Borderlands27.10.2009, Benjamin Schmädig
Borderlands

Im Test:

Gewehrfeuer rattert durch die engen Gassen, vereinzelt verschlucken Explosionen den bleiernen Tango. Banditen haben sich zwischen den grauen Steinmauern eingenistet und liefern sich verbissene Straßenkämpfe mit ruchlosen Gesetzeshütern. Als dritte Partei sollen wir Signalfeuer zerstören, die immer neue Banditen anlocken. Zu zweit kämpfen wir uns also durch eine Art Killzone meets Resident Evil - wir hätten es auch zu dritt, zu viert oder jeder für sich alleine tun können. Es sind die intensivsten Momente, die wir auf Pandora erleben. Denn das hat neben einem gelungenen Sammelfieber und knackigen Feuergefechten leider nicht viel zu bieten...

Goldrausch 2.0

Ist es eine Anspielung auf die Büchse der Pandora? Auf jeden Fall herrscht das Chaos auf dem gleichnamigen Planeten: Wer einst dem Ruf des Goldes gefolgt ist, hat Pandora längst verlassen. Zurück blieben verzweifelte Schatzsucher, die dem Mythos um eine Kammer hinterher jagen, in der angeblich unbeschreibliche, von Außerirdischen hinterlassene Schätze lagern. Zurück blieben deshalb auch unzählige Gesetzlose sowie reichlich ungemütliche Fauna - Neuankömmlinge

Shooter, Rollenspiel - oder beides? Borderlands (ab 9,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist eine ungewöhnliche Mischung.

werden auf Pandora nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen.

Neuankömmlinge, das sind auch Roland, Brick, Mordecai sowie die buchstäblich bezaubernde Lilith. Ein beschwingtes Intro fährt das Quartett in den außerirdischen Wilden Westen - über den Bergen schwingt der Schriftzug "Borderlands" ins Bild, als ihr Bus am Horizont verschwindet. Es ist die gelungene Einführung in einen totschicken Comic-Shooter, der auch spätere Charaktere mit einem lässigen Schnappschuss samt passendem Spruch einführt. Eine Kostprobe? Nine Toes wird mit "Also, he has three balls." untertitelt. Man genießt es trotz der richtig guten Synchronisierung nur im Original so richtig.

Action oder Rollenspiel?

Vier Figuren - man ist also nie alleine unterwegs? Mitnichten! Mal spielt man solo, mal im Duett, zu dritt oder als voll besetztes Team. Die Zusammensetzung spielt keine Rolle; jeder steuert irgendeinen der vier Charaktere. Aber egal wie: Zunächst einmal muss man wissen, mit wem man spielt. Dieses Borderlands ist nämlich nicht das, was es auf den ersten Blick preisgibt. Denn was wie ein Ego-Shooter aussieht, ist viel eher waschechtes Action-Rollenspiel - mit Levelaufstieg, etlichen Ausrüstungsgegenständen zum Sammeln und Verkaufen sowie einer unüberschaubaren Fülle an Aufträgen. Handlung, Figuren, Erzählweise? Banane! Hier dreht sich alles um das Abklappern von Missionen. Und damit man standes-, will heißen: genregemäß klappern kann, braucht man einen Charakter.

Von der Erstellung eines eigenen Alter Egos hält Entwickler Gearbox allerdings wenig  und so stehen lediglich die erwähnten vier vorgefertigten Ichs zur Wahl. Auch die Klassen sind vom Start weg vergeben, wobei sich diese Charakterisierung hauptsächlich um die jeweilige Spezialfähigkeit dreht. So geht der bullige Nahkämpfer Brick auf Knopfdruck zum Berserker-Modus über, in dem er zwar nicht mehr

Willkommen auf Pandora! Und hier sind die Dame und Herren Abenteurer, mit denen ihr euch auf die Jagd nach dem Schatz der Außerirdischen macht...

schießen, dafür aber umso mächtiger austeilen kann; Roland stellt einen Geschützturm auf, der sich selbstständig sämtlicher Gegner annimmt; Scharfschütze Mordecai hetzt hingegen ein fliegendes Raubtier auf seine Ziele und Lilith umgeht unsichtbar ihre Gegner, um mit einem gefährlichen Knall wieder in die bekannte Dimension zurückzukehren. Und das ist alles schön und gut, aber weder cool noch durchschlagskräftig genug!

Der dünne Pixelfaden

Doch das soll es ja gar nicht sein. Denn mit diesem Kniff hatte mich Borderlands im Handumdrehen in seinen Bann gezogen: Weil ich von Beginn an sehen kann, wie die Schatzsucher ihre Fähigkeiten verbessern können, will ich natürlich genau das tun. Und weil Upgrades Erfahrungspunkte kosten, die ich wiederum durch das Töten wilder Tiere oder ruchloser Banditen horte, hatte ich schnell nichts Besseres zu tun, als mein Glück im Kampf zu suchen. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Der rote Faden ist höchstens anderthalb Pixel breit, das Empfangskomitee besteht aus einer kurzen Videobotschaft mit der Message, alles zu tun, was mir gesagt wird und wer mir nicht per Textfeld eine Mission zuweist, der wirft mir höchstens eine knappe Zeile Monolog zu.                      

Zurück zu meinem Helden, dessen Fertigkeiten ich also Schritt für Schritt trainieren kann. Ein solcher Schritt ist dabei der Aufstieg um einen Level, denn mit jeder neuen Stufe richten die Waffen meines Schatzsuchers nicht nur mehr Schaden an. Er oder sie erhält auch mehr Lebensenergie und bekommt ein Upgrade, mit dem ich die von mir gewünschte Fähigkeit stärken kann. Der Knackpunkt ist die vermaledeite Qual der Wahl, immerhin kann jeder Charakter drei Entwicklungswege gehen. Ich muss mich also entscheiden, ob ich mein virtuelles Ich zu einem Alleskönner seiner Klasse aufbaue oder mich lieber auf ein Fachgebiet konzentriere: Aus Lilith wurde auf diese Art eine Attentäterin, die sich ungesehen anschleichen kann, um mehreren Gegnern einen mächtigen Hieb zu versetzen. Ich hätte sie auch zu einer Kriegerin machen können, die durch Feuer, Elektrizität oder Säure gefährliche Elementarschäden verursacht. Selbstverständlich sind zudem etliche weitere Kombinationen möglich, denn jede Fähigkeit kann bis zu fünfmal gesteigert werden. Und falls mir das Ergebnis mal nicht mehr zusagt, könnte ich sie auch zurücksetzen und sämtliche Erfahrungspunkte neu verteilen.

Sammelwahn und Waffennarr

Nicht zuletzt steigere ich die Fertigkeit im Umgang mit den sieben Waffentypen (Schrotgewehre, Pistolen, Raketenwerfer, MGs usw.) nicht ausschließlich beim "Level Up", sondern auch durch regelmäßigen Gebrauch der entsprechenden Typen - Learning by Doing ist immer noch die sinnvollste Art und Weise der Charakterentwicklung! Außerdem sind da natürlich immer neue immer stärkere Waffen, Schilde und Granaten, die ich erst nutzen kann, wenn Lilith einen bestimmten Level erreicht hat. Und ich wollte doch unbedingt diesen Raketenwerfer nutzen, der neben einem mächtigen Einschlag auch noch Feuerschaden anrichtet - so lange jedenfalls, bis ich das "Nachgängermodell"

Süß? Auf jeden Fall gefährlich. Lady Lilith ist eine waschechte Attentäterin!

mit noch mehr Wumms, schneller Feuerrate und noch höherem Mindestlevel entdeckt hatte...  Borderlands bietet zwar nicht das umfangreichste aller Charakter-Trainings und schränkt mich mit seinen vorgefertigten Personalien stark ein - unverschämt motivierend ist die Charakterentwicklung aber allemal!

Vielleicht liegt es ja am Spielprinzip, dass sich Gearbox in Sachen Rollenspiel vorsichtig zurückhält. Schließlich hatten die Texaner kein Hellgate: London, kein Dark Messiah of Might & Magic und kein System Shock im Kopf, als sie Borderlands zu Papier brachten. Sie hatten weder ein Action-Rollenspiel im Kopf, das im Nachgeschmack an einen Ego-Shooter erinnerte, noch wollten sie einen Ego-Shooter mit einem Hauch von Rollenspiel erschaffen. Auch eine Mischung, die sich keinem der Genres so richtig verschrieb, kam nicht in Frage. Stattdessen sollte Borderlands ebenso Ego-Shooter wie Action-Rollenspiel sein. Und das heißt: Hier wird kompromisslos aus allen Rohren gefeuert. Es gibt keine Zauberwaffen, keine Telepathie, kein Fliegen, keine Verwandlungen - es gibt Blei und das wird mächtig heiß, wenn auf Pandora die Fetzen fliegen!

Symmetrische Symbiose

Höhepunkt waren für mich die zu Beginn erwähnten Straßenkämpfe im heruntergekommenen Old Haven. Da trottet ein zwei Mann hoher Jin-Roh-Soldat auf uns zu, dem wir in engen Gassen kaum ausweichen können. Plötzlich ist es nicht nur hilfreich, sondern überlebenswichtig, dass wir unseren Gegner an seiner verwundbaren Stelle treffen. Hier verbindet Borderlands ganz hervorragend seine beiden Genres: Wo besonders wirkungsvolle Treffer im Rollenspiel nämlich vom Zufall bestimmt und im Shooter an verwundbaren Körperstellen erzielt werden, ist es hier das eigene Können, das einen kritischen Treffer auslöst.

Doch dieser Soldat, der sich auf einem ähnlich hohen Level befindet wie unsere Protagonisten, schützt seinen verwundbaren Punkt durch einen Schild. Vielleicht sollte ihn einer von uns umgehen? Vielleicht helfen Granaten, die ihm Energie rauben? Vielleicht könnte Lilith unsichtbar an ihm vorbei laufen? Wir mussten unsere Munition gut einteilen und die Spezialfähigkeiten im richtigen Moment einsetzen, da sie anschließend Zeit zum Aufladen benötigen. Und obwohl der Kampf um Old Haven aus den zahlreichen Gefechten hervorstach: Viele Bleiwechsel bieten ähnlich spannende Situationen. Situationen, in denen ich dankbar war, dass ich Pandora nicht auf eigene Faust erkunden musste. Immerhin darf ich jederzeit bis zu drei Freunde in mein Abenteuer einladen, eine offene Online-Partie starten oder selbst einem Spiel beitreten.       

Schlag mich!

Wenn ich einem Kumpel dabei im Nahkampf die Rübe versohle und er die Attacke erwidert, tragen wir ein kurzes Duell aus. Das ist freilich reichlich sinnfrei, hat bis auf Trophäe und Gamerscore keinen echten Nutzen und dauert meist nur wenige Sekunden. Witzig ist es aber allemal. Falls wir uns länger miteinander anlegen wollten, könnten wir immerhin eine der Arenen betreten, in denen wir eine Runde klassisches Deathmatch austragen. Es ist sinnvoll, dass auch daran gedacht wurde! Mich konnten die simplen Arena-Kämpfe allerdings nicht lange begeistern.

Aber wie spielt es sich gemeinsam? Sind die Gefechte für Solisten etwa schwieriger, so dass Vierer-Trupps im Vorteil sind? Nein, ganz im Gegenteil sogar! Dafür sorgt das Spiel, indem es das Können aller Spieler zusammenrechnet und seine Welt mit entsprechend anspruchsvollen Widersachern bevölkert. Es legt den errechneten Spielerwert sogar recht großzügig aus, so dass größere Gruppen stellenweise alle Hände voll zu tun haben, obwohl sie sich durch dünn besiedeltes Gebiet bewegen. Borderlands setzt auf Teamwork - Spielern ohne Headset oder jenen, die sich einer unbekannten Gruppe anschließen, kann das glatt die Lust am Teamplay rauben. Ähnliches gilt für die Tatsache, dass nicht alle Teilnehmer dieselbe Beute erhalten, sondern die angebotene Belohnung fair teilen müssen, damit kein unschönes Wettrennen den Teamgedanken zunichte macht. PC- und PS3-Besitzern vergeht der Spaß übrigens schon deshalb schneller, weil sie mit einer verzögerten Umsetzung aller Eingaben rechnen müssen. Dieses Lag kann selbst den Kampf gegen einfache bewegliche Ziele zur Geduldsprobe machen - mich hat das immerhin so viele Nerven gekostet, dass ich auf Online-Gefechte auf PS3 und am Rechner verzichte. Am PC fehlt mir zudem eine Freundesliste, da Borderlands weder mit Games for Windows Live noch mit Steam zusammenarbeitet. Zwar darf ich mir im Spiel Freunde suchen, aber der Vorgang ist mühsig und wäre bei optionaler Anbindung an

Seltener Wandel

Ursprünglich sollte Borderlands aussehen wie andere Shooter: Schmutziger,düsterer, marsianischer. Doch Anfang dieses Jahres stellte Gearbox plötzlich einen neuen Comic-Look vor. Ein mutiger Schritt - der sich visuell aber bezahlt macht.

eine der bekannten Plattformen vermeidbar gewesen. Als Trostpflaster erkennt das Spiel zwar mein Xbox 360-Pad ohne Murren, aber unterm Strich erleben nur Xbox Live-Abenteurer, die sich taktisch absprechen, großartige Scharmützel! Was, auf allen Systemen, auch daran liegt, dass man angeschossenen Kameraden innerhalb eines großzügigen Zeitfensters zu Hilfe eilen kann.

Packender Todestanz

Und wer kommt Solisten zu Hilfe? Immerhin verzichtet Gearbox trotz des kooperativen Gedankens auf vom Spiel gesteuerte Helfer, so dass Einzelgänger ohne Gesellschaft unterwegs sind. Die Herausforderungen sind aber selbst dann stets zu meistern - zur Not hilft eben das Erledigen einer Hand voll Aufträge, bevor man eine knifflige Mission angeht. Doch was tun, wenn mich ein Bandit überrascht? Rumms! Wie aus dem Nichts schaltet eine elektronisch aufgeladene Granate meinen Schild ab, Sekunden später knie ich verwundet auf dem Boden. Eine Zeitleiste tickt unaufhaltsam, mir bleiben vielleicht 20 Sekunden. Kann ich mich vielleicht in Sicherheit bringen? Ich kann ja nicht einmal laufen!

Nein, so will ich nicht draufgehen. Einen erwische ich noch! Mühselig drehe ich meinen Körper um die eigene Achse, irgendwo stapft dieser klobige Schläger noch seine Runden. Plötzlich wird mir schwarz vor Augen, in wenigen Sekunden werde ich kaum noch etwas erkennen können. Da, ich habe ihn direkt im Visier! Ein Schuss trifft ihn direkt am Kopf, dann noch einer,  nachladen, noch ein Treffer - und auf einmal sackt der Riese in sich zusammen. Besser noch: Weil ich in dieser Phase einen Feind erledigt habe, werde ich

Böser Kerl. Leider passt er sich aber nicht der Erfahrungsstufe des Spielers an.

nicht zum letzten Checkpunkte teleportiert, sondern kann weitermachen. Wer es nicht mag, kann sich manuell teleportieren; alle anderen ringen in einem packenden Todeskampf ums Überleben!

Die wankelmütige Fauna

Einen Rüffel gibt's aber trotz der guten Inszenierung. Warum bekomme ich es einmal mit fast unmachbar schweren, ein anderes Mal mit geradezu popeligen Tieren oder Banditen zu tun? Es liegt daran, dass sich die Umwelt zwar relativ zur Stärke einer Gruppe ändert - der Grundwert für die Herausforderung eines Auftrags ist jedoch vorgegeben. Das ist gut, weil ich deutlich spüre, wieviel stärker ich mit jedem Stufenaufstieg gegenüber dem "Fußvolk" der ersten Stunden werde. Dem Erfüllen von Nebenmissionen kommt damit außerdem eine große Bedeutung zu, ohne bleibt manche Quest schlicht unlösbar. Es ist aber auch reichlich langweilig, wenn ich die Aufgaben, die ich bei meiner Online-Schatzsuche längst erledigt habe, in meinem Solo-Abenteuer noch einmal abklappern muss. Als wäre diese Doppelpackung nicht schon überflüssig genug: Wieso springen mich dann Mini-Monster an, die ich mit einem Atemhauch töten könnte? Immerhin habe ich online bereits einen riesigen Batzen zusätzlicher Erfahrung gesammelt - daran müssen die Entwickler doch denken, wenn sie Borderlands fürs kooperative Spiel zurechtschneiden. Sie könnten die Tierchen und Banditchen wenigstens in ihren Nestern lassen, wenn man denn schon durch maßlos unterlegene Lager schlendert. Eine andere Lösung wären dem Niveau der Spieler angepasste Gegner. Ein solches Vorgehen ist zwar ebenso berühmt wie berüchtigt, aber wenn sich schon alles um Action dreht, darf ausgerechnet die nicht langweilen!                    

Auch die Vielfalt der aggressiven "Ratten", "Fledermäuse", Gesetzlosen, "Spinnen" oder Außerirdischen hält sich auf Dauer in allzu engen Grenzen. Selbstverständlich begegnen mir sämtliche Widersacher in unterschiedlichen Ausführungen, es gibt hitzige Scharmützel gegen die haushohen "Bosse" jeder Rasse und nicht zuletzt entscheidet vor allem die Erfahrungsstufe meiner Feinde darüber, ob ich leichtes oder schweres Spiel mit ihnen habe. Etwa doppelt so viele Rassen hätten Pandora aber richtig gut gestanden. Es ist ohnehin symptomatisch für diesem Planeten: So sehr die hiesigen Wastelands auch dazu einladen, die Gedanken durch weitläufige Täler schweifen zu lassen und so stimmungsvoll einsam sich Streicher und Trommeln im fernen Horizont verlieren, so seelenlos wirken die Einwohner Pandoras.

Schädlicher Minimalismus

Dass ich in einem Action-Rollenspiel zum Selbstzweck einen Auftrag nach dem nächsten erledige, kann ich verstehen. Immerhin trägt gerade das unkomplizierte Anhäufen von Erfahrungspunkten viel dazu bei, dass ich selbst nachts um zwei "nur noch eine Mission" angehen will. Dass sämtliche Figuren aber die gesamte Zeit über starr am Fleck verweilen, sich noch dazu stark ähneln und neben dem Verteilen von Aufgaben so gut wie kein Wort mit mir wechseln, ist gerade vor dem visuell beeindruckenden Pandora einfach nicht zeitgemäß. Es ist nicht so, dass Gearbox nur das Nötigste tut, um eine Welt zu erschaffen - es ist vielmehr so, dass sie schon vorher, beim Erschaffen der Kulissen, damit aufgehört haben. Hier und da brauchten sie noch eine Pinnwand für noch mehr Missionen, dort stellen sie noch eine Art Einwohner ab und da drüben passt es ihnen ganz gut, dass ich zum tausendsten Mal einen umgekippten Roboter repariere.

Selbst größere Städte wirken deshalb wie verlassene Ruinen. Um sie herum mögen sich haushohe Müllberge türmen - abgefahren! Anderswo haben Banditen aus Blechpappe und anderen Metallresten einen Unterschlupf gezimmert, der an Megaton erinnert - cool! Irgendwo ragt eine gigantische, turmhohe Fördermaschine in den Himmel - beeindruckend! Aber ringsum herrscht gähnende Leere. In der Maschine dreht sich zwar ein großes Zahnrad, doch von außen ist sie tot. Bei den Banditen wird hingegen, Überraschung!, ausschließlich geballert und in den Städten begegnet mir kein Zivilist, von dem ich etwas über die eindrucksvolle Kulisse erfahren könnte. Hinzu kommen etliche Kleinigkeiten, in denen sich die Lieblosigkeit ihrer Erschaffer widerspiegelt: Alte Toiletten,

Eine großartige Kulisse - die leider nur als lebloses Gemälde dient.
in denen Munition lagert, sind z.B. einmal und mit Sicherheit auch beim zehnten Mal eine witzige Idee. Dass sich jemand in einem Container wohnlich einrichtet und ebenfalls Munition in seinem einzigen Klo versteckt, ist allerdings Blödsinn. Zugegeben: Es ist nicht ganz so idiotisch wie Schiffe, die im gerade mal knöcheltiefen Wasser stehen und unter Beschuss gut sichtbar bis aufs Segel versinken. Lasst sie doch wenigstens in die Luft fliegen! Und wieso gebe ich die für einen Auftraggeber gesammelten Artefakte eigentlich an einer Pinwand ab, wenn dort kein weit und breit niemand steht? Lasst mich einen solchen Auftrag doch einfach bei einer Person abliefern! Es muss ja kein Fallout sein. Aber es sollte sich wenigstens greifbar anfühlen.

Nicht einmal die Minimal-Geschichte um die Suche nach der mit Schätzen vollgestopften "Kammer" scheint Borderlands wirklich ernst zu nehmen. Tatsächlich würde es kaum auffallen, wenn es keine Handlung gäbe. Die besteht nämlich aus einem hübschen Gesicht mit wehenden Haaren, das mich aller paar Stunden dazu ermuntert, genau das zu machen, was mir die leblosen Auftraggeber ohnehin auftragen. Dabei wiederholen sich die immer gleichen Missionen wieder und wieder; ihr erzählerischer Wert geht gegen Null. Zu allem Überfluss gibt es auf Pandora - von Toiletten und anderen gewöhnlichen Behältern mal abgesehen - absolut nichts zu entdecken. Es gibt keine Bonus-Missionen, keine gut versteckte fette Waffe, und so lange ich die entsprechende Mission nicht angenommen habe, kann ich nicht einmal Tagebücher aufnehmen, die ganz offensichtlich vor mir liegen. Nein, abgesehen vom motivierenden Jagen und Sammeln gibt es nichts, aber auch gar nichts, dass mich weiter in die Wüste dieser Wastelands vordringen lässt. Hier werden so viele Kleinigkeiten so dermaßen lieblos abgehandelt, dass mir die verschwendeten Postkarten-Motive richtig leid tun.

Für PC-Jäger und -Sammler kommt übrigens hinzu, dass Borderlands auf manchen Systemen problemlos läuft, auf anderen aber die obere und untere Bildhälfte beim Heben bzw. Senken des Blicks deutlich sichtbar auseinander reißt. Gelegentlich kommen zudem Abstürze hinzu - der Neustart hält dank der nicht abbrechbaren Logos umso mehr auf.  

Teuflischer Steinschlag

Das Jagen und das Sammeln, der Shooter und das Action-Rollenspiel: Sie waren immerhin genug, um unser Team immer tiefer in die Wüste zu schicken. Bis zu zwei Vehikel stehen uns dafür zur Verfügung - die wuchtigen Buggys kann man an entsprechenden Stationen kostenfrei "spawnen". Höchsten zwei Leute nehmen dann in einem Fahrzeug Platz: einer im Cockpit, der andere je nach Buggymodell am Raketenwerfer oder Maschinengewehr. Unheimlich praktisch find ich den Kniff,

Auch die Banditen nutzen Fahrzeuge. Für treffsichere Schützen sollten diese aber kein Problem darstellen.
sich von jeder Station aus in jedes bereits irgendwo fahrende Vehikel zu teleportieren. Wir hatten unseren Wagen z.B. direkt neben einem Bosskampf geparkt. So konnten wir den Weg von der Station zum Gefecht nach unserem leider häufigen Ableben um wertvolle Sekunden verkürzen. Nur eine ständig sichtbare Karte am Bildschirmrand hätte der allgemeinen Übersicht viel Gutes getan. Ich wünschte außerdem, die Fahrzeuge würden sich wie schwere Maschinen verhalten, anstatt schon nach harmlosen Berührungen einfach umzukippen. Was Liebe zum Detail angeht, wünschte ich außerdem, Lilith und ihr Team würden nicht an etlichen flachen Steinen oder Metallplatten hängen bleiben.

Wem die Fahrzeuge nicht schnell genug sind, der nutzt übrigens den unmittelbaren Transport von jeder der genannten New-U-Stationen zu jeder anderen ihrer Art. Der außerirdische Planet ist nämlich nicht frei begehbar wie Grand Theft Auto oder Red Faction: Guerilla. Vielmehr ist Pandora in viele kleine und große Gebiete aufgeteilt, die durch Ladebildschirme voneinander getrennt sind. Nach jedem Gebietswechsel brauchen die Wastelands dabei einige Sekunden, bis sie sich in ihrer ganzen Pracht zeigen - die detaillierten Texturen werden erst sehr spät geladen. Und da man vor allem für spätere Aufgaben häufig drei Areale durchqueren muss, verdient die Schnellreise ihren Namen völlig zu Recht.

Don't do it yourself!

Weniger komfortabel gelingt den Entwicklern die Menüführung, denn obwohl ich jederzeit die an Automaten erhältlichen Waffen mit meinem Eigentum vergleichen kann, wandert der Analogstick nach spätestens 20 Stunden etwas zu oft von oben nach unten und von links nach rechts. Auch weil mir die kleinen Symbole den Typ einer gewählten Waffe nicht auf den ersten Blick verraten, verliere ich mich deshalb oft in der schieren Masse an Schießeisen, die sich äußerlich naturgemäß wenig unterscheiden. An einigen wichtigen Stellen fehlt zudem die Typenbezeichnung und im Verkaufsmenü die gerade dort sehr wichtige Möglichkeit des Vergleichens: Beim Umfang mit den zahlreichen Gegenständen, deren Sammeln immerhin ein Kernelement des Spiels ist, vermisse ich einfach den nötigen Feinschliff. Praktisch sind hingegen kurze Meldungen, die mich ebenso auf neue Gegenstände an den Automaten hinweisen wie sie mich auf hinzu gekommene Missionen aufmerksam machen.

Und so zogen die Stunden ins Land. Manchmal war ich stundenlang mit meiner Lieblingswumme unterwegs. Herrlich, wie befriedigend es sein kann, wenn man "seiner" Waffe für Stunden die Treue halten kann! Bis eine neue, eine viel bessere kommt...

Übrigens

Ihr habt ausreichend Platz auf der Festplatte eurer Xbox 360? Eine Installation lohnt sich - die Ladezeiten werden dadurch ungefähr halbiert. Auf PS3 ist die Installation von 2GB hingegen Pflicht. Umso ärgerlicher ist es aber, dass ich nicht selbst Hand an Kolben, Lauf und Zielfernrohr legen kann, weil mir Borderlands keinerlei Möglichkeit zum Modifizieren bietet. Die einzige Ausnahme ist der Kauf größerer Munitionsgürtel für alle Waffentypen. Ausgerechnet hier frage ich mich allerdings, weshalb ich das letzte Upgrade kaufen soll, wenn mir die Munition schon seit zwei Tagen nicht mehr ausgegangen ist. Das Verwalten der Ausrüstung hat Gearbox einfach nicht zu Ende gedacht.

Nicht einmal in die Nähe des Endes wurde die Menüführung gedacht, wenn zwei Schatzsucher vor dem geteilten Bildschirm Platz nehmen: Dass sie dann nicht gleichzeitig online spielen dürfen, ist sicherlich das größere Ärgernis. Dass sie auf dem kleineren Blickfeld jedoch auch dasselbe Menü vorgesetzt bekommen wie Solisten, macht deutlich, wie nebensächlich den Entwicklern die Splitscreen-Variante scheinbar war. Das ständige und unübersichtliche Hin- und Herscrollen des Menüs über den rechten Analogstick, hätte man mit kleinen Anpassungen jedenfalls leicht vermeiden können. Unterm Strich bleibt hier wie auch sonst das Gefühl, dass Gearbox zwar ein motivierendes Action-Rollenspiel mit einem packenden Ego-Shooter paaren - aber noch nicht darüber hinaus gehen konnte.        

Fazit

Ich war als Einzelgänger unterwegs, wir sind zu zweit losgezogen, haben Pandora im Trio unsicher gemacht und waren als Quartett unterwegs: Wer auf der Suche nach dem außerirdischen Schatz ist, erlebt packende Action. Das gilt sowohl für Solo-Abenteurer als auch für Online-Spieler - nur mit dem dauerhaften Online-Lag der PC- und PS3-Versionen verging mir schnell die Lust aufs Spiel im Internet. Die PC-Version wird zudem je nach Rechner von starkem Tearing geplagt. Gewehrkugeln hallen zu leisen Streichern über den Sand, Raketen schlagen donnernd in Geschütztürme ein, Schrot kracht in Metall - Borderlands ist Ego-Shooter mit Leib und Seele! Man kämpft sich durch verrostete Fabrikanlagen, liefert sich Duelle über weite Distanzen und legt sich mit haushohen Tieren an. Spätestens, wenn sich ein gigantischer "Abfallhügel" erhebt, aus dem Dutzende Riesenfledermäuse flattern, blickt man gebannt auf den schön gezeichneten Comic-Planeten. Borderlands ist aber auch ein reinrassiges Action-Rollenspiel: Mir fehlen zwar individuelle Charaktere, doch dafür gibt es eine relativ offene Charakter-Entwicklung. Die grundlegende Mechanik beider Genres funktioniert fehlerfrei - von Kleinigkeiten bei der Menüführung sowie dem stark eingeschränkten Verbessern der eigenen Ausrüstung einmal abgesehen. Aber Borderlands tut nichts, absolut gar nichts, um mich auch emotional zu packen. Es erzählt weder eine unterhaltsame Geschichte noch inszeniert es eine lebendige Spielwelt. Vor allem das schrecklich monotone Abklappern der immer gleichen Aufträge ist eine echte Spaßbremse. Hinzu kommen echte Faupax' wie das plumpe Versinken ganzer Schiffe im Erdboden und spielerische Stolpersteine wie das ermüdende Abgrasen bereits gelöster Aufträge oder Langeweile, weil sich die Gegner nicht meinem Charakter anpassen. Borderlands darf sich rühmen, die erste wirklich nahtlose Symbiose zwischen Ego-Shooter und Action-Rollenspiel gestemmt zu haben. Schade nur, dass es sowohl spielerisch als auch erzählerisch so viel Luft nach oben lässt!

Zur Borderlands-Komplettlösung!

Pro

motivierende Hatz nach neuer Ausrüstung und dem Stufenaufstieg
knackige Feuergefechte, sinnvolle Kritische Treffer
Verhindern vieler Bildschirmtode in letzter Minute
Waffenfertigkeiten werden unabhängig von Charakterentwicklung gesteigert
 erstklassige Atmosphäre erinnert an Fallout
sehr stimmungsvoller Soundtrack
jederzeit mögliches Onlinespiel bis zu viert
Schnellreise-System verhindert frustrierend lange Wege
"Zurückspulen" der Charakterentwicklung gegen Gebühr
Hinweise auf neue Missionen und Ausrüstung in Shops
verkaufte Waffen können zurückgekauft werden

Kontra

monotones Abklappern immer gleicher Aufträge
keine Charakterköpfe, keine nennenswerte Handlung
Kulissen wirken tot, nur zum Selbstzweck aufgestellt
vorgegebene Figuren statt selbst erstellter Charaktere
jederzeit sichtbare Minikarte fehlt
Missionsfortschritt in „fremden“ Koop-Spielen wird nicht gespeichert
kein Vergelich von Gegenständen beim Verkauf
unübersichtliches Menü-Verschieben auf geteiltem Bildschirm
kein gleichzeitiges Splitscreen
und Online-Spiel
ständiges Lag macht sorgenfreies Online-Spiel schwierig (PC & PS3)
je nach System starkes Tearing (PC)

Wertung

360

Eine gelungene Symbiose von Ego-Shooter und Action-Rollenspiel - der eine lebendige Welt ebenso fehlt wie abwechslungsreiche Missionen.

PC

Kooperative Schatzsuche mit Verzögerung: Auch PC-Abenteurer kämpfen gegen das ständige Online-Lag.

PlayStation3

Obwohl inhaltsgleich zur Xbox 360-Version, leidet die PS3-Fassung unter ständigen Verzögerungen im Online-Spiel. Ausgerechnet das tolle Teamspiel leidet deshalb spürbar.

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