheidet der Punktevergleich über Sieg oder Niederlage.

Große Areale und Wetterüberraschungen

Fünf Karten sind zwar nicht viel, doch dafür sind die Areale groß und bieten nicht nur gut platzierte Geschütze oder Walker Gears, sondern auch zahlreiche Verstecke für Hinterhalte oder Scharfschützen. Hinzu kommt, dass man nicht nur unter freiem Himmel unterwegs ist, sondern auch manche Gebäude betreten kann. Zudem kehrt man auch in Bereiche aus Camp Omega zurück, dem Schauplatz des Prologs Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes. Schön: Für eine kleinere Spielerzahl oder dem Wunsch nach viel Action lassen sich die Bereiche durch den zuschaltbaren Rush-Modus künstlich verkleinern, damit die Gegner möglichst häufig aufeinander treffen. Ein Buddysystem sorgt wie bei Star Wars: Battlefront außerdem dafür, dass man nach dem Tod bei der Position seines Partnern wieder ins Spiel einsteigen kann. Außerdem stehen pro Karte eine Tag- und eine Nachtvariante zur Verfügung, während das dynamische Wettersystem hier für ähnliche Überraschungen (und Auswirkungen) sorgt wie bei der Kampagne, wenn etwa ein Sandsturm die Sicht beeinträchtigt oder Schrittgeräusche im plätschernden Regen untergehen.

Die Karten lassen sich verkleinern, damit Spieler häufig und schnell aufeinander treffen.
Abseits des Editors sind weitere Anpassungen an den bis zu drei eigenen Online-Charakteren möglich: Zum einen schaltet man mit Rangaufstiegen weiteres Equipment sowie vorgefertigte Zusammenstellungen frei und zum anderen lassen sich auch Klamotten und Gadgets wie Sonnenbrillen verändern – teilweise durch die Investition von Mikrotransaktionen oder die Spielwährung GMP. Aber keine Sorge: Die Gefahren für ein Pay-to-win sehe ich (bisher) nicht, da es sich bei den Investitionen der MB Points, die man für echtes Geld aufstocken kann, lediglich um optische Gimmicks handelt. Anders sieht es bei der Ausrüstung aus, die man für GMP erwerben kann: Ein massiver Schutzhelm bietet z.B. einen besseren Rundum-Schutz und so verschafft man sich bei der Anschaffung durchaus Vorteile. Auch steht z.B. ein Visor zur Verfügung, der laut Beschreibung die Zielerfassung verbessern soll. Allerdings muss man schon sehr lange spielen, bis man sich Equipment wie dieses leisten kann. Von daher wirkt die Balance derzeit relativ ausgeglichen, auch wenn man bei der automatischen Team-Zusammenstellungen manchmal etwas Pech haben kann. Ob das so bleibt, kann aber erst die Zukunft zeigen. Das gilt auch für die manuellen Anpassungen kleiner Perks, bei denen man z.B. den Rückstoß von Waffen reduzieren oder eine feindliche Markierung (=Sichtbarkeit auch durch Mauern hindurch) schneller wieder loswird.  

Technische Dämpfer

Das Camp Omega aus Ground Zeroes zählt ebenfalls zu den Mehrspieler-Schauplätzen.
Eigentlich ist Metal Gear Online eine gelungene Ergänzung, die dank interessanter Ideen zudem frischen Wind in die Mehrspieler-Action bringt. Doch leider trüben abseits des knappen Umfangs technische Probleme und Störfaktoren den positiven Eindruck: Da es keine dedizierten Server gibt, ist man hier oft von der Leitungsqualität des Hosts abhängig – und die lässt nicht selten sehr zu wünschen übrig. Als Folge dessen leidet der Spielverlauf immer wieder an störenden Lags, die sich als Spielverderber erweisen. Besonders ärgerlich wird es, wenn sich der Host verabschiedet oder aus der Leistung fliegt: Da es hier keine automatische Übertragung der Sitzungsleitung gibt, landet man in diesem Fall wieder in der Übungsarena und muss sich frustriert von seinen erspielten Erfahrungspunkten verabschieden. Von den Verbindungsproblemen, von denen MGO beim Start Anfang des Monats offenbar geplagt wurde, habe ich allerdings nichts mehr gemerkt, denn sowohl das Einloggen als auch die automatische Spielervermittlung funktionierten meist schnell und zuverlässig. Schön auch, dass man in den Lobbyeinstellungen die Möglichkeit bekommt, inaktive Teilnehmer aus der Sitzung zu entfernen.    

Fazit

Hätte Metal Gear Online noch etwas mehr Inhalt zu  bieten und wäre nicht von den Einschränkungen beim Start sowie den technischen Problemen geplagt, wäre es eine richtig gute Ergänzung zur Kampagne! Neben dem Fulton-Kniff beim Team-Deathmatch hat es mir vor allem Cloak and Dagger angetan: Ein spannendes Katz- und Mausspiel zwischen Infiltratoren und Bewachern, bei dem der Schleichansatz klasse in die Online-Scharmützel übertragen wurde. Wenn es rund läuft und man im Idealfall mit einem eingespielten Team unterwegs ist, kann man sehr viel Spaß mit Metal Gear Online haben, weil sich die drei Klassen deutlich voneinander unterscheiden, die großen Karten viel Handlungsspielraum bieten und man mit der Zeit auf einen Haufen von Gadgets zurückgreifen kann, die zum Teil schon in der Kampagne zum Einsatz kamen. Diesen durchaus packenden Online-Partien kann ich als Abwechslung von Snakes Schleicheinsätzen auf jeden Fall mehr abgewinnen als den FOB-Missionen, die mit ihren Mikrotransaktionen und Versicherungen noch mehr an Reiz verloren haben.

Einschätzung
: gut

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